Glass Animals
„Dreamland“
(Polydor)
Natürlich lässt man eine solche Geschichte, wie sie gerade in vielen Zeitungen (so unter anderem im britischen Independent) zu lesen ist, nicht einfach liegen. Zumal Sänger Dave Baley von den Glass Animals ohnehin so dreinblickt, dass man ihm jede Story abkauft. Vor zwei Jahren jedenfalls ist Banddrummer und Sandkastenbuddy Joe Seaward in Dublin mit seinem Fahrrad ziemlich böse unter die Räder gekommen, langwierige Untersuchungen, zähe Klinikaufenthalte folgten und während der eine Freund beim anderen am Krankenbett saß und versuchte, halbwegs zuversichtlich nach vorn zu schauen (Baley studierte zu dieser Zeit passenderweise Neurowissenschaften), wuchsen auch nach und nach die Ideen zum vorliegenden Album. Und die waren nicht immer so locker entspannt wie mancher Track auf „Dreamland“ klingt und der Titel suggerieren mag.
Im Vergleich zu den beiden ebenfalls hochgelobten Vorgängern „ZABA“ (2014) und „How To Be A Human Being“ (2016) ist die aktuelle Platte deutlich autobiographischer gefärbt, Kindheits- und Jugenderinnerungen des mittlerweile Dreißigjährigen, zuweilen getaucht ins milde Licht der Melancholie, bilden größtenteils die Textur für die sechszehn Stücke und nicht wenige künden von Unsicherheit, Schmerz und Zurückweisung. „You don’t realise until later how dark it all is“, gestand er in besagtem Artikel – Genderprobleme und die Schwierigkeit, männlichen Idealen resp. Klischees zu entsprechen, all das kommt in den Songs zur Sprache, findet dort seine lyrische Entsprechung. Und weil Baley schon damals die Musik, vorerst nur als staunender Zuhörer, noch nicht als Künstler selbst, als Zuflucht entdeckte, sind wohl auch seine Kompositionen so erstaunlich wandelbar geraten.
Von Beginn an waren die Glass Animals eine Band, die konsequent so viel wie möglich ausprobieren wollte. Und die das jetzt, auf dem dritten Album, nahezu zur Perfektion gebracht hat. Denn „Dreamland“ ist ein wunderbares, schimmerndes und vibrierendes Stück Pop geworden, auf dem alles Platz hat: Fette Beats aus der Timbaland-/Timberlake-Ära, schmeichelnde Softness, fanfarenartige Bläsersätze, Trip-Hop, Electrofolk, Bossa-Nova-Rhythmen und sogar die Grime-Raps von Gaststar Denzel Curry („Tokyo Drifting“) stehen hier nebeneinander und nichts davon wirkt zu viel oder überambitioniert. Und so – Hitfutter en masse: „Space Ghost Coast To Coast“, „Waterfalls Coming Out Of Your Mouth“, die feine Single „Heatwave“ und nicht zu vergessen das im Wortsinn herzzerreißende „It’s All So Incredibly Loud“. So wie Baley hier dem Unabänderlichen nachspürt, das unbedachte Wort anzurichten vermögen, hat das lange keiner mehr gemacht. Kluge Musik für zarte Nerven.
06.05. Berlin, Columbiahalle
07.05. Köln, Live Music Hall
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