Und dann doch mal einen Schwenk ins herbstliche Deutschland: Wem zwei der vier Herren auf dem Bild bekannt vorkommen, der muss keinesfalls hektisch den Beipackzettel aus der Medikamentenpackung reißen und nochmals studieren, denn unter dem Namen The Düsseldorf Düsterboys firmiert tatsächlich ein Zweitprojekt von Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti, aufmerksamen Lesern bestens bekannt als Mitglieder der Essener Band International Music (mit ihrem wunderbaren Album "Die besten Jahre"). Zusammen mit Edis Ludwig und Fabian Neubauer haben sie nun ihr Debütalbum "Nenn mich Musik" bei Staatsakt angekündigt, produziert hat Olaf O.P.A.L., erscheinen soll es am 25. Oktober. Und natürlich versammelt es eine ganze Reihe älterer Stücke, die im Laufe der Jahre vor oder zugleich mit IM zusammengekommen sind - so auch "Teneriffa" von 2017, hier zu hören/sehen in der Düstergirl-Version.
Update: Gibt es das - Schlager-Doom? The Düsseldorf Düsterboys jedenfalls sind mit "Oh, Mama" in dieser noch sehr jungen Sparte schon jetzt das Maß aller Dinge.
12.11. Berlin, Privatclub
13.11. Hamburg, Aalhaus
17.11. Leipzig, Transcentruy Update
19.11. Mainz, Schon Schön
20.11. Oberhausen, Druckluft
21.11. Köln, Bumann und& Sohn
22.11. Dortmund, Rekorder
23.11. Wuppertal, Die Börse
26.11. Krefeld, AStA Keller
27.11. Wetzlar, Franzis
28.11. Wiesbaden, Schlachthof (w/ Voodoo Jürgens)
14.01. Freiburg, The Great Räng Teng Teng
15.01. St. Gallen, Folk Cafe
17.01. München, Heppel und Ettlich
18.01. Karlsruhe, Kohi
22.01. Düdingen, Bad Bonn
23.01. Augsburg, Lamm
24.01. Ingolstadt, Neue Welt
25.01. Bayreuth, Glashaus
26.01. Jena, Cafe Wagner
29.01. Dresden, Ostpol
30.01. Rostock, Helgas Stadtpalast
31.01. Magdeburg, Moritzhof
01.02. Bremen, Lagerhaus (Etage 3)
Montag, 30. September 2019
Sonntag, 29. September 2019
Broken Bells: Mehr von dem Zeug
Wieder mal etwas, was quasi als Alleinstellungsmerkmal beginnt und sich hoffentlich in naher Zukunft zu einem großen Ganzen auswächst: Die Broken Bells, also James Mercer (The Shins) und Produzent Danger Mouse, zuletzt im Jahr 2014 mit einem Studioalbum namens "After The Disco" im Gespräch, haben eine sogenannte Standalone-Single veröffentlicht. "Good Luck", so heißt der Track, hat einen unwiderstehlichen Groove und sanfte Vocals, ähnliches haben die beiden Herren ja schon Ende 2018 mit dem Stück "Shelter" abgeliefert, dennoch möchte eigentlich sofort noch viel mehr von dem Zeug haben. Nun, kann ja noch kommen, wir müssen halt geduldig bleiben.
Donnerstag, 26. September 2019
Josienne Clarke: Sturmerprobt
Ganz sicher gibt es von dieser Frau schmeichelhaftere Bilder als dieses hier zu finden, wohl keines davon vermag aber so gut wiederzugeben, mit wem wir es zu tun haben. Josienne Clarke, die gerade die Veröffentlichung ihres Debütalbums "In All Weather" via Rough Trade bekanntgegeben hat, ist nicht die Art von glattgebügeltem Möchtegernsternchen, sie scheut sich ihrer Widersprüche und Kanten nicht und hat deshalb zum Titel des Albums im Speziellen und dem Leben im Allgemeinen folgende Meinung: “Learning to sail in all weather, the line from which the album title comes, is what we are all trying to do. To right ourselves when things feel turbulent and uncertain. How to correct your course and stay true to the things you believe and need and let all the rest go”, so erzählt sie dem Netzportal CLASH, und weiter: “These are not love songs, these are life songs; life lines to save me from sinking. Each one a hard-won lesson in how not to do things next time. It’s a manifesto of how to leave and how to change.” Die junge Schottin hat in ihrer noch recht kurzen Karriere schon reichlich Lob eingefahren, das American Songwriter Magazine kührte sie 2016 zu Songwriterin des Jahres, in Cerys Matthews (Catatonia, jetzt auch BBC) hat sie eine leidenschaftliche Fürsprecherin gefunden und hört man sich den ersten Song von der neuen Platte "If I Didn't Mind" an, dann weiß man auch, dass dies alles nicht ohne Grund passiert. Einem besorgten Fan, der das obige Foto mit dem Hinweis kommentierte, sie sähe darauf ziemlich gestresst aus, antwortete Clarke im Übrigen recht forsch: "Music is stressful, you put parts of yourself in to the public domain for people to judge and comment on. I'm not afraid of wearing some of that on the outside."
The KVB: In guter Erinnerung
Okay, wir geben ja zu, dass wir in Sachen Synthpop oder auch -wave in letzter Zeit nicht mehr so häufig unterwegs waren, Boy Harsher waren da schon eher die Ausnahme und wäre dieser Tage nicht das phänomenale Urerweckungswerk von Fad Gadget in der Mute-Sammelversion hereingschneit, wir hätten selbst ihn, den Großen, kurz vergessen. Nun, Gelegenheit, etwas Boden wieder gut zu machen bietet das Londoner Duo The KVB. Im vergangenen Jahr haben Nicholas Wood und Kat Day ihr letztes Studioalbum "Only Now Forever" veröffentlicht und mit diesem touren die beiden in Kürze durch die USA. Damit das allerdings nicht allzu vorhersehbar wird, gibt es am 4. Oktober bei Invada Records noch eine 5-Track-EP mit dem Titel "Submersion" obendrauf, via Brooklyn Vegan präsentieren wir hier den Titelsong.
Von Wegen Lisbeth: Parallelschaltung [Update]
Von Wegen Lisbeth
„sweetlilly93@hotmail.com“
(Columbia/Sony)
Eine repräsentative Auswahl der gängigen Urteile gefällig? „Musikalisch ist das zu simpel gestrickt“ – „Das wird sich schnell verbrauchen“ – „Eine klare politische Haltung kann man da leider nicht raushören – „Nicht mehr als brave Studimucke“ – „So was spiel ich besser mal meinen Kindern vor“ – „Hier rein, da wieder raus“ usw. Da möchte man sinngemäß den großen Meister Luke Skywalker zitieren: „Erstaunlich, alles was hier geschrieben steht, ist falsch.“ Vornweg – wer die Berliner Band Von Wegen Lisbeth mit ihrem Debüt „Grande“ nicht mochte, wird jetzt kein neuer Jünger werden. Denn Matthias Rohde und Freunde haben nichts Wesentliches an ihrem Konzept geändert, die Wiederholung des Erfolges sollte aber allein deshalb klappen, weil ebenjener Erstling schon so abgenutzt im CD-Fach trudelt (eine ähnlich bildhafte Umschreibung ist leider für die Spotify-Playlist nicht zu haben), dass es dringend eines Nachschubs bedarf. Denn das war ja das einzige wirkliche Manko der Songs, daß sie sich so schnell und hartnäckig im Gedächtnis festhakten, jeden Algorithmus dominierten, immer und überall mitgesummt und -gesungen wurden, dass man sie irgendwann nicht mehr hören wollte.
Diesen GAU aber, also die Größte Anzunehmende Ungerechtigkeit, hatten Rohdes Lieder so gar nicht verdient, denn es gehört sehr wohl eine große Kunstfertigkeit dazu, solche Dauerbrenner (biologisches Hilfswort: Ohrwürmer) zu schreiben und das noch in dieser Menge. Die angebliche Simplizität, noch dazu unter Zuhilfenahme frühkindlicher Klangkörper wie Triola und Xylophon, erweist sich dann eben doch als wohldurchdachte Struktur, als initialzündende Parallelschaltung von Kopf, Bauch, Herz und Beinen, die einen zustimmend lächeln, laut singen, ausgelassen tanzen läßt und zugleich ein Wohlgefühl erzeugt, das nicht oft zu finden ist in diesen Tagen. Und die politische Komponente? Nun, Rohde ist kein Punk, kein Proklamierer und Marktschreier, eher piesackt er einen mit seiner spitzen Ironie, seinen kleinen Bildern und klugen Reimen, lieber schaut er, ob er verschlossene Türen auch mit Klinke oder Schlüssel aufbekommt, als sie gleich mit viel Krawall einzutreten. Die nachhaltigere Wirkung sollte auf seiner Seite sein – eine ernsthafte Haltung, eine Verbindlichkeit bleibt es ohnehin.
Und das eben auch auf der neuen Platte. Wieder tummeln sich neben feinen Melodien und Soundeffekten eine Vielzahl liebenswürdiger Songideen, wieder wird Allzumenschlichem der berüchtigte Spiegel vorgehalten: Da ist die ewige Eifersucht, die hinter jeder winzigen Geste, hinter jedem Wort den boshaften Betrug aufblitzen sieht („Lieferandomann“), da ist die Blauäugigkeit, mit der wir uns nicht selten durch den (digitalen) Alltag bewegen („Alexa, gib mir mein Geld zurück“) und natürlich die Liebe – die enttäuschte, die schmerzende, die rauschhafte, die zerstörerische. Rohde reiht seine Lebensweisheiten wie Perlen auf den roten Faden (puh!), stößt Verwünschungen aus, macht kaputt, was ihn kaputtmacht, verpackt blitzgescheite Verse gegen die Gentrifizierung in ein rührendes Geständnis („Westkreuz“) oder bleibt einfach sprachlos zurück in der Stille nach dem Schluß. Er ist ein guter, ein aufmerksamer Beobachter geblieben, der wunderbar unterhalten kann, vielleicht ist er auf diesem Album sogar – Achtung: schwierige, weil anmaßende Behauptung – noch ein Stück reifer geworden, zumindest klingt es so. Und dass „Sweet Lilly“ nicht so süß ist wie angenommen, macht einen dann wirklich etwas traurig – geantwortet hat sie leider bis heute nicht … https://www.vonwegenlisbeth.de/
Update: Frisch aus der Ideenwerkstatt - hier kommt das Video zu "Alexa gib mir mein Geld zurück".
„sweetlilly93@hotmail.com“
(Columbia/Sony)
Eine repräsentative Auswahl der gängigen Urteile gefällig? „Musikalisch ist das zu simpel gestrickt“ – „Das wird sich schnell verbrauchen“ – „Eine klare politische Haltung kann man da leider nicht raushören – „Nicht mehr als brave Studimucke“ – „So was spiel ich besser mal meinen Kindern vor“ – „Hier rein, da wieder raus“ usw. Da möchte man sinngemäß den großen Meister Luke Skywalker zitieren: „Erstaunlich, alles was hier geschrieben steht, ist falsch.“ Vornweg – wer die Berliner Band Von Wegen Lisbeth mit ihrem Debüt „Grande“ nicht mochte, wird jetzt kein neuer Jünger werden. Denn Matthias Rohde und Freunde haben nichts Wesentliches an ihrem Konzept geändert, die Wiederholung des Erfolges sollte aber allein deshalb klappen, weil ebenjener Erstling schon so abgenutzt im CD-Fach trudelt (eine ähnlich bildhafte Umschreibung ist leider für die Spotify-Playlist nicht zu haben), dass es dringend eines Nachschubs bedarf. Denn das war ja das einzige wirkliche Manko der Songs, daß sie sich so schnell und hartnäckig im Gedächtnis festhakten, jeden Algorithmus dominierten, immer und überall mitgesummt und -gesungen wurden, dass man sie irgendwann nicht mehr hören wollte.
Diesen GAU aber, also die Größte Anzunehmende Ungerechtigkeit, hatten Rohdes Lieder so gar nicht verdient, denn es gehört sehr wohl eine große Kunstfertigkeit dazu, solche Dauerbrenner (biologisches Hilfswort: Ohrwürmer) zu schreiben und das noch in dieser Menge. Die angebliche Simplizität, noch dazu unter Zuhilfenahme frühkindlicher Klangkörper wie Triola und Xylophon, erweist sich dann eben doch als wohldurchdachte Struktur, als initialzündende Parallelschaltung von Kopf, Bauch, Herz und Beinen, die einen zustimmend lächeln, laut singen, ausgelassen tanzen läßt und zugleich ein Wohlgefühl erzeugt, das nicht oft zu finden ist in diesen Tagen. Und die politische Komponente? Nun, Rohde ist kein Punk, kein Proklamierer und Marktschreier, eher piesackt er einen mit seiner spitzen Ironie, seinen kleinen Bildern und klugen Reimen, lieber schaut er, ob er verschlossene Türen auch mit Klinke oder Schlüssel aufbekommt, als sie gleich mit viel Krawall einzutreten. Die nachhaltigere Wirkung sollte auf seiner Seite sein – eine ernsthafte Haltung, eine Verbindlichkeit bleibt es ohnehin.
Und das eben auch auf der neuen Platte. Wieder tummeln sich neben feinen Melodien und Soundeffekten eine Vielzahl liebenswürdiger Songideen, wieder wird Allzumenschlichem der berüchtigte Spiegel vorgehalten: Da ist die ewige Eifersucht, die hinter jeder winzigen Geste, hinter jedem Wort den boshaften Betrug aufblitzen sieht („Lieferandomann“), da ist die Blauäugigkeit, mit der wir uns nicht selten durch den (digitalen) Alltag bewegen („Alexa, gib mir mein Geld zurück“) und natürlich die Liebe – die enttäuschte, die schmerzende, die rauschhafte, die zerstörerische. Rohde reiht seine Lebensweisheiten wie Perlen auf den roten Faden (puh!), stößt Verwünschungen aus, macht kaputt, was ihn kaputtmacht, verpackt blitzgescheite Verse gegen die Gentrifizierung in ein rührendes Geständnis („Westkreuz“) oder bleibt einfach sprachlos zurück in der Stille nach dem Schluß. Er ist ein guter, ein aufmerksamer Beobachter geblieben, der wunderbar unterhalten kann, vielleicht ist er auf diesem Album sogar – Achtung: schwierige, weil anmaßende Behauptung – noch ein Stück reifer geworden, zumindest klingt es so. Und dass „Sweet Lilly“ nicht so süß ist wie angenommen, macht einen dann wirklich etwas traurig – geantwortet hat sie leider bis heute nicht … https://www.vonwegenlisbeth.de/
Update: Frisch aus der Ideenwerkstatt - hier kommt das Video zu "Alexa gib mir mein Geld zurück".
Smoke Fairies: Erfüllte Hoffnungen
Dass Schulfreundschaften etwas besonderes sind, werden all diejenigen bestätigen können, die heute, in gesetztem Alter, noch welche vorweisen können. Die Gewissheit, gemeinsam und verschworen durch Pubertät, Sinnkrisen, erste Liebe, erste Trennung gegangen zu sein, schweisst mächtig zusammen und hält wohl deshalb auch danach einiges mehr aus. Ähnliches haben auch Katherine Blamire und Jessica Davies im englischen Chichester erlebt, auch sie haben eine gemeinsame Vergangenheit, die auf solch einer frühen Verbundenheit beruht. Und irgendwann in der Band Smoke Fairies ein Stück weit Erfüllung fand. 2006 erschien ihr erstes Album, der bluesige Folkpop hat sich seither in viele Herzen geschlichen und auch wenn sie nach einigen Platten länger Pause machten, gab es doch immer die Hoffnung, sie würden sich wieder aufmachen. Nun, diese werden wohl jetzt erfüllt, denn gerade ist ein erster neuer Song erschienen - passenderweise heißt er "Disconnect" und klingt, als wäre die Verbindung niemals gekappt gewesen. Im Januar, man mag es nicht glauben, kommt das dazugehörige Album mit dem Titel "Darkness Brings The Wonders Home".
Mittwoch, 25. September 2019
Just Mustard: Mit gutem Beispiel voran
Lobenswertes über irische Songschreiberqualitäten zu verfassen zählt momentan eher zu den einfachen Übungen, schließlich gibt es genügend Beispiele dafür, dass die Insel wieder in alter Tradition junge, vielversprechende Bands hervorzubringen in der Lage ist, eine Qualität, die fast vergessen schien. Nun, in der Aufzählung müssen in jedem Falle auch Just Mustard erwähnt werden - das Quintett aus Dundalk war hier mit seinem Debüt "Wednesday" von der Partie, danach gab's nach kleiner Pause neue Stücke und nun kommt mit "Seven" das nächste daher. Dazu gibt's ein spooky Video unter der Regie von Graham Patterson, David Noonan und KT Ball und die Hoffnung, dass wir bis zur nächsten Platte nicht allzu lange warten müssen.
Deichkind: Kaputte Dinge
Tja, und wer sich gefragt hat, ob es noch besser geht bei Deichkind, noch klarer, noch unmissverständlicher - aber bitteschön: Hier kommt "Dinge". Auch vom neuen Album "Wer sagt denn das?", Veröffentlichung am Freitag. Der Clip ist gelinde gesagt - aber das war ohnehin nicht anders zu erwarten - der Hammer, alles fliegt, alles kracht, der Eidinger ist (falls ihn jemand vermißt hat) natürlich dabei, Miley Cyrus oder besser Boris der Becker auf dem "Wrecking Ball" und ein paar versteckte Botschaften. Deichkind eben, ganz feine Sache.
Kim Gordon: Zunehmende Vervielfältigung [Update]
Dass sie uns wieder einmal überrascht, ist nun wahrlich keine Überraschung: Mit den Jahren hat man mittlerweile ja fast Mühe, Kim Gordon noch als Teil einer ehemals kultisch verehrten Band zu erinnern - ja, sie war mal Bassistin und Sängerin bei der No-Wave-Kapelle Sonic Youth, und ja, sie war verdammt gut bei dem, was sie dort tat. Aber mehr und mehr scheint es, als wäre sie dort eingezwängt gewesen als das "Girl in a Band" (Titel ihrer Autobiografie), seit ihrem Ausstieg und dem Bruch mit Ehemann und Bandgefährten Thurston Moore hat sich Gordon quasi vervielfältigt, wie bei einem weit ausgeklappten Fächer werden Mal um Mal neue Facetten ihrer künstlerischen Persönlichkeit sichtbar. Malerin, Skulpturistin, Schauspielerin, Modeschöpferin und natürlich immer noch Musikerin, Kim Gordons Oevre wächst stetig an. Gerade erst hat sie im Irisch Museum of Modern Art in Dublin ihre Schau "She Bites Her Tender Mind" eröffnet, nun kommt sie mit der Nachricht der Veröffentlichung ihrer ersten Soloplatte. Was auf den ersten Blick etwas eigenartig klingt, weil sie ja mit vielen KünstlerInnen, seien es Bill Nace, Peaches, J Mascis, Steve Gunn, Stephen Malkmus oder Alex Knost schon zusammengearbeitet hat, nur eben allein und unter ihrem Klarnamen war bislang nur der Song "Murdered Out" (2016) von ihr erschienen. Nun also ein komplettes Album, "No Home Record" wird am 11. Oktober mit neun Stücken bei Matador erscheinen, produziert hat Justin Raisen (Charli XCX, Sky Ferreira, Ariel Pink). Die erste Single "Sketch Artist" kommt mit einem Video unter Regie von Loretta Fahrenholz, hier wirkt Gordon wie die Frau mit dem bösen Blick, der Sound ist pure noise aus der Maschine, von Gitarren keine Spur. Großartig! https://kimaltheagordon.com/
Update: Hier ist "Air BnB", der zweite Cut vom neuen Album - just made for you to proof your imagination ... Und auch der Clip zu "Paprika Pony", gedreht unter Regie von Loretta Fahrenholz, ist besonders, das kurze Stück selbst möchte man fast kontemplativ nennen.
Update: Hier ist "Air BnB", der zweite Cut vom neuen Album - just made for you to proof your imagination ... Und auch der Clip zu "Paprika Pony", gedreht unter Regie von Loretta Fahrenholz, ist besonders, das kurze Stück selbst möchte man fast kontemplativ nennen.
Dienstag, 24. September 2019
Nick Cave and the Bad Seeds: Richtig schnell
Okay, das geht dann mal richtig schnell: Die Gerüchte gab es seit einigen Tagen, nun läßt Nick Cave die Katze aus dem Sack und kündigt eine neue Platte zusammen mit den Bad Seeds schon für die kommende Woche an. Die elf neuen Stücke werden sich unter dem Titel "Ghosteen" versammeln - das letzte Studiowerk "Skeleton Tree" des Australiers erschien 2016, danach gab es reichlich Liveperformances, Best-Of-Sammlungen und Filmmusiken. Auf seiner Netzseite The Red Hand Files gibt Cave die Auskunft, dass es sich bei der neuen Arbeit um ein Doppelalbum handeln wird, acht Songs im ersten Teil, zwei längere, verbunden mit einer Spoken Word Performance im zweiten. Hinzu kommt die kurze Erklärung: "The songs on the first album are the children. The songs on the second album are their parents. Ghosteen is a migrating spirit." In vorläufiger Ermangelung neuen Materials hier eine Liveversion von "Into My Arms" (No More Shall We Part) aus Kopenhagen.
Kal Marks: Ganz der Alte [Update]
Weiter geht es zu diesen drei ziemlich lauten Burschen nach Boston, die wir hier schon 2016 notiert hatten: Carl Shane (Lead Gitarre, Vocals), Michael Geacone (Bass) und Alex Audette (Drums) machen seit 2011 - in diesem Jahr erschien ihr Debüt "Goodbye Horses" - gemeinsam unter dem Namen Kal Marks Musik und ihre Ansichten sind den Ideen des graubärtigen Revolutionärs, der im Namen der Band verklausuliert ist, wahrscheinlich nicht so weit entfernt: "There’s many problems in this world but the Earth should be number one right now", so Carl Shane in seinen eigenen Worten, "but there’s a lot of old greedy fuckers that won't change or die out. Maybe the human race is actually a virus, and it’s hopeless. I really wish that it’s not.” Die EP, von welcher die beiden hier vorgestellten Stücke "Head's Been Ringing" und "Science Is Science" stammen, heißt dann passenderweise auch gleich "Let The Shit House Burn Down" und wird am 27. September erscheinen.
Update: Das klingt ganz besonders böse und meint: Hervorragend! Die neue Single "Kimmy" von Kal Marks ist ein mächtiges Pfund.
Update: Das klingt ganz besonders böse und meint: Hervorragend! Die neue Single "Kimmy" von Kal Marks ist ein mächtiges Pfund.
Sonntag, 22. September 2019
These New South Whales: Sein Wille geschehe
Da fällt einem gleich das lustige Tourtagebuch ein, das die Band ihren Fans als Dokumentation aufgenommen hat - die australische Kombo These New South Whales liebt das Entertainment. Ob sie diese Tradition auf ihrem neuen Album fortsetzen, hängt ein wenig von dem Herrn da droben ab, denn die Platte wird den Titel tragen "I Just Do What God Tells Me To Do". Für das Video zur ersten Single "In The Light Of The Day" jedenfalls gings erst mal ins Boxgym, Sänger Jamie Timony ist selbst Hobbyfaustkämpfer und konnte seinen Trainer dazu überreden, die Halle für die Dreharbeiten zur Verfügung zu stellen.
Samstag, 21. September 2019
Great Grandpa: Eher unfreiwillig
Man weiß jetzt nicht, wie genau die Band Great Grandpa zu solchen Parallelen steht, aber hört man sich den Chorus ihrer aktuellen Single "Digger" an, mit der sie wohl vor allem in Norddeutschland punkten können (haha), dann ist man gedanklich doch schnell bei der schmerzlich vermissten Dolores O'Riordan, den Cranberries und ihrem Überhit "Zombie". Lange her, aber noch in bester Erinnerung. Diese Stimme hier allerdings gehört Alex Menne und die stammt nicht aus Irland, sondern aus Seattle und hat mit der Musik der Preiselbeeren aus Limerick nicht allzuviel am Hut. Eher mögen Great Grandpa krachige Grunge-Gitarren, 2015 erschien ihre Debüt-EP "Can Opener", zwei Jahre später dann die LP "Plastic Cough" und nun ist für den 25. Oktober der Nachfolger "Four Of Arrows" angekündigt. Und das zunächst mit dem Song "Mono No Aware", auf den dann besagter Neuling folgte. Und wir warten sehnlichst auf das Doppelkonzert gemeinsam mit Let's Eat Grandma.
Freitag, 20. September 2019
Messer: Zwischenmeldung
Noch hängen wir zähneknirschend im Schwefeltank zwischen todesähnlicher Stasis und Unsichtbarkeit, da kommen Messer aus Münster endlich, endlich mit der ersten neuen Single "Anorak" und dem dazugehörigen Video daher. Während sich also manche noch durch Hendrik Otrembas Roman "Kachelbad" kämpfen, schickt die Band, eigentlich bestens bekannt für düstere Metaphern und ebensolche Klänge vergleichsweise entspanntes Liedgut in die Runde - Reggaeanklänge, packende Gitarrenakkorde, das will überraschen und tut es auch. Da hat wohl jemand das Covermotiv mitsamt The-Clash-Shirt nicht ganz unbewußt gewählt. Die Rückseite "Die Furcht" kommt dann hoffentlich auch bald in Umlauf, mit dem Album dauert es wohl bis nächstes Jahr.
Seeed: Blick nach vorn [Update]
Warum hier so lange nichts mehr über Seeed geschrieben stand? Nun, das letzte Album "Seeed" war zwar gut platziert, aber mit Abstand ihr schwächstes, dann kam die unfreiwillige Pause aufgrund des tragischen Todes von Demba Nabé und so recht wollte es lange Zeit nicht mehr vorwärtsgehen, verständlicherweise. Nun ist aber seit einigen Monaten die Maschine wieder am rollen, Tourdaten bekannt (und im Handumdrehen ausverkauft), im April mit "Ticket" die erste Single und gerade die nächste. Spätestens "Lass sie gehn" (mit feinem Comic-Clip von Zoran Bihac) sollte die letzten Skeptiker zurückgewinnen, die immer noch meinten, Dellé und Baigorry seien die guten Ideen für immer ausgegangen. So schlimm ist es gottlob nicht gekommen, es lohnt sich, den Blick nach vorn zu richten.
Update: Auch wenn Rammstein 2005 als Dickwänste ("Keine Lust") schon mal für Furore gesorgt haben - Seeed machen das im Clip zu "G€LD" ebenso klasse. Und der Song geht natürlich wunderbar ab. Congratula-ha-tion!
Update: Auch wenn Rammstein 2005 als Dickwänste ("Keine Lust") schon mal für Furore gesorgt haben - Seeed machen das im Clip zu "G€LD" ebenso klasse. Und der Song geht natürlich wunderbar ab. Congratula-ha-tion!
Donnerstag, 19. September 2019
BATS: Natürliche Härte
Okay, bleiben wir kurz mal bei härteren Themen. Denn einen so brachialen Song wie diesen hier möchten wir ungern übergehen. Gerade nämlich haben die Dubliner Math-Rocker BATS ihr drittes Studioalbum "Alter Nature" für den 5. Oktober angekündigt und zwar mit dem Video zum Stück "Ergot". Und weil da auch eine große Portion Hardcore mit im Spiel ist, bekommt man in den dreieinhalb Minuten einige satte Riffs um die Ohren gehauen. Der erste Track des neuen Werkes ist dies übrigens nicht, denn schon im August eröffnete die Band mit "Old Hitler" die Vorschau. Ganze sieben Jahre sind seit ihrer letzten Studioplatte "The Sleep Of Reason" vergangen, hoffen wir mal, dass auch die anderen Stücke von ähnlicher Power sind.
Drahla: Nur keine Angst
Natürlich kann das ganz böse daneben gehen, so ein Coversong. Vor allem, wenn man sich Künstler vornimmt, die göttergleich verehrt werden. Wie zum Beispiel Psychic TV, die Band von Genesis P-Orridge, einem der bestimmenden Masterminds der Industrial-Pioniere Throbbing Gristle. Höchste Gefahr also für Drahla, unlängst für ihr Debüt "Useless Coordinates" gefeierte Post-Punk-Kapelle aus Leeds. Doch die drei kunstverliebten Studenten machen genau das, was bei solch einem Unternehmen empfohlen ist - sie erstarren nicht in Ehrfurcht, sondern singen "Godstar", den besagten Song, quasi wie im Vorbeigehen. Wer in Hamburg wohnt und eine Ahnung von guter Musik besitzt, wird diese Zeilen hier erst später lesen können, denn dort treten Drahla heute Abend auf dem Reeperbahn-Festival auf.
Anna Of The North: Traumfrau mit Überraschungen
01.11. Berlin, Berghain Kantine
Mittwoch, 18. September 2019
DIIV: Vorerst gerettet [Update]
Sie werden alle älter. Aber ist das ein Trost? Nun, für die ganz alten unter uns vielleicht schon, ansonsten ist es eher ernüchternd bis frustrierend. Zacharay Cole Smith war mit seiner Band DIIV vor einigen Jahren mal der ganz heiße Scheiß, betörende Melodien, Dreampop, Shoegazing, Lazyness, man kam an der Band aus New York kaum vorbei. Dann Exzesse, Publicity, Paparazzi, Sky Ferreira - Absturz, Ende. Nicht ganz, denn dann folgten Rehab und Heilung, sonst wäre hier vom dritten Album nicht die Rede. Das soll nun endlich unter dem Namen "Deceiver" am 4. Oktober bei Captured Tracks erscheinen und die erste Single "Skin Game" klingt - platter geht es nicht - als wärem sie nie weggewesen. Einen tieferen Sinn hat sie natürlich, wie der Name ahnen läßt, sehr wohl, Cole verarbeitet darin seine und anderer Menschen Wege in die Sucht und die Möglichkeit, wieder aus ihr herauszufinden.
Update: Nach sechs Jahren das erste Video - DIIV präsentieren nach der zweiten Single "Taker" auch noch den Clip zum Neuling "Blankenship".
Update: Nach sechs Jahren das erste Video - DIIV präsentieren nach der zweiten Single "Taker" auch noch den Clip zum Neuling "Blankenship".
Agoria: Ein schlechter Traum
Was für die einen Spielerei, ist für andere ein regelrechter Albtraum: Jane Hodson zum Beispiel, gespielt von Fleur Geffrier, scheint aus ihrem nicht mehr herauszukommen. Die Polizistin erlebt so ziemlich das Schlimmste, was einem auf nächtlicher Streife passieren kann - zu viele Drogen, zu viele schlechte Erfahrungen, die falschen Freunde oder Kollegen? Regisseur Loic Andrieu läßt das in dem Video, den er zusammen mit dem Team von Soldats Films gedreht hat, offen. Der Song, um den es geht, stammt vom französischen Techno-DJ Agoria, der sich für "Call Of The Wild" mit dem Rapper STS zusammengestan hat. Der Track wiederum stammt vom Album "Drift", das im April diesen Jahres erschienen ist und noch eine ganze Reihe spannender Kollaborationen enthält, von denen wir hier noch "You're Not Alone feat. Blasé" und "Embrace feat. Phoebe Killdeer" anhängen.
Dienstag, 17. September 2019
bülow: Bleibt alles anders
Von dem Mädchen war hier schon mal die Rede - kurz vor zwei Ortsterminen legen wir heute noch mal nach. Naja, genaugenommen macht das Megan Bülow ja selbst, gerade nämlich hat sie einen weiteren neuen Song veröffentlicht - "Boys Will Be Boys", so der Titel, wird sich auf ihrer neuen EP befinden, die am 4. Oktober unter ihrem Kurznamen bülow erscheint. Produziert hat wieder Michael Wise, der die junge Musikerin seit ihrem Durchbruch mit "Not A Love Song" begleitet und auch ihre bisherigen 12" betreute. Und den Song gibt's dann mit Sicherheit auch auf den beiden Gigs in Berlin und Hamburg zu hören.
18.09. Berlin, Auster Club
19.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
18.09. Berlin, Auster Club
19.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
Sonntag, 15. September 2019
Sports Team: Einfach mal die Klappe halten
Oh, schon wieder Sonntag und schon wieder so herrlich viel neue Musik zu loben. Da hätten wir zum Beispiel die Londoner Kapelle Sports Team, die gerade ein Loblied auf das Angeln geteilt hat, was nun, ganz unter uns, vielleicht nicht gerade als sportliche Höchstleistung gilt. Nun, vielleicht meinen die sechs das ja auch nicht ganz so wörtlich, vielleicht geht es ja auch eher darum, dass sie mal Ruhe haben wollen von all dem Gequatsche um sie herum, möglicherweise haben sie auch gemerkt, dass mit der Correctness, die unsere Unterhaltungen und unser Verhalten nachhaltig bestimmt, ein wenig der Spaß flöten gegangen ist. Nun, sei es wie es sei, "Fishing" klingt super und das selbstbetitelte Debütalbum, das der EP "Keep Walking!" (wiederum sehr sportlich!) folgen soll, wird hoffentlich noch mehr dieser Knaller bereithalten. Für die laufende Tour hier noch mal ein paar Zeilen zum Mitsingen:
"Well, we don't die anymore
Cause we don't smoke anymore
And we won't laugh anymore
Cause we don't joke anymore
Buy a coat and a car
Buy a boat and a chain
Buy a house with a moat
By a beautiful stream
Buy a phone with a plan
Buy a villa abroad
By the Portuguese Coast
Or the Cote d'Azur
And we can go swimming!"
21.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
"Well, we don't die anymore
Cause we don't smoke anymore
And we won't laugh anymore
Cause we don't joke anymore
Buy a coat and a car
Buy a boat and a chain
Buy a house with a moat
By a beautiful stream
Buy a phone with a plan
Buy a villa abroad
By the Portuguese Coast
Or the Cote d'Azur
And we can go swimming!"
21.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
Omni: Netzwerker
Weiter, ein paar Flugstunden südlich nach Atlanta. Hier musiziert das Post-Punk-Trio Omni und bereitet sich auf den 1. November vor, den Tag also, an welchem sie ihr Debütalbum "Networker" bei Sub Pop veröffentlichen werden. Nachdem im April ihre letzte 7" mit dem Doppel "Delicacy/I Don't Dance" erschienen ist, gibt es nun elf neue Songs, von denen zunächst "Sincerly Yours" die Runde machte und "Skeleton Key" gerade hinterherkam. Dabei können Philip Frobos, Frankie Boyles und Nathaniel Higgins durchaus auf prominente Fürsprache zählen, denn Scott Munro, Gitarrist bei den kanadischen Preoccupations, hat kürzlich in den Linernotes seine Vorliebe für die Arbeit der Band bekundet und damit die kommende Platte vorab schon mal geadelt - uns bleiben die tatsächliche VÖ und ein paar Tourdaten, um eine eigene Meinung zu bilden.
11.11. Hamburg, Molotow
13.11. Berlin, Berghain Kantine
22.11. St. Gallen, Palace St. Gallen
11.11. Hamburg, Molotow
13.11. Berlin, Berghain Kantine
22.11. St. Gallen, Palace St. Gallen
Aitch: Nicht zu bremsen
Neil Young: Unermüdlich [Update]
Bei Durchsicht allen Materials, das sich während unserer kleinen Urlaubspause angesammelt hat, fällt der Blick natürlich auch auf diese Nachricht und die darf natürlich nicht vergessen werden - aus Gründen: Neil Young hat wie erhofft die Veröffentlichung eines neuen Albums zusammen mit Crazy Horse angekündigt, "Colorado" soll das gute Stück heißen und am 25. Oktober erscheinen. Und ein erster Vorabtrack steht mit "Milky Way" auch schon bereit - nicht mehr und nicht weniger.
Update: Der Altmeister legt nach und bringt "Rainbow Of Colors".
Update: Der Altmeister legt nach und bringt "Rainbow Of Colors".
Samstag, 14. September 2019
Trettmann: Kein Entrinnen
Trettmann
„Trettmann“
(Kitschkrieg/Soulforce Records)
Seine Kontrahenten, Endgegner quasi, kann man sich ja selten aussuchen, diesen hier aber hat er sich zumindest selbst eingebrockt: Seit Trettmann 2017 mit dem Album „DIY“ fast aus dem nichts abräumte, war klar, dass die Herausforderung für die nächste Platte riesig sein würde. Weil diese Songs direkt aus der Tristesse des Wohnbetons kamen und von allem so viel hatten – so viel Sanftmut, so viel Trauer, Trotz, Liebe, Schmerz, weil es so wohlig groovte wie die leibhaftige Versuchung. Erwischte es einen in richtigen Moment, war Widerstand zwecklos, gab es kein Entrinnen, Gegenmittel Fehlanzeige. Und die größte Gefahr war (und ist), dass man sich diese Songs überhörte, dass es irgendwann einfach nicht mehr gehen würde. Insofern waren die kleinen Methadon-Schübe sehr hilfreich, die Trettmann in den vergangenen Wochen ganz ohne Rezept verabreichte – nicht wenige meinten ja schon, der Tretti wäre zu oft in zu vielen Tracks zu finden, Cro, Kantereit hier, Dendemann und Herre dort, Seeed im Kommen, kann man so sehen. Wenn da nicht diese Sucht wäre…
Gut also, dass sie nun da ist, die Neue. Auf der es natürlich nicht ums Obsiegen, um den Gegner oder Feind geht (weil der für ihn und seine Freunde gleichermaßen in der selben, braunen Ecke hockt). Es sind eher die Erwartungen, denen es standzuhalten gilt, die Maßstäbe, die einer Erfolgswelle auch immer einen Erfolgsdruck folgen lassen. Würde er also bestehen? Aber klar doch. Wer mit 45 noch trendet, wie er selbst singt, dem muss wohl kaum bange sein, dem ist eine Lässigkeit zu eigen, die sich die Jungen erst erarbeiten, erleben müssen. Ohnehin darf man davon ausgehen, dass die höchsten Ansprüche an ihn auch von ihm kommen. Was genaugenommen für jeden ernsthaften Künstler gilt und dann doch keine ganz so neue Erkenntnis ist.
Wie er’s schafft? Nun, die Mischung ist die gleiche geblieben, auch dank Team Kitschkrieg. Also Dancehall meets Trapgrooves meets softe Technobeats, Autotune rules, „Fiji Kris, pass di 808“, weiter so. Die Freunde dazu sucht man sich bekanntlich selbst aus und über GZUZ ist alles Nötige gesagt (siehe SPEX), KeKe haut um, Alli Neumann ist okay, der Don bleibt er natürlich selbst. Manchmal kommt einem die neue Platte etwas intimer vor, das kann aber auch an der Dauerschleife liegen – sehr viel Gefühl, wunderbare Poesie, immer über Liebe. Die dosierte, die vergebliche, die unmögliche, die neu entdeckte und die vergangene. Wie Trettmann diesen Erinnerungen nachspürt und -textet, macht einen immer noch (oder schon wieder) ganz schummrig im Kopf und stellt die Haare auf.
Das gilt auch und insbesondere für „Stolpersteine“, ein leises, behutsames und tiefernstes Stück. Wie er mithilfe der vieldiskutierten Aktionskunst von Gunter Demnig und Brechtzitat die Vergangenheit ins Heute holt, den Bogen schlägt von historischer Gräuel zur bedrohlichen Gegenwart, wie am Ende einer durchtanzten Nacht nur ein Name auf einem Stein ausreicht, um Gedanken anzustoßen, selbst wenn der Schädel schon benommen ist – das ist, was man bei ihm wohl einen „Billie Holiday“-Moment nennen darf. Anders schön dagegen das herrlich groovende „MDMDF“, Steel-Guitar, Federn in Freiheit, Losgelassen. Und natürlich, unerwartet, ungewohnt, trotzdem gelungen: Die Geburt von Tochter „Margarete“ aus dem Tourtagebuch vertont – anrührend, auch wenn’s viele vor ihm taten, aber: „Was mich zum Tretti macht, ich tu das, was mich happy macht.“ Soll er nur, geht uns doch nicht anders.
Tourdaten: https://trettmann.de/
„Trettmann“
(Kitschkrieg/Soulforce Records)
Seine Kontrahenten, Endgegner quasi, kann man sich ja selten aussuchen, diesen hier aber hat er sich zumindest selbst eingebrockt: Seit Trettmann 2017 mit dem Album „DIY“ fast aus dem nichts abräumte, war klar, dass die Herausforderung für die nächste Platte riesig sein würde. Weil diese Songs direkt aus der Tristesse des Wohnbetons kamen und von allem so viel hatten – so viel Sanftmut, so viel Trauer, Trotz, Liebe, Schmerz, weil es so wohlig groovte wie die leibhaftige Versuchung. Erwischte es einen in richtigen Moment, war Widerstand zwecklos, gab es kein Entrinnen, Gegenmittel Fehlanzeige. Und die größte Gefahr war (und ist), dass man sich diese Songs überhörte, dass es irgendwann einfach nicht mehr gehen würde. Insofern waren die kleinen Methadon-Schübe sehr hilfreich, die Trettmann in den vergangenen Wochen ganz ohne Rezept verabreichte – nicht wenige meinten ja schon, der Tretti wäre zu oft in zu vielen Tracks zu finden, Cro, Kantereit hier, Dendemann und Herre dort, Seeed im Kommen, kann man so sehen. Wenn da nicht diese Sucht wäre…
Gut also, dass sie nun da ist, die Neue. Auf der es natürlich nicht ums Obsiegen, um den Gegner oder Feind geht (weil der für ihn und seine Freunde gleichermaßen in der selben, braunen Ecke hockt). Es sind eher die Erwartungen, denen es standzuhalten gilt, die Maßstäbe, die einer Erfolgswelle auch immer einen Erfolgsdruck folgen lassen. Würde er also bestehen? Aber klar doch. Wer mit 45 noch trendet, wie er selbst singt, dem muss wohl kaum bange sein, dem ist eine Lässigkeit zu eigen, die sich die Jungen erst erarbeiten, erleben müssen. Ohnehin darf man davon ausgehen, dass die höchsten Ansprüche an ihn auch von ihm kommen. Was genaugenommen für jeden ernsthaften Künstler gilt und dann doch keine ganz so neue Erkenntnis ist.
Wie er’s schafft? Nun, die Mischung ist die gleiche geblieben, auch dank Team Kitschkrieg. Also Dancehall meets Trapgrooves meets softe Technobeats, Autotune rules, „Fiji Kris, pass di 808“, weiter so. Die Freunde dazu sucht man sich bekanntlich selbst aus und über GZUZ ist alles Nötige gesagt (siehe SPEX), KeKe haut um, Alli Neumann ist okay, der Don bleibt er natürlich selbst. Manchmal kommt einem die neue Platte etwas intimer vor, das kann aber auch an der Dauerschleife liegen – sehr viel Gefühl, wunderbare Poesie, immer über Liebe. Die dosierte, die vergebliche, die unmögliche, die neu entdeckte und die vergangene. Wie Trettmann diesen Erinnerungen nachspürt und -textet, macht einen immer noch (oder schon wieder) ganz schummrig im Kopf und stellt die Haare auf.
Das gilt auch und insbesondere für „Stolpersteine“, ein leises, behutsames und tiefernstes Stück. Wie er mithilfe der vieldiskutierten Aktionskunst von Gunter Demnig und Brechtzitat die Vergangenheit ins Heute holt, den Bogen schlägt von historischer Gräuel zur bedrohlichen Gegenwart, wie am Ende einer durchtanzten Nacht nur ein Name auf einem Stein ausreicht, um Gedanken anzustoßen, selbst wenn der Schädel schon benommen ist – das ist, was man bei ihm wohl einen „Billie Holiday“-Moment nennen darf. Anders schön dagegen das herrlich groovende „MDMDF“, Steel-Guitar, Federn in Freiheit, Losgelassen. Und natürlich, unerwartet, ungewohnt, trotzdem gelungen: Die Geburt von Tochter „Margarete“ aus dem Tourtagebuch vertont – anrührend, auch wenn’s viele vor ihm taten, aber: „Was mich zum Tretti macht, ich tu das, was mich happy macht.“ Soll er nur, geht uns doch nicht anders.
Tourdaten: https://trettmann.de/
Freitag, 13. September 2019
Ilgen-Nur: Schnell verkannt
Ilgen-Nur
„Power Nap“
(Power Nap Records)
Wo wir gerade bei den Etiketten waren (MUNA): Diese Frau hier hat eine ganze Menge davon abbekommen: übellaunig, arrogant, queer, Slacker – an Ilgen-Nur Borali scheiden sich nicht nur Geister, sondern Sympathien. Und wer’s einem nicht eben einfach macht, hat’s dann halt schnell verkackt. Da werden Selbstbestimmtheit und Eigensinn mit Arroganz verwechselt, schlecht drauf sind ohnehin immer nur die anderen, undankbar sowieso (schließlich kommt sie ja aus der schwäbischen Provinz). Dabei würde es reichen, läse man das eine oder andere Interview mit ihr oder, noch nachhaltiger, würde sich in Ruhe und möglichst ohne Vorbehalte ihre Musik anhören.
„No Emotions“ beispielsweise, ihre erste EP aus dem Jahr 2017 und vor allem ihr überaus gelungenes Debütalbum „Power Nap“. Und man darf sich auch selbst fragen, ob denn wohl jemand eine Künstlerin verlegen möchte, die ihr Publikum, sonnenbrillenbewährt, ständig gelangweilt von der Bühne herunter angähnt (den Eindruck muss man haben, liest man die entsprechenden Kommentare). Oder ob es nicht tatsächlich so ist, dass diese Künstlerin, längst schon wohnhaft in Hamburg, ein ausgesprochen großes Talent und Gespür für gutes Songwriting besitzt. Und aus ihrem Wesen, aus ihrer Eigenart eben das wertschöpft, was nicht wenige dann auch hören wollen. Und feststellen, dass die Vergleiche mit Referenzen ihres Fachs – Nilüfer Yanya, Mitski, Eliza Shaddad oder Courtney Barnett – keinesfalls verwegen, sondern durchaus zulässig sind.
I spent my days in my head
reliving moments I tend to forget
spent my days in my zone
I might be the happiest
when I’m on my own
Wer die dunklen Momente im Leben nicht verleugnet oder verdrängt, dem ist der Wunsch, einfach liegen zu bleiben, niemandem als sich selbst verpflichtet zu sein (was ohnehin schon anstrengend genug sein kann) keinesfalls fremd. Der- oder diejenige weiß, dass der eigene Kopf Traumpfade oder Umwege genug bietet, um den Tag zu verbringen – „In My Head“, der erste Song auf dem Album, ist also nicht nur wunderschön anzuhören, sondern auch sehr nachvollziehbar. Und klingen sie uns nicht wunderbar vertraut, diese dunkel schillernden Moll-Harmonien, die Gitarrenakkorde, die einen schon bei Interpol oder The Cure mit ihrer Entrücktheit verzaubert haben? Es sind Stücke, zu denen Lustlosigkeit, Langeweile, Überdruss einfach dazugehören und die trotzdem sagenhaft gut klingen – „Silver Future“ beispielsweise mit dem tollen Drum-Part im letzten Drittel, „Soft Chair“ mit seinen Bläsersätzen und 90er-Verweisen und die verzerrte Neil-Young-Gitarre bei „New Song II“.
Und ganz so düster ist es gar nicht alles geworden, was Ilgen-Nur gemeinsam mit dem Nerven-Mann Max Rieger da arrangiert hat, sie singt ja durchaus auch von Augenblicken, die sie bewahren, die sie festhalten möchte („Soft Chair“) oder vom Aufbruch, vom Neustart („Clean Sheets“). Die vornehmlich melancholische Grundstimmung lässt die helleren Momente dann eben deutlicher zutage treten. Zumal sie zu überraschen weiß: Das noiselastige „You’re A Mess“ beispielsweise variiert bei Tempo und Lautstärke, selbst ihr Gesang wird dringlicher, energischer. In die andere Richtung geht der Kehraus „Deep Thoughts“, eine Pianoballade, wie sie selbst John Cale nicht besser hingebracht hätte, reduziert – „I’m on my own, all allone, with my deep thoughts, I’m on my own“, ein kurzer, tiefer Blick in den Abgrund, näher kommt man ihr auf diesem Album kaum. Dämmermusik für Einzelgänger, und zwar im besten Sinne.
„Power Nap“
(Power Nap Records)
Wo wir gerade bei den Etiketten waren (MUNA): Diese Frau hier hat eine ganze Menge davon abbekommen: übellaunig, arrogant, queer, Slacker – an Ilgen-Nur Borali scheiden sich nicht nur Geister, sondern Sympathien. Und wer’s einem nicht eben einfach macht, hat’s dann halt schnell verkackt. Da werden Selbstbestimmtheit und Eigensinn mit Arroganz verwechselt, schlecht drauf sind ohnehin immer nur die anderen, undankbar sowieso (schließlich kommt sie ja aus der schwäbischen Provinz). Dabei würde es reichen, läse man das eine oder andere Interview mit ihr oder, noch nachhaltiger, würde sich in Ruhe und möglichst ohne Vorbehalte ihre Musik anhören.
„No Emotions“ beispielsweise, ihre erste EP aus dem Jahr 2017 und vor allem ihr überaus gelungenes Debütalbum „Power Nap“. Und man darf sich auch selbst fragen, ob denn wohl jemand eine Künstlerin verlegen möchte, die ihr Publikum, sonnenbrillenbewährt, ständig gelangweilt von der Bühne herunter angähnt (den Eindruck muss man haben, liest man die entsprechenden Kommentare). Oder ob es nicht tatsächlich so ist, dass diese Künstlerin, längst schon wohnhaft in Hamburg, ein ausgesprochen großes Talent und Gespür für gutes Songwriting besitzt. Und aus ihrem Wesen, aus ihrer Eigenart eben das wertschöpft, was nicht wenige dann auch hören wollen. Und feststellen, dass die Vergleiche mit Referenzen ihres Fachs – Nilüfer Yanya, Mitski, Eliza Shaddad oder Courtney Barnett – keinesfalls verwegen, sondern durchaus zulässig sind.
I spent my days in my head
reliving moments I tend to forget
spent my days in my zone
I might be the happiest
when I’m on my own
Wer die dunklen Momente im Leben nicht verleugnet oder verdrängt, dem ist der Wunsch, einfach liegen zu bleiben, niemandem als sich selbst verpflichtet zu sein (was ohnehin schon anstrengend genug sein kann) keinesfalls fremd. Der- oder diejenige weiß, dass der eigene Kopf Traumpfade oder Umwege genug bietet, um den Tag zu verbringen – „In My Head“, der erste Song auf dem Album, ist also nicht nur wunderschön anzuhören, sondern auch sehr nachvollziehbar. Und klingen sie uns nicht wunderbar vertraut, diese dunkel schillernden Moll-Harmonien, die Gitarrenakkorde, die einen schon bei Interpol oder The Cure mit ihrer Entrücktheit verzaubert haben? Es sind Stücke, zu denen Lustlosigkeit, Langeweile, Überdruss einfach dazugehören und die trotzdem sagenhaft gut klingen – „Silver Future“ beispielsweise mit dem tollen Drum-Part im letzten Drittel, „Soft Chair“ mit seinen Bläsersätzen und 90er-Verweisen und die verzerrte Neil-Young-Gitarre bei „New Song II“.
Und ganz so düster ist es gar nicht alles geworden, was Ilgen-Nur gemeinsam mit dem Nerven-Mann Max Rieger da arrangiert hat, sie singt ja durchaus auch von Augenblicken, die sie bewahren, die sie festhalten möchte („Soft Chair“) oder vom Aufbruch, vom Neustart („Clean Sheets“). Die vornehmlich melancholische Grundstimmung lässt die helleren Momente dann eben deutlicher zutage treten. Zumal sie zu überraschen weiß: Das noiselastige „You’re A Mess“ beispielsweise variiert bei Tempo und Lautstärke, selbst ihr Gesang wird dringlicher, energischer. In die andere Richtung geht der Kehraus „Deep Thoughts“, eine Pianoballade, wie sie selbst John Cale nicht besser hingebracht hätte, reduziert – „I’m on my own, all allone, with my deep thoughts, I’m on my own“, ein kurzer, tiefer Blick in den Abgrund, näher kommt man ihr auf diesem Album kaum. Dämmermusik für Einzelgänger, und zwar im besten Sinne.
Donnerstag, 12. September 2019
Annabel Allum: Zerzauster Sound [Update]
Was soll man sagen - sie sieht noch immer so aus, als wäre sie ziemlich durch den Wind. Zerzauster Schopf, grimmiger Blick, Annabel Allum aus London hat sich im Laufe der letzten Jahre kaum geändert. Und das ist gut so, weil ihr unperfektes Äußeres perfekt mit dem Sound ihrer Songs harmoniert, auch da finden sich schiefe, widerborstige Gitarren, auch da holpert es auf angenehme DIY-Art oft ordentlich. Deshalb haben wir sie hier oft begrüßen dürfen, deshalb ist auch heute von ihr die Rede. Denn gerade ist ihre neue Single "When The Wind Stopped" erschienen, ein paar Tage nach "You Got It Good" - beide Stücke sollen sich auf einer weiteren EP finden, die für den Herbst dieses Jahres geplant ist.
Update: Und nun haben wir also einen Namen für die neue EP - "Gravel Not The Grave" wird sie heißen und am 13. September bei Killing Moon Records erscheinen, mit "Altar To Alter" gibt es hier einen weiteren Vorgeschmack davon ... und noch dazu die letzte Vorabmeldung "Baby Berlin".
Update: Und nun haben wir also einen Namen für die neue EP - "Gravel Not The Grave" wird sie heißen und am 13. September bei Killing Moon Records erscheinen, mit "Altar To Alter" gibt es hier einen weiteren Vorgeschmack davon ... und noch dazu die letzte Vorabmeldung "Baby Berlin".
Mittwoch, 11. September 2019
Pet Shop Boys: Traumaland
Dieser Tage ein Video von den Pet Shop Boys zu unterschlagen, wäre grob fahrlässig. Obwohl die Herren Tennant und Lowe ja mittlerweile einen Status erreicht haben, in dem sie auch das berühmte Telefonbuch einspielen könnten und dennoch auf Gegenliebe stoßen würden - sie waren und sind auch immer eine politische Band gewesen und während sich nun also ihr Heimatland in seine Bestandteile aufzulösen scheint, singen sie mit den Shootingstars Years And Years über das "Dreamland". Ha! Zu finden ist diese neue Single übringens auf dem nächsten, noch unbetitelten Album, das gerade in den Berliner Hansa Studios gemeinsam mit Stuart Price aufgenommen wurde. Es folgt der EP "Agenda", die in diesem Frühjahr erschienen ist.
Ceremony: Bloß kein Dogma
Ceremony
„In The Sprit World Now“
(Relapse Records)
Nein, man muß das nicht wirklich machen. Um ein ungefähres Gefühl dafür zu bekommen, welchen Weg, welchen Wandel diese Band in den vierzehn Jahren ihres Bestehens zurückgelegt hat, kann es aber schon recht hilfreich sein, sich mal das Debüt „Violence Violence“ aus dem Jahr 2006 um die Ohren hauen zu lassen. Ceremony sind damals im kalifornischen Städtchen Rohnert Park (nicht von ungefähr nur schlappe sieben Autostunden von Hermosa Beach entfernt, dem mythischen Gründungsort von Black Flag) tatsächlich als ziemlich schnelle und laute Hardcore-Truppe gestartet, denen kein Ton zu brutal war – ihre Konzerte, so hört man, waren hitzige Angelegenheiten. Irgendwann, mutmaßlich so um die Produktion ihres Album „Zoo“ im Jahr 2012, muss es Sänger Ross Farrar wohl mit der Angst zu tun bekommen haben, auf ewig den alternden Outsider geben zu müssen, nur die wenigsten schaffen das schließlich mit Anstand und Würde. Also entschied er sich zusammen mit seinen Kollegen zur Vollbremsung mit anschließender Kehrtwende, setzte ein „Post-“ vor den Punk und nahm „The L-Shaped Man“ auf, eine erstaunlich schlüssige und überaus gelungene Kurskorrektur.
Diese im Hinterkopf, ist der Sprung zur aktuellen „In The Spirit World Now“ zwar nicht mehr ganz so krass und überraschend, dennoch erweisen sich Ceremony auch hier als überaus mutig – auf einen einmaligen Ausrutscher kann sich nun jedenfalls niemand mehr herausreden. Die elf neuen Stücke (plus drei Interludes) orientieren sich in ihrer Machart stark am dreckig-funkigen MashUp aus Synthesizer und Gitarre, wir hören Devo, hören Wire und vor allem Gang Of Four heraus. Sie machen das so gekonnt und ideenreich, dass von bloßer Abkupferei keine Rede sein kann (ohnehin hat man vor dem Schwenk soviel Respekt, dass der Retrogedanke in den Hintergrund rückt), es gibt herrlich zackige Momente wie „We Can Be Free“, „Years Of Love“ und „From Another Age“, die allesamt nicht die Dreiminutenmarke reißen, den Electropunk von „Never Gonna Die Now“ und den bösen Bass der Leadsingle „Presaging The End“.
Langeweile will einfach keine aufkommen, gerade auch weil sich Ceremony, anders als beim Vorgänger, keinerlei Verschnaufpause gönnen und in die fünfunddreißig Minuten nirgends Füllmaterial einbauen. Allein die Drums zu Beginn von „Further I Was“ pumpen so wunderbar, dass man die brüllenden Riffs aus der Vorzeit schnell vergessen hat. Auch inhaltlich huldigen Farrar und Kollegen der Veränderung, der Reue, bitten hier („Turn Away The Bad Thing“) um Gnade und preisen dort den Aufbruch in Freiheit („We Can Be Free“). Und wer sich von einem so kompakten, knackigen Schlußsong wie „Calming Water“ nicht endgültig umstimmen läßt, den können Ceremony getrost auf der Strecke lassen. Notorischen Zweiflern sei im Übrigen ein Instrumentalstück mit dem Namen „Dogma“ von einer frühen 7“ aus dem Jahr 2008 empfohlen – Piano, vereinzelte Paukenschläge, irrlichternde Gitarren, null Hardcore. Vielleicht eine Komposition in weiser Voraussicht, der Name augenzwinkerndes Programm. Wir für unseren Teil bleiben auf alle Fälle an Bord.
09.11. Münster, Sputnikhalle
10.11. Hannover, Cafe Glocksee
12.11. Hamburg, Hafenklang
13.11. Leipzig, Conne Island
14.11. Jena, Kassablanca
16.11. Berlin, Cassiopeia
„In The Sprit World Now“
(Relapse Records)
Nein, man muß das nicht wirklich machen. Um ein ungefähres Gefühl dafür zu bekommen, welchen Weg, welchen Wandel diese Band in den vierzehn Jahren ihres Bestehens zurückgelegt hat, kann es aber schon recht hilfreich sein, sich mal das Debüt „Violence Violence“ aus dem Jahr 2006 um die Ohren hauen zu lassen. Ceremony sind damals im kalifornischen Städtchen Rohnert Park (nicht von ungefähr nur schlappe sieben Autostunden von Hermosa Beach entfernt, dem mythischen Gründungsort von Black Flag) tatsächlich als ziemlich schnelle und laute Hardcore-Truppe gestartet, denen kein Ton zu brutal war – ihre Konzerte, so hört man, waren hitzige Angelegenheiten. Irgendwann, mutmaßlich so um die Produktion ihres Album „Zoo“ im Jahr 2012, muss es Sänger Ross Farrar wohl mit der Angst zu tun bekommen haben, auf ewig den alternden Outsider geben zu müssen, nur die wenigsten schaffen das schließlich mit Anstand und Würde. Also entschied er sich zusammen mit seinen Kollegen zur Vollbremsung mit anschließender Kehrtwende, setzte ein „Post-“ vor den Punk und nahm „The L-Shaped Man“ auf, eine erstaunlich schlüssige und überaus gelungene Kurskorrektur.
Diese im Hinterkopf, ist der Sprung zur aktuellen „In The Spirit World Now“ zwar nicht mehr ganz so krass und überraschend, dennoch erweisen sich Ceremony auch hier als überaus mutig – auf einen einmaligen Ausrutscher kann sich nun jedenfalls niemand mehr herausreden. Die elf neuen Stücke (plus drei Interludes) orientieren sich in ihrer Machart stark am dreckig-funkigen MashUp aus Synthesizer und Gitarre, wir hören Devo, hören Wire und vor allem Gang Of Four heraus. Sie machen das so gekonnt und ideenreich, dass von bloßer Abkupferei keine Rede sein kann (ohnehin hat man vor dem Schwenk soviel Respekt, dass der Retrogedanke in den Hintergrund rückt), es gibt herrlich zackige Momente wie „We Can Be Free“, „Years Of Love“ und „From Another Age“, die allesamt nicht die Dreiminutenmarke reißen, den Electropunk von „Never Gonna Die Now“ und den bösen Bass der Leadsingle „Presaging The End“.
Langeweile will einfach keine aufkommen, gerade auch weil sich Ceremony, anders als beim Vorgänger, keinerlei Verschnaufpause gönnen und in die fünfunddreißig Minuten nirgends Füllmaterial einbauen. Allein die Drums zu Beginn von „Further I Was“ pumpen so wunderbar, dass man die brüllenden Riffs aus der Vorzeit schnell vergessen hat. Auch inhaltlich huldigen Farrar und Kollegen der Veränderung, der Reue, bitten hier („Turn Away The Bad Thing“) um Gnade und preisen dort den Aufbruch in Freiheit („We Can Be Free“). Und wer sich von einem so kompakten, knackigen Schlußsong wie „Calming Water“ nicht endgültig umstimmen läßt, den können Ceremony getrost auf der Strecke lassen. Notorischen Zweiflern sei im Übrigen ein Instrumentalstück mit dem Namen „Dogma“ von einer frühen 7“ aus dem Jahr 2008 empfohlen – Piano, vereinzelte Paukenschläge, irrlichternde Gitarren, null Hardcore. Vielleicht eine Komposition in weiser Voraussicht, der Name augenzwinkerndes Programm. Wir für unseren Teil bleiben auf alle Fälle an Bord.
09.11. Münster, Sputnikhalle
10.11. Hannover, Cafe Glocksee
12.11. Hamburg, Hafenklang
13.11. Leipzig, Conne Island
14.11. Jena, Kassablanca
16.11. Berlin, Cassiopeia
Boy Harsher: Nachgelegt
Einen gehaltvollen Nachtrag zu Boy Harsher, dem Synthpop-Duo aus Los Angeles, das Anfang des Jahres mit dem Album "Careful" (siehe unten "Come Closer") viel Lob einfuhr. Gehaltvoll deshalb, weil Augustus Muller und Jae Matthews zum einen gerade eine Neufassung ihrer EP "Country Girl" aus dem Jahr 2017 veröffentlicht haben, nunmehr mit acht statt der bisherigen vier Stücken - der Track "Send Me A Vision" erhält zudem einen Videoclip, den die beiden unter Mithilfe von befreundeten Musikern und Schauspielern produzierten. Desweiteren gibt es eine Reihe von Liveterminen in die Runde
20.11. Köln, Luxor
21.11. Hamburg, Molotow
02.12. Berlin, Kesselhaus
03.12. Berlin, Festsaal Kreuzberg
04.12. Leipzig, Conne Island
05.12. München, Ampere
20.11. Köln, Luxor
21.11. Hamburg, Molotow
02.12. Berlin, Kesselhaus
03.12. Berlin, Festsaal Kreuzberg
04.12. Leipzig, Conne Island
05.12. München, Ampere
FRANKIIE: Trügerische Bilder [Update]
Der Tag ist noch jung, Zeit deshalb für einen schönen Popsong: Schon im vergangenen Jahr sind uns die vier Damen aus Vancouver aufgefallen, die unter dem Namen FRANKIIE die Gitarren geschmeidig schwingen lassen. "Dream Reader" war wirklich ein ganz feines, verträumtes Stück, es folgte damals ihrer Debüt-EP "Girl Of Infinity" und alles war gut. Und wird noch besser, denn nun haben die Kanadierinnen für den 20. September via Paper Bag Records ihr erstes Album "Forget Your Head" angekündigt und dort findet sich auch die neue Single "Compare", ein Stück, das sich um unsere verflixten Ansichten zu Schein und Sein in der trügerischen Medienblase dreht.
Update: Die neue Single der vier Damen nennt sich "Funny Feelings", auch wenn sie gar nicht so amüsiert dreinschauen.
Update: Die neue Single der vier Damen nennt sich "Funny Feelings", auch wenn sie gar nicht so amüsiert dreinschauen.
Dienstag, 10. September 2019
Mit Verwunderung nehmen wir zur Kenntnis ... [02/19]
Nick Cave: Nicht nur für Liebhaber
Pumarosa: Gelungene Überraschung [Update]
Ursprünglich stand auf ihrem Etikett ja groß und breit Post-Punk drauf, doch schon mit dem Debütalbum "The Witch" ließ sich das eigentlich nicht mehr halten: Pumarosa aus London sitzen gern zwischen den Stühlen, die da Funk, Drum'n Bass, Jazz und Indierock heißen und wenn nicht alles täuscht, dann wird sich daran auch mit dem neuen Album nichts ändern - zum Glück. Denn die erste Single "Fall Apart", die Isabel Munoz-Newsome und Kollegen gerade vorgestellt haben, stolpert björkish (sagt man so?) dahin, Überraschung gelungen. Die ganze Platte heißt im Übrigen "Devastation", also Verwüstung, was genau das nun wieder bedeutet, werden wir spätestens am 1. November bei Fiction Records erfahren.
Update: Mit "Heaven" gibt es jetzt einen weiteren Track vom neuen Album.
Update: Mit "Heaven" gibt es jetzt einen weiteren Track vom neuen Album.
Montag, 9. September 2019
FKA twigs: Hysterie mit Anlauf
Da können fünf Jahre ins Land gehen, Monster zu Präsidenten, Königreiche zu Lachnummern werden, manche Dinge ändern sich trotzdem nicht: 2014 hat Tahliah Barnett, besser bekannt unter ihrem Pseudonym FKA twigs, ihr Album "LP1" veröffentlicht und schon damals glich die Aufwärmphase dafür eher einer Massenhysterie. Ähnliches erwarten wir nun auch vom nächsten Schlag, denn nun steht "Magdalene", der Nachfolger für den 25. Oktober in den Startlöchern. Neun Tracks finden sich darauf, einer davon das fabelhafte "Holy Terrain" (Video von Nick Walker) zusammen mit Future, beteiligt waren außerdem, so hören wir, Skrillex, Nicolas Jaar, Oneohtrix Point Never, Cashmere Cat, Jack Antonoff und Benny Blanco. Das Cover (siehe unten) hat im Übrigen Matthew Stone gestaltet.
Sonntag, 8. September 2019
Breichiau Hir: Heimsuchung
Unsere Sonntagsreise startet heute im walisischen Cardiff und zwar mit halbwegs alten Bekannten: Breichiau Hir haben wir hier ob ihrer Hartnäckigkeit, in ihrer Heimatsprache zu musizieren, schon öfters gelobt, nun erscheint von dem Sextett bei Libertino Records eine neue 7" mit den beiden Stücken "Yn Dawel Bach/Saethu Tri". Sänger und Songschreiber Steffan Dafydd sagt zu den beiden Songs: „In ‚Saethu Tri‘ skizziere ich die Angst oder das Bedauern, die mich manchmal überkommen, und meine Unsicherheit, damit umzugehen. Ich dramatisiere es nicht, sondern habe versucht, es sachlich zu halten, die Taubheit und Langeweile zu vermitteln, die damit einhergehen. Es ist sehr wehmütig und düster. ‚Yn Dawel Bach‘ hat den selben Bezug. Es verweist darauf, dass diese Panik dich jederzeit heimsuchen kann. Sie kann auf dich losgehen, wo immer du bist. Sie fragt nicht um Erlaubnis, sie kommt unangekündigt und ungebeten zu dir."
Slyrydes: Mit Leidenschaft
Nun wieder Irland, dort allerdings mal ins weniger bekannte Küstenstädtchen Galway. Von hier nämlich stammt die Post-Punk-Truppe Slyrydes, ein Quartett, das 2013 gegründet und im Januar mit der Single "Mental Health" einem größeren Publikum bekannt wurde. Es folgte der Song "Point Of View" und nun ganz aktuell das Video zu "Out Patience". Produziert hat Daniel Doherty, für den auch schon die Fontaines D.C. im Studio standen - aus allen Stücken läßt sich die Energie und Leidenschaft von Sänger Marc Raftery unschwer heraushören.
Italia 90: Dritter Streich
Nochmals alt bekannt: Die Londoner Hardcore-Kapelle Italia 90 ist hier seit ihren ersten Versuchen im Frühjahr 2017 unregelmäßig zu Gast, im vergangenen Winter erschien ihre zweite EP (siehe unten) und nun ist für November die dritte Ausgabe angekündigt. Die erste Auskopplung der 12" heißt "An Episode", die restlichen vier Stücke folgen dann beizeiten - Konzerttermine sind vorerst nur auf der Insel vorgesehen, hoffen wir also mal auf zunehmende Gefolgschaft und größere Reichweite.
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