The Wedding Present
„Locked Down And Stripped Back“
(Scopitones)
Man kann eine neue Platte der britischen Schrammelformation The Wedding Present nicht besprechen, ohne das spezielle Glücksgefühl zu erwähnen, das einen live beim Anhören dieser Musik befällt. Obwohl David Gedge und Band ihren Sound seit Gründung Mitte der 80er sehr wohl maßvoll verändert haben, läuft es für den Großteil der Songs – und hier besonders jener, die einem als die stilbildenden Hits in Erinnerung sind – zumeist nach dem gleichen, liebgewonnenen Schema ab. Sind die Texte gesungen, folgt stets ein Instrumentalteil, bei dem sich folgendes Bild ergibt: Auf der Bühne kümmert sich jede/r Musiker/in mit größtmöglicher und ungeteilter Hingabe um sein bzw. ihr Instrument, gesenkte Blicke, gekrümmte Rücken, dann wird geschrubbt und gedroschen, als gäbe es kein Morgen. Da, wo andere nach ein paar Takten die Akkordarbeit wieder einstellen, erweist sich die Band aus Leeds als gnadenlos ausdauernd – schneller, lauter, länger, The Wedding Present kennen keine Limits. Und weil das so ist, sieht man unten, also vor der Bühne, lauter Menschen mit geschlossenen Augen, Köpfe werden geschüttelt, vereinzelt verzückte Jubelschreie ausgest0ßen – so sieht es aus, das Glücksgefühl.
Die bange Frage war deshalb, ob sich dieses Empfinden ohne weiteres auf eine Lockdown-Platte pressen lässt, wo doch die Momente der gemeinschaftlichen Ektase jetzt spurenweise und vereinzelt im Heimstudio aufgenommen werden mussten, wo die akustische Gitarre meistenteils die elektrische ersetzte. Skepsis war angebracht. Grundsätzlich ist „Locked Down And Stripped Back“ eine recht gelungene Arbeit geworden. Wenn es auch den Stücken manchmal an der gewohnten Power fehlt, so bleiben sie doch unterm Strich einfach gute Songs, denen die Änderung des Arrangements nicht viel anhaben kann. Über die Auswahl für die Tracklist aus einem wahrhaft riesigen Fundus ließe sich sicher trefflich streiten, vielleicht hätte man sich ein paar mehr von den ikonografischen Stücken gewünscht, inwiefern diese dann ins annähernd Stromlose übersetzbar gewesen wären, steht auf einem anderen Blatt. Dass Gedge das komplette Spektrum der Bandgeschichte anbietet und gleich vier Stücke aus den Anfängen bringt, muss man ihm dagegen hoch anrechnen.
Besonders die Wahl von „You Should Always Keep In Touch With Your Friends“ (der Song fand sich 1987 auf einem Tape der Gründertage gleichen Namens) erfreut und ist im Hinblick auf die derzeitigen Lebensumstände sicher kein Zufall. Wenn Gedge eine winzige Textpassage anpasst und singt: „A smile, in these uncertain times, makes all that you left me seem more worthwhile…“, dann hat das etwas sehr Tröstliches. „George Best“, „Bizarro“ und „Seamonsters“ also werden beliehen, auch weniger bekannte Songs kommen zur Aufführung, allesamt stimmungsvoll und durchaus charmant. Von den Spätwerken nur „Deer Caught In The Headlights“ (Valentina, 2012) dabei, dazu zwei bislang unveröffentlichte Lieder, mehr oder weniger enge Kollaborationen mit der Londoner Kapelle Sleeper. Deren Sängerin Louise Wener taucht auf der Platte gleich mehrmals auf, bei „Sports Car“ hat sie das Mikro sogar für sich allein, die Überdramatisierung der Stimme macht den Song aber leider nicht wirklich besser. Eine schöne Platte ist es trotzdem geworden - das vollumfängliche Glück werden wir allerdings auch weiterhin nur live finden können.
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