Die nächste Band ist ähnlich lange aktiv wie die Australier, kommt allerdings aus London: Desperate Journalist, Quartett bestehend aus Sängerin Jo Bevan, Bassist Simon Downer, Rob Hardy an der Gitarre und Drummerin Caroline Helbert, hat ebenfalls für Anfang Juli ein weiteres Album angekündigt. "Maximun Sorrow!" wird bei Fierce Panda verlegt und der Song "Personality Girlfriend" ist bereits die zweite Vorauskopplung - vor einiger Zeit schon war die Single "Fault" erschienen. Der Sound der Briten ist deutlich härter und näher dran am Rock, die vier können und wollen in Sachen Klang und Optik ihren Bezug zum Goth nicht verleugnen.
Update: In ein paar Tagen soll es nun also kommen, das neue Album und zum Aufwärmen schicken uns Jo Bevan und Band heute das Video zum Song "Everything You Wanted" vorab zu.
Sault also, schon wieder? Hatten die nicht schon im vergangenen Jahr mit "Untitled (Black)" und "Untitled (Rise)" zwei fulminante Alben am Start? Nun, weil das Londoner Kunst-Kollektiv zuallererst schwarz und politisch ist, erscheint die Antwort auf die Frage recht einfach: Solange es Probleme gibt, die mit ihrer Herkunft, mit ihrer Geschichte und ihrer Hautfarbe in Verbindung stehen, solange werden auch Sault da sein und Musik darüber und dazu machen. Und man kann nicht behaupten, dass es im Königreich derzeit an Problemen mangelt - Rassismus, Nationalismus und Fremdenhass sind dabei nur einige von vielen, die dieses Land momentan mächtig aufwühlen. Auch deshalb also "Nine". Aber nur vergleichsweise kurz. Denn diese neue Platte, die fünfte nach "5", "7" und den beiden oben genannten, soll nur für ganze 99 Tage zum Verkauf stehen, danach werden zumindest die offiziellen Tonträger inklusive Stream wieder aus dem Schaufenster genommen, wohl allen, die sich vorher damit versorgt haben.
Dass es kein Fehler ist, sich auch die neuen Songs zu sichern, wird schnell klar. Denn wie schon zuvor, so sind auch diese zehn Tracks eine fabelhafte Mischung aus vielem, was schwarze Musik heute zu bieten hat. Als da wären Jazz, Hip-Hop, RnB, Soul, Dub und diverse Spielarten zeitgemäßen Dancepops. Aber wie gesagt - alles politisch. Sault sind ohne Anspruch und Haltung nicht zu bekommen und genau deshalb momentan unverzichtbar. Los geht's mit straffen Breakbeats über die "London Gangs", gefolgt von einer Art perkussivem Straßenkampflied "Trap Life", wo es heißt: "We trap on these blocks and we don't trust these cops, tell me who's taking shots, shots, shots - I wanna be free, free my mam' and my mind, 'cause we're locked up inside ..." Der krasseste Track auf dem Album ist wohl "Fear", es geht um die Wut der Ausgegrenzten, Benachteiligten, darum, dass man als People Of Colour quasi zur Beweislast gezwungen wird, das Unrecht immer und immer wieder aufzuzeigen, obwohl es doch jeder und jedem längst bewusst sein sollte.
"Pain is real, can't fake this" formiert sich zum dröhnenden Mantra, unterlegt mit maximal fettem Bass. Solche zornigen Zeilen wechseln in der Folge mit gefühlvollen Tönen ("Bitter Streets"), aufgekratzem Sarkasmus ("You From London", gereimt von Little Sinz) und trauriger Klage ("Alcohol"). Es gibt gesprochene Einspieler aus dem Alltag und ganz zum Schluß ein leidenschaftliches Plädpyer für die Liebe, einmal mehr gesungen von der wunderbaren Cleo Sol, die zum festen Ensemble der Formation gehört: "Without love, it's hard for you to give it a try, so many promises that turn into lies, don't wanna start again and give someone a chance, can't you see the light's in your hands" - schöner und emotionaler hätte das auch Whitntey Houston kaum bringen können. Kein Selbstmitleid, sondern Trost- und Mutmacher, Sault zeigen einmal mehr (und nicht nur musikalisch) das richtige Gespür für das, was diese Zeiten erfordern. Grund genug, die 99 Tage nicht unnötig vertsreichen zu lassen.
Die Schlaglichter am Sonntag heute mal recht unterschiedlicher Art: Beginnen wir mit einem Quartett aus dem schottischen Glasgow - Book Klub der Name. Zur Band gehören Reece Robertson (Gitarre/Gesang), Jack Martin (Drums, Gesang), Ewen Kerr (Gitarre) und am Bass Ross Dowling, die vier Freunde haben seit dem Start 2019 drei Singles veröffentlicht, im einzelnen "Care", "Somni" und "Deathbed". Und gerade kam mit "Life Of Me" die nächste dazu, das düstere Post-Punk-Stück wird wie auch die Songs zuvor bei Disobedient Records gelistet.
Diese junge Dame hier ist über den Status des Shooting-Stars eigentlich schon hinaus und trotzdem noch lange nicht am Peak angelangt: Tirzah Mastin, kurz Tirzah, hat sich 2013 mit ihrer Debütsingle "I'm Not Dancing" (zu der sich wunderbar tanzen ließ) nachdrücklich ins Gespräch gebracht, ihr Debütalbum "Devotion" war fünf Jahre später dann schon mehr als ein Achtungserfolg, wenngleich der große Durchbruch, so er denn gewünscht ist, noch aussteht. Mittlerweile zweifache Mutter, hat die Künstlerin gerade den Namen ihres nächsten Albums bekanntgegeben - "Colourgrade" wurde zuvor schon von den beiden Singles "Sink In" und "Send Me" angekündigt, nun steht mit dem 1. Oktober via Domino Records auch der VÖ-Termin fest. Wer Tirzah schon länger begleitet, weiß um ihr Faible für spannende visuelle Übersetzungen ihrer Songs und so ist ihr auch für "Tectonic" wieder eine sehr eindrucksvolle und eigenwillige Bildsprache gelungen.
Wo wir gerade bei der eigenwilligen Bildsprache sind - auch Royal Canoe aus dem kanadischen Winnipeg haben in ihren Videos eine ganze Reihe feiner Einfälle umgesetzt, nachfolgend zu bestaunen anhand der aktuellen Singles "Feels Good", "Scratching Static" und "Butterfalls". Alle drei stammen im Übrigen von dem nächsten Album der fünfköpfigen Band - "Sidelining" soll am 9. Juli bei Paper Bag Records erscheinen. Weil aber noch ein vierter Track zur Vorveröffentlichung geplant ist, haben sich die Jungs dafür erneut etwas Spezielles einfallen lassen: Exakt am Tage der Plattentaufe um 06:45 Uhr am Abend bitten sie ihre Fans, einen Lautsprecher auf die Veranda zu stellen (ein offenes Fenster tut es ihrer Meinung nach auch) und den Track "Surrender" in voller Lautstärke abzuspielen. Ob die Aktion dafür sorgt, Song, Album und Band weltumspannend bekannt zu machen, lassen wir mal dahingestellt, witzig ist die Idee - gerade in Zeiten der (Post-)Pandemie - allemal.
Das ist jetzt anders. Und das soll wohl auch so sein. Zugegeben, von Desiree Klaeukens sind uns noch die Wollmütze im Gedächtnis, die traurigen Lieder vom Debütalbum "Wenn die Nacht den Tag verdeckt" und - ja, auch das - die wunderbare Single "Große Pause". Die stammt von einer Ausgabe des Kinderliedsamplers "Unter meinem Bett" aus dem Jahr 2018 und wer die Mutprobe langer Autofahrten mit manchmal schon recht nervigen Bälgern unbeschadet bestehen wollte, der tat sich mit diesem Song recht leicht: Die Kinder liebten ihn! Aber danach: Lange Zeit Ruhe. Heute aber kommt Staatsakt mit einer Künstlerin um die Ecke, die schon optisch wenig mit der von damals zu tun hat. Keine Mütze, fester Blick, gewinnendes Lächeln - jetzt also: DESI. Und sie ist nicht die einzige Frau, die uns überrascht. Denn im Video zur neuen Single "Halt nicht fest" von Haik Büchsenschuss spielt Lana Cooper die Hauptrolle, eine Schauspielerin, die man schon aus mancher toughen Rolle im TV kennt.Wir hören vom Beziehungsende, kaltem Entzug, Loslassen, leichter gesagt oft als getan. Ein Album, so liest man, ist in Planung, die nächste Urlaubsfahrt (die Kinder sind ja nun schon größer) dürfte gerettet sein.
Jetzt, wo alles gleißend hell ist, haben es die Schattengewächse naturgemäß schwerer, jetzt, wo es endlich wieder vorangehen soll, will man die Zweifler nicht hören. Und doch gibt es sie. Trümmer aus Hamburg zum Beispiel. Vor fünf Jahren haben Paul Pötsch (Gitarre, Gesang), Tammo Kasper (Bass), Maximilian Fenski (Drums) und Helge Hasselberg (Gitarre) ihr letztes Album "Interzone" veröffentlicht, nun wagen sie den Neustart. "Früher war gestern", ihre neue Studioplatte, die sie auf einem Gutshof in Schleswig-Holstein aufgenommen haben, wird am 17. September bei PIAS erscheinen, begleitet von der ersten Single "Wann wenn nicht" und der Tourankündigung für den Herbst. Der aktuelle Song geht übrigens raus an alle notorischen Nörgler, die ständig beklagen, dass doch immer alles viel schlimmer und trostloser werde. Ohne die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, mal selbst etwas daran zu ändern. 22.11.2021 Köln, Baumann und Sohn 23.11.2021 München, Milla 24.11.2021 Nürnberg, Club Stereo 25.11.2021 Berlin, Berghain Kantine 26.11.2021 Leipzig, Ilses Erika 27.11.2021 Hamburg, Molotow Club
Der Münchner Karl Valentin hat seiner Nachwelt ja eine ganze Reihe zeitloser und ungemein kluger Gedanken hinterlassen, einer davon lautet: "Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen". Nun bedenkt der humorige Mann hier eher diejenigen mit Spott, die zu alles und jedem eine Meinung haben und diese, sei sie noch so nebulös, auch überall lauthals kundtun müssen. Betrachtet man den Einzeiler aber eher wohlwollend und wortwörtlich, dann kann man sich bestimmte Dinge, obwohl schon breitgetreten oder totgespielt, eben dennoch anhören, wenn bestimmte Menschen sich ihrer annehmen. Nun ist es so, dass an Liedern über die Liebe, über gebrochene Herzen und zerbrochene Freundschaften keinerlei Mangel besteht. Und wir würden schnellstens abwinken, wenn sich nicht Erlend Øye neuerlich um sie kümmerte. Der norwegische Songschreiber hat mit seiner Band Kings Of Convenience und deren Debütalbum nicht nur den Slogan für ein Revival der leisen, zwarten Folkmusik erfunden ("Quiet Is The New Loud", 2001), seine Songs zählen generell zu der Art von Musik, die unbedingt sowohl für einsame Inseln als auch ausweglose Gemütsverfassungen, ja Taufen und Beerdingungen gleichermaßen taugen.
Und der macht nun, zwölf Jahre nach der letzten Studioplatte, eine neue und wir sind angehalten, keine unserer Behauptungen wegen ihr zurückzunehmen. Ja im Gegenteil, wenn Øye mit kongenialer Gastsängerin Leslie Feist über die Liebe sinniert, dann ist das, obschon altbekannt, als hätte man trotzdem gerade eine neue Bewußtseinsebene erlangt. Wollen wir's einfach mal gemeinsam versuchen?
If you want someone to enter in your life Show a part of your world they can dream about It will seem a fair idea If you make it their idea Go back to your corner Let them come to you
Patience is the hardest thing to have to learn Hours seem like oceans when desire burns Rushing in will ruin all, you must bide your time Sow a seed in water, wait for love to grow
Love, to you, is given, love is gifted you No love can be taken, that love is not true Love is pain and suffering, love can be a lonely thing Once you've known that magic, who can live without it?
Wer hier nicht zur Erleuchtung kommt, dem ist tatsächlich nicht mehr zu helfen. Viel mehr Worte muss man über das neue Album gar nicht mehr verlieren. Es ist natürlich fabelhaft geworden, man sollte es immer und überall dabeihaben und wie erwartet sind die elf Lieder essentielle Lehrbeispiele, wie schwer einerseits doch das Leichte zu bekommen ist - und wie befriedigend es sein kann, hat man es einmal (mehr) geschafft. Øye ist der schüchterne Großmeister in diesem Fach, er hinterlässt uns mit den Songs eine neue Sammlung wirkungsvollster Allheilmittel. Auch weil Nick Drake das ja nun nicht mehr kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir mit dem Schachspielen beginnen ...
Okay, die Masken der Jungs sahen schon immer ziemlich furchterregend aus. Aber wer deshalb meinte, die Ceiling Demons ließen sich problemlos dem Genre des Goth Rap zuschlagen (ja, das gibt es sehr wohl), sah sich nach kurzem Blick auf die sonstigen Vertreter getäuscht - davon sind sie nun wirklich noch eine ganze Ecke entfernt. Düster bleibt trotzdem, was das Trio aus North Yorkshire anbietet, 2017 berichteten wir hier von ihrem Albumdebüt "Nil" und nun sieht es ganz danach aus, als käme bald der Nachfolger. Denn "From The Womb To The Grave" soll die erste Auskopplung aus "Snakes And Ladders" sein, die Platte ist für den 22. September angekündigt. Und soll neben reichlich Bezügen zu Natur, Tod und Wiedergeburt einige Überraschungen bereithalten, so zum Beispiel Gastbeiträge von Folk-Sängerin Zarahruth, des keltischen Jazz-Geigers Andy Lawrenson und ein Feature von Dub/Reggae-Pionier Lee Scratch Perry. Und wer sich fragt, wie genau der Stil denn nun heißt, dem dürfen wir neben (dem sicher nicht ganz so ernstgemeinten) "elektronischen Exorzismus" noch "Alternative Art-Rap" empfehlen. Alles andere ist reine Deutungssache.
Tieren geht es mit dem umständehalber verordneten Lockdown in Großstädten gar nicht so schlecht. Angefangen bei den Hunden, die als Alibi für ausgedehnte Spaziergänge während bzw. trotz der Ausgangssperre gern herhalten werden, Katzen wiederum finden reichlich Kraul-Personal in den Homeoffice-Stuben dieser Welt, noch dazu ist der gleichnamige Instagram-Content auf Dauer eines der meistbetriebenen Freizeitvergnügen gelangweilter Zweibeiner. Vögel profitieren futtermäßig vom Heimwerkerwahn der eingeschlossenen Terrassen- und Balkonbewohner und selbst die Ratten können sich über schlechtgefüllte Biotonnen derzeit nicht wirklich beklagen. Läuft also für die Fauna? Nun, eine bestimmte Spezies, so ehrlich muss man sein, führt derzeit ein eher trauriges, vernachlässigtes Dasein - das Party-Animal, auch Feierbiest genannt, kommt nicht wirklich zur Entfaltung. Das Bier wird schal, der Wein sauer, kein Klub, kein Konzert weit und breit und so dämmert es, vom heimischen Bildschirm sediert, durch den Tag, kaum Aussicht auf Besserung. Die Londoner Band Margot hat gerade ein Video zu ihrem neuen Song "Falling In Between Days" veröffentlicht, der Flipside zur Single "Walk With Me". Als Regisseurin konnte die Künstlerin Annie Van Noortwijk gewonnen werden, bekannt für ihre eigenwillig visualisierten Parallelwelten. Und diese gab dann auch prompt und thematisch passend zu Protokoll: "I am not really a party animal but I do love to dance.If
anybody would have asked me if I would have missed dancing, chance
encounters, unpredictable nights this much I would have laughed, but
right now I can’t wait to get out and bounce around."
Update: Zugegeben, in ihren Anfangstagen klangen Margot etwas lebenslustiger, aber das mag auch an den äußeren Umständen liegen, die uns ja alle gleichermaßen betreffen - nur die Folgen sind für jede/n andere. Die neue Single "Fame" jedenfalls erzählt von falschen Vorbildern und schlechten Einflüssen. Und klingt trotzdem gut.
Stimmt schon - was könnte heute besser passen als eine Platte wie diese: Das Londoner Electropunk-Quartett The Umlauts hat ihre Debüt-EP "Ü" zwar schon vor einigen Tagen veröffentlicht (und ohne die Perlentaucher von ByteFM hätten wir sie gleich gar nicht gefunden), sie am Tag des Regenbogens zu erwähnen, macht dann aber doppelt Spaß. Gefunden hat sich die Band zunächst als Duo mit Alfred Lear und Oliver Offord, die sich am Wimbledon College Of Art trafen - doch weil zum Sound in der Regel auch noch Text und Gesang gehören, waren auch Annabelle Mödlinger und Maria Vittoria Faldini recht schnell im Boot. Wer sich fragt, wie es denn wohl klingen mag, wenn Kraftwerk und Peaches gemeinsame Sache machten, muss nun nicht mehr lange herumrätseln, sondern kann sich gleich hier zuschalten. Denn The Umlauts machen genau das - hektische, kantige Computerbeats, ordentlich schief und ordentlich laut, die Texte dreisprachig und herrlich schnoddrig. Die 12" bringt sechs Tracks der vier Musiker*innen, von denen etwa "Boiler Sweets And Combat Boots" schon gut zwei Jahre alt ist. Der schroffe, elektrifizierte Post-Punk, die DIY-Attitüde und die bissigen Texte passen auf's Beste zusammen, da kann man dann nur hoffen, dass die Band beizeiten auch mal durch die europäische Clubszene tourt und dem Nachtvolk kräftig Feuer unterm Arsch macht.
Gute Nachrichten bleiben gute Nachrichten, auch wenn sie kurz sind. Diese hier heißt: Tyler, The Creator arbeitet offensichtlich an neuem Material. Und das wiederum könnte bedeuten, dass bald auch ein weiteres Album von ihm zu erwarten wäre - sein sechstes nämlich nach dem fabelhaften "Igor" aus dem Jahr 2019. Der erste Track, der diese Hoffnung als berechtigt unterfüttert, heißt "Lumberjack" und hört sich an wie aus einer Zeitkapsel abgeworfen, die vergangenen Jahre konnten ihm offensichtlich mit all ihren Zeitgeistern nichts anhaben. Gut so, da darf bald mehr von kommen.
Update: Das geht schnell - "Call Me If You Get Lost" wird die neue Platte nun heißen, erscheinen soll sie schon nächste Woche ... und deshlab schieben wir noch schnell den Vorabtrack "WUSYANAME" hinterher.
Diese vier hatten wir bei unserem letzten Post für ein neues Album im August vorgemerkt, dann kamen die Wirren der Pandemie mit aller Gewalt dazwischen: Hater aus Malmö veröffentlichten im Mai vergangenen Jahres ihre Single "Sift", danach allerdings wurde es still um die zauberhafte Caroline Landahl und ihre Mitstreiter. Nun ein Lebenszeichen - "Bad Luck" heißt der neue Song (via Fire Records) und er klingt dramatischer, als man es bislang von dem Quartett gewohnt war. Was gut ist. Landahl selbst dazu: "The song is about some kind of social awkwardness between myself and new faces. Feeling left out due to not knowing how to read a situation but also not wanting to know more than I should." Mehr Informationen natürlich sobald verfügbar.
Acht Jahre sind eine verdammt lange Zeit, egal mit welchem Beruf man seinen Lebensunterhalt verdient. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass für eine/n Musiker*in doppelter Mut dazugehört, aus dem Alltagsleben auszubrechen. Zuerst der, dem ewigen Platte-Tour-Platte-Kreislauf freiwillig selbst ein Ende zu setzen und auszusteigen. Trotz aller Erwartungen den Schnitt zu machen und auch den eigenen Gewohnheiten und Sicherheiten zu entsagen, ist sicher schwieriger als es klingt, zumal man ja auch die Selbstbestätigung durch Erfolg hinter sich lassen muss, plötzlich ist auf die Schnelle nichts mehr da, um das verwöhnte Ego zu füttern. Ebenso schwer – der Wiederbeginn: Die Welt hat sich weitergedreht, die Jungen sind nachgerückt, times are a changin' und da sind die Zweifel, ob es noch reicht, ob es einen noch erfüllt, ob’s noch Sinn macht. 2013 hatten Slut ihr letztes Album veröffentlicht, „Alienation“ hieß es und es war – von außen betrachtet – beileibe keines, mit dem man entmutigt hätte hinwerfen müssen. Christian Neuburger, Rainer Schaller, Gerd Rosenacker und René Arbeithuber haben sich dennoch für eine lange Pause entschieden, haben den Laden erst mal geschlossen, Ende ungewiss. Und sind doch, weil Berufung statt Beruf, zurückgekehrt. Von einer Reise nach Griechenland ist zu lesen, Aufbruch und Rückzug gleichermaßen, vielen Ideen und Skizzen, sie haben lange mit den elf Songs gerungen, haben sie umarrangiert, neu instrumentiert.
Herausgekommen ist etwas, das zugleich alt und neu klingt, Vertrautes in neuem Gewandt also. Geblieben ist natürlich Neuburgers wunderbar weiche Stimme, die selbst einem so düsteren Album wie diesem etwas Tröstliches, letztlich Versöhnliches mit auf den Weg gibt. Geblieben sind auch die Harmonien, die schimmernden Hooks – selbst, wenn sie es unbedingt wollten, könnten Slut wohl nichts Dissonantes, verstörend Experimentelles aufnehmen, sie sind der Schönheit, dem Wohlklang verpflichtet. Und dass dieser neuerdings mit einem deutlichen Mehr an elektronischen Klängen und Effekten daherkommt, ist zwar auffällig, aber in keinster Weise störend. Er könne der teils doch recht breitbeinigen Rockmusik der Jahrtausendwende, also dem von Gitarren dominierten Sound, nicht mehr viel abgewinnen, hat Neuburger gerade dem Musikexpress erzählt, warum, so fragt er, sollten sie demnach etwas spielen, das sie selbst gar nicht mehr hören würden? Und so pluckert und pocht es auf der Platte reichlich, werden dicke Synthflächen aufgefahren, kommt mancher Beat eben aus der Steckdose statt vom konventionellen Schlagzeug. Der Qualität des Materials tut das überhaupt keinen Abbruch, wie gewohnt reiht sich bei Slut Hit an Hit, sind Stücke wie „For The Soul There Is No Hospital“, „Belly Call“, „Tell Your Friends“ und selbst ein Instrumental wie „Black Sleep“ von allererster Ohrwurm-Güte.
Auch inhaltlich ist sich das Quartett aus München und Ingolstadt treu geblieben. Thematisch hatten sie ja die Entfremdung schon beim Vorgänger auf den Schild gehoben und auch „Talks Of Paradise“ spürt den bewussten oder unbewussten Veränderungen nach, die wir in Zeiten von medialem Overkill und politischen Verwerfungen unweigerlich erfahren. Es sind die falschen Propheten, die uns paradiesische Zustände versprechen und die Mitmenschlichkeit dabei vergessen lassen („Good For All“), gerade in Zeiten der Pandemie merken wir auch, wie wichtig gegenseitige Fürsorge ist, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind, uns kümmern müssen um unser Seelenheil und das des Gegenübers („For The Soul There Is No Hospital“). Eindrückliche Bilder, starke und dunkle Poesie sind es, die Neuburger hier beschwört, von Vandalen ist die Rede, vom bevorstehenden Ende und davon, dass lange nicht alles gut ist, wenn jede und jeder sein Glück als hohle Geste per Tastenklick versichert. Für das bemerkenswerte „Yes No Why Later“ verbinden Slut sogar lyrische Zitate von Frost und Skidelsky mit der Ausstellungsarbeit gleichen Namens von Katharina Grosse. Slut bleiben eben, was sie schon immer waren – eine ungemein kluge und sehr melancholische Boyband, in die Jahre gekommen zwar, aber deshalb keinen Deut weniger relevant.
27.09. Berlin, Lido 28.09. Hamburg, Knust 29.09. Köln, Gebäude 9 30.09. Stuttgart, Im Wizemann 01.10. München, Strom 02.10. Dresden, Beatpol
Man ist bei amerikanischen Bands neuerdings ja immer versucht, ihre Veröffentlichungen auf der Timeline in die Zeit vor, während oder nach Trump zu verorten, der Typ hat Zeit und Menschen dort drüben einfach so radikal verändert, dass man ihm diesen Einfluß auf die Musik und wahrscheinlich die Kunst generell leider zugestehen muss. Meat Wave aus Chicago, also Sänger und Gitarrist Chris Sutter, Drummer Ryan Wizniak und Bassist Joe Gac haben angefangen, Musik zu machen, als Barack Obama noch im Amt war, ihre ersten Veröffentlichungen erschienen 2013. Die vorliegende EP wiederum wurde aufgenommen, als sich vieles in den USA zum hoffentlich Besseren wandelte, im Herbst 2020. Das Problem: Bei aller Freude über das Wahlergebnis und die Niederlage eines brandgefährlichen Polit-Autodidakten und Turbokapitalisten bleibt doch die Beklemmung, dass knapp die Hälfte des amerikanischen Volkes eben jenen Typen so okay fand, dass sie ihn bedenkenlos mit ihrer Stimme unterstützten und mit ihm systemischem Rassismus, weißen Übermachtsphantasien, Frauenhass und militanter Waffenliebe Tür und Tor öffneten. Und diese Leute sind ja nach dem Machtwechsel im Weißen Haus nicht einfach so verschwunden, sondern immer noch Teil des Landes und seiner Mentalität. Hinzu kommt, dass es Jahre brauchen wird, um die Ungerechtigkeit und die soziale Schieflage dieser Gesellschaft wenigstens einigermaßen wieder zu reparieren, vom medialen Irrsinn einmal abgesehen.
Das sieht und hört man, nimmt man sich die sechs Songs von "Volcano Park" vor - laute, leidenschaftliche Statements zwischen Punk und Post-Hardcore über den Niedergang des gesellschaftlichen Miteinanders, über die Gefahren des Konsumismus und die Verlogenheit politisch gesteuerter Informationsfluten. Alle Tracks der 12" sind thematisch miteinander vernetzt, die Texte zitieren sich in der Abfolge, die Übergänge sind nahezu fließend. Frustration, Wut, Anklage, schon im ersten Stück "Tugboat" wird all das durchdekliniert: "You wanted it new, you get what you asked for, you wanted it, now it's all history." Offen bleibt, ob ein Umdenken angesichts der katastrophalen Zustände, die viele sich gedankenlos herbeigewählt haben und die ihnen jetzt um die Ohren fliegen, jemals stattfinden wird oder ob man nicht doch einen anderen, neuen Schuldigen sucht und findet. Weiter geht es über die Käuflichkeit einer/s jeden von uns ("For Sale"), um die Wahre Wahrheit und wie sie manipuliert oder mit Füßen getreten wird ("Truth Died"). Anfangs noch mit brachialer Gitarrengewalt und Sperrfeuerschlagzeug, verändern Meat Wave ihren Sound im Laufe der gut zwanzig Minuten merklich, bremsen ihn ab, wandeln ihn in Richtung Noise und sind für die finalen "Fire Dreams" fast beim Post-Punk angekommen. Eine spannende Band, ein vortreffliches Kurzformat und einmal mehr der Beweis, dass es für gute Platten keine Überlänge braucht.
Jetzt könnte man behaupten, es wäre nicht die Zeit für solche Musik - gerade beginnt ja die Hoffnung auf bessere Zeiten nach dem doofen Virus wieder Flügel zu bekommen, der Sommer haut zudem noch ganz mächtig einen raus. Wer bitte braucht da düsteren Waverock? Nun, warum nicht einfach mal antizyklisch denken (es kommen auch wieder frostige Tage), schließlich handelt es sich bei der hier vorgestellten Band um eine, die durchaus Potenzial zu haben scheint - und die noch dazu ihre Lektion in Sachen Interpol und Editors gelernt hat. Laddermen sind ein Trio aus dem schweizerischen Luzern, genauer Leopold Oakes mit Gesang, Gitarre, Bass, Orgel, Simon Schurtenberger an den Drums
und Sebastian Meyer am Keyboard. Im Februar diesen Jahres haben die drei ihre Debütsingle "The Huntress Obeyed" veröffentlicht, gefolgt von "Welcome To The 20's" und heute nun "Houston Morphine". Alle Songs stammen von ihrem ersten Album "Special Kind of Violence", das am 2. September bei Waterfall Of Colours erscheinen soll.
Eigentlich ist das ja schön. Wenn ein Tanz die Welt erobert, dann hat das ja meistens etwas Völkerverbindendes, Friedliches. Denn Diktatoren haben keine Lieder - und geschmeidig bewegen können sie sich in der Regel auch nicht (sieht man mal von Boris Jelzin ab, aber der gilt ja als lupenreiner Demokrat und bei seinen fidelen Auftritten war mutmaßlich auch jede Menge Hochprozentiges im Spiel). Das Problem mit Sachen wie Lambada, Macarena, Jerusalema und dem putzigen Gangnam Style ist eher, dass sie sich schnell verbrauchen und irgendwann ziemlich nerven. Andererseits kommen die eher leisen und behutsamen Choreografien eben nicht so zur Geltung. Als nämlich beispielsweise 2019 die Neuseeländerin Aldous Harding mit dem Video zu ihrem Song "The Barrel" verzückte, da hat das, gemessen am Erfolg der obengenannten Kandidat*innen, kaum jemand mitbekommen. Dabei war, was die Frau dort mit spärlicher Gestik aufführte, so gefühlvoll und wunderbar anzuschauen, dass man ihr und dem dazugehörigen Album "Designer" nur das Allerbeste wünschen wollte. Gerade eben hat Harding nun den Clip zu ihrer neuen Single "Old Peel" vernetzt, wieder in gemeinsamer Regie mit Martin Sagadin und wieder mit einer bemerkenswerten Tanzaufführung, wenn auch ganz anders gelagert. Wollen wir hoffen, dass es diesmal ein paar mehr Menschen würdigen.
07.03.2022 Berlin, Admiralspalast 15.03.2022 Zürich, Bogen F 27.03.2022 Hamburg, Mojo Club 28.03.2022 Köln, Bürgerhaus Stollwerck
Es ist noch gar nicht so lang her, da schickte die Londoner Kapelle Moderate Rebels das erste Drittel ihres dreißig Songs umfassenden Werkes "If You See Something That Doesn't Look Right" ins Rennen und wie erwartet war das Ganze eine recht spannende Sache. Die fünf Frauen haben es ja geschafft, Monotonie und Wiederholung den negativen Beigeschmack zu nehmen und in einen Stilmix zwischen Post-Punk, 60s-Sound, Krautrock und Folk einzuarbeiten - auch mit der neuen Single, die just heute erschienen ist, gelingt ihnen diese Mischung auf reizvolle Weise. "Every Cheat You Meet Sings Lovesongs" erzählt von Betrügereien aller Art, seien sie politischer oder persönlicher Natur. Das Video dazu kontrastiert mit Zitaten von Calvin-Klein-Spots und der Konzeptkunst von Barbara Kruger, die warnende Botschaft lautet unmissverständlich: Vorsicht!
Fritzi Ernst „Keine Termine“ (Bitte Freimachen Records)
Es gibt durchaus gute Gründe, allein ins Kino, zu Ausstellungen oder eben auf Konzerte zu gehen. Geschmäcker sind ja bekanntlich und sehr zu Recht verschieden, dennoch muss man sich nicht freiwillig mit irritierten Seitenblicken, ungeduldigem Schnaufen oder der Frage: „Echt, das gefällt dir?!“ abplagen, sondern genießt manches besser für sich. Sichere Kandidatinnen für hochgezogene Brauen oder genervtes Augenrollen waren für lange Zeit Daniela Reis und Friederike „Fritzi“ Ernst, die unter dem schönen Namen Schnipo Schranke zwei wunderbare und ziemlich weirde Alben veröffentlichten. Beide einte der Sinn für skurrilen Humor, ein obsessives Verhältnis zu Körperflüssigkeiten aller Art und die Fähigkeit, Dinge, die vielen Mitmenschen sonst die Schamesröte ins Gesicht treibt, auf ungekünstelte und durchaus poetische Weise zu besingen. Lange bevor Blond die Hinterhältigkeiten der Monatsblutung thematisierten („Es könnte grad nicht schöner sein“), standen Sperma, Spucke, Pisse und Eiter bei den Hamburgerinnen bereits auf der Setlist, wurde die Reise des Tampons durch die Kanalisation schon musikalisch begleitet. Klar, dass da nicht jede und jeder ohne weiteres mit klarkam, man kann und will es halt auch nicht allen recht machen.
Schnipo Schranke jedenfalls sind seit 2019 Geschichte, die Umstände der Trennung, nach allem was man so liest, waren nicht die freundlichsten. Daniela Reis und Schlagzeuger Ente firmieren seither unter Ducks On Drugs – und Fritzi Ernst macht ein Solo. Und das ist, trotz aller Wehmut, die immer noch nachklingen mag über das Ende einer einzigartigen Formation, ein Grund zur Freude. Obwohl es ziemlich traurig ist. Thematisch jedenfalls, in großen Teilen. Der Hauptansatz von „Keine Termine“, über die Probleme dieser Welt zu philosophieren, besteht zu allererst in einer sympathisch verschmollten Verweigerungshaltung. Judith Holofernes hat vor knapp zehn Jahren mal gesungen: „Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich gar nichts wollen, ich weiß aber, dass alle etwas wollen sollen“ und dieser Satz gibt auch die Richtung für das Debüt von Fritzi Ernst vor. Sollen alle nur voranmachen, ihre Sache ist das nicht. Zwei Jahre hat Ernst (übrigens Klavierbauerin in Ausbildung) an den Songs geschrieben, vieles weggelegt und später wieder hervorgeholt – „Ich hab‘ keine Lust, mich stressen zu lassen wegen Musik“, hat sie im Podcast von Krachfinkgerade erzählt.
Geschadet hat es nichts, der lakonische Humor, die träge Schläfrigkeit zur Tarnung, die blitzgescheiten Beobachtungen und treffsicheren Kommentare, all das findet sich auf’s Schönste konzentriert in den elf Liedern der Platte. Meist in warmen Molltönen gehalten, das Piano als führendes Instrument und Quelle bezaubernder Melodien, ergänzt um ein paar Effekte, Drumloops und eigenartige Geräusche – Produzent Ted Gaier von Die Goldenen Zitronen hat all das gekonnt eingefangen und arrangiert. Nicht zu klein bewerten sollte man Ernsts kräftige Stimme, die im Kontrast zur zelebrierten Antriebslosigkeit sehr klar und entschieden klingt. Subtext: Unterschätzen braucht man diese Frau sicher nicht. Das machen auch die Texte klar: Der „Trauerkloß“ als Absage an aufgesetzte und letztlich leere Fröhlichkeit und zugleich Aufruf, mit all den Schwächen, Ängsten und Schüchternheiten trotzdem und unbedingt willkommen zu sein. „Ich kann deine Mutter sein oder deine Schwester“ als Bild für die Vielschichtigkeit einer jeden Persönlichkeit, die zuzulassen unabdingbar ist für mentales Wohlbefinden unserer Selbst und des Gegenübers.
Eine Traurigkeit ist hier zu hören, die fast immer auf angenehm leichte und doch sehr bestimmte Art gebrochen wird. Lächeln und Lachen machen vergessen, was einen sonst bedrückt und verstimmt, der Witz ist nie platt, sondern stets charmant, Drogen nicht hinderlich und wenn‘s in der „Höhle“ mal komisch riecht, dann kennen wir den Grund. Besonders gelungen neben dem besagten „Trauerkloß“ ist Ernsts beißender Kommentar über männliche Allmachtsfantasien, allzu häufig anzutreffen bei den Exemplaren, die sich selbst für unwiderstehlich halten und meinen, Frau könne gar nicht anders, als mit ihnen in Flirtkontakt zu treten. Auch hier eine Botschaft zwischen den Zeilen: Werdet mal endlich erwachsen! Gar nicht lustig ist einzig „Den Rubin“, ein Song, bei dem es einen kurz fröstelt, weil die Worte hart sind und der Abgrund so tief und unüberbrückbar scheint: „Deine Wut macht mich so wütend, die geht einfach in mich rein, dann kommt sie wieder raus aus mir und kehrt zurück zu dir. Hab ich dich etwa verletzt, tut mir irgendetwas leid? Ich gehe nicht erst jetzt, ich bin schon weg.“ Die Ausnahme und nicht der Schlusspunkt, das zum Trost. Aber es gehört wohl zu ihr. Und somit auch zu diesem bemerkenswerten Album.
Die Wahrheit ist: Sie haben also auch das besser und geräuschloser hinbekommen als viele ihrer männlichen Kollegen. Diese hätten aus übertriebenem oder gekränktem Ehrgeiz wohl entweder eine Projektarbeit mit dem Titel „Personelle Umbrüche bewältigen“ verfasst oder sich heillos miteinander überworfen („Some Kind Of Monster“ lässt grüßen). Nichts dergleichen ist, soweit wir es wissen, mit Sleater-Kinney nach der Trennung von ihrer langjährigen Drummerin Janet Weiss passiert. Gut, auf die Frage nach Trennungsgrund X oder Y wurde recht kurz angebunden vermerkt, darüber wolle man jetzt eigentlich nicht mehr sprechen, ansonsten galt als abschließendes Credo, was Carrie Brownstein kürzlich dem Portal Vulturesagte: „Whatever we’re doing as Sleater-Kinney is Sleater-Kinney“ – Word. Und es ist ja nun nicht so, als ob der Abgang der Freundin und Kollegin die einzige Zäsur gewesen wäre, welche dieses zehnte Studioalbum dokumentiert – immerhin war es auch die erste Platte, die Brownstein und Tucker seit langer Zeit selbst produziert haben und es ist auch – nicht ganz unwichtig – die erste nach dem durchaus erlösenden Ende der Präsidentschaft eines gewissen Donald Trump.
Und die Antwort auf die Frage nach dem Befinden der Band, die „Path Of Wellness“ nun liefert, ist die denkbar einfachste und zugleich erfreulichste, die den zweien wohl passieren konnte: Man vermag nicht wirklich einen Unterschied auszumachen zwischen dem, was war (und das meint hier hauptsächlich den Vorgänger „The Center Won’t Hold“, produziert von St. Vincent) und dem, was aktuell ist. Was wir hören sind garstige Gitarrenriffs alter Güte, ab und an ein paar schöne Orgel-/Synthakkorde und Brownsteins Stimme, die in den besten Momenten immer ein wenig an Patti Smith erinnert. Was ja nun beileibe nicht ehrenrührig ist. Die deutlichsten Änderungen sind da wohl eher thematischer Natur – war das letzte Album eher ein politisches mit persönlichen Bezügen, so ist das hier meist umgekehrt. Mehrheitlich Zwischenmenschliches also jetzt oder grundlegend Philosophisches, aber eben auch das Erwachen vieler aus einer Art Angst- und Schockstarre.
Auf Ohnmacht, Frustration und Wut folgen nun Hoffnung auf Entspannung und Gesundung, doch auch die (stets beunruhigende) Frage: Wie konnte es mit uns allen soweit kommen?! Exemplarisch vorgetragen im letzten Song der Platte „Bring Mercy“: Hier wird von den Unruhen gesungen, die auch eine Stadt wie Portland, die Wahlheimat der Band, wochenlang in Atem hielten – Demonstrationen gegen rassistische Polizeigewalt, organisiert von Black Lives Matter, Gegenveranstaltungen militanter Trump-Anhänger, Anfeindungen, Gewalt, Plünderungen, sogar Tote. Gnade ist wieder gefragt, Liebe – „Bring mercy, bring love, pack your bags with things to lift you up, got nothing without hope“, Herz und Mitgefühl sind die Dinge, die man wieder braucht, um das vergiftete Klima zu befrieden.
Der Blick scheint nun wieder freier für andere Dinge und das sind nicht immer die angenehmeren: Die anhaltende Umweltzerstörung, an der wir alle nicht unschuldig sind („Tomorrow’s Grave“), die Endlichkeit und Vergänglichkeit des Seins („Beauty is gone before we’re through, split into seeds make something new“) in „High In The Grass“ genauso wie die Lust, sich im Augenblick zu verlieren, dem Instinkt nachzugeben („Worry With You“). Es gibt Lieder über die Liebe und solche, die auf sehr reflektierte Weise von den Enttäuschungen und Schwierigkeiten bei der Bewahrung derselben erzählen. Und natürlich werden fehlende Geschlechtergleichheit und Misogynie angeprangert, mit „No Knifes“ und „Complex Female Characters“ gleich in einem thematischen Doppelschlag. Dem puristischen Sound der Band, seit jeher eines ihrer Markenzeichen, steht also eine sehr dichte, inhaltliche Bandbreite gegenüber, den Herausforderungen unserer Zeit durchaus angemessen. Dass Brownstein und Tucker darüber hinaus auch in der Lage sind, dem Ernst der Lage mit Humor zu begegnen, davon kann man sich in beiliegendem Entertainment-Clip überzeugen. Ein Grund mehr, sich über die Rückkehr zu freuen.
Okay, das ist dann so eine Art Soli-Post, weil's manchmal mehr um die Sache als um die Person geht: Als kürzlich Charly Hübner seinen Abgang als Bukow vom Rostocker Polizeiruf ankündigte, da waren wir kurz davor, hysterisch loszuheulen. Weil doch der Kerl zusammen mit Frau König, also der so zauberhaften wie knallfrechen Anneke Kim Sarnau, das ansonsten so kreuzlahme und stinklangweilige TV-Krimi-Genre seit seinem Start so kräftig und wohltuend unkorrekt in den Arsch getreten hatte und es kaum zu akzeptieren ist, dass damit nun bald Schluss sein soll. Gleichwohl kann man ihn als Schauspieler, der nicht wie die abgehalfterten Seniorengruppen beim Tatort oder als Pierre-Winnetou-Brice enden will, bestens verstehen. Trotzdem! Dann eben wenigstens etwas Zuspruch für die Unbeugsamen, können die bei aller Prominenz dort oben immer gut gebrauchen. Also auch der olle Marten aka. Marteria, dem ja mit "Zum Glück in die Zukunft I/II" und "Roswell" zuletzt ganz anständige Platten gelungen sind. Und natürlich ahnen wir, dass bald die nächste ins Haus steht, deshalb gibt es hier schon mal die drei bislang bekannten Auskopplungen "Paradise Delay", "Niemand hier bringt Marten um" und zur letzten Single "Marilyn" das aktuelle Video. Ansonsten die Bitte: Stabil bleiben im Norden!
Schön, wenn die Dinge zueinander finden: Von Paul Banks, dem umtriebigen Sänger der New Yorker Wave-Kapelle Interpol, hätte man in letzter Zeit ja gern etwas mehr gehört, zuletzt stand das zugegebenermaßen fabelhafte Debüt seines Side-Projects MUZZ auf dem Programm (2020), zudem kollaborierte er Anfang des Jahres mit Tristan Bechet aka. TRZTN - von Interpol selbst gab es 2019 die EP "Fine Mess". Sinead O'Brien wiederum war erst kürzlich im Gespräch, im April präsentierte die irische Musikerin ihre neue Single "Kid Stuff", nachdem ihre EP "Drowning In Blessings" ein Jahr zuvor für einiges Ausehen gesorgt hatte. Was beileibe keine Selbstverständlichkeit ist, denn die Kombination von Post-Punk und Spoken-Word-Performance ist sicher nicht das übliche Radiofutter. Doch das könnte sich noch ändern, auch hierzulande hat das Genre ja bekanntlich an Zulauf gewonnen, während auf der Insel nicht nur "Irish Sprechgesang Punk" (Loud And Quiet) schon seit längerer Zeit eine kleine Erfolgsgeschichte ist. Jedenfalls haben beide für besagten Song nun gemeinsame Sache gemacht, Banks spielte einen Remix ein und wir hören natürlich gern zu.
Woran es in den letzten Monaten nicht mangelte, waren Lebenszeichen von Künstler*innen aus der Quarantäne - kein Wunder, war es doch der einzige Weg, sich in Erinnerung zu bringen, im Gespräch zu halten, wo Konzerte nicht möglich und Studioaufnahmen nur sehr eingeschränkt machbar waren. Manche Formate nutzten sich recht schnell ab, Bestand hatte immer das, was auch von hoher Qualität war. Und dazu zählten auch die Songs, welche die südafrikanische Band Diamond Thug für ihre Fans einspielte - zuletzt die wunderbaren Stücke "Backpush" und "Empty Streets". An Ideen hat es der Gruppe um Sängerin Chantel Van T ja nie gemangelt, Bestätigung kann sich, wer mag, gern noch mal beim Debütalbum "Apastron" und der EP "Gaiafy" abholen. Oder auch bei der aktuellen Single "Purple Skies". Das Lied wird von einem epischen Video unter der Regie von Meghan Daniels flankiert, mit eindrücklichen Bilder besingt Van T ein uraltes Thema, den Schmerz beim Verlust geliebter Mitmenschen und die Schwierigkeiten, damit und danach weitzerzuleben.
Unverwechselbarkeit ist ein wertvolles Gut und im Pop von heute, wen wundert’s, eigentlich kaum mehr zu bekommen. Es kann aber durchaus von Vorteil sein, wenn man sich wenigstens ein paar markante Eigenheiten draufschafft, Stichwort: Wiedererkennungseffekt. Das steigert nicht nur die Kundenbindung (hier also die Treue der Anhängerschaft), sondern ruft auch diejenigen auf den Plan, die seit jeher auf der Suche nach außergewöhnlichen Talenten sind. Genau das scheint mit dem Regensburger Musiker Sebastian Eggerbauer und Münchens Labelchef Marc Liebscher passiert zu sein – beide auf der Suche nach dem, was man gern als „Mojo“ bezeichnet, also das ultimative Glücksgefühl, den besonderen Dreh. Eggerbauer hatte 2017 unter dem Pseudonym Telquist mit seinem Debüt „Strawberry Fields“ für ein erstes Ausrufezeichen gesorgt – klug verfrickelter Sample-Pop, den man ein paar Kilometer weiter im oberbayerischen Weilheim mit The Notwist fast schon zur Perfektion entwickelt hatte. Der hier aber (noch bei Wohnzimmer Records beheimatet), mit Reggaetunes angereichert und einer speziellen, sehr lässigen Slacker-Attitüde versehen, eine ganz eigene Strahlkraft entfaltete.
Wie so viele durch die Wirren der Pandemie wohl ein wenig ausgebremst, ist Eggerbauer dann doch bei Blickpunkt Pop gelandet und hat für sein zweites Album besagte Eigenheiten verfeinert. Alles das, was der Waschzettel zur Platte durchaus großspurig anmerkt, lässt sich tatsächlich erkennen bzw. -hören: Die Verwandtschaft zum großartigen Loser-Gedengel eines Beck Hansen, die brüchige, trotzige Stimme von J. Mascis und die spielerische Finesse der Sophtware-Spezialisten Grandaddy, auch Milky Chance sind natürlich in der DNS zu finden. Um noch eins draufzusetzen – Telquist klingt ein wenig so, als habe man Phoenix auf Valium gesetzt, ohne sie in ihrem Einfallsreichtum zu beschneiden, alles ungemein clever arrangiert, mit ein paar glitzernden Hooks versehen, nie langweilig. Ab und an versucht sich Eggerbauer auch mal an einem Rap und auch das gelingt ihm (auf seine eigenwillige, verschlafen-nölige Art) ganz gut. Die übers vergangene Jahr vorveröffentlichten Singles „Trash Talk“, „Taste“, „Mojo“ (ja, eben) und „Am I Right“ haben allesamt genügend Potential für längere Durchlaufzeiten auf den einschlägigen Kanälen, live soll der Junge eine respektable Band zur Unterstützung dabeihaben. Es könnte also durchaus sein, dass sich hier die Richtigen gefunden haben, um aus einem Überraschungscoup ein nachhaltiges Projekt zu machen.
Wir geben zu, als im letzten Jahr die EP "Fiction" erschien, da waren wir ein klein wenig enttäuscht - wir hätten uns durchaus mehr gewünscht. Weil man eben von dem Sound der kanadischen Band Suuns niemals genug bekommen kann. Fast so, als hätten sie das Flehen und Hoffen erhört (so träumt man sich das eben zusammen), wird es nun am 3. September via Joyful Noise Recordings tatsächlich ein weiteres, ihr fünftes Album geben. "The Witness" erscheint mit acht neuen Stücken und wird von einer kleinen Tour begleitet, welche die verbliebenen drei Musiker Ben Shemie, Liam O'Neill und Joseph Yarmush auch für vier Termine nach Deutschland führen wird. Fast unnötig zu erwähnen, dass die erste Single "Witness Protection" (Video unter Regie von Antoine Dasseville) von gewohnt betörender Qualität ist, so kann es gerne weitergehen.
01.11.2021 Köln, Bumann und Sohn 02.11.2021 Berlin, Lido 06.11.2021 Hamburg, Hafenklang 07.11.2021 Schorndorf, Manufaktur
Als Danielle Balbuena alias 070 Shake vor anderthalb Jahren mit ihrem Album "Modus Vivendi" um die Ecke kam, waren nicht nur wir hier einigermaßen hingerissen von der Kraft der Musik, dem Willen, den Rhymes, ein fach allem, was diese junge Frau aus New Jersey verkörperte. Bald danach durchkreuzte bekanntlich ein doofes Virus so ziemlich jeden Plan, als Künstlerin auf üblichem Wege bekannter zu werden. Das allerdings will sie jetzt nachholen - Mitte September startet sie ihre Welttournee, die sie zunächst durch die Staaten und später nach Europa bringen wird.
Fast hätten sie uns soweit gehabt, fast wären wir vom Glauben abgefallen: Man hat ja nun schon einige Wandlungen mitgemacht, manche zum Schlechteren, andere zum Besseren. Dass sich eine eingeschworene Hardcore-Kapelle wie Ceremony beispielsweise ziemlich abrupt dem Post-Punk, Wave und sogar Pop zuwendet, war nur im ersten Moment befremdlich, sie haben den Schwenk tatsächlich sehr gut hinbekommen. Dass dies den Blackgazern von Deafheaven auf ähnlich überzeugende Art geglückt wäre, ist reine Spekulation, denn glücklicherweise ist der Versuch dann doch ausgeblieben - vorerst. Die neue Single "Great Mass Of Color" jedenfalls lässt uns lange Zeit im Ungewissen, wohin denn die Reise der Kalifornier gehen mag, alles beginnt verträumt und zart und sehr, sehr melodisch, ganz fünf Minuten wartet man eigentlich nur auf den einen, großen Knall. Der dann tatsächlich auch kommt - wütendes Geschrei, brutales Gitarrenfeedback, wieder zu Hause. Das Quintett um Sänger George Clarke ist allerdings bekannt dafür, im eigenen Metier mit viel Lust zu irritieren, das Typische, schablonenhaft Erwartbare ist ihnen ein Graus. Insofern darf man sicher auch von dem neuen Album "Infinite Granite" einiges an Überraschung erwarten, am 20. August kommt der Nachfolger von "Ordinary Corrupt Human Love" via Sargent House.
Das hier fällt unter die Kategorie Service-Post: Die überaus großartige Folkrock-Band Big Thief um Sängerin und Solistin Adrianne Lenker hat für den Anfang des kommenden Jahres Daten für die Europa-Tour bekanntgegeben. Und auch wenn von dem New Yorker Quartett nach vier Alben aktuell sonst keine Neuigkeiten - meint neue Platte oder neue Single - zu vermelden sind, ist das schon Grund zur Freude genug, denn so häufig kommen sie ja nun mal nicht vorbei. Material zum ausgiebigen Vortrag gibt es reichlich, die beiden letzten Veröffenlichungen "U.F.O.F." und "Two Hands" stammen beide aus dem Jahr 2019 und waren (wen wunderts) formidabel. VVK startet am Freitag dieser Woche, zur Einstimmung gibt's hier eine wunderare Coverversion "Off You" von The Breeders.
09.02. Zürich, Kaufleuten 10.02. München, Muffathalle 13.02. Berlin, Huxley's 16.02. Hamburg, Fabrik 18.02. Köln, Live Music Hall
Die halbe Stunde sollte man sich ruhig mal nehmen, schließlich reden wir hier nicht von irgendeiner Band mit einem beliebigen Album. Sondern von den Glass Animals und ihrem im vergangenen Jahr erschienenen phänomenalen "Dreamland". Von dem man schon so kaum genug bekommen konnte und kann. Und das mittlerweile so viele wunderbare Ableger kennt, die alle zusammenzufassen selbst diesen Rahmen sprengen würde. Deshalb hier ein paar der schönsten Beispiele, einige schon älter, ("Heat Waves" von Diplo, "Tangerine" mit Arlo Parks und "Heat Waves" plus Iann Dior), andere frisch aus dem Netz, so der Clip zu "Space Ghost Coast To Coast", der gleiche Song zusammen mit Bree Runway und ganz neu "Tokyo Drifting" im Oliver Malcolm Remix. Tune in!