Freitag, 12. Juli 2019

Marika Hackman: To Hell mit Problemzonen [Update]

Sie ist nicht als besonders ängstliche Frau bekannt, dennoch ist dieser Schritt ein beachtlicher: Marika Hackman, britische Songschreiberin, zeigt sich auf dem Cover ihres neuen Albums "Any Human Friend" in ungeschminkter Nacktheit, sie zwingt zum Hinschauen, zur Auseinandersetzung. In Zeiten, da selbst Kinofilme schon nachbearbeitet und -geschönt werden und das Frauenbild in der Musik- und Modebranche noch immer von durchgestylten, geglätteten Normkörpern dominiert wird, ist das ein Schritt, den man ihr nicht hoch genug anrechnen kann. Denn den Mut, sich auf diese Weise der Öffentlichkeit auszusetzen und einen Fick daruf zu geben, was wer als angebliche Problemzonen definiert, traut sich nicht eine jede (und ein jeder schon gleich dreimal nicht), Lena Dunham läßt grüßen. Der Nachfolger von "I'm Not Your Man" (2017) wird am 9. August bei Sup Pop erscheinen, die erste Single "I'm Not Where You Are" kommt schon heute samt Video von Will Hooper (Idles, Our Girl).

Wer sich für Marika Hackmans Erklärungen zur Cover Art ihrer Platte - das Foto stammt von Joost Vandebrug und ist auf Inspiration der Künstlerin Rineke Dijkstra entstanden - interessiert, kann gern ihre Auskünfte auf der Website des Labels nachlesen. Dort kann man im Übrigen auch das lachsfarbene Vinyl samt Unterbuchse und Schweinchensticker ordern.

Update: Mit "The One" kommt heute ein zweiter Song vom neuen Album dazu, über den sie selbst laut DIY sagt: "Probably the poppiest song I've ever written." Und visuell ein Hingucker: In dem Clip von Louis Bhose entwickelt sich Hackman vom schüchternen Kopiermädchen zum Discovamp.





Donnerstag, 11. Juli 2019

John Paul: Explorations in Pub

Schon geraume Zeit in Umlauf, hier aber sträflicherweise noch nicht erwähnt: John Paul, Musiker, Buddy und Kollaborateur der Sleaford Mods aus Bristol, wird am 7. September beim Duisburger Label In A Car Records eine neue 12" mit drei Tracks veröffentlichen. Zum ersten "Nuts" gibt es das nachfolgende Video, ergänzt wird mit dem Song "Subjects" und einer Dub-Version von "Chin In", eines Stücks vom Debütalbum "No Filter". Glaubt man dem Gezwitscher im Netz, ist ein zweiter Longplayer auch nicht mehr fern.

Paper Buoys: Kein Grund zum Schämen

Also wenn sie dieses Merkmal zum Prinzip erheben, dann könnte es mit der Band noch recht spannend werden - zwei Singles, zwei glasklare Assoziationen, die Paper Buoys aus Birmingham machen aus ihren Vorbildern offenkundig kein Hehl. Als im Mai ihre neue Single "Chasing Ghosts" erschien, waren The Cure mit die ersten, die sich nach den Anfangstakten in Erinnerung brachten. Und nun beim nächsten Song "Time Won't Wait" muß man nach Joe Strummer und The Clash auch nicht lange kramen. Beides fabelhafte Referenzen, für die man sich nicht schämen muß. Mit ihren selbstbetitelten Debüt haben die vier Herren 2018 den Musikaward ihrer Heimatstadt gewonnen, könnte gut sein, dass sie bald etwas größer planen müssen.



Party Hardly: Kulisse als Statement

Abgefuckte Wohnblocks haben nicht nur einen unleugbaren künstlerischen Aspekt, in England gelten sie spätestens seit Grenfell auch als Sinnbild der Tatenlosigkeit der regierenden Klasse bzw. als Anklage gegen selbige. Nicht verwunderlich also, dass sich so viele aufstrebende Bands vor solchen Bauten ablichten lassen, so auch die Formation Party Hardly aus Leeds. Tom Barr, Lachlan Banner, Matt Pownall und Stanley Braddock werden nicht nur wegen des Titels ihrer neuen EP "Modern Strife Is Snobbish" gern mit Blur verglichen, ihr Sound ist ähnlich roh plus melodisch. 2017 erschien mit "Friendly Feeling/Jobs" ihre erste 7", ein Jahr später dann die Debüt-EP "Cycle Of Life" (mit der Single "Football"). Vom aktuellen Kurzformat gibt es hier das Stück "Rats In The Kitchen" zu hören, dazu noch das etwas ältere "Hopskotch Man".


Swedish Death Candy: Harter Brocken

Mal was Neues aus einer Ecke, aus der in der letzten Zeit überschaubar wenig kam - dem Stoner Rock: Die Viermann-Kombo Swedish Death Candy, wohnhaft in London, gibt es seit dem Jahr 2014, nach einer ersten EP erschien 2017 ihr selbstbetiteltes Debütalbum. Nun hat das Quartett für den 27. September seine zweite Platte mit dem Titel "Are You Nervous?" via Hassle Records angekündigt, laut Sänger Louis Perry, selbst ein großer SciFi-Fan, geht es auf diesem hauptsächlich um den anghaltenden Technologiewandel und die möglichen Gefahren, die die rasante Entwicklung für jeden einzelnen für uns birgt. Nach den beiden Vorabveröffentlichungen "Green" und "A Date With Caligula" kommt heute Single Nummer drei "Modern Girl", ein Stomp allererster Güte, im Herbst geht es auf Clubtour durch Deutschland.

23.10.  Köln, MTC 
24.10.  Leipzig, Ilses Erika
25.10.  Hamburg, Hafenklang 
26.10.  Dresden, Groovestation 
29.10.  München, Milla  
30.10.  Nürnberg, Z-Bau
31.10.  Ulm, Kradhalle





Mittwoch, 10. Juli 2019

The Murder Capital: Nicht lange zögern [Update]

Fakten schaffen ist manchmal nicht die schlechteste Lösung: Es hat sich ja eingebürgert, vor dem großen Wurf Debütalbum eine ganze Reihe Versuchsballons - hier EP oder 12" - fliegen zu lassen, um erst dann abzuliefern, wenn der letzte Zweifel verflogen ist. Nicht so The Murder Capital aus Dublin. Die Musiker um Sänger James McGovern halten sich nicht solcher Art Kleinteilung auf sondern bringen nach den beiden Vorabsingles "Feeling Fades", "More Is Less" und "Green And Blue" am 16. August via Human Season Records gleich den ersten Longplayer ins Geschäft. Produziert hat Marc Ellis aka. Flood, bekannt für seine Arbeiten mit New Order, Nick Cave, PJ Harvey oder Warpaint, der Titel des Werkes heißt "When I Have Fears" und neben dem Artwork können wir auch noch drei Termine für Deutschland bekanntgeben.

12.11.  Hamburg, Molotow
13.11.  Berlin, Musik und Frieden
14.11.  Köln, Artheater

Update: Mehr und mehr erscheinem einem die Jungs aus Dublin als eine ernstzunehmende Alternative zu den Fontaines D.C. - auch ihre neue Single Don't Cling To Life" ist ein feines Stück Indierock, der Clip kommt von Ethan Barrett und Tom Gullam.



Dienstag, 9. Juli 2019

Pinero|Serene: Gothic chic replay

Eine ordentliche Entschuldigung ist das zwar nicht, aber als der erste Song "Take My Soul" der beiden Damen die Runde machte, wollte man sich noch auf die getragenen Pianoakkorde rausreden. Das geht nun nicht mehr so einfach. Denn was das Duo Pinero|Serene mit der zweiten Single "Dead Flowers" abliefert, ist gothic chic in Reinkultur, monochrom in Szene gesetzt, erste Sahne also. Es musizieren hier gemeinsam die Deutsch-Philippinerin Cheryl Pinero am Bass und Sängerin Neeq Serene, beide aktuell wohnhaft in London und ab Freitag dieser Woche mit ihrer Debüt-EP "Dark Matter" garantiert ein Dauergespräch.





Dizraeli: Collapsing people [Update]

Toller Track, tolles Video: Rowan Alexander Sawday, besser bekannt unter seinem Pseudonym Dizraeli, hat für August diesen Jahres sein neues Album "The Unmaster" angekündigt. Der in Bristol geborene Rapper, der mittlerweile in London lebt, hatte im Februar schon die erste Vorabsingle "Madness" veröffentlicht, nun schiebt er "Oi Oi" hinterher und wieder kommt dazu ein so simpel wie eindrucksvoll arrangierter Clip. Die Idee zu dem Smartphone-Kurzfilm kommt von ihm selbst, gedreht hat Ben Hooper - hier noch ein Kommentar von Sawday zum Hintergrund: " I had a sense I've had often [since], that the world around me was falling to fragments. I think there's a lot of collapse happening at the moment, within and between people, and this song is about that."

Update: Und mit "My Mama" haben wir seit heute einen weiteren Track vom neuen Album draußen - hier zeigt und fordert der Sohn Respekt für seine Mutter, wie man es von Männern wahrlich nicht allzu oft zu hören bekommt.





Montag, 8. Juli 2019

SAULT: Großes Geheimnis

Wenn selbst die gewöhnlich bestens informierten Fachleute von Gorilla vs. Bear nicht viel mehr wissen, dann könnte es sich wirklich - höchst selten in diesen leider komplett geheimnislosen Zeiten - um eine Art Mysterium handeln: Es gibt da also eine neue Band, ein Kollektiv namens SAULT, die Londoner Grime-Künstlerin Little Simz hat sie in einem Tweet in höchsten Tönen gelobt, die einen vergleichen sie mit Santigold und Tune-Yards, andere empfehlen sie allen, die sonst Anderson .Paak oder The Internet mögen. Fakt ist: Der Sound von SAULT ist eine äußerst infektiöse Mixtur aus Funk, Soul, Big Beat und allem, was sich tanzen läßt. Erschienen ist das Debütalbum mit dem Titel "5" auf dem Label Forever Living Originals und indem wir es hier als Stream teilen, geht es genau auf die Weise viral, die sich die Macher hinter dem Hype wohl vorgestellt haben. Recht haben sie.

Sonntag, 7. Juli 2019

Neil Young And The Promise Of The Real: Spätberufen

Neil Young And The Promise Of The Real
Support: Bear’s Den
Olympiahalle, München, 6. Juli 2019

Es wäre natürlich ein Leichtes, das Ganze zeitgemäß ironisch zu verpacken. Die Dichte alter weißer Männer war einfach zu hoch, als dass man sie hätte einfach ignorieren können, sie traten in gutgelaunten Gruppierungen auf, wie man sie in dieser Stadt sonst nur von Baumaschinen- oder Handwerksmessen kennt. Einziger Unterschied: Hier trugen viele stolz zur Feier des Tages (oder eben Abends) ihre alten, aber frisch aufgebügelten Tourshirts von Crosby, Stills und Nash, Crazy Horse, vereinzelt waren auch die Ramones, Pearl Jam oder Nirvana zu sehen. So muß das wohl sein, wenn der Urahn des Grunge, Noise-Pate, Gottvater der verzerrten Folkgitarre, seine Füße für zwei Stunden auf irdischen Bühnenboden setzt und seinen Jüngern gemeinsam mit einer juvenilen Truppe eine Auswahl hymnisch verehrter Standards darbietet. Man kann aber auch die Ironie beiseitelassen und die Geschichte aus persönlicher, spätberufener Sicht erzählen: Wer wie der Rezensent (mittlerweile auch ein einigermaßen alter, weißer Mann) in der ostdeutschen Provinz aufgewachsen ist, der hat die Musik von Neil Young in der Jungendzeit vielleicht auch eher etwas abschätzig und aus sicherer Distanz wahrgenommen. Dann nämlich, wenn sich an den Wochenenden im Dorfgasthof die immergleichen langhaarigen, etwas heruntergekommenen Gestalten zum Ritual der Rockerrunde auf dem Parkett versammelten und ihre Mähne zum immergleichen Dreiklang aus „San Francisco“, „Country Roads“ und „Heart Of Gold“ schüttelten. Dann durfte, dann wollte man nicht stören, stand mit verständnislosem Blick am Rand und fühlte sich, naja, irgendwie überlegen, etwas weiter halt.

Den Zugang gab’s dann erst lange Zeit später, als man erstaunt vernahm, wie Kurt Cobain und Eddie Vedder Anfang der Neunziger den mittlerweile ergrauten Mann als ihre eigentliche Inspiration, ihre Erweckung priesen. Wie recht sie doch hatten. Seitdem waren Young und sein Songbook nicht mehr wegzudenken, gehörten und gehören seine Lieder in den heimischen Schrein, genießen gerade seine Live-Alben einen Status an Verehrung, den andere Musiker niemals mehr erreichen werden. Vielleicht war es dennoch ganz gut, dass für jeden Abend seiner Tour mit den jungen Burschen die Playlist variiert wurde und eben jenes besagte „Heart Of Gold“, obgleich mittlerweile ebenfalls in den Reigen der Lieblinge aufgenommen, in München nicht auf dem Programm stand – aus Gründen. Alternativen gab es ja reichlich. „Powderfinger“ ein Knaller, „Harvest Moon“ sowieso, der erste Höhepunkt jedoch kam mit dem nicht ganz so populären „Words (Between The Lines Of Age)“. Youngs Werk kennt ja grob vereinfacht vier Kategorien – den locker dahinrollenden Folksong, die zarte Ballade, den knackigen Rockfetzen und den ewig rückkoppelnden, ausufernden Midtempoblues. Und nicht wenige behaupten, nur in der letztgenannten sei er einzigartig, ungeschlagen.

Genau dahin gehört „Words“. Nicht enden wollendes Starkstromgegniedel, die Saiten malträtiert, alles wummert, kreischt, sägt und jault – und zwar nicht bloß als ohrenbetäubender Lärm, sondern in schönsten Melodien verbaut. Die einem, das darf man ruhig sagen, schon mal Tränen in die Augen treiben können, wenn sie im richtigen Moment die richtige Stimmung treffen. Klar, „Rockin‘ In The Free World“ und „Throw Your Hatred Down“ geben ordentlich Gas, „Winterlong“ ist anrührend schön und „Fuckin‘ Up“ spricht für sich selbst. In Erinnerung aber bleiben am ehesten die fabelhaften Soli von „Cortez The Killer“, „Change Your Mind“ und natürlich der unglaublichen (weil unverhofften) Zugabe „Like A Hurricane“. Songs, deren Wirkung man nur schwer erklären kann, die aus dem Resonanzraum seiner Gitarre herausschwingen, die so kraftvoll brummen und vibrieren, dass einem vor Freude das Herz aufgeht. Hendrix hat damit angefangen, Dylan wurde deswegen zur Legende und der nun auch schon gänzlich weißhaarige J. Mascis offenbarte vor Jahrzehnten, dass er das Prinzip am besten verinnerlicht hatte. Dass Young seine Songs (trotz der teilweise neuen Arrangements) noch immer so unvergleichlich kraftvoll über die Bühne bekommt, verdient nicht nur Respekt. Es zeigt auch, dass diese spezielle Form von Altersstarrsinn, für die er ja in vielerlei Hinsicht berühmt und berüchtigt ist, dieses stoische „Immer weiter“, durchaus von Sinn und Nutzen sein kann. Und wenn auch nur für ein paar Tausend Menschen, die ihm an solchen Abenden in Dankbarkeit und Genugtuung zujubeln können.

Samstag, 6. Juli 2019

Ilgen-Nur: Wechselspiel

Die erste Vorankündigung für die Hamburgerin war vor Wochen schon raus, heute kommt die Fortsetzung: Ilgen-Nur, Songwriterin mit Vorliebe für laute Gitarren, hatte im Vorfeld der Veröffentlichung ihres Debütalbums "Power Nap" am 30. August zusammen mit den Tourplänen die erste Single "In My Head" präsentiert, nun geht mit "Easy Way Out" die zweite samt Kurzfilm auf Sendung. Stimmlich wählte die Künstlerin in Kim Gordon ein honoriges Vorbild, sie wollte bei dem Song die Strophen eher sprechen als singen, der Clip von Constantin Timm nimmt uns in einer Art Sammeltaxi mit auf eine nächtliche Reise, man assoziiert mal bedrohliche Spannung, mal Geborgenheit - ein Wechselspiel. Konstant hoch bleibt die Vorfreude auf eine mutmaßlich großartige Platte.

Silverbacks: Gleich nebenan [Update]

Es wäre weit mehr als ungerecht, wenn wir bei dem ganzen (gleichwohl völlig berechtigten) Hype um die Dubliner Post-Punk-Kapelle Fontaines D.C. eine Band vergessen würden, die in der gleichen Stadt wohnt und schon ein paar Takte eher auf dem Radar erschienen ist. Und bevor jetzt alle gleich zusammenzucken - nein, wir reden selbstverständlich nicht von U2. Sondern von den Silverbacks. Die Silberrücken nämlich hatten schon in den vergangenen drei Jahren immer wieder feine Singles veröffentlicht, zuletzt die Songs "Just For A Better View" und "Dunkirk". Und gerade eben kam nun das neue Stück "Pink Tide" um die Ecke, produziert ein weiteres Mal von Daniel Fox (Girl Band).

Update: Und hier auch noch das Video zur Single.



Donnerstag, 4. Juli 2019

Die Kerzen: Poesiealbum

Die Kerzen
„True Love“
(Staatsakt)

Vielleicht hat der olle mecklenburgische Herzog Christian Ludwig II. ja damals irgendwie geahnt, dass das nicht anginge. Dass also eine so wunderbare Band wie Die Kerzen unmöglich aus einem Ort Names Klenow kommen könne. Das macht sich zwar im berlinerischen Dialekt ganz dufte, würde aber dem Charakter des Quartetts in keinster Weise gerecht werden. Und so hat der Hochwohlgeborene schon Mitte des 18. Jahrhunderts ein paar Prunkbauten in der Nähe errichten lassen und die Gegend dann ausgesprochen weise zu Ludwigslust umgetauft. Und das wiederum trifft die Kerze oder besser den Nagel auf den Kopf. Denn mit Lust assoziiert man die Musik von Jelly Del Monaco, Die Katze, Fizzy B und Super Luci sofort, dem Adel sei Dank. Soll heißen: Wahre Liebe, New Romantic, Schmachten, Schwelgen – Wham? Bham! Und es wird einige geben, die behaupten wollen, diese Platte wäre wie gemacht für einen heißen Sommer – stimmt ja. Aber sie macht sich ebenso gut vor einem knisternden Kamin an graufrostigen Wintertagen, man kann sich zu den Songs mit schweißperlenbesetzter Haut in der Sonne aalen oder unter meterdicken Wolldecken verkriechen, sie wird ihre Wirkung nicht verfehlen. Allwetterplatte sozusagen.



Denn unabhängig von der jeweiligen Witterung spielt sich bei „True Love“ wie schon zuvor auf der ebenso fabelhaften EP „Erotik International“ vieles im Kopf ab, werden bei manchem Erinnerungen heraufbeschworen aus einer Zeit, wo die Liebe noch Herzen zerriss, schmerzte wie die Hölle oder Glücksgefühle auslöste, die man bis dato gar nicht für möglich gehalten hätte. Emotions im Überfluß, das sind Die Kerzen, ganz ohne falsche Scham und Schwülstigkeit, sondern weich, warm, rührend. Und denkbar einfach gemacht: Der Ostrock der späten Achtziger wird ja nicht nur im Besserwesten stets belächelt, hatte aber Qualitäten, die heute gern wieder ausgegraben werden und allemal eine zweite Chance verdienen. Wer sich frühe Stücke von City, Silly, Pankow oder selbst IC Falkenberg anhört, entdeckt dort viel, was eine Band wie die Die Kerzen heute so gut und unverwechselbar macht – simple Soundmuster, hübsche Melodien und vor allem ungekünstelte, im Kleinen wirklich große Poesie.



Inwiefern dieser Bezug bewusst gewollt oder nur zufällig ist, sei dahingestellt, die zehn Songs des Debüts jedenfalls sind übervoll davon, man kann sie aber auch ganz ohne diese Erinnerungsbrille genießen. Sie wippen nicht nur zum feinem Synthpop aus längst vergangenen Tagen von Cola-Whisky, Diskokugel und Trockeneisnebel, sie wollen mit allem Kitsch und überzeichnetem Gefühl auch ernst genommen werden, weil das Leben nicht nur damals so war, sondern auch heute (hoffentlich) ab und zu noch so ist. „Saigon“, „Al Pacino“, „In der Nacht hast Du geweint“ und „Desole“, um nur einige der schönsten zu nennen, besingen Leidenschaft, Sehnsucht, Einsamkeit, Trübsinn, Verzweiflung, Verzückung, solche Dinge. Und wo eine/r sich daran erinnert, wie weh das alles mal getan hat und trotzdem einiges dafür täte, solches noch einmal zu erleben, da steckt der oder die andere mitten in ebenjenem Strudel und verliert sich darin gerade so hoffnungslos – beides vermögen diese Songs zu spiegeln. Wer Schwäche zu zeigen bereit ist, wer Mut hat zum großen Gefühl, gern auch den Überschwang feiert, muß dieses Jahr keine Lieblingsplatte mehr suchen – sie ist soeben erschienen.

13.07.  Chemnitz, Musikmeile
14.07.  Frankfurt/Oder, Hansestadtfest
22.08.  Berlin, Frannz Club
18.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
18.10.  Berlin, SO36
19.10.  Schorndorf, Manufaktur

Dienstag, 2. Juli 2019

The Dead Sound: Neuanfang

Jedem Ende wohnt ein Anfang .. ja, kennt jeder. Scheißspruch manchmal. Dachten sich vielleicht auch die Anhänger der Punkband Freiburg aus Gütersloh, als die vor einem Jahr ihre Auflösung bekanntgaben. Aber irgendwo stimmt's halt dann doch - einige Zeit später sitzt zumindest Lars Borrmann wieder hinter dem Schlagwerk und macht gemeinsame Sache mit zwei Buddies, die sonst ihren Dienst bei Love A tun, Karl Brausch (Gesang/Gitarre) und Dominik Mercier am Bass. Die drei haben sich für ihr einigermaßen neues Projekt The Dead Sound dem Noiserock und Shoegazing verschrieben, Bands wie A Place To Bury Strangers, My Bloody Valentine oder The Jesus And Mary Chain standen zweifellos Pate. Ihr Debütalbum wird unter dem Titel "Cuts" am 19. Juli bei Crazysane Records erscheinen, neben den älteren Stücken "Into The Dark" und "No Tomorrow" haben wir hier das aktuelle Video zur Single "Do You Fear?" parat.

19.07.  Trier, VillaWuller
30.08.  Köln, Stereo Wonderland
31.08.  Berlin, Zukunft am Ostkreuz





The Screenshots: Kleine Freuden

Nicht selten sind die kleinen und unverhofften Nachrichten die erfreulichsten. Diese hier zum Beispiel ist geradezu eine winzige und doch hat sie das Zeug, den Tag zu retten: Die fabelhafte Krefelder Punkrockkapelle The Screenshots nämlich geht noch in diesem Jahr auf "Liebe Grüße an alle"-Clubtour - einfach so. Im November 2018 ist ihr letztes Album "Übergriff" erschienen, darauf so tolle Hammerhits wie "Fußball ist cool", "Hey" oder "Männer", Stücke, die sich auch auf dem Vinyl-Sammelsurium "Europa" finden. Hier also die sehnlichst erwarteten Termine und ein Video-Rundumschlag vom Feinsten.

19.11.  Bremen, Lagerhaus
20.11.  Berlin, Zukunft am Ostkreuz
21.11.  Leipzig, Ilses Erika
22.11.  Chemnitz, Atomino
23.11.  Wien, GrillX
24.11.  Salzburg, Rockhouse Bar
26.11.  München, Milla
27.11.  Karlsruhe, Kohi
28.11.  Stuttgart, Merlin
29.11.  Mainz, Schon schön







Sonntag, 30. Juni 2019

Vandebilt: Durchstarter

Beginnen wir unser sonntägliches Bildungsprogramm heute im englischen Norden, genauer im Städtchen Sunderland. Von dort stammen Jordan Miller, Jack Crack, Jack Wade und Daniel Martin - 2018 haben sie unter dem Namen Vandebilt ihre ersten Demos aufgenommen, stilistisch könnte man ihren Sound als elektrifizierten Funk-Punk bezeichnen. Die erste Single "Dream In Colour" kam im März ins Netz, schon diese sehr poppig und tanzbar, und auch das aktuelle Stück "Pushing Through" hat einen gleich mit den ersten Takten. Wäre verwunderlich, wenn die vier damit nicht gleich durchstarten würden.



Hideous Sun Demon: Big News, erster Teil

Etwas kompromissloser und knackiger gehen dieser drei Kerle zu Werke: In ihrer Heimat Australien sind Hideous Sun Demon eine feste Garage-Punk-Größe, drei Alben haben Vincent Buchanan-Simpson, Andrew Blackman und Jake Suriano aus Melbourne bzw. Perth bereits veröffentlicht (das letzte "Fame Erotic Dream" 2018), nun steht für die kommende Woche via Hell Beach ihre neue 4-Track-EP "Good Time" an und die erste Single "Can't Live Like That" brettert schon mal ordentlich los. Ihr Label hat übrigens verlautbart: "You can expect a lot of big news from the band over the next few weeks" - dann warten wir einfach mal ab, was noch so kommt.



Nobody's Baby: Gut zugehört

Das hier nennt sich Death-Doo-wop und kommt aus der kalifornischen Bay Area, und damit kommen endlich auch einmal ein paar Frauen ins Spiel: Nämlich Katie Rose (Gesang/Gitarre) und Penelope Leegeten (Bass), die von Peter Niven (Gitarre) und Ryan Feras (Drums) unterstützt werden. Die vier werden am 16. August unter dem Namen Nobody's Baby ihre gleichnamige Debüt-EP veröffentlichen, einen von fünf Tracks, die Single "Life Of A Thousand Girls", stellen wir hier schon mal vor und wer meint, sie würden damit in die Fußstapfen von Garbage oder den Cramps treten, hat schon mal ganz gut zugehört.

Harry Mold: Keinen Respekt

Wieder zurück auf der Insel und einen kurzen Ausflug nach Basildon in der Grafschaft Essex gemacht. In der Stadt an der englischen Ostküste, 40 Kilometer von London entfernt, sind nicht nur Alison Moyet und Gemma Ray geboren, sondern stand auch die Wiege von gleich vier Gründungsmitgliedern der Synthpop-Formation Depeche Mode (Clarke, Gore, Fletcher, Gahan), mächtig viel 80er-Tradition, möchte man meinen. Der Junge Harry Mold hat damit so gar nichts am Hut, beschäftigt sich lieber mit zackigem Gitarrenrock und teilt gerade seine Debütsingle "Drain" via Touch Recordings. Keinen Respekt also - gut so, möchte man meinen.

Anna Wiebe: Immer in Bewegung

Ganz zum Schluß noch ein vergleichsweise ruhiger Ausklang dieses heißen Sommertages. Er stammt von der Künstlerin Anna Wiebe aus dem kanadischen Ort Guelph inmitten der großen Seenplatte. Wiebe macht seit 2013 Musik, veröffentlichte 2016 mit einer Reihe versierter Studiomusiker ihr Debütalbum "New Behavior" und hat nun für den 12. Juli die nächste Platte mit dem Titel "All I Do Is Move" geplant. Angelehnt ist der Titel an ein Zitat des Autors Douglas Coupland, das Wiebe sich im Vorfeld der Aufnahmen notiert hatte und das ihr nun wieder in den Sinn kam: "The act of endless motion itself is a substitute for any larger form of thought." Nachdem vor zwei Monaten der Song "Fortune" erschien, geht nun mit "I Felt It In The Wind" ein zweiter vorab in die Runde.