Freitag, 12. November 2021

Nation Of Language: Blick zurück nach vorn

Nation Of Language
„A Way Forward“

(Play It Again Sam)

Es ist ja leider ein weit verbreiteter Irrglaube, wenn einige Mitmenschen denken, sie müssten sich die albernen Auftritte der vergreisten Stars ihrer Jugendtage auch heute noch anschauen, wenn sie auf deren Musik partu nicht verzichten wollen. Nein, das müssen sie nicht. Es gibt tatsächlich Unmengen wunderbar gelungener Popmusik, die der aus früheren Tagen in nichts nachsteht. Und nur wer wirklich meint, auf die ranzigen Altherrenwitze ergrauter Showmaster und Bilder von in wunderliche Neoprenanzüge gequetschten Senioren, noch dazu weit über dem Verfallsdatum, nicht verzichten zu können, sollte das tun. Wer aber beispielsweise ein Faible für die elektronische Musik der Endsiebziger und deren dunkle Verfeinerung aus den Achtzigern hat, also Bands wie Kraftwerk, OMD und Ultravox verehrt und wem zudem deren geniale Wiedergänger Jason Lytle (Grandaddy) und die Herren Gibbard und Tamborello (The Postal Service) nicht unbekannt sind, für den hat sich schon vor fünf Jahren eine sehr lohnende Alternative aufgetan.



Da nämlich gründete sich im New Yorker Stadtteil Brooklyn die Synthpop-Formation Nation Of Language, ausgestattet mit feinstem Gespür für geschmeidige, melancholische Melodien und der flauschig weichen Stimme von Ian Devaney. Das Trio legte dann auch mit „Introduction, Presence“ ein derart bezauberndes Debütalbum vor, dass manche der besagten Originale, ganz ohne bösen Willen, erstaunlich schnell vergessen waren. Ja, und nun gibt es also einen zweiten Schwung Nostalgieware. Diesmal ein wenig krautrockiger – Devaney nimmt zusammen mit Aidan Noell und Michael Sui-Poi nach eigener Auskunft sogar Bezug zur synthetischen Avantgarde der Gründerjahre, namentlich auf die Amerikanerin Laurie Spiegel, die seit den 70ern als Pionierin in Sachen Maschinenmusik gilt (und die wir ohne diese Erwähnung wohl niemals kennengelernt hätten).



Das wichtigste Erkennungsmerkmal der Band – die erhabenen, auserlesenen Melodien also – bleibt natürlich weiterhin gewahrt, auch auf „A Way Forward“ finden sich reichlich Songs zum Tanzen und/oder Schwelgen. So zum Beispiel das wunderbare Doppel „Across That Fine Line“/„Wounds Of Love“, ersteres markiert zu munter pluckernden Beats den zarten Moment, wo aus Freundschaft Liebe wird, letzteres beklagt zu getrageneren Klängen die Unauslöschbarkeit des Verlustschmerzes nach Beendigung derselben. Bei „The Grey Commute“ zeigt sich Devaney erstmals vorsichtig politisch, indem er mit den Nachwirkungen der Trump-Ära abrechnet, „This Fractured Mind“ und „Former Self“ wiederum thematisieren die Veränderung des Selbst durch die Widrigkeit der äußeren Umstände, der Sound mal lässig, mal mit cineastischem Drama. Ein Album, auf dem man nichts vermisst, der viel zitierte Blick zurück nach vorn, ganz ohne jede Peinlichkeit.



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