Dienstag, 9. November 2021

Mastodon: Triumph folgt Tragik

Mastodon
"Hushed And Grim"

(Reprise Records)

Erst das Bild, dann der Ton: Da stehen dann also die vier Männer in blaugefärbter Kälte – gefurchte, tiefernste Gesichter, die nicht nur vorgeben, einiges gesehen zu haben im Leben, sie haben ja tatsächlich allen Grund zu mäßiger Laune. Metalbands geben sich ja seit jeher gern als Kämpfer an der Seite des Teufels, die von Berufs wegen dem Tod unablässig auf Augenhöhe entgegentreten müssen, meistens jedoch sind die Schlachten, die sie schlagen und die Wunden, die sie einstecken müssen eher Metaphern aus dem Widerstreit mit den eigenen Dämonen. Auch die sind nicht ohne, aber Mastodon haben nun leider wirklich ein sehr intensives Verhältnis zu Leid und Vergänglichkeit, im Umfeld der vier gab es in den letzten Jahren doch recht viele Verluste zu beklagen. Peter Richter schrieb gerade recht treffend in der SZ, die Band habe wohl inzwischen „mehr Passionszyklen vertont als Bach“ und gäbe es nicht die Familie Ramone als unfreiwilligen Gradmesser, sie würden wohl den Spitzenplatz in dieser bizarren Statistik belegen.

Im Jahr 2018 nun ist ihr Freund und Manager Nick John an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben, ein Einschnitt, der maßgeblich zur Ausrichtung dieses Albums und zur nachhaltigen Gemütslage der Musiker generell beigetragen hat. Zwar stammt der Titel der Platte aus der Romanvorlage des Erfolgsfilms „Vom Winde verweht“, für Mastodon erschienen diese drei Worte aber vor allem als die passendsten, die traurigen Momente am Sterbebett des Gefährten zu umschreiben: „Zum Schweigen gebracht und düster“. Dass John zudem auf dem Cover der Platte eine zentrale Würdigung erfahren hat, erscheint da fast selbstverständlich. Sterblichkeit, Verlust, Trauer und Wut spielen denn auch und gerade auf diesem (sorry, plattes Wortspiel) Mammutwerk eine zentrale Rolle, den direktesten Bezug stellen die vier später im fast balladesken Stück „Had It All“ her, wo der Abschied von John nochmals durchlitten wird – dankenswerterweise für uns Zuhörer mit einem phänomenalen Gastsolo des Soundgarden-Gitarristen Kim Thayil.



Mastodon waren und sind bekanntlich nie eine Band für die Puristen und Ultraorthodoxen unter den Schwermetallern, ob nun Progressive, Sludge, Stoner- oder Mathrock, sie wollen nie nur einem Subgenre genügen und finden so auch abseits der eingetretenen Pfade viele Anhänger. Und weil sie an diesem Credo zu Glück nicht rütteln lassen und zudem der Weisheit „Gut Ding will Weile haben“ huldigen, ist dieses achte Album nicht nur ihr monumentalstes, sondern zugleich wohl auch vielschichtigstes und bestes geworden. Troy Sanders, Brent Hinds und Brann Dailor wechseln sich in gewohnter und immer wieder erstaunlich stimmiger Manier am Mikrophon ab, die Tempi variieren ebenso klug wie die Charaktere der Stücke und trotz aller überraschenden Effekte und Umschwünge bleiben Mastodon von angenehmer Härte und Konsequenz.



Einzelne Titel aus einem Album herauszuheben, dass so gut wie keine Schwachstellen kennt, ist da fast unmöglich, Favoriten kann man dann aber doch ausmachen: Die Hinwendung der Amerikaner zu den ausufernden Instrumentalparts im Geiste David Gilmours und Pink Floyds beispielsweise ist uneingeschränkt zu begrüßen – gleich mehrmals („The Crux“, „Skeleton Of Splendor“, „Eyes Of Serpents“ und „Gigantium“) lassen sie die Gitarren derart von der Leine und tun sehr gut daran. Der Einsatz verzerrter Orgeltöne (wie u.a. im fabelhaften, gut achtminütigen „Gobblers Of Dregs“), fernöstlicher Melodien, das Verbauen von Unmengen an bleischwerer Riffmasse, aber auch die derbe Direktheit von „Pushing The Tides“ und der lässig treibende Groove eines „Sickle And Peace“ – all das ist kunstvollster, betörender Lärm und in der Summe schlicht umwerfend. Entstanden ist hier ein aus der Tragik persönlicher Erfahrungen geschöpftes Meisterwerk, von dem es in einer Dekade wohl nur sehr wenige gibt und geben wird.

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