Ungerecht! Da haben die Fans des FC Bayern, außerhalb ihrer Landeshauptstadt nicht gerade als Bannerträger des feinen, intelligenten Humors bekannt, mal einen halbwegs lustigen Einfall (Plakat 'Romani ite domum'), schon haut ihnen die UEFA eins drüber und verweigerte ihnen jüngst dessen Proklamation. Nun allerdings haben sich die Herren etwas kleinlaut und trotzdem kenntnisreich entschuldigt: "Die von Ihnen geplante Choreographie wurde in Anlehnung an den berühmten Monty-Python-Klassiker "Life Of Brian" kreiert. Wir stellen fest, dass das Motto leider von der UEFA falsch interpretiert wurde. Wir gratulieren Ihnen im Nachhinein zu ihrer humorvollen Kreation, die leider nicht zum Tragen kam, und entschuldigen uns für das ausgesprochene Verbot." Helfen tut das eher den Einfältigen als den Einfälligen, die Ideengeber der Alditütenaktion damals im Olympiastadion wurden ja leider auch recht schnell gemaßregelt. Interessant wird allerdings sein, wie der Wortlaut des Briefes zukünftig in Bayern selbst Schule machen kann - "Sehr geehrter Herr Elser, mit tiefem Bedauern stellen wir fest, dass Ihr Attentatsversuch seinerzeit leider falsch interpretiert wurde und gratulieren Ihnen im Nachhinein ... "
Mittwoch, 29. Dezember 2010
Dienstag, 21. Dezember 2010
Gehört_221
Drums Of Death „Generation Hexed“ (Greco Roman)
Humor ist nicht die erste Assoziation, die einem beim gruseligen Namen ‚Todesgetrommel‘ in den Sinn kommt, auch der stilisierte Schädel auf dem Cover deutet nicht gerade darauf hin, dass mit Colin Bailey eine sprudelnde Quelle des ungetrübten Frohsinns auf’s Kuhfell haut. Und doch wird hier mit viel Schwung und gehöriger Drehzahl gegen eben jene Erwartungen gearbeitet.
Der Start: „You’re about to listen to a promo for the new record by Drums Of Death called ‚Generation hexed‘. And you know what? Don’t share this or leak it, because we know where you are and we will find you. Just listen ...“ Der Mann, der zuvor auch mit Remixen für James Yuill, Franzens Ferdinand und Hot Chip auffiel, meint es aber offenbar nicht so biererst, wie man vermuten könnte. Kein dräuendes Gothicgegrummel, kein letztes Geläut oder düsteres Gestampfe, sondern eher eine mächtig fidele Kreuzung aus dem frühem Elektrowave eines Fad Gadget mit verspieltem Minimal House. Eine Danceversion von Cold Cave oder Heaven 17 auf/mit Speed, optisch plakativ ins Hier und Jetzt transferiert. Das Ganze häufig angereichert mit jeder Menge wuseliger Automatengeräusche (Creak), die BPM immer im roten Grenzbereich gehalten (Won’t Be Long, Lonely Days).
Alles in allem witzig und unterhaltsam gemacht, wie da Italodisko und EBM zu Kleingehacktem verarbeitet werden, begleitet eher von der eher sparsam modulierten Stimme Baileys, die lieber schreit und kreischt (Modern Age) als wirklich singt. Der fröhliche Ausklang (Voodoo Lovers) mitsamt Streichergruppe und Gonzales, dem selbsternannten König aller Entertainer, am Piano ist dann kein Widerspruch mehr – wer sich selbst so wenig ernstzunehmen bereit ist, kann auch das stilvoll zum Ende bringen.
http://www.myspace.com/drumsofdeath4eva
Humor ist nicht die erste Assoziation, die einem beim gruseligen Namen ‚Todesgetrommel‘ in den Sinn kommt, auch der stilisierte Schädel auf dem Cover deutet nicht gerade darauf hin, dass mit Colin Bailey eine sprudelnde Quelle des ungetrübten Frohsinns auf’s Kuhfell haut. Und doch wird hier mit viel Schwung und gehöriger Drehzahl gegen eben jene Erwartungen gearbeitet.
Der Start: „You’re about to listen to a promo for the new record by Drums Of Death called ‚Generation hexed‘. And you know what? Don’t share this or leak it, because we know where you are and we will find you. Just listen ...“ Der Mann, der zuvor auch mit Remixen für James Yuill, Franzens Ferdinand und Hot Chip auffiel, meint es aber offenbar nicht so biererst, wie man vermuten könnte. Kein dräuendes Gothicgegrummel, kein letztes Geläut oder düsteres Gestampfe, sondern eher eine mächtig fidele Kreuzung aus dem frühem Elektrowave eines Fad Gadget mit verspieltem Minimal House. Eine Danceversion von Cold Cave oder Heaven 17 auf/mit Speed, optisch plakativ ins Hier und Jetzt transferiert. Das Ganze häufig angereichert mit jeder Menge wuseliger Automatengeräusche (Creak), die BPM immer im roten Grenzbereich gehalten (Won’t Be Long, Lonely Days).
Alles in allem witzig und unterhaltsam gemacht, wie da Italodisko und EBM zu Kleingehacktem verarbeitet werden, begleitet eher von der eher sparsam modulierten Stimme Baileys, die lieber schreit und kreischt (Modern Age) als wirklich singt. Der fröhliche Ausklang (Voodoo Lovers) mitsamt Streichergruppe und Gonzales, dem selbsternannten König aller Entertainer, am Piano ist dann kein Widerspruch mehr – wer sich selbst so wenig ernstzunehmen bereit ist, kann auch das stilvoll zum Ende bringen.
http://www.myspace.com/drumsofdeath4eva
Montag, 20. Dezember 2010
2:4
Freitag, 17. Dezember 2010
TourUpdate: Interpol
Nun ist also endlich der Support für die Interpol-Konzerte in Europa (März 2011) klar, auch nach Deutschland kommen die New Yorker zusammen mit dem an dieser Stelle mehrfach erwähnten Matthew Dear. Gute Wahl, meine Herren.
http://www.interpolnyc.com/news/
http://www.interpolnyc.com/news/
Gehört_220
Kisses „The Heart Of The Nightlife“ (This Is Music)
Bekanntermaßen haben ja unsere amerikanischen Waffenbrüder den unstillbaren Drang, europäische Kinoerfolge für’s heimische, kulturell eher sparsam vorbelasetete Volk umbasteln zu lassen. Neben den Franzosen sind in dieser Hinsicht vor allem auch wir Deutschen schwer gestraft, bescherte uns diese Adaptionsklitterei doch gnadenlos verhunzte Remakes von Beyers „Jakob der Lügner“, Wenders‘ „Himmel über Berlin“ oder Sandra Nettelbecks „Bella Martha“ und dem Vernehmen nach soll ja bald auch „Das Leben der Anderen“ von Donnersmark dran glauben müssen.
Naheliegend also der Gedankengang des cleveren A&R-Profis: Was für den Film Recht ist, muß für die Musik – naja, billig sein. Mit anderen Worten: Bei Kisses – passenderweise aus Los Angeles, der Heimstatt für großes Popkornkino – könnte das bewährte Vereinnahmungsprinzip ebenso gelingen. Mit einem halbwegs funktionierenden Kurzzeitgedächtnis wird man nämlich feststellen, dass das Duo bei drei Vierteln seiner Songs so klingt, als hätten sie die Originaltapes der Berliner Tanzkombo The Whitest Boy Alive in einem unbeobachteten Moment aus dem Studio geklaut, flugs ein wenig umarrangiert und dann unter neuem Namen wieder auf den Markt gebracht.
Natürlich ist das böse und vielleicht auch ungerecht, womöglich haben Jesse Kivel und Zinzi Edmundson noch nie einen Ton der Edelfrikler aus der Hauptstadt gehört. Wenn man allerdings schon nach den ersten Takten des Titelsongs verwundert kontrollieren muß, ob einem nicht fälschlicherweise die falsche CD in die Hülle gerutscht ist, dann darf zumindest vorsichtig Kalkül unterstellt werden. Wobei die Stücke auf dem Album beileibe keine schlechten sind, in Anlehnung an das sonnige Cover gelingen Kisses durchaus entspannte und luftige Singalongs, in den besten Momenten wie bei „Woman Of The Club“ holen sie einem sogar die angenehme Erinnerung an die Schweizer Double ins Gedächtnis zurück. Mit dem etwas dunkleren „People Can Do ...“ haben sie sogar eine halbwegs originäre, unverfälschte Tanznummer hinbekommen, die einen Vergleich mit New Order nicht zu scheuen braucht. Gnade vor Recht also, solange es keinem weh tut.
http://www.myspace.com/blowkissess
Bekanntermaßen haben ja unsere amerikanischen Waffenbrüder den unstillbaren Drang, europäische Kinoerfolge für’s heimische, kulturell eher sparsam vorbelasetete Volk umbasteln zu lassen. Neben den Franzosen sind in dieser Hinsicht vor allem auch wir Deutschen schwer gestraft, bescherte uns diese Adaptionsklitterei doch gnadenlos verhunzte Remakes von Beyers „Jakob der Lügner“, Wenders‘ „Himmel über Berlin“ oder Sandra Nettelbecks „Bella Martha“ und dem Vernehmen nach soll ja bald auch „Das Leben der Anderen“ von Donnersmark dran glauben müssen.
Naheliegend also der Gedankengang des cleveren A&R-Profis: Was für den Film Recht ist, muß für die Musik – naja, billig sein. Mit anderen Worten: Bei Kisses – passenderweise aus Los Angeles, der Heimstatt für großes Popkornkino – könnte das bewährte Vereinnahmungsprinzip ebenso gelingen. Mit einem halbwegs funktionierenden Kurzzeitgedächtnis wird man nämlich feststellen, dass das Duo bei drei Vierteln seiner Songs so klingt, als hätten sie die Originaltapes der Berliner Tanzkombo The Whitest Boy Alive in einem unbeobachteten Moment aus dem Studio geklaut, flugs ein wenig umarrangiert und dann unter neuem Namen wieder auf den Markt gebracht.
Natürlich ist das böse und vielleicht auch ungerecht, womöglich haben Jesse Kivel und Zinzi Edmundson noch nie einen Ton der Edelfrikler aus der Hauptstadt gehört. Wenn man allerdings schon nach den ersten Takten des Titelsongs verwundert kontrollieren muß, ob einem nicht fälschlicherweise die falsche CD in die Hülle gerutscht ist, dann darf zumindest vorsichtig Kalkül unterstellt werden. Wobei die Stücke auf dem Album beileibe keine schlechten sind, in Anlehnung an das sonnige Cover gelingen Kisses durchaus entspannte und luftige Singalongs, in den besten Momenten wie bei „Woman Of The Club“ holen sie einem sogar die angenehme Erinnerung an die Schweizer Double ins Gedächtnis zurück. Mit dem etwas dunkleren „People Can Do ...“ haben sie sogar eine halbwegs originäre, unverfälschte Tanznummer hinbekommen, die einen Vergleich mit New Order nicht zu scheuen braucht. Gnade vor Recht also, solange es keinem weh tut.
http://www.myspace.com/blowkissess
Donnerstag, 16. Dezember 2010
Manchmal
Manchmal taut der Schnee nicht weg
weil das Wasser ihm zu kalt ist
und die Schule läuft zum Kind
weils zur Schule viel zu weit ist
Und das Haus geht in den Mensch
und der Wald springt in das Reh
das Klavier spielt auf dem Mann
in die Leute steigt der See
und der Fluß fließt auf den Berg
Elefant ist nur ein Zwerg
und der Walzer ist ein Marsch
und man tritt sich selbst in'n Arsch
Manchmal
Armin Mueller-Stahl (*17. Dezember 1930), aus: "Verordneter Sonntag", dtv 1981
Joseph, you have a mail ...
Folgendes Filmchen kurisert unter dem Namen "Weihnachtsgeschichte 2.0" im Netz, ist ganz nett anzuschauen: "Christmas 2.0, The Modern Story Of Nativity"
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Danke, Stefan Kuzmany!
Dank an den Spiegel-Autor für die passende Replik zum aktuellen Guttenberg-Hype - ich schließe mich den Worten dieses Vorredners uneingeschränkt an, denn bissiger und pointierter bekommt es selbst Kurt Kister nicht hin.
Gehört_219
Ryan Adams „III/IV“ (Pax-Am)
Grundsätzlich läßt sich gegen die kaum zu bändigende Schaffenswut eines Ryan Adams nichts Schlechtes sagen, so lange die Songs noch genügend Kreativität und Qualität im Gepäck führen. Im Grunde gleicht Adams darin seinem fast gleichaltrigen Kollegen Jack White, auch dessen immenser Selbstverwirklichungsdrang gilt als „unstoppable“, wird aber wegen der anhaltend hohen Qualität seiner diversen Nebenprojekte kaum kritisiert oder gar belächelt.
Dass der Mann von der Ostküste auf dem Doppelpack „III/IV“ nun ausgerechnet eine beachtliche Menge an Outtakes der „Easy Tiger“-Sessions aus dem Jahre 2006/7 präsentiert, wird den einen oder anderen Fan sicher freuen – gewagt bleibt es trotzdem, zählte doch dieses Album nicht gerade zu den schöpferischen Höhepunkten des eigenwilligen Songwriters, nicht vergleichbar zumindest mit der Intensität der Solowerke „Heartbreaker“, „Gold“, „Love Is Hell“ oder dem Cardinals-Debüt „Cold Roses“.
Was dann aber verwundert, ist der Umstand, dass die „neuen“ Songs – zumindest die des ersten Teils (III) – denen von „Easy Tiger“ wenigstens ebenbürtig erscheinen, wenn sie nicht zum Großteil ein „mehr“ an Frische und Spielfreude offenbaren. Adams erlaubt sich kaum Durchhänger, geht mit viel Verve zur Sache und hatte offenbar, nicht zum Nachteil der Stücke, jede Menge Strokes im Frühstücksmüsli. Die Art, wie er bei „Dear Candy“ oder „Lovely And Blue“ den alternativen Casablancas gibt, kann durchaus überzeugen, und selbst wenn er die Emotionshappen „Ultraviolet Light“ und „Wasteland“ fast bonoesk verpackt, tut er dies gekonnt und die Songs enden nicht als platzfüllende Blaupausen. Für „Happy Birthday“ springt er wenig später sogar aus der Torte („I’m your birthday cake“) und im anrührenden „Kisses Start Wars“ hadert er einmal mehr mit der seiner Umwelt („Artificial flowers and TV remote-controls, I get lost, things change, people don’t ...“), als Leidensmann war er ja schon immer erstklassig.
Der zweite Teil ist dann zwar deutlich abwechslungsreicher, aber nicht eben besser gelungen – Adams testet hier eher als das er brilliert und macht auch vor gewagten Grenzgängen nicht halt: ein wenig Math Metal (No), ein wenig Punk (Numbers), mal Stoner Rock (Ice Breaker) und mal gewöhnlichen Rockstandard (Sewers At The Bottom...) – vieles davon hat tatsächlich nur B-Seiten-Charakter und versteckt sich zu Recht weiter hinten. „Typecast“ zwinkert humorvoll („Typecast, we play losers who keep falling in love with the wrong ones, typecast, what a show, why won't they cancel us, oh no ...“), während zum Abschluß Band und Frontmann in „Kill The Lights“ dem psychedelischen Affen Zucker geben – ein fast achtminütiger Bluesrockjam.
Eine Mogelpackung jedenfalls ist es beileibe nicht geworden, auch wenn es eine eingedampfte Version des Werkes auch getan hätte – die Devise „Alles muß raus!“ war hier wohl leider der vorweihnachtsliche Ideengeber. Bleibt abzuwarten, was dem talentgeplagten Alleskönner als Nächstes einfällt.
http://paxamrecords.com/
Grundsätzlich läßt sich gegen die kaum zu bändigende Schaffenswut eines Ryan Adams nichts Schlechtes sagen, so lange die Songs noch genügend Kreativität und Qualität im Gepäck führen. Im Grunde gleicht Adams darin seinem fast gleichaltrigen Kollegen Jack White, auch dessen immenser Selbstverwirklichungsdrang gilt als „unstoppable“, wird aber wegen der anhaltend hohen Qualität seiner diversen Nebenprojekte kaum kritisiert oder gar belächelt.
Dass der Mann von der Ostküste auf dem Doppelpack „III/IV“ nun ausgerechnet eine beachtliche Menge an Outtakes der „Easy Tiger“-Sessions aus dem Jahre 2006/7 präsentiert, wird den einen oder anderen Fan sicher freuen – gewagt bleibt es trotzdem, zählte doch dieses Album nicht gerade zu den schöpferischen Höhepunkten des eigenwilligen Songwriters, nicht vergleichbar zumindest mit der Intensität der Solowerke „Heartbreaker“, „Gold“, „Love Is Hell“ oder dem Cardinals-Debüt „Cold Roses“.
Was dann aber verwundert, ist der Umstand, dass die „neuen“ Songs – zumindest die des ersten Teils (III) – denen von „Easy Tiger“ wenigstens ebenbürtig erscheinen, wenn sie nicht zum Großteil ein „mehr“ an Frische und Spielfreude offenbaren. Adams erlaubt sich kaum Durchhänger, geht mit viel Verve zur Sache und hatte offenbar, nicht zum Nachteil der Stücke, jede Menge Strokes im Frühstücksmüsli. Die Art, wie er bei „Dear Candy“ oder „Lovely And Blue“ den alternativen Casablancas gibt, kann durchaus überzeugen, und selbst wenn er die Emotionshappen „Ultraviolet Light“ und „Wasteland“ fast bonoesk verpackt, tut er dies gekonnt und die Songs enden nicht als platzfüllende Blaupausen. Für „Happy Birthday“ springt er wenig später sogar aus der Torte („I’m your birthday cake“) und im anrührenden „Kisses Start Wars“ hadert er einmal mehr mit der seiner Umwelt („Artificial flowers and TV remote-controls, I get lost, things change, people don’t ...“), als Leidensmann war er ja schon immer erstklassig.
Der zweite Teil ist dann zwar deutlich abwechslungsreicher, aber nicht eben besser gelungen – Adams testet hier eher als das er brilliert und macht auch vor gewagten Grenzgängen nicht halt: ein wenig Math Metal (No), ein wenig Punk (Numbers), mal Stoner Rock (Ice Breaker) und mal gewöhnlichen Rockstandard (Sewers At The Bottom...) – vieles davon hat tatsächlich nur B-Seiten-Charakter und versteckt sich zu Recht weiter hinten. „Typecast“ zwinkert humorvoll („Typecast, we play losers who keep falling in love with the wrong ones, typecast, what a show, why won't they cancel us, oh no ...“), während zum Abschluß Band und Frontmann in „Kill The Lights“ dem psychedelischen Affen Zucker geben – ein fast achtminütiger Bluesrockjam.
Eine Mogelpackung jedenfalls ist es beileibe nicht geworden, auch wenn es eine eingedampfte Version des Werkes auch getan hätte – die Devise „Alles muß raus!“ war hier wohl leider der vorweihnachtsliche Ideengeber. Bleibt abzuwarten, was dem talentgeplagten Alleskönner als Nächstes einfällt.
http://paxamrecords.com/
Dienstag, 14. Dezember 2010
Gehört_218
Forest Swords „Dagger Paths“ (No Pain In Pop)
Nun will ich nicht behaupten, dass dieses Jahr ohne die Erwähnung der Forest Swords nicht hinreichend verabschiedet werden könnte, ganz so taufrisch ist das Projekt von Matthew Barnes aus der Nähe von Liverpool zudem auch nicht mehr, denn die hier genannte EP wurde schon im März veröffentlicht. Ein paar Worte dennoch dazu.
Irgendwo habe ich über diese Mischung aus Wave, DubStep und Minimal Electro gelesen, Forest Swords seien „britische Küstenmusik mit Hang zur Apathie“. Und was da schon mit dem ersten Track „Miarches“ so reichlich finster aus den Boxen kriecht, hat tatsächlich eine etwas betäubende, seltsam unbeteiligte Aura. Bekanntgeworden sind Forest Swords ja eher durch Kollaborationen mit ähnlichgelagerten Einmannkapellen wie Four Tet oder Burial, mancher hat sie auch durch feine Remixarbeiten für und mit den These New Puritans und Pariah im Mittelohr. Die nunmehr eigenen Arbeiten unterscheiden sich von diesen Sachen nur unwesentlich: Kunstvoll vertonte Tristesse, der Beat als schroffer, müder Taktgeber, Gesangsfetzen und –samples ebenso eingestreut wie die immer wiederkehrenden Gitarrenloops, die sich durch die gespenstische Trostlosigkeit fräsen.
Nach einem fast neunminütigen „Hoylake Misst“ mit wehmütigem Poltern, Schmatzen und Jammern setzt Barnes für „Glory Gongs“ auf den pulsierenden Basslauf einen schönen Morricone-Loop, ähnliches kennt man ja schon aus dem südlicher und wohl auch sonniger gelegenen Bristol, gegen diese klirrend kalten Klangkonstrukte wirken die Songs von Portishead allerdings eher wie schmeichlerische Wiegenlieder. Zerfranste, mäandernde Maschinenmusik, aus nachtschwarzen Untiefen ans trübe Licht geholt, bei „If Your Girl“ steigt einem das Grauen den Nacken empor und hämmert gegen Ende erbarmungslos auf den Schädel. Ein Titel wie „The Light“ muß einem wie Hohn erscheinen – solches wählt man sich, wenn man in fester Holzumrandung schon zur Unterbodenpflege abgestellt worden ist.
Nun sollte sich keiner von diesen Zeilen allzusehr abschrecken lassen – auch solches Tun will gelernt sein und Barnes beherrscht es nahezu perfekt. Bei aller Trostlosigkeit, die er mit seiner Musik transportiert und suggeriert, verbindet er mit seinen Stücken doch auch eine erhabene Ruhe und eine Art stolzer Einsamkeit. Und irgendwie fühlt man sich nach überstandenem Klangbad ein Stück weit geläutert und einmal mehr gefeit gegen die Versuchungen des hinterhältigen, liebedienerischen Monstrums namens Pop. Was es nicht alles Nützliches gibt ...
http://www.myspace.com/forestswords
Nun will ich nicht behaupten, dass dieses Jahr ohne die Erwähnung der Forest Swords nicht hinreichend verabschiedet werden könnte, ganz so taufrisch ist das Projekt von Matthew Barnes aus der Nähe von Liverpool zudem auch nicht mehr, denn die hier genannte EP wurde schon im März veröffentlicht. Ein paar Worte dennoch dazu.
Irgendwo habe ich über diese Mischung aus Wave, DubStep und Minimal Electro gelesen, Forest Swords seien „britische Küstenmusik mit Hang zur Apathie“. Und was da schon mit dem ersten Track „Miarches“ so reichlich finster aus den Boxen kriecht, hat tatsächlich eine etwas betäubende, seltsam unbeteiligte Aura. Bekanntgeworden sind Forest Swords ja eher durch Kollaborationen mit ähnlichgelagerten Einmannkapellen wie Four Tet oder Burial, mancher hat sie auch durch feine Remixarbeiten für und mit den These New Puritans und Pariah im Mittelohr. Die nunmehr eigenen Arbeiten unterscheiden sich von diesen Sachen nur unwesentlich: Kunstvoll vertonte Tristesse, der Beat als schroffer, müder Taktgeber, Gesangsfetzen und –samples ebenso eingestreut wie die immer wiederkehrenden Gitarrenloops, die sich durch die gespenstische Trostlosigkeit fräsen.
Nach einem fast neunminütigen „Hoylake Misst“ mit wehmütigem Poltern, Schmatzen und Jammern setzt Barnes für „Glory Gongs“ auf den pulsierenden Basslauf einen schönen Morricone-Loop, ähnliches kennt man ja schon aus dem südlicher und wohl auch sonniger gelegenen Bristol, gegen diese klirrend kalten Klangkonstrukte wirken die Songs von Portishead allerdings eher wie schmeichlerische Wiegenlieder. Zerfranste, mäandernde Maschinenmusik, aus nachtschwarzen Untiefen ans trübe Licht geholt, bei „If Your Girl“ steigt einem das Grauen den Nacken empor und hämmert gegen Ende erbarmungslos auf den Schädel. Ein Titel wie „The Light“ muß einem wie Hohn erscheinen – solches wählt man sich, wenn man in fester Holzumrandung schon zur Unterbodenpflege abgestellt worden ist.
Nun sollte sich keiner von diesen Zeilen allzusehr abschrecken lassen – auch solches Tun will gelernt sein und Barnes beherrscht es nahezu perfekt. Bei aller Trostlosigkeit, die er mit seiner Musik transportiert und suggeriert, verbindet er mit seinen Stücken doch auch eine erhabene Ruhe und eine Art stolzer Einsamkeit. Und irgendwie fühlt man sich nach überstandenem Klangbad ein Stück weit geläutert und einmal mehr gefeit gegen die Versuchungen des hinterhältigen, liebedienerischen Monstrums namens Pop. Was es nicht alles Nützliches gibt ...
http://www.myspace.com/forestswords
Montag, 13. Dezember 2010
3:0
Fußball hat ja heutzutage sehr viel mit Optik zu tun. Dabei geht es natürlich weniger um die Beschaffenheit der Trikots oder darum, welcher Spieler die Herzen der weiblichen Fans am schnellsten schlagen läßt – seit dem Abschied von Luca Toni sind die Bayern auch in dieser Hinsicht nur noch graues Ligamittelmaß. Es geht schlicht um Blickwinkel und die Frage, durch welche Brille man sich ein Spiel anschaut, zum Beispiel jenes 3:0 am Samstag in der Münchner Allianzarena.
Durch die rote Bayernbrille hatte das Spiel eher den Charakter eines anspruchsvollen Auslaufens als vorgezogene Weihnachtsfeier mit ansehnlichen Toren und einer Reihe von gutgemeinten Gastgeschenken. Durch die braune Kiezbrille betrachtet, stand unterm Strich am Ende ein zwar erwartetes, aber keinesfalls notwendiges Ergebnis. Denn diese Bayern waren bei weitem nicht unschlagbar und wenn man unter „hätte/wäre/wenn“ nachschlägt, so standen da zwei lupenreine 100prozenter und eine – zumindest mit der brauen Brille betrachtet – sehr diskutable rote Karte für einen ansonsten fantastischen Torwart Kessler zu Buche. Ärgerlich aber, dass Stanislawski zum Thema Chancenverwertung und Sturmausbeute mittlerweile eine schier endlose Sure predigen kann – allein: Es hilft nix. Von den Jungs da vorn kommt zu wenig und auch Spaßbär Asamoah hält sich in punkto Torgefährlichkeit noch mehr als bedeckt.
So war für die Kurve die Anzeigentafel im Stadion mit dem dokumentierten Niedergang des Stadtrivalen die einzig tröstende Freude. Nach dem Schlußpfiff dann schnell raus aus dem stimmungsarmen Rund, bevor Leslie Mandoki die Bayernfans für ihren schlechten Geschmack bestrafen durfte. Ein kurzer Aufschrei noch – hatte die Rechtsabteilung der Bayern zusammen mit dem DFB doch noch einen Weg gefunden, Dortmund die 17 Zähler Vorsprung wegen unrechtmäßiger Aneignung abzusprechen? Iwo, der „heilige Bastian“ (SZ) höchsteselbst hatte nur mit tränenverhangenen Augen seinen Anhängern verkündet, dass er in den nächsten sechs Jahren seinen Verein um geschätzte 60 Millionen Euro ärmer machen wolle. Der Jubel war grenzenlos und die braunbebrillten Zuhörer schüttelten in Eintracht die Köpfe – diese Bayern ...
Mein Neffe, ohne jede Brille zum Spiel gekommen und braunen Block platziert, bat mich auf dem Heimweg kleinlaut und möglichst leise, wenn ich ihm denn wieder eine Karte für die Arena schenken sollte, so doch bitte für die Bayernkurve – er wolle schließlich auch mal jubeln. Saubazi undankbarer, da muss wohl noch viel Erziehungsarbeit geleistet werden!
Durch die rote Bayernbrille hatte das Spiel eher den Charakter eines anspruchsvollen Auslaufens als vorgezogene Weihnachtsfeier mit ansehnlichen Toren und einer Reihe von gutgemeinten Gastgeschenken. Durch die braune Kiezbrille betrachtet, stand unterm Strich am Ende ein zwar erwartetes, aber keinesfalls notwendiges Ergebnis. Denn diese Bayern waren bei weitem nicht unschlagbar und wenn man unter „hätte/wäre/wenn“ nachschlägt, so standen da zwei lupenreine 100prozenter und eine – zumindest mit der brauen Brille betrachtet – sehr diskutable rote Karte für einen ansonsten fantastischen Torwart Kessler zu Buche. Ärgerlich aber, dass Stanislawski zum Thema Chancenverwertung und Sturmausbeute mittlerweile eine schier endlose Sure predigen kann – allein: Es hilft nix. Von den Jungs da vorn kommt zu wenig und auch Spaßbär Asamoah hält sich in punkto Torgefährlichkeit noch mehr als bedeckt.
So war für die Kurve die Anzeigentafel im Stadion mit dem dokumentierten Niedergang des Stadtrivalen die einzig tröstende Freude. Nach dem Schlußpfiff dann schnell raus aus dem stimmungsarmen Rund, bevor Leslie Mandoki die Bayernfans für ihren schlechten Geschmack bestrafen durfte. Ein kurzer Aufschrei noch – hatte die Rechtsabteilung der Bayern zusammen mit dem DFB doch noch einen Weg gefunden, Dortmund die 17 Zähler Vorsprung wegen unrechtmäßiger Aneignung abzusprechen? Iwo, der „heilige Bastian“ (SZ) höchsteselbst hatte nur mit tränenverhangenen Augen seinen Anhängern verkündet, dass er in den nächsten sechs Jahren seinen Verein um geschätzte 60 Millionen Euro ärmer machen wolle. Der Jubel war grenzenlos und die braunbebrillten Zuhörer schüttelten in Eintracht die Köpfe – diese Bayern ...
Mein Neffe, ohne jede Brille zum Spiel gekommen und braunen Block platziert, bat mich auf dem Heimweg kleinlaut und möglichst leise, wenn ich ihm denn wieder eine Karte für die Arena schenken sollte, so doch bitte für die Bayernkurve – er wolle schließlich auch mal jubeln. Saubazi undankbarer, da muss wohl noch viel Erziehungsarbeit geleistet werden!
Freitag, 10. Dezember 2010
Smarties on Tour
In der ewigen Rangliste der sympathischsten Popbands nehmen sie neben den Housemartins und Beautiful South eine krisenfeste Spitzenstellung ein (das jedenfalls behauptet Daniel M. aus München), nun kommen Belle & Sebastian mit ihrem aktuellen Album "Write About Love" auf Deutschlandtour - here we go:
05.04. Hamburg - Große Freiheit 36
06.04. Berlin - Astra Club
08.04. Köln - E-Werk
15.04. München - Muffathalle
05.04. Hamburg - Große Freiheit 36
06.04. Berlin - Astra Club
08.04. Köln - E-Werk
15.04. München - Muffathalle
Angespielt_10
Schöne Idee, um aus etwas Gutem noch etwas Besseres zu machen: DJ-Inkone Matthew Dear, an dieser Stelle schon für sein aktuelles Album "Black City" gepriesen, unterlegt die neue Single der juwenilen Drums "Me And The Moon" mit dunkler Maschinenmusik - nach der hibbeligen Version von Twin Shadow ein schöne Alternative. Gibt's hier.
Mittwoch, 8. Dezember 2010
Word.
"I would like to, if I may, offer support to Johnny Marr who has spoken out to the media this week against David Cameron. With fitting grimness I must report that David Cameron hunts and shoots and kills stags-- apparently for pleasure. It was not for such people that either Meat Is Murder or The Queen Is Dead were recorded; in fact, they were made as a reaction against such violence ... Prince William, who has never made the faintest imprint on the English soul, is also a hunter of deer, as is his fiasco (fiancée) Kate Middleton. Although William and Kate are so dull as people that it is actually impossible to discuss them, it is worth recalling Prince Harry's thumbs-up as he sat beside a giant water buffalo, cowardly shot from a safe distance by the ignoble Prince some years back ... I apologize very deeply for my support over the years for the group Roxy Music. I had no idea until very recently that their singer Bryan Ferry is also an avid hunter, and is now managed by his Lord of the Hunt son, Odious Ferry."
Morrissey in einem offenen Brief als Nachtrag zu den Äußerungen seines Ex-Bandkollegen Johnny Marr über das Outing David Camerons als Fan der Smiths
Morrissey in einem offenen Brief als Nachtrag zu den Äußerungen seines Ex-Bandkollegen Johnny Marr über das Outing David Camerons als Fan der Smiths
Dienstag, 7. Dezember 2010
Gehört_217
Console „Herself“ (Disko B)
Das Eigenartige an der neuen Platte von Martin Gretschmann alias Console ist, dass man, wenn man sie zur gänze gehört hat, so etwas wie Dankbarkeit empfindet. Dankbarkeit dafür, dass sich da jemand ist, der sich Mühe gegeben hat bei dem, was er dem Hörer nach getaner Arbeit als fertiges Produkt präsentiert. Nun sollte man dies freundlicherweise per se eigentlich einem jedem Künstler unterstellen, nur hört man sie eben selten, die Mühe. Bei „Herself“ allerdings ist sie in jeder einzelnen Minute spürbar – Gretschmann gibt sich, das wird klar, mit Halbgarem nicht zufrieden und werkelt mit einer liebens- und anerkennenswerten Detailversessenheit an seinen Klangmobilés, die in Zeiten vorgestanzter ProTools-Instantware höchst selten ist und Staunen macht.
Stück für Stück öffnen sich Türen, die Gretschmanns Miniwelten miteinander verbinden: Das samtweiche Titelstück „She Saw“ beginnt so unspektakulär, als liefe es schon eine halbe Ewigkeit und jemand hätte nur unabsichtlich den Lautstärkeregler nach oben gezogen. „A Homeless Ghost“ wiederum startet als satte Diskonummer, um dann von der rauen und fast maskulinen Stimme Miriam Osterrieders gezähmt und gleichsam geerdet zu werden. Dunkler und geheimnisvoller „Walking The Equator“, fernöstlich verfremdet „Cutting Time“.
Alle Stücke nehmen sich Zeit und verschenken trotzdem keine Sekunde. „Bit For Bit“ vibriert zart und „Her Eyes“ rennt schneller und schneller, flach atmend, durch taumelnde, schaukelnde Synthiewände, bis dann Osterrieder im bezaubernden, warm pluckernden „Leaving A Century“ raunt: „The code is clear, the child is safe, we leave the nerds, inside their caves”. Ha! Wem das nicht das Herz wärmen kann, der hat es schon vor langer Zeit an des Teufels kreuzdumme Kinder, ergo Scooter, verloren. Den Schlußpunkt setzen Gretschmann und Osterrieder mit „For Herself“ als entspanntem Shuffle: „Slow down, myself, come down, my mind.“ Goldenes Elektrohandwerk, fürwahr.
http://www.console.li/
Das Eigenartige an der neuen Platte von Martin Gretschmann alias Console ist, dass man, wenn man sie zur gänze gehört hat, so etwas wie Dankbarkeit empfindet. Dankbarkeit dafür, dass sich da jemand ist, der sich Mühe gegeben hat bei dem, was er dem Hörer nach getaner Arbeit als fertiges Produkt präsentiert. Nun sollte man dies freundlicherweise per se eigentlich einem jedem Künstler unterstellen, nur hört man sie eben selten, die Mühe. Bei „Herself“ allerdings ist sie in jeder einzelnen Minute spürbar – Gretschmann gibt sich, das wird klar, mit Halbgarem nicht zufrieden und werkelt mit einer liebens- und anerkennenswerten Detailversessenheit an seinen Klangmobilés, die in Zeiten vorgestanzter ProTools-Instantware höchst selten ist und Staunen macht.
Stück für Stück öffnen sich Türen, die Gretschmanns Miniwelten miteinander verbinden: Das samtweiche Titelstück „She Saw“ beginnt so unspektakulär, als liefe es schon eine halbe Ewigkeit und jemand hätte nur unabsichtlich den Lautstärkeregler nach oben gezogen. „A Homeless Ghost“ wiederum startet als satte Diskonummer, um dann von der rauen und fast maskulinen Stimme Miriam Osterrieders gezähmt und gleichsam geerdet zu werden. Dunkler und geheimnisvoller „Walking The Equator“, fernöstlich verfremdet „Cutting Time“.
Alle Stücke nehmen sich Zeit und verschenken trotzdem keine Sekunde. „Bit For Bit“ vibriert zart und „Her Eyes“ rennt schneller und schneller, flach atmend, durch taumelnde, schaukelnde Synthiewände, bis dann Osterrieder im bezaubernden, warm pluckernden „Leaving A Century“ raunt: „The code is clear, the child is safe, we leave the nerds, inside their caves”. Ha! Wem das nicht das Herz wärmen kann, der hat es schon vor langer Zeit an des Teufels kreuzdumme Kinder, ergo Scooter, verloren. Den Schlußpunkt setzen Gretschmann und Osterrieder mit „For Herself“ als entspanntem Shuffle: „Slow down, myself, come down, my mind.“ Goldenes Elektrohandwerk, fürwahr.
http://www.console.li/
Montag, 6. Dezember 2010
Oberpollinger 2010
Ich lege mich fest: So viel Neues wird in diesem Jahr nicht mehr kommen, deshalb wird jetzt mal die Abschlußliste 2010 festgezurrt. Und nachdem ich in diesem Jahr geschätzte drei Mal ins Kino gekommen bin und bis zur Mitte nächsten Jahres jede Menge "Unendlichen Spaß" haben werde, wurden die Kategorien schlicht auf Album und Song eindampft. Nachdem die beiden Vorjahre mit Portishead und The XX bzw. Jochen Distelmeyer vergleichsweise einfach zu bewerten waren, gab es in diesem Jahr reichlich Auswahl auf allerhöchstem Niveau - die Alben des Jahres deshalb in willkürlicher und keineswegs wertender Reihenfolge (und im Uhrzeigersinn l/r):
1. Arcade Fire "The Suburbs"
2. Gil Scott Heron "I'm Here Now"
3. Grinderman "Grinderman 2"
4. Hot Chip "One Night Stand"
5. Kanye West "My Beautiful Dark Twisted Fantasy"
6. La Brass Banda "Übersee"
7. LCD Soundsystem "This Is Happening"
8. No Age "Everything Inbetween"
9. Spoon "Transference"
Einfacher die Wahl zum Song des Jahres - hier geht mein klares und eindeutiges Votum an die Kollaboration The Roots vs. Joanna Newsom "Right On" vom aktuellen Album "How I Got Over" - done.
Freitag, 3. Dezember 2010
Gehört_216
Bloodhound Gang „Show Us Your Hits“ (Universal)
Zweifellos: prollig, pervers, langweilig, ekelhaft, unzumutbar, einfallslos, provokant, billig, zotig, sexistisch, homophob, albern, kindisch, unreif, dümmlich, krank, irre, unzurechnungsfähig, abfällig, unwichtig, substanzlos, unflätig, frech, verantwortungslos, unmöglich, überflüssig, rassistisch, geschmacklos, infantil, anmaßend, pubertär, unnütz, lächerlich, dämlich, blödsinnig, haarsträubend, scheußlich, abstoßend, unverfroren, böse, schlecht, gemein, nervig, fies, peinlich, überzogen, unerträglich, respektlos ... mit anderen Worten: Sehr unterhaltsam.
http://www.bloodhoundgang.com/
Zweifellos: prollig, pervers, langweilig, ekelhaft, unzumutbar, einfallslos, provokant, billig, zotig, sexistisch, homophob, albern, kindisch, unreif, dümmlich, krank, irre, unzurechnungsfähig, abfällig, unwichtig, substanzlos, unflätig, frech, verantwortungslos, unmöglich, überflüssig, rassistisch, geschmacklos, infantil, anmaßend, pubertär, unnütz, lächerlich, dämlich, blödsinnig, haarsträubend, scheußlich, abstoßend, unverfroren, böse, schlecht, gemein, nervig, fies, peinlich, überzogen, unerträglich, respektlos ... mit anderen Worten: Sehr unterhaltsam.
http://www.bloodhoundgang.com/
Drängende Frage
Die wirklich drängende Frage ist natürlich nicht "Was oder wen kauft sich Schlitzohr Sepp Blatter nun von den Bakschischmillionen von Gazprom?", auch nicht "Warum hat es so lange gedauert, bis die WM endlich heimkehrt nach Katar, ins Mutterland des Fußballs?" Die einzig wirklich entscheidende Frage muß lauten: "Was um Himmels Willen macht Peter Alexander mit dem WM-Pokal?"
Donnerstag, 2. Dezember 2010
Gehört_215
Robyn „Body Talk“ (Island)
Was es alles nicht braucht:
/Vorkenntnis/
Was es alles nicht braucht:
/Vorkenntnis/
Man muß die vorangegangenen Versionen von Robyns "Body Talk" nicht lückenlos mitsingen können, um zu wissen, dass Robin Miriam Carlsson in punkto Dance momentan als das absolute Nonplusultra gilt (schaden kann es natürlich nicht).
/Trashdance/
/Trashdance/
Nur ein paar Takte aus dem aktuellen Album der Black Eyed Peas genügen um zu erkennen, dass auch diese auf ureigenem Feld mittlerweile um Längen geschlagen sind – am besten gleich mit „The Time (Dirt Bit)“ anfangen, wer das aushält, dem muß vor nix und niemand mehr bange sein. Ab dafür.
/Trackranking/
/Trackranking/
Das macht hier keinen großen Sinn, denn bei dieser Platte sitzt jeder Beat punktgenau, also in der Magengrube, jeder Song ist ein perfekt austariertes, technoides Kleinkraftwerk, hoch infektiös, unmittelbar, quasi intravenös.
/Ansprache/
/Ansprache/
Braucht die junge Dame anscheinend auch keine, nachzuhören im immer wieder erfrischenden „Don’t F***ing Tell Me What To Do“, das an Klarheit nichts zu wünschen übrig läßt und wirkt wie Pink ohne plattes Rockgedöns – soll sie mal.
/Berührungsangst/
/Berührungsangst/
Muß man selbst nicht haben – Dance geht mittlerweile ja für Nerds und Upperclass gleichermaßen (siehe Spex), intelligenter wie dieser hier sowieso – hat sie übrigens auch nicht, Techno, Dancehall, House, Eurodance, Electro, kann sie alles, Röyksopp (None), Snoop Dogg (U Should Know Better), schafft sie alle.
/Abba/
/Abba/
Zumindest als Referenzkeule sollte man das Quartett in der Mottenkiste belassen, dieser Vergleich hat noch keinem so richtig gutgetan und er trifft auch hier trotz schnuckeligem Abgang (Stars 4-ever) nur sehr bedingt zu.
/Madonna/
/Madonna/
Jede einzelne der drei Variationen der „Body Talk“-Sammlung schreit „Generationenwechsel!“ und „Platz da!“ und ohne die Verdienste der Grand Dame um Pop und Disko schmälern zu wollen, die Robyn ja ins Vorprogramm holte und so den unfreiwilligen Zauberlehrling gab – auch wenn’s weh tut, wenn Mrs. Ciccone heimlich in der Unkleide „In My Eyes“ hört: Das hier kickt direkt auf’s Altenteil, sorry.
http://www.robyn.com/
http://www.robyn.com/
Abändern 2011
Eigentlich verbietet sich eine Redewendung wie „Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus“ in einer Jahreszeit, in der es die meiste Zeit des Tages zappenduster und der Schatten als solcher überhaupt nicht zu sehen ist – dennoch: Für den Beginn des kommenden Jahres sind nicht nur die neuen Alben von PJ Harey (Let England Shake) und Hercules & Love Affair (Blue Songs) als feste Größen verbucht, auch Depeche Mode – ja, die – haben diffusen Gerüchten zufolge vor, wenn schon nichts wirklich Neues, so doch etwas neu Gemixtes unters Fanvolk zu bringen. Viel mehr ist den vagen Ankündigungen im Netz allerdings nicht zu entlocken, man weiß also nicht genau, ob das apostrophierte Werk eher der Nachfolger für die Dreifachbox aus dem Jahre 2004 oder doch eher ein Cover-Album im Stile der feinen „For The Masses“-Compilation von 1998 sein wird.
Für die erste Variante sprächen die mittlerweile teilweise bestätigten Meldungen, nach denen sich sowohl ehemalige Mitglieder als auch bekannte Mischpultfrickler an einzelnen Tracks des umfangreichen Oevres vergreifen wollen, so zum Beispiel Gründervater Vince Clark (Behind The Wheel/Music For The Masses), Alan Wilder (In Chains/Sounds Of The Universe), Nick Rhodes & Mark Ronson (Personal Jesus/Violator), dazu noch Eric Prydz und Kidcanevil. Laut der deutschsprachigen Bandwebsite sind allerdings auch Cover von Brandon Flowers, Arcade Fire oder den Yeah Yeah Yeahs im Gespräch – dies wäre dann eher ein Hinweis auf die zweite Version. Und auch wenn der Name „Prydz“ ganz und gar schreckliche Ausflüge in wummerndes Houseeinerlei erahnen läßt und den Niedergang dessen, was ursprünglich mal als innovative „Maxi-Version“ seinen Anfang nahm, wieder ein wenig zu beschleunigen droht – ein willkommene Zwischenmahlzeit bis zum nächsten Album wird wohl schon dabei herausspringen.
Für die erste Variante sprächen die mittlerweile teilweise bestätigten Meldungen, nach denen sich sowohl ehemalige Mitglieder als auch bekannte Mischpultfrickler an einzelnen Tracks des umfangreichen Oevres vergreifen wollen, so zum Beispiel Gründervater Vince Clark (Behind The Wheel/Music For The Masses), Alan Wilder (In Chains/Sounds Of The Universe), Nick Rhodes & Mark Ronson (Personal Jesus/Violator), dazu noch Eric Prydz und Kidcanevil. Laut der deutschsprachigen Bandwebsite sind allerdings auch Cover von Brandon Flowers, Arcade Fire oder den Yeah Yeah Yeahs im Gespräch – dies wäre dann eher ein Hinweis auf die zweite Version. Und auch wenn der Name „Prydz“ ganz und gar schreckliche Ausflüge in wummerndes Houseeinerlei erahnen läßt und den Niedergang dessen, was ursprünglich mal als innovative „Maxi-Version“ seinen Anfang nahm, wieder ein wenig zu beschleunigen droht – ein willkommene Zwischenmahlzeit bis zum nächsten Album wird wohl schon dabei herausspringen.
Mittwoch, 1. Dezember 2010
Gefunden_82
NME legt vor ...
... im Rennen um die Jahrespolls 2010. Und weil er durchaus als maßgeblicher Seismograph gilt, soll das Ergebnis hier - mitunter kopfschüttelnd - auch kundgetan werden:
Alben 2010
1. These New Puritans – 'Hidden'
2. Arcade Fire – 'The Suburbs'
3. Beach House – 'Teen Dream'
4. LCD Soundsystem – 'This Is Happening'
5. Laura Marling – 'I Speak Because I Can'
6. Foals – 'Total Life Forever'
7. Zola Jesus – 'Stridulum II'
8. Salem – 'King Night'
9. Liars – 'Sisterworld'
10. The Drums – 'The Drums'
Songs 2010
1. Foals – 'Spanish Sahara'
2. MIA – 'XXXO'
3. Janelle Monae – 'Tightrope'
4. Kanye West – 'Power'
5. Arcade Fire – 'We Used To Wait'
6. Gorillaz – 'Stylo'
7. Surfer Blood – 'Swim'
8. Grinderman – 'Heathen Child'
9. Zola Jesus – 'Night'
10. The Fall – 'Bury Pts 2 +4'
Alben 2010
1. These New Puritans – 'Hidden'
2. Arcade Fire – 'The Suburbs'
3. Beach House – 'Teen Dream'
4. LCD Soundsystem – 'This Is Happening'
5. Laura Marling – 'I Speak Because I Can'
6. Foals – 'Total Life Forever'
7. Zola Jesus – 'Stridulum II'
8. Salem – 'King Night'
9. Liars – 'Sisterworld'
10. The Drums – 'The Drums'
Songs 2010
1. Foals – 'Spanish Sahara'
2. MIA – 'XXXO'
3. Janelle Monae – 'Tightrope'
4. Kanye West – 'Power'
5. Arcade Fire – 'We Used To Wait'
6. Gorillaz – 'Stylo'
7. Surfer Blood – 'Swim'
8. Grinderman – 'Heathen Child'
9. Zola Jesus – 'Night'
10. The Fall – 'Bury Pts 2 +4'
Dienstag, 30. November 2010
Gehört_214
Shannon Wright "Secret Blood" (Reverb)
An einer Frau wie Shannon Wright gute zehn Jahre lang regelrecht vorbeigehört zu haben, darf man sich gern auch mal selbst zum Vorwurf machen, schließlich saß sie mit einer Reihe von honorigen Musikern im Tourbus, die man zu den höchsteigenen Favoriten zählt, also Nick Cave, Calexico, Low, Will Oldham oder auch Sleater Kinney. Da bleibt einem nicht viel mehr, als reumütig und ohne jegliche Vorbelastung das schätzungsweise elfte Album der jungen Amerikanerin aus Atlanta/Georgia zu loben: Eine feine Mixtur aus klassischem, angenehm gegengebürstetem Singer-Songwriter-Pop, Folk und punkigem Indie. Mal verträumt ätherisch mit Piano und akkustischer Gitarre vorgetragen, mal zupackend und widerborstig, eine gekonnte Gratwanderung zwischen Cat Power und PJ Harvey. „Dim Reader“ und das traumhafte „On The Riverside“ stehen für den ruhigen, „Violet Colors“, „Fractured“ und ein gnadenlos geschrubbtes „Commoner’s Saint“ für den ruhelosen Pol der Shannon Wright. Dunkel und geheimnisvoll kann sie auch – „In The Needle“ und vor allem „Under The Luminaries“ können ihre traurige Schwerkraft nicht verleugnen. Zu lesen war, Wrights Songs hätten einen “‘Twin Peaks’-style melding of soothingly mundane lounge music with an otherworldly influence” – nun, der grobkörnige Schnappschuss auf dem Cover läßt einen mit solchen Zwischenwelten zumindest gedanklich spielen, ein abwechslungsreiches, gern auch assoziatives Album, gut für die eine oder andere Umdrehung mehr auf dem Plattenteller.
http://www.myspace.com/shannonwright
An einer Frau wie Shannon Wright gute zehn Jahre lang regelrecht vorbeigehört zu haben, darf man sich gern auch mal selbst zum Vorwurf machen, schließlich saß sie mit einer Reihe von honorigen Musikern im Tourbus, die man zu den höchsteigenen Favoriten zählt, also Nick Cave, Calexico, Low, Will Oldham oder auch Sleater Kinney. Da bleibt einem nicht viel mehr, als reumütig und ohne jegliche Vorbelastung das schätzungsweise elfte Album der jungen Amerikanerin aus Atlanta/Georgia zu loben: Eine feine Mixtur aus klassischem, angenehm gegengebürstetem Singer-Songwriter-Pop, Folk und punkigem Indie. Mal verträumt ätherisch mit Piano und akkustischer Gitarre vorgetragen, mal zupackend und widerborstig, eine gekonnte Gratwanderung zwischen Cat Power und PJ Harvey. „Dim Reader“ und das traumhafte „On The Riverside“ stehen für den ruhigen, „Violet Colors“, „Fractured“ und ein gnadenlos geschrubbtes „Commoner’s Saint“ für den ruhelosen Pol der Shannon Wright. Dunkel und geheimnisvoll kann sie auch – „In The Needle“ und vor allem „Under The Luminaries“ können ihre traurige Schwerkraft nicht verleugnen. Zu lesen war, Wrights Songs hätten einen “‘Twin Peaks’-style melding of soothingly mundane lounge music with an otherworldly influence” – nun, der grobkörnige Schnappschuss auf dem Cover läßt einen mit solchen Zwischenwelten zumindest gedanklich spielen, ein abwechslungsreiches, gern auch assoziatives Album, gut für die eine oder andere Umdrehung mehr auf dem Plattenteller.
Freitag, 26. November 2010
Gehört_213
Polarkreis 18 „Frei“ (Universal)
Auch wenn man gemeinhin für einen Verriß viel Prügel einstecken muß, hier geht es einfach nicht anders. Denn: Für viele Dinge läßt sich ja im Leben noch eine Entschuldigung finden, für dieses Album, so schade das ist, leider nicht. Man hatte es geahnt, man hatte es befürchtet und es läßt sich nicht schönreden – die beiden ersten Platten der Dresdener waren ein verheißungsvolles Versprechen, diese ist ein Grauen. Klebrig süßliche, symphonische Plattitüden, öde Klangteppiche ohne Reiz und Texte, die maximal als Schulhoflyrik durchgehen: „Live is just a melody, unendliche Symphonie, soundtrack of eternity, unendliche Symphonie, it is all around, in every heart it can be found, ...“ Ach Gottchen, Vergleichbares haben wirklich nur Modern Talking und Michael Cretu auf die Bühne gebracht, und als deren Wiedergänger gehandelt zu werden ist wohl die größte Strafe. Lieder wie „Deine Liebe“ oder „Evergreen“ sind schlichtweg unerträglich, für „Elegie“ fehlt nur noch Paul Potts in der Gastrolle, um das Elend vollkommen zu machen – der Rest ist angewavtes Mittelmaß. Mit viel gutem Willen lassen sich bei „Small Space Between“ und „Rainhouse“ ein paar extravagante, originelle Sequenzen heraushören, am traurigen Gesamteindruck ändert das freilich wenig. Wieder einmal eine Chance vertan, in Sachen Popmusik über die Grenzen des Landes hinaus Relevanz zu zeigen, schade drum.
http://www.polarkreis18.de/
Auch wenn man gemeinhin für einen Verriß viel Prügel einstecken muß, hier geht es einfach nicht anders. Denn: Für viele Dinge läßt sich ja im Leben noch eine Entschuldigung finden, für dieses Album, so schade das ist, leider nicht. Man hatte es geahnt, man hatte es befürchtet und es läßt sich nicht schönreden – die beiden ersten Platten der Dresdener waren ein verheißungsvolles Versprechen, diese ist ein Grauen. Klebrig süßliche, symphonische Plattitüden, öde Klangteppiche ohne Reiz und Texte, die maximal als Schulhoflyrik durchgehen: „Live is just a melody, unendliche Symphonie, soundtrack of eternity, unendliche Symphonie, it is all around, in every heart it can be found, ...“ Ach Gottchen, Vergleichbares haben wirklich nur Modern Talking und Michael Cretu auf die Bühne gebracht, und als deren Wiedergänger gehandelt zu werden ist wohl die größte Strafe. Lieder wie „Deine Liebe“ oder „Evergreen“ sind schlichtweg unerträglich, für „Elegie“ fehlt nur noch Paul Potts in der Gastrolle, um das Elend vollkommen zu machen – der Rest ist angewavtes Mittelmaß. Mit viel gutem Willen lassen sich bei „Small Space Between“ und „Rainhouse“ ein paar extravagante, originelle Sequenzen heraushören, am traurigen Gesamteindruck ändert das freilich wenig. Wieder einmal eine Chance vertan, in Sachen Popmusik über die Grenzen des Landes hinaus Relevanz zu zeigen, schade drum.
http://www.polarkreis18.de/
Donnerstag, 25. November 2010
Elektronische Vorabstimulation
Wenn übereifrige Musikredakteure auf sogenannten Pre-Listening-Sessions verdonglete und sonstwie gesicherte, ultrageheime Vorabversionen immens wichtiger Veröffentlichungen anhören dürfen und hernach wieselflink in ihre Büros hetzen, um dort – track by track – ihre ganz persönlichen Hörerlebnisse zu twittern, dann scheint mir das oftmals so reizvoll wie, ja: Sex ohne Anfassen. Ganz ähnlich kann es einem auch mit Filmscores gehen, wo einem noch jeglicher Bildbezug fehlt und man nur anhand der Titel rätseln kann, zu welcher dramatischen Volte diese Melodie nun wohl gedacht ist.
Nicht anders beim aktuellen Beispiel der Vertonung des Prequels zum Disney-Klassiker „Tron“ aus dem Jahr 1982 mit Bruce Boxleitner und Jeff Bridges. „Tron Legacy“ kommt Ende Januar 2011 in die deutschen Kinos und wird, wenn alle Erwartungen erfüllt werden und die Welt gerecht ist, ein Wahnsinnsspektakel. Wie gesagt – „wird“, denn bisher gibt es im Netz (wenn man nicht zu genau sucht) nur den im Dezember diesen Jahres vorab erscheinenden Soundtrack der französischen Elektronikfrickler Daft Punk. Dass die beiden gesichtslosen, gnadenlos verspielten Housesepzialisten sich diesen Score ausgesucht haben, ist nicht weiter verwunderlich, sah man sie doch schon durch diverse „Star Wars“-Clips springen und es darf ihnen wohl ohne weiteres unterstellt werden, dass sie sich, was das Innenleben einer CPU angeht, als erstklassige Fachleute bezeichnen würden.
Der Soundtrack – nun ja, die Sache mit dem Sex: Zweiundzwanzig mehr oder minder kurze Stücke, größtenteils mit orchestralem Bombast angereicherte Soundwände, mal mit mordsmäßigen Bläsersätzen, mal mit epischen Streichergruppen verfeinert, man kennt das. House gibt’s im Übrigen keinen Takt, Tanzbeinarrangements sind Mangelware (Ausnahme: „End Titles“), alles pluckert, pocht und stampft symphonisch toll zu Stichworten wie „Solar Sailer“, „Disc Wars“, „Recognizer“ oder „The Grid“. Vieles davon klingt schon ohne visuelle Beigabe als bloße Textur schon beeindruckend, manches hätte durchaus auch auf eine B-Seite von Depeche Mode aus den glorreichen Zeiten von „Construction Time Again“ und „Some Great Reward“ gepasst. Für den letzten Kick allerdings braucht’s doch noch die Bilder – wird also Zeit, dass das Jahr zu Ende geht...
Pre-Listening (sic!) bei testspiel.de
Nicht anders beim aktuellen Beispiel der Vertonung des Prequels zum Disney-Klassiker „Tron“ aus dem Jahr 1982 mit Bruce Boxleitner und Jeff Bridges. „Tron Legacy“ kommt Ende Januar 2011 in die deutschen Kinos und wird, wenn alle Erwartungen erfüllt werden und die Welt gerecht ist, ein Wahnsinnsspektakel. Wie gesagt – „wird“, denn bisher gibt es im Netz (wenn man nicht zu genau sucht) nur den im Dezember diesen Jahres vorab erscheinenden Soundtrack der französischen Elektronikfrickler Daft Punk. Dass die beiden gesichtslosen, gnadenlos verspielten Housesepzialisten sich diesen Score ausgesucht haben, ist nicht weiter verwunderlich, sah man sie doch schon durch diverse „Star Wars“-Clips springen und es darf ihnen wohl ohne weiteres unterstellt werden, dass sie sich, was das Innenleben einer CPU angeht, als erstklassige Fachleute bezeichnen würden.
Der Soundtrack – nun ja, die Sache mit dem Sex: Zweiundzwanzig mehr oder minder kurze Stücke, größtenteils mit orchestralem Bombast angereicherte Soundwände, mal mit mordsmäßigen Bläsersätzen, mal mit epischen Streichergruppen verfeinert, man kennt das. House gibt’s im Übrigen keinen Takt, Tanzbeinarrangements sind Mangelware (Ausnahme: „End Titles“), alles pluckert, pocht und stampft symphonisch toll zu Stichworten wie „Solar Sailer“, „Disc Wars“, „Recognizer“ oder „The Grid“. Vieles davon klingt schon ohne visuelle Beigabe als bloße Textur schon beeindruckend, manches hätte durchaus auch auf eine B-Seite von Depeche Mode aus den glorreichen Zeiten von „Construction Time Again“ und „Some Great Reward“ gepasst. Für den letzten Kick allerdings braucht’s doch noch die Bilder – wird also Zeit, dass das Jahr zu Ende geht...
Pre-Listening (sic!) bei testspiel.de
Angespielt_9
Über das aktuelle Album "High Violet" von The National ist an dieser Stelle nicht viel Gutes geschrieben worden - warum auch, es war ihr bislang schlechtestes und nur im schnellen Vorlauf zu verkraften. Dass es nun von selbigem noch eine Expandet Edition gibt, ist also auf den ersten Blick eine eher unnütze Information, wenn, ja wenn nicht genau dort ein wirklich schöner Song verpackt wäre, der sich "Wake Up Your Saints" nennt und mit beschwingtem Bläserblech den Staub vom Rest der Platte weht. Kein Grund, das erweiterte Dingens zu kaufen, aber reinhören kann man schon mal - hier zum Beispiel.
Mittwoch, 24. November 2010
Gehört_212
Nouvelle Vague „Couleurs Sur Paris“ (Universal)
Gerade erst wohlwollend die fremden Federn von Element of Crime durchgewunken, da klopft schon die nächste geschmackliche Bewährungsprobe an die Tür: Nouvelle Vague haben ein neues Album. Und wer nicht gerade Kaffeebarbesitzer oder Liftboy ist, wird jetzt die Hände überm Kopf zusammenschlagen – nicht die schon wieder! Doch, die schon wieder oder immer noch, diesmal allerdings bleiben sie quasi daheim und covern französisches Liedgut, vornehmlich natürlich wieder aus den allzeit bewährten 80ern.
Ob sie sich und ihren stolzen Landsleuten damit allerdings einen großen Gefallen getan haben, darf bezweifelt werden. Denn neben einer ganzen Reihe hierzulande eher unbekannter Bands wie Wunderbach, Taxi Girl, TC Matic oder Kas Product vergreifen sie sich eben auch an einer Reihe von französischen Nationalheiligtümern wie Etienne Daho, Les Rita Mitsouko, Indochine oder Manu Chao. Wenn das letzte Album schon fast auf die Liste der rezeptfreien Schlafmittel gehört hätte, so hat sich „Couleurs Sur Paris“ diesen Platz nun zweifelsfrei verdient, auch die netten Stimmchen von Béatrice Martin alias Coeur de Pirate, Olivia Ruiz oder Herzchen Vanessa Paradis können daran nichts mehr ändern. Der Umstand, dass sich Nouvelle Vague diesmal nicht einzig auf den Bossa Nova kapriziert haben – in diversen Interviews als forsche Weiterentwicklung gefeiert – hilft da leider auch nicht weiter. Ein müder und blutarmer Song reiht sich an den anderen und wenn mal, wie bei „So Young But So Cold“ oder „Oublions L’Amerique“ etwas Leben und Freakness in die Bude kommt, schrickt man regelrecht hoch aus dem Dämmerschlaf.
Vorbei also die Zeiten, da die Franzosen den Charakter der gecoverten Stücke halbwegs in ihre Neuabmischungen zu übersetzen wussten, keine düsteren Überraschungen mehr wie bei „In A Manner Of Speaking“, „Dance With Me“ oder „Bela Lugosi’s Dead“, hier werden Klassiker wie „L’Aventurier“ oder „Marcia Baila“ ideenarm verwurstet und der frankophile Stephan Eicher kommt mit „Two People In A Room“ auch nicht besser weg. Einzig das dunkle „Je Suis Déjà Parti“ von Taxi Girl hat ein Stückchen Gänsehaut abbekommen.
Was also am Anfang noch lustig war, verkommt spätestens auf dieser Platte zur ärgerlichen Leichenfledderei, wollen wir hoffen, dass Nouvelle Vague auch zu Hause dafür kräftig eins auf den Deckel bekommen.
http://www.nouvellesvagues.com/
Gerade erst wohlwollend die fremden Federn von Element of Crime durchgewunken, da klopft schon die nächste geschmackliche Bewährungsprobe an die Tür: Nouvelle Vague haben ein neues Album. Und wer nicht gerade Kaffeebarbesitzer oder Liftboy ist, wird jetzt die Hände überm Kopf zusammenschlagen – nicht die schon wieder! Doch, die schon wieder oder immer noch, diesmal allerdings bleiben sie quasi daheim und covern französisches Liedgut, vornehmlich natürlich wieder aus den allzeit bewährten 80ern.
Ob sie sich und ihren stolzen Landsleuten damit allerdings einen großen Gefallen getan haben, darf bezweifelt werden. Denn neben einer ganzen Reihe hierzulande eher unbekannter Bands wie Wunderbach, Taxi Girl, TC Matic oder Kas Product vergreifen sie sich eben auch an einer Reihe von französischen Nationalheiligtümern wie Etienne Daho, Les Rita Mitsouko, Indochine oder Manu Chao. Wenn das letzte Album schon fast auf die Liste der rezeptfreien Schlafmittel gehört hätte, so hat sich „Couleurs Sur Paris“ diesen Platz nun zweifelsfrei verdient, auch die netten Stimmchen von Béatrice Martin alias Coeur de Pirate, Olivia Ruiz oder Herzchen Vanessa Paradis können daran nichts mehr ändern. Der Umstand, dass sich Nouvelle Vague diesmal nicht einzig auf den Bossa Nova kapriziert haben – in diversen Interviews als forsche Weiterentwicklung gefeiert – hilft da leider auch nicht weiter. Ein müder und blutarmer Song reiht sich an den anderen und wenn mal, wie bei „So Young But So Cold“ oder „Oublions L’Amerique“ etwas Leben und Freakness in die Bude kommt, schrickt man regelrecht hoch aus dem Dämmerschlaf.
Vorbei also die Zeiten, da die Franzosen den Charakter der gecoverten Stücke halbwegs in ihre Neuabmischungen zu übersetzen wussten, keine düsteren Überraschungen mehr wie bei „In A Manner Of Speaking“, „Dance With Me“ oder „Bela Lugosi’s Dead“, hier werden Klassiker wie „L’Aventurier“ oder „Marcia Baila“ ideenarm verwurstet und der frankophile Stephan Eicher kommt mit „Two People In A Room“ auch nicht besser weg. Einzig das dunkle „Je Suis Déjà Parti“ von Taxi Girl hat ein Stückchen Gänsehaut abbekommen.
Was also am Anfang noch lustig war, verkommt spätestens auf dieser Platte zur ärgerlichen Leichenfledderei, wollen wir hoffen, dass Nouvelle Vague auch zu Hause dafür kräftig eins auf den Deckel bekommen.
http://www.nouvellesvagues.com/
Dienstag, 23. November 2010
Gehört_211
Element Of Crime „Fremde Federn“ (Universal)
Die Urteile zu dieser Platte waren schnell gesprochen und „Cover-Versionen, die so keiner hören mag“ (Seine Heiligkeit Bruckmaier) war da noch der freundlicheste Hinweis. Man möchte einfach von seiner Leib- und Magenband keine aufgekochten Lieblingslieder serviert bekommen, beim Lesen der Tracklist überkam einen noch dazu das blanke Grauen – „My Bonnie Is Over The Ocean“, „Last Christmas“ und „Leise rieselt der Schnee“ – Hallo, geht’s noch!? So arm dran, dass das sein muss...?
Und doch – mit etwas selbstverordneter Unvoreingenommenheit und einer guten Portion Entspannung kann man dieser Platte, zumindest einem Großteil davon, durchaus etwas abgewinnen. Regner nölt und schrammelt sich mit seiner Band durch einen saftigen Kanon deutschen und fremdsprachigen Liedguts und es ist nicht ohne Reiz zu hören, wie fast jeder Song am Ende wie ein Eigengewächs klingt. Und ja, gerade seine hölzerne, schnörkellose Interpretation von vermeintlich „bösen“ Liedern wie den drei oben genannten lassen für meine Begriffe die feindliche Übernahme ansprechend gelingen.
Den Degenhardt (Espressomaschine) hätten sie sich schenken können, bei Bob Dylan (It’s All Over Now...) geht Regners Stimme in Grenzbereiche, die man besser nicht kennengelernt hätte, der „Motorcycle Song“ paßt irgendwie nicht zum Rest und Bee Gees und Pet Shop Boys, na ja, geschenkt. Dafür aber stehen auf der anderen Seite eben feine Interpretationen von Brecht, Lindenberg, Alexandra, Dorau und das liebevoll nostalgische „Hamburg ‘75“ von Gottfried & Lonzo, alles schön knorrig, angeräuchert und verbluest, also „regnerisch“ (sorry). „Le Vent Nous Portera“ von Noir Desir klingt fabelhaft lässig und selbst als Beatles (Nothings Gonna Change...) machen Element Of Crime, wie ich finde, eine ganz passable Figur.
Warum also jammern, wenn die Jungs einen Sack voll selbstgewählter Favoriten zum besten geben, will doch jeder mal und hat sich beim Karaoke schon prächtig blamiert – Element Of Crime machen’s besser und haben Spass dabei. So what? Besser als der 50ste Aufguss von „Damals hinterm Mond“ ist diese Platte allemal.
Die Urteile zu dieser Platte waren schnell gesprochen und „Cover-Versionen, die so keiner hören mag“ (Seine Heiligkeit Bruckmaier) war da noch der freundlicheste Hinweis. Man möchte einfach von seiner Leib- und Magenband keine aufgekochten Lieblingslieder serviert bekommen, beim Lesen der Tracklist überkam einen noch dazu das blanke Grauen – „My Bonnie Is Over The Ocean“, „Last Christmas“ und „Leise rieselt der Schnee“ – Hallo, geht’s noch!? So arm dran, dass das sein muss...?
Und doch – mit etwas selbstverordneter Unvoreingenommenheit und einer guten Portion Entspannung kann man dieser Platte, zumindest einem Großteil davon, durchaus etwas abgewinnen. Regner nölt und schrammelt sich mit seiner Band durch einen saftigen Kanon deutschen und fremdsprachigen Liedguts und es ist nicht ohne Reiz zu hören, wie fast jeder Song am Ende wie ein Eigengewächs klingt. Und ja, gerade seine hölzerne, schnörkellose Interpretation von vermeintlich „bösen“ Liedern wie den drei oben genannten lassen für meine Begriffe die feindliche Übernahme ansprechend gelingen.
Den Degenhardt (Espressomaschine) hätten sie sich schenken können, bei Bob Dylan (It’s All Over Now...) geht Regners Stimme in Grenzbereiche, die man besser nicht kennengelernt hätte, der „Motorcycle Song“ paßt irgendwie nicht zum Rest und Bee Gees und Pet Shop Boys, na ja, geschenkt. Dafür aber stehen auf der anderen Seite eben feine Interpretationen von Brecht, Lindenberg, Alexandra, Dorau und das liebevoll nostalgische „Hamburg ‘75“ von Gottfried & Lonzo, alles schön knorrig, angeräuchert und verbluest, also „regnerisch“ (sorry). „Le Vent Nous Portera“ von Noir Desir klingt fabelhaft lässig und selbst als Beatles (Nothings Gonna Change...) machen Element Of Crime, wie ich finde, eine ganz passable Figur.
Warum also jammern, wenn die Jungs einen Sack voll selbstgewählter Favoriten zum besten geben, will doch jeder mal und hat sich beim Karaoke schon prächtig blamiert – Element Of Crime machen’s besser und haben Spass dabei. So what? Besser als der 50ste Aufguss von „Damals hinterm Mond“ ist diese Platte allemal.
Donnerstag, 18. November 2010
Gehört_210
Kanye West „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ (Def Jam)
Spätestens seit dem Jahr 2005 und der Veröffentlichung von „Late Registration“ kommen alle, die HipHop buchstabieren oder eifrig Fieberkurven untersuchen wollen, an diesem Mann nicht mehr vorbei. Und das nicht nur, weil Kanye West so smart wäre oder sich zum rechten Zeitpunkt in Szene zu setzen weiß, sondern weil er das geschafft hat, woran viele vor ihm kläglich scheiterten: die erfolgreiche Verbindung von Kunst und Kommerz, von Attitüde, Ambition und Stil, weil er dem Rap das Tanzen beigebracht hat wie kein zweiter und damit – so vermessen das klingen mag – ein ganzes Genre, je nach Sichtweise, vom Totenbett gezerrt, aus der Schmollecke gelockt oder vor der Rolle des gelittenen Unterschichtenkaspers bewahrt hat.
Dumm ist der Mann also nicht, er ist politisch, ohne dass seine Rhymes zur tumben Proklamation verkommen, er ist hart, ohne dass er wie ein aufgepumpter Testosterongockel umherstolzieren muß und das einzige Extrem, dem er sich verschrieben hat, ist das der unbedingten Tanzbodentauglichkeit. Das kann man mögen oder auch nicht, der Erfolg jedenfalls gibt ihm recht und die Anerkennung, die er dadurch erfährt gilt ihm als die einzig gültige Währung.
Mittlerweile ist er, der das Prinzip der Kollaboration, also der vertonten Gästeliste, zum Standard und gleichzeitig zur Perfektion erhoben hat, ja mehr Konzertmeister als Performer und nach der betonten Künstlichkeit von „808s & Heartbreaks“ gab es nicht wenige, die den Zenit der musikalischen Kanyeisierung schon überschritten sahen. Doch auch wenn Ziehsohn Kid Cudi mit dem famosen „Man On The Moon I/II“ spätestens in diesem Herbst aus dem Schatten des Meisters herausgewachsen scheint, wird aller Voraussicht nach das maßgebliche HipHop-Album des Jahres 2010 dennoch „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ heißen.
Zur Sache also – was zuerst auffällt: Den Vocoder hat Mr. West dankenswerterweise für die aktuelle Platte größtenteils ungenutzt im Schrank gelassen. Ansonsten dürfte es aufgrund der gewaltigen Anzahl von Gästen im Studio ungemütlich eng geworden sein – neben den üblichen Verdächtigen Kid Cudi, Reakwon, RZA, Jay-Z und John Legend sind diesmal auch M.I.A. und die U.S.-Folkies von Bon Iver mit dabei. Einen so mittelprächtigen Beginn wie bei „808s & Heartbreaks“ (Say You Will) hat uns der Meister diesmal erspart – „Dark Fantasy“ geht auf direktem Wege in Hirn und Beine und gibt mit dem gewohnten Wortwitz („Sex is on fire, I’m the King of Leon-a Lewis“) und reichlich betörendem Singalong den idealen Einstieg. Der Killertrack „Power“ dient Mr. West, der sich ja gern mit allem und jedem über Kreuz legt, als bissige Abrechnung mit schwarzem Rassismus und anhaltender Obamamania – „You short-minded n-ggas’ thoughts is Napoleon, my furs is mongolian, my ice brought the goalies in, now I embody every characteristic of the egotistic ... No one man should have all that power“. „All Of The Lights“ ist ein satter Synthiefeger, „Monster“ wiederum hat seinen Namen mit Recht und ist recht oldschool geraten.
Wenig später dann der erste Höhepunkt: „All Appalled“, ein Song, so verdammt eingängig, dass er schon unters Betäubungsmittelgesetz fallen müßte – West klärt einmal mehr seine Rolle im Business: „N-ggas be writin’ bullsh-t like they gotta work, N-ggas going through real sh-t, man they outta work, that’s why I never gawd damn dance track, gotta hurt, that’s why I rather spit something that gotta perch.“ Auch zum zweiten Peak, dem neunminütigen „Runaway“, muß eigentlich nicht viel gesagt werden – das Piano-Opening genial, die Gitarren schmirgeln am Trommelfell, ganz feine Sache, der Text (s)eine Ohrfeige für die weibliche Begleitung: „Every bag, every blouse, every bracelet comes with a price tag, baby, face it ... I'm just young, rich, but your tasteless.“ Ganz am Ende noch eine Art trotziger, dunkler Monolog (Who Will Survive In America), sehr optimistisch wirkt das alles nicht: „America is now blood and tears instead of milk and honey“, fast scheint es, als wolle Kanye West jetzt zum Prediger umschulen – das Album jedenfalls sollte seine Gefolgschaft ordentlich vermehren, ein großer Wurf.
Höchstpunktzahl bei pitchfork.com - eine Eloge.
http://www.kanyewest.com/
Spätestens seit dem Jahr 2005 und der Veröffentlichung von „Late Registration“ kommen alle, die HipHop buchstabieren oder eifrig Fieberkurven untersuchen wollen, an diesem Mann nicht mehr vorbei. Und das nicht nur, weil Kanye West so smart wäre oder sich zum rechten Zeitpunkt in Szene zu setzen weiß, sondern weil er das geschafft hat, woran viele vor ihm kläglich scheiterten: die erfolgreiche Verbindung von Kunst und Kommerz, von Attitüde, Ambition und Stil, weil er dem Rap das Tanzen beigebracht hat wie kein zweiter und damit – so vermessen das klingen mag – ein ganzes Genre, je nach Sichtweise, vom Totenbett gezerrt, aus der Schmollecke gelockt oder vor der Rolle des gelittenen Unterschichtenkaspers bewahrt hat.
Dumm ist der Mann also nicht, er ist politisch, ohne dass seine Rhymes zur tumben Proklamation verkommen, er ist hart, ohne dass er wie ein aufgepumpter Testosterongockel umherstolzieren muß und das einzige Extrem, dem er sich verschrieben hat, ist das der unbedingten Tanzbodentauglichkeit. Das kann man mögen oder auch nicht, der Erfolg jedenfalls gibt ihm recht und die Anerkennung, die er dadurch erfährt gilt ihm als die einzig gültige Währung.
Mittlerweile ist er, der das Prinzip der Kollaboration, also der vertonten Gästeliste, zum Standard und gleichzeitig zur Perfektion erhoben hat, ja mehr Konzertmeister als Performer und nach der betonten Künstlichkeit von „808s & Heartbreaks“ gab es nicht wenige, die den Zenit der musikalischen Kanyeisierung schon überschritten sahen. Doch auch wenn Ziehsohn Kid Cudi mit dem famosen „Man On The Moon I/II“ spätestens in diesem Herbst aus dem Schatten des Meisters herausgewachsen scheint, wird aller Voraussicht nach das maßgebliche HipHop-Album des Jahres 2010 dennoch „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ heißen.
Zur Sache also – was zuerst auffällt: Den Vocoder hat Mr. West dankenswerterweise für die aktuelle Platte größtenteils ungenutzt im Schrank gelassen. Ansonsten dürfte es aufgrund der gewaltigen Anzahl von Gästen im Studio ungemütlich eng geworden sein – neben den üblichen Verdächtigen Kid Cudi, Reakwon, RZA, Jay-Z und John Legend sind diesmal auch M.I.A. und die U.S.-Folkies von Bon Iver mit dabei. Einen so mittelprächtigen Beginn wie bei „808s & Heartbreaks“ (Say You Will) hat uns der Meister diesmal erspart – „Dark Fantasy“ geht auf direktem Wege in Hirn und Beine und gibt mit dem gewohnten Wortwitz („Sex is on fire, I’m the King of Leon-a Lewis“) und reichlich betörendem Singalong den idealen Einstieg. Der Killertrack „Power“ dient Mr. West, der sich ja gern mit allem und jedem über Kreuz legt, als bissige Abrechnung mit schwarzem Rassismus und anhaltender Obamamania – „You short-minded n-ggas’ thoughts is Napoleon, my furs is mongolian, my ice brought the goalies in, now I embody every characteristic of the egotistic ... No one man should have all that power“. „All Of The Lights“ ist ein satter Synthiefeger, „Monster“ wiederum hat seinen Namen mit Recht und ist recht oldschool geraten.
Wenig später dann der erste Höhepunkt: „All Appalled“, ein Song, so verdammt eingängig, dass er schon unters Betäubungsmittelgesetz fallen müßte – West klärt einmal mehr seine Rolle im Business: „N-ggas be writin’ bullsh-t like they gotta work, N-ggas going through real sh-t, man they outta work, that’s why I never gawd damn dance track, gotta hurt, that’s why I rather spit something that gotta perch.“ Auch zum zweiten Peak, dem neunminütigen „Runaway“, muß eigentlich nicht viel gesagt werden – das Piano-Opening genial, die Gitarren schmirgeln am Trommelfell, ganz feine Sache, der Text (s)eine Ohrfeige für die weibliche Begleitung: „Every bag, every blouse, every bracelet comes with a price tag, baby, face it ... I'm just young, rich, but your tasteless.“ Ganz am Ende noch eine Art trotziger, dunkler Monolog (Who Will Survive In America), sehr optimistisch wirkt das alles nicht: „America is now blood and tears instead of milk and honey“, fast scheint es, als wolle Kanye West jetzt zum Prediger umschulen – das Album jedenfalls sollte seine Gefolgschaft ordentlich vermehren, ein großer Wurf.
Höchstpunktzahl bei pitchfork.com - eine Eloge.
http://www.kanyewest.com/
Mittwoch, 17. November 2010
Gehört_209
Home Video „The Automatic Process“ (Defend Music)
Sollte jemand mal eine gute Übersetzung für den Begriff „mellow“ brauchen, dann wäre mit der aktuellen Platte des Elektronikduos Home Video aus Brooklyn eigentlich alles Nötige zur Hand – der Sound, den Collin Ruffino und David Gross da auf ihrem Zweitwerk mit diversen Consolen, digitalen und analogen Sythesizern, live eingespieltem Schlagwerk „and a dusting of Chopin“ zusammenkochen ist schon sehr einschmeichelnd und wohlig warm geraten. Geschmackvolles, wenig sperriges Geplucker, das mal an Kraftwerk, mal an Postal Service oder auch Martin Gore erinnert – beim rührigen „Business Transaction“ mutiert Ruffino gar zu einer recht gelungenen Kopie von Thom Yorke. Manchmal wirkt das Ganze unfreiwillig sakral, manchmal auch etwas eintönig und der Wunsch, The Prodigy oder MSTRKRFT mögen den einen oder anderen Track mal durch den Fleischwolf drehen, wird drängender. Beim Titelsong „The Automatic Process“ bekommen sie das sogar selbst ganz gut hin, auch „No Relief“ gewinnt durch den strafferen Beat etwas an Schärfe. Ansonsten eher etwas für Freunde der Kopfhörerbeschallung oder anspruchsvoller Nachtfahrtuntermalung.
http://www.homevideo.fm/
Sollte jemand mal eine gute Übersetzung für den Begriff „mellow“ brauchen, dann wäre mit der aktuellen Platte des Elektronikduos Home Video aus Brooklyn eigentlich alles Nötige zur Hand – der Sound, den Collin Ruffino und David Gross da auf ihrem Zweitwerk mit diversen Consolen, digitalen und analogen Sythesizern, live eingespieltem Schlagwerk „and a dusting of Chopin“ zusammenkochen ist schon sehr einschmeichelnd und wohlig warm geraten. Geschmackvolles, wenig sperriges Geplucker, das mal an Kraftwerk, mal an Postal Service oder auch Martin Gore erinnert – beim rührigen „Business Transaction“ mutiert Ruffino gar zu einer recht gelungenen Kopie von Thom Yorke. Manchmal wirkt das Ganze unfreiwillig sakral, manchmal auch etwas eintönig und der Wunsch, The Prodigy oder MSTRKRFT mögen den einen oder anderen Track mal durch den Fleischwolf drehen, wird drängender. Beim Titelsong „The Automatic Process“ bekommen sie das sogar selbst ganz gut hin, auch „No Relief“ gewinnt durch den strafferen Beat etwas an Schärfe. Ansonsten eher etwas für Freunde der Kopfhörerbeschallung oder anspruchsvoller Nachtfahrtuntermalung.
http://www.homevideo.fm/
Freitag, 12. November 2010
Gehört_208
Stereolab “Not Music” (Pias)
Nachdem Laetitia Sadier vor einiger Zeit ja schon die Früchte ihrer Soloarbeit als eher zurückhaltendes, ruhiges und sehr privates Werk den Mitmenschen präsentierte, zieht nun das Kollektiv nach: Stereolab, seit 1990 nahezu ununterbrochen im Dienste des Postrock unterwegs, bringen dieser Tage mit “Not Music” trotz aller kolportierten Schaffenspausen und Kreativknicke ihr zwölftes Studioalbum unters neugierige Volk. Dabei ist der Titel des Werkes im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen erstaunlich knapp und geradezu schroff gehalten, hatte man sich doch in den vergangenen Jahren an solch liebenswerte Wortungetüme wie “Transient Random Noise Bursts With Announcements“ (93), „Music For The Amorphous Body Study Center“ (95), „Cobra and Phases Group Play Voltage in the Milky Night“ (99) oder wenigstens „Emperor Tomato Ketchup“ (96) gewöhnt – jetzt also reines Understatement.
Musikalisch hat sich, wen wunderts, zum Vorgänger „Chemical Chords“ nicht wirklich viel geändert, stammt doch ein Großteil der Titel im Rohzustand aus den Jahren 2007 und 2008 und somit aus dem gleichen Pool. Sadiers zweisprachiger, warmer Singsang, umrahmt von lebendiger und lässiger Tanzmusik, süße Melodien, viel Blech, teilweise sogar im Bigband-Format – über die ersten vier, fünf Titel (Everybody’s Wired ..., Supah Jaianto, So Is Cardboard Clouds, etc.) meint man, sich auf die aktuelle Belle & Sebastian verirrt zu haben, so schwungvoll und liedhaft wirkt das Ganze. Erst nach einem druckvollen, instrumentalen Intermezzo (Equivalences) schmeißt die Band beim zehnminütigen „Silver Hands“ das analoge Equipment erstmals aus dem Studio und macht den vollverkabelten Track so zur höchsteigenen „Autobahn“ – die deutschen Vorbilder winken mit dem kompletten Gartenzaun und Stereolab bringen ihre berühmt-berüchtigte und nach wie vor erstklassige Hypnose-Nummer zur Aufführung.
Die Fortsetzung der „One Finger Symphony“ von „Chemical Chords“, jetzt natürlich mit einem Finger mehr, ist weniger chansonhaft und weich gehalten, das Piano hämmert unnachgiebig ins Gehör. Die luftige Verspieltheit der ersten Songs ist ohnehin ein wenig verloren gegangen, auch das Folgende wirkt etwas unentschieden, zerfahren und deutlich experimentierfreudiger. Bei „Delugeoisie“ gibt’s gegen Ende reichlich Getrommel, wo „Sun Demon“ hektisch pluckert, schleppt sich „Aelita“ stellenweise etwas schwer über die Zeit.
Am Ende noch zwei aufgepimpte Nachzügler aus dem vorangegangenen Album – wirklich gebraucht hätte es die Remixe von „Molecular Pop“ und „Neon Beanbag“ allerdings nicht. Ein gutes, wenn auch streitbares Album also, gut, wo die Band den gewohnten Weg fortsetzt oder alte Stärken wiederaufleben läßt, streitbar da, wo die eigene Unsicherheit allzu deutlich zu spüren ist oder der Menge wegen aufgefüllt wird. Ein wenig frisches Material, meint man, könnte auf Dauer nicht schaden...
http://www.stereolab.co.uk/
Nachdem Laetitia Sadier vor einiger Zeit ja schon die Früchte ihrer Soloarbeit als eher zurückhaltendes, ruhiges und sehr privates Werk den Mitmenschen präsentierte, zieht nun das Kollektiv nach: Stereolab, seit 1990 nahezu ununterbrochen im Dienste des Postrock unterwegs, bringen dieser Tage mit “Not Music” trotz aller kolportierten Schaffenspausen und Kreativknicke ihr zwölftes Studioalbum unters neugierige Volk. Dabei ist der Titel des Werkes im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen erstaunlich knapp und geradezu schroff gehalten, hatte man sich doch in den vergangenen Jahren an solch liebenswerte Wortungetüme wie “Transient Random Noise Bursts With Announcements“ (93), „Music For The Amorphous Body Study Center“ (95), „Cobra and Phases Group Play Voltage in the Milky Night“ (99) oder wenigstens „Emperor Tomato Ketchup“ (96) gewöhnt – jetzt also reines Understatement.
Musikalisch hat sich, wen wunderts, zum Vorgänger „Chemical Chords“ nicht wirklich viel geändert, stammt doch ein Großteil der Titel im Rohzustand aus den Jahren 2007 und 2008 und somit aus dem gleichen Pool. Sadiers zweisprachiger, warmer Singsang, umrahmt von lebendiger und lässiger Tanzmusik, süße Melodien, viel Blech, teilweise sogar im Bigband-Format – über die ersten vier, fünf Titel (Everybody’s Wired ..., Supah Jaianto, So Is Cardboard Clouds, etc.) meint man, sich auf die aktuelle Belle & Sebastian verirrt zu haben, so schwungvoll und liedhaft wirkt das Ganze. Erst nach einem druckvollen, instrumentalen Intermezzo (Equivalences) schmeißt die Band beim zehnminütigen „Silver Hands“ das analoge Equipment erstmals aus dem Studio und macht den vollverkabelten Track so zur höchsteigenen „Autobahn“ – die deutschen Vorbilder winken mit dem kompletten Gartenzaun und Stereolab bringen ihre berühmt-berüchtigte und nach wie vor erstklassige Hypnose-Nummer zur Aufführung.
Die Fortsetzung der „One Finger Symphony“ von „Chemical Chords“, jetzt natürlich mit einem Finger mehr, ist weniger chansonhaft und weich gehalten, das Piano hämmert unnachgiebig ins Gehör. Die luftige Verspieltheit der ersten Songs ist ohnehin ein wenig verloren gegangen, auch das Folgende wirkt etwas unentschieden, zerfahren und deutlich experimentierfreudiger. Bei „Delugeoisie“ gibt’s gegen Ende reichlich Getrommel, wo „Sun Demon“ hektisch pluckert, schleppt sich „Aelita“ stellenweise etwas schwer über die Zeit.
Am Ende noch zwei aufgepimpte Nachzügler aus dem vorangegangenen Album – wirklich gebraucht hätte es die Remixe von „Molecular Pop“ und „Neon Beanbag“ allerdings nicht. Ein gutes, wenn auch streitbares Album also, gut, wo die Band den gewohnten Weg fortsetzt oder alte Stärken wiederaufleben läßt, streitbar da, wo die eigene Unsicherheit allzu deutlich zu spüren ist oder der Menge wegen aufgefüllt wird. Ein wenig frisches Material, meint man, könnte auf Dauer nicht schaden...
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Donnerstag, 11. November 2010
Angespielt_8
Die einen habens schier nicht mehr aushalten können vor lauter zappeliger Vorfreude, andere schenken einem lauwarmen Pups mehr Aufmerksamkeit: Liam Gallagher und der fürchterliche Rest haben nun endlich ihre neue Single ausgepackt, nicht als Oasis 2.0, sondern unter dem Namen "Knopfauge" (gut, klingt im Original etwas packender: Beady Eye). Der Song selbst, nun ja, wer's bös meint, schreibt Beatles 2.0 drunter oder "Last Exit Coverband", wohlwollendere Meinungen gern als Kommentar ...
Download: http://www.beadyeyemusic.co.uk/
Download: http://www.beadyeyemusic.co.uk/
Gehört_207
Twin Shadow „Forget“ (4AD)
Seit über einem Jahr wird nun unter dem ohnehin schon recht müde gerittenem Slogan „Die 80er sind tot. Es leben die 80er!“ ein Nutzvieh nach dem anderen durch’s Popdorf getrieben. Und auch wenn es absehbar war, so ist es doch recht lustig zu beobachten, dass The XX – letztjährige Kritikerlieblinge und selbst referenzgeplagte Kinder der besagten Epoche (Young Marble Giants, etc.) – nun selbst schon als Vorbilder herhalten müssen.
So gerade geschehen bei George Lewis jr. aka Twin Shadow, eine Art elektronisches Einmannorchester aus Brooklyn. Wie bei The XX aus London ist auch bei ihm die Retrokeule schnell bei der Hand und natürlich kann man, wenn man sich lang genug vor die Boxen hockt, einen ganzen Sack voll an Verweisen auf den Zettel notieren. Lewis hat damit nach eigener Auskunft kein größeres Problem, die kreative Nutzung der 60jährigen Popgeschichte in all ihren Facetten sieht er geradezu als das Gebot der Stunde und als reine Blaupause mag man „Forget“ auch keinesfalls bewerten.
Zudem hinkt der Vergleich mit The XX beträchtlich, denn obschon seine Texte ziemlich schattig gehalten sind, offenbart die Musik dazu ein Mehr an offensivem Schwung, Eleganz und aufgehellter Grundstimmung. Wenn sich der Beginn mit „Tyrant Destroyed“ noch vorsichtig und bedrohlich pochend anschleicht, so geht’s danach schon deutlich beschwingter und entspannter zur Sache. Für „I Can’t Wait“ hat Lewis eine schöne Cyndie-Lauper-Gedächtnisgitarre im Gepäck, für das schöne „Shooting Holes In The Moon“ beleiht er nicht zum letzten Mal die smarten ABC, Spandau Ballet und natürlich Bryan Ferry, bei „At My Heels“ croont er gar zu schrägen Riffs.
Wenn als schon der anfängliche Verweis auf das Londoner Trio nicht stimmig ist, so kann sich mancher vielleicht mit Hot Chip als naheliegendere Entsprechung anfreunden, auch diese haben ja durchaus Parallelen zu Howard Jones, Heaven 17 oder Human League im Programm. Bei „Tether Beat“ und „Castles In The Snow“ knippst Lewis das Licht noch mal kurz aus, düsterer Beat Marke Fever Ray, Midas Touch für Tiefkühlfreunde: „Your my favorite daydream, I’m your famous nightmare, ... everything I touch grows cold.“ Den Mercury Prize hat der Mann mit der Platte zwar noch nicht gewonnen, die Rettung des Herbstes für Teilzeit-Melancholiker dürfte ihm mit „Forget“ jedoch schon mal gelungen sein. Ach, und zum Thema Cover: Brauche mer ned drübber redde ...
http://twinshadow.net/
Seit über einem Jahr wird nun unter dem ohnehin schon recht müde gerittenem Slogan „Die 80er sind tot. Es leben die 80er!“ ein Nutzvieh nach dem anderen durch’s Popdorf getrieben. Und auch wenn es absehbar war, so ist es doch recht lustig zu beobachten, dass The XX – letztjährige Kritikerlieblinge und selbst referenzgeplagte Kinder der besagten Epoche (Young Marble Giants, etc.) – nun selbst schon als Vorbilder herhalten müssen.
So gerade geschehen bei George Lewis jr. aka Twin Shadow, eine Art elektronisches Einmannorchester aus Brooklyn. Wie bei The XX aus London ist auch bei ihm die Retrokeule schnell bei der Hand und natürlich kann man, wenn man sich lang genug vor die Boxen hockt, einen ganzen Sack voll an Verweisen auf den Zettel notieren. Lewis hat damit nach eigener Auskunft kein größeres Problem, die kreative Nutzung der 60jährigen Popgeschichte in all ihren Facetten sieht er geradezu als das Gebot der Stunde und als reine Blaupause mag man „Forget“ auch keinesfalls bewerten.
Zudem hinkt der Vergleich mit The XX beträchtlich, denn obschon seine Texte ziemlich schattig gehalten sind, offenbart die Musik dazu ein Mehr an offensivem Schwung, Eleganz und aufgehellter Grundstimmung. Wenn sich der Beginn mit „Tyrant Destroyed“ noch vorsichtig und bedrohlich pochend anschleicht, so geht’s danach schon deutlich beschwingter und entspannter zur Sache. Für „I Can’t Wait“ hat Lewis eine schöne Cyndie-Lauper-Gedächtnisgitarre im Gepäck, für das schöne „Shooting Holes In The Moon“ beleiht er nicht zum letzten Mal die smarten ABC, Spandau Ballet und natürlich Bryan Ferry, bei „At My Heels“ croont er gar zu schrägen Riffs.
Wenn als schon der anfängliche Verweis auf das Londoner Trio nicht stimmig ist, so kann sich mancher vielleicht mit Hot Chip als naheliegendere Entsprechung anfreunden, auch diese haben ja durchaus Parallelen zu Howard Jones, Heaven 17 oder Human League im Programm. Bei „Tether Beat“ und „Castles In The Snow“ knippst Lewis das Licht noch mal kurz aus, düsterer Beat Marke Fever Ray, Midas Touch für Tiefkühlfreunde: „Your my favorite daydream, I’m your famous nightmare, ... everything I touch grows cold.“ Den Mercury Prize hat der Mann mit der Platte zwar noch nicht gewonnen, die Rettung des Herbstes für Teilzeit-Melancholiker dürfte ihm mit „Forget“ jedoch schon mal gelungen sein. Ach, und zum Thema Cover: Brauche mer ned drübber redde ...
http://twinshadow.net/
Mittwoch, 10. November 2010
Gefunden_81
Wir haben es ja schon immer gewußt, nun ist es amtlich: Die coolsten Jungs unter Gottes heißer Sonne sind derzeit Hot Chip. Nicht nur dass sie mit "I Feel Better" einen der smartesten Dancetracks des Jahres verfrickelt haben und ein wunderschönes Gänsehautfilmchen inkl. Boyband dazu, nun haben sie die Nummer noch einmal ins Bild gesetzt, und zwar zusammen mit dem Großmeister der Coolness, Bonnie "Prince" Billy - also ein "I Feel Bonnie". Wenn die nicht wissen, wie man sich entspannt ...
Gehört_206
iLiKETRAiNS „He Who Saw The Deep“ (iLiketrains)
Von all den sorgsam gestylten Interpol-Lookalikes, die im Soge des Erfolgs der New Yorker Band das Halbdunkel der Öffentlichkeit erblickten, war das Quartett aus Leeds neben den Editors und den schnell wieder verglühten I Love You But I’ve Chosen Darkness vielleicht das düsterste Exemplar. Markenzeichen: schwarzer Zwirn unter vollen Bärten, zuweilen wirkten die vier wie übernächtigte Matrosen eines Totenschiffs auf Landgang, die Furcht vorm Klabautermann im unsteten Blick.
Ihre Songs, wie der von Interpol, baßgetrieben, aber halbsoschnell und doppeltsoschwer und ohne jeden bewußten Bezug zum Tanzboden. Die drei beispielhaften Singles „A Rook House For Bobby“, „Terra Nova“ und das fast zehnminütige, tieftraurige Puppentrauerspiel „Spencer Perceval“ hatten allein mehr Schwermut an Bord als alle vier Interpol-Alben zusammen und waren schon deshalb nur für hartgesottene Fans wirklich gut verdaulich.
Übermütige Lebenslust mag man auch auf ihrem neuen, regulär zweiten Studioalbum nicht entdecken, wenngleich die Songs doch etwas varinatenreicher, kraftvoller und kompakter wirken als noch auf dem Debüt „Elegies To Lessons Learnt“. Schon „When We Were Kings“ eröffnet mit vergleichsweise munteren Drumparts und Akkorden, auch „A Father’s Son“ geht diesen Weg forsch mit. Nur Dave Martins wenig wandlungsfähiger Gesang möchte hier und auch in Folge nicht so Recht mit in diese Höhen und bildet so den steten Kontrast zu den etwas heller und freundlicher gestrichenen Gitarrenwänden.
Im wuchtigen „Progress Is A Snake“ sind dann in nautisch-melancholische Lyrik sogar etwas Wut und Sarkasmus verpackt: „And if we all pray hard enough and keep our noses clean maybe we‘ll be saved, the wind blows from the east, we’ll sail this ship into the setting sun.“, auch „These Feet Of Clay“ kommt recht kraftvoll und entschlossen daher.
Doch gerade wenn man meint, frühere Ressentiments in hohem Bogen über die Reeling werfen zu können, holt einen das verzweifelte, zähe „Sea Of Regrets“ in Überlänge wieder auf die Planken der Tatsachen zurück. Denn auch wenn das letzte Drittel der Platte wahrscheinlich die Fraktion der verdutzten Traditionalisten mit dem ungewohnten Beginn versöhnen wird, so ist doch leider „ohrenfällig“, dass iLiKETRAiNS am Ende Kraft und Mut verlassen haben und Stücke wie „Broken Bones“, „A Divorce Before Marriage“ und „Doves“ zwar herzerwärmend trostlos, aber auch seltsam energiearm klingen. Sei’s drum, für diese Jahreszeit und alles was noch kommt an elender Wetterlage ist dies wahrscheinlich gar keine so schlechte Mischung.
http://www.iliketrains.co.uk/
Von all den sorgsam gestylten Interpol-Lookalikes, die im Soge des Erfolgs der New Yorker Band das Halbdunkel der Öffentlichkeit erblickten, war das Quartett aus Leeds neben den Editors und den schnell wieder verglühten I Love You But I’ve Chosen Darkness vielleicht das düsterste Exemplar. Markenzeichen: schwarzer Zwirn unter vollen Bärten, zuweilen wirkten die vier wie übernächtigte Matrosen eines Totenschiffs auf Landgang, die Furcht vorm Klabautermann im unsteten Blick.
Ihre Songs, wie der von Interpol, baßgetrieben, aber halbsoschnell und doppeltsoschwer und ohne jeden bewußten Bezug zum Tanzboden. Die drei beispielhaften Singles „A Rook House For Bobby“, „Terra Nova“ und das fast zehnminütige, tieftraurige Puppentrauerspiel „Spencer Perceval“ hatten allein mehr Schwermut an Bord als alle vier Interpol-Alben zusammen und waren schon deshalb nur für hartgesottene Fans wirklich gut verdaulich.
Übermütige Lebenslust mag man auch auf ihrem neuen, regulär zweiten Studioalbum nicht entdecken, wenngleich die Songs doch etwas varinatenreicher, kraftvoller und kompakter wirken als noch auf dem Debüt „Elegies To Lessons Learnt“. Schon „When We Were Kings“ eröffnet mit vergleichsweise munteren Drumparts und Akkorden, auch „A Father’s Son“ geht diesen Weg forsch mit. Nur Dave Martins wenig wandlungsfähiger Gesang möchte hier und auch in Folge nicht so Recht mit in diese Höhen und bildet so den steten Kontrast zu den etwas heller und freundlicher gestrichenen Gitarrenwänden.
Im wuchtigen „Progress Is A Snake“ sind dann in nautisch-melancholische Lyrik sogar etwas Wut und Sarkasmus verpackt: „And if we all pray hard enough and keep our noses clean maybe we‘ll be saved, the wind blows from the east, we’ll sail this ship into the setting sun.“, auch „These Feet Of Clay“ kommt recht kraftvoll und entschlossen daher.
Doch gerade wenn man meint, frühere Ressentiments in hohem Bogen über die Reeling werfen zu können, holt einen das verzweifelte, zähe „Sea Of Regrets“ in Überlänge wieder auf die Planken der Tatsachen zurück. Denn auch wenn das letzte Drittel der Platte wahrscheinlich die Fraktion der verdutzten Traditionalisten mit dem ungewohnten Beginn versöhnen wird, so ist doch leider „ohrenfällig“, dass iLiKETRAiNS am Ende Kraft und Mut verlassen haben und Stücke wie „Broken Bones“, „A Divorce Before Marriage“ und „Doves“ zwar herzerwärmend trostlos, aber auch seltsam energiearm klingen. Sei’s drum, für diese Jahreszeit und alles was noch kommt an elender Wetterlage ist dies wahrscheinlich gar keine so schlechte Mischung.
http://www.iliketrains.co.uk/
Dienstag, 9. November 2010
Unkaputtbar
Jetzt, da absehbar scheint, dass in diesem Jahr mit einem vergleichsweise aufsehenerregenden Debüt aus der Sparte Indie/Alternative nicht mehr zu rechnen ist, kann man getrost noch einmal ein paar andächtige Worte über das Album verlieren, welches im letzten Jahr die herrschenden Wertmaßstäbe kräftig durcheinanderwirbeln konnte, welches wie kein zweites gnadenlos zu polarisieren wußte (von „sensationell wie ‚Nevermind‘“ bis „unglaublich fader Retroaufguß“) und alle bis dato erstellten Lieblingslisten in einem Rutsch pulverisierte: The XX aus London mit „XX“.
Nach Auskunft der verbliebenen drei Bandmitglieder im NME ist ja mit einem Nachfolger für den fulminanten Erstling so bald nicht zu rechnen, was bei der übermächtigen Erwartungshaltung, die sich nach Erscheinen der Platte zwangsläufig eingestellt hat, nicht ganz unverständlich ist. Gleichwohl ist die Sehnsucht nach eben dieser Fortsetzung offenkundig sehr groß – beim akribischen Stöbern im weiten Feld der Blogosphäre kommt man unweigerlich zu dem Schluß, dass wohl keine Band und kein Album neueren Datums die Bastelkeller eifriger Remixer so häufig von innen gesehen hat wie The XX. Und so kommt es, dass man sich mit der nötigen Ausdauer durchaus eine Art respektabler Sonderedition von „XX“, also gleichsam ein „XX²“ zusammenklöppeln kann, welches den Vergleich mit dem Original interessanterweise nicht scheuen braucht.
Denn dies ist die zweite Erkenntnis des Selfmadepuzzles: Wer auch immer sich an den Tracks dieses Albums versucht hat, es ist nichts wirklich Schlechtes dabei herausgekommen, soll heißen, die Qualität der einzelnen Songs ist ganz offensichtlich so grundlegend gut, dass sie als unkaputtbar gelten können.
Nachfolgend also nun das sehr subjektive Ergebnis der erwähnten Perlentaucherei, das beim besten Willen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben will, auch deshalb, weil täglich neue Versionen der Stücke im Netz auftauchen und so in Summe nur schwer zu fassen sind. Aus Gründen des Selbstschutzes gibt es hier auch keinen unmittelbaren Download, sondern nur den Einzelverweis auf mehr oder minder bekannte Bloggs. Ein wenig Mühe also muß man schon investieren, ein Aufwand aber, der sich garantiert lohnt:
Nach Auskunft der verbliebenen drei Bandmitglieder im NME ist ja mit einem Nachfolger für den fulminanten Erstling so bald nicht zu rechnen, was bei der übermächtigen Erwartungshaltung, die sich nach Erscheinen der Platte zwangsläufig eingestellt hat, nicht ganz unverständlich ist. Gleichwohl ist die Sehnsucht nach eben dieser Fortsetzung offenkundig sehr groß – beim akribischen Stöbern im weiten Feld der Blogosphäre kommt man unweigerlich zu dem Schluß, dass wohl keine Band und kein Album neueren Datums die Bastelkeller eifriger Remixer so häufig von innen gesehen hat wie The XX. Und so kommt es, dass man sich mit der nötigen Ausdauer durchaus eine Art respektabler Sonderedition von „XX“, also gleichsam ein „XX²“ zusammenklöppeln kann, welches den Vergleich mit dem Original interessanterweise nicht scheuen braucht.
Denn dies ist die zweite Erkenntnis des Selfmadepuzzles: Wer auch immer sich an den Tracks dieses Albums versucht hat, es ist nichts wirklich Schlechtes dabei herausgekommen, soll heißen, die Qualität der einzelnen Songs ist ganz offensichtlich so grundlegend gut, dass sie als unkaputtbar gelten können.
Nachfolgend also nun das sehr subjektive Ergebnis der erwähnten Perlentaucherei, das beim besten Willen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben will, auch deshalb, weil täglich neue Versionen der Stücke im Netz auftauchen und so in Summe nur schwer zu fassen sind. Aus Gründen des Selbstschutzes gibt es hier auch keinen unmittelbaren Download, sondern nur den Einzelverweis auf mehr oder minder bekannte Bloggs. Ein wenig Mühe also muß man schon investieren, ein Aufwand aber, der sich garantiert lohnt:
The XX "XX²"
Intro [Rework by Forest Cry]
VCR [Four Tet Remix . Matthew Dear Remix]
Crystalised [Dark Sky Remix . Keljet Remix]
Islands [Delorean Remix . André Pipipi Baile Funk Remix]
Heart Skipped A Beat [Diwon Remix]
Fantasy [Don't Wait Animate Remix]
Basic Space [Mount Kimbie Remix . Pariah Remix]
Infinity [Bachelors Of Science Remix . Christian TV Bootleg Remix]
Stars [Dave Wrangler Remix . LAZRtag Remix]
Samstag, 6. November 2010
Mitfeiern für lau ...
... darf man beim 20jährigen Jubiläum des verdienstvollen Labels Cityslang. Selbiges bietet zu den anstehenden Feierlichkeiten ein durchaus geschmackvoll kompiliertes Album mit zehn Titel zum Download via Amazon an, mit dabei u.a. Get Well Soon, Junip, Calexico, Notwist und Lambchop. Und das Ganze für nix. Der Grafiker hat selbiges wohl auch für sein Coverartwork bekommen. Trotzdem: Glückwunsch auch.
DFW_US: 288 ff.
Erkenntnisgewinn in einer Entzugsklinik:
"Sie werden entdecken, dass ...
"Sie werden entdecken, dass ...
... Sie, wenn Ihnen Ihre Lieblingsdroge genommen worden ist, damit Sie am Leben bleiben, und Sie sich für die vorgeschriebenen Morgen- und Abendgebete hinhocken, irgendwann plötzlich darum flehen, buchstäblich den Verstand verlieren zu dürfen, in der Lage zu sein, ihn in eine alte Zeitung oder so einzuwickeln und in einer Seitengasse liegen zu lassen, damit er von nun an allein und ohne Sie klarkommt.
... Schlafen eine Form emotionaler Flucht sein und, energisch genug betrieben, missbraucht werden kann.
... Sie einen Menschen nicht mögen müssen, um von ihm/ihr etwas zu lernen.
... langweilige Aktivitäten perverserweise nicht so langweilig sind, wenn man sich intensiv auf sie konzentriert.
... die Sorge, was die anderen wohl von einem denken, verfliegt, wenn man merkt, wie selten sie an einen denken.
... die Menschen, vor denen man am meisten Angst haben muß, die Menschen sind, die am meisten Angst haben.
... gewissen aufrichtig devote und spirituell fortgeschrittene Leute glauben, Gott, wie sie ihn verstehen, helfe ihnen, Parkplätze zu finden.
... "Hinnehmen" meistens vor allem eine Frage der Müdigkeit ist.
... für Gott die Frage, ob Sie daran glauben, dass es Ihn/Sie/Es gibt oder nicht, auf der Liste der Dinge, die Ihn/Sie/Es an Ihnen interessieren, ziemlich weit unten steht."
Freitag, 5. November 2010
Gehört_205
Asa "Beautiful Imperfection" (Naive)
Da kann man dem französischen Independentlabel Naive wirklich nur gratulieren, dass sie pünktlich zum Weihnachtsgeschäft einen so klaren Treffer landen konnten, ein Album also, dass sich eigentlich wie geschnitten Brot verkaufen sollte, gerade auch in Anbetracht der unweigerlich zum nahenden Freudenfest anrollenden Welle aus luxuriösen, aber unnützen Reissues, einfallslos zusammengestöpselten Best-Of-Sammlungen und noch öderem Christmas-Klingeling-Mr.-oder-Mrs.-Irgendwer-singt-Beschauliches-am-Kamin-Gedöns. Und man muß diesen Glückwunsch nicht einmal relativieren oder auch ironisch verpacken, denn "Beautiful Imperfection", das zweite Album der anmutigen Franko-Nigerianerin Asa, ist ein wirklich uneingeschränkt gutes geworden.
Sicher, da wird die Headline "Die schwarze Amy Winehouse?" nicht lange auf sich warten lassen, an weißen Schwestern, mit denen man sie vergleichen könnte, herrscht nun wirklich kein Mangel, auch der Name Cassandra Wilson wird unweigerlich fallen, auch wenn der wahrscheinlich zu hoch greift. Die Art jedenfalls, wie Achtundzwanzigjährige scheinbar mühelos und überaus versiert eine hinreißende Mixtur aus Soul, Funk, Motown, 60s, Ska, Reggae und Pop präsentiert ist schon mehr als eine hochgezogene Augenbraue wert. Wem Janelle Monaes "The Archandroid" zu ungestüm, zu unentschieden und hektisch war, der wird sich mit "Beautiful Imperfection" versöhnen lassen: "Why Can't We", "Maybe" und "Be My Man" - gleich die drei ersten Stücke allesamt das, was man liebevoll "toe-tapper" nennt, wer da in seinem Sessel kleben bleibt, dem ist in der Tat nicht mehr zu helfen.
Nach dem eher gefühligen "Preacher Man" dann ein fröhlich hüpfendes "Bimpé", das zum ersten Mal auch ein Stück weit ihre ferne Herkunft erahnen läßt, zur Mitte hin leider etwas untergebuttert von einem etwas deplatzierten Schweinerockriff. Das jazzige "The Way I Feel" ist einfach bezaubernd - sparsame und klug gesetzte Bläsersätze auf langsamem Beat. Jedem Song scheint ihr warmes und variantenreiches Timbre eine unverwechselbar eingängige Note zu geben - man hört nichts wirklich Revolutinäres, nichts überraschend Neues und ist doch angetan von der Selbstverständlichkeit, mit der hier nahe an der - ja, Perfektion musiziert wird.
Manchem mag das langweilig erscheinen, weil das Repertoire ein bekanntes ist und wirkliche Herausforderungen nicht auszumachen sind. Wenn es aber um Soul, Flow oder Catchiness geht, hat diese Frau in jedem Falle die Nase vorn und ist trotzdem meilenweit entfernt von der zuweilen einlullenden Eintönigkeit einer Tracy Chapman. Das gelingt mit langsamen Balladen wie "Dreamer Girl" oder "Baby Gone" ebenso eindrucksvoll wie mit den im heimatlichen Idiom gesungenen Stücken "Oré" oder dem lebhaften "Broda Olé".
Ein Blick auf den Waschzettel zum Album offenbart ein denkbar einfaches Anliegen: "I wanted to create something that would help people come out of sad moods and feel uplifted." Irgendwie vorweihnachtlich, was soll man sagen - mission accomplished.
Da kann man dem französischen Independentlabel Naive wirklich nur gratulieren, dass sie pünktlich zum Weihnachtsgeschäft einen so klaren Treffer landen konnten, ein Album also, dass sich eigentlich wie geschnitten Brot verkaufen sollte, gerade auch in Anbetracht der unweigerlich zum nahenden Freudenfest anrollenden Welle aus luxuriösen, aber unnützen Reissues, einfallslos zusammengestöpselten Best-Of-Sammlungen und noch öderem Christmas-Klingeling-Mr.-oder-Mrs.-Irgendwer-singt-Beschauliches-am-Kamin-Gedöns. Und man muß diesen Glückwunsch nicht einmal relativieren oder auch ironisch verpacken, denn "Beautiful Imperfection", das zweite Album der anmutigen Franko-Nigerianerin Asa, ist ein wirklich uneingeschränkt gutes geworden.
Sicher, da wird die Headline "Die schwarze Amy Winehouse?" nicht lange auf sich warten lassen, an weißen Schwestern, mit denen man sie vergleichen könnte, herrscht nun wirklich kein Mangel, auch der Name Cassandra Wilson wird unweigerlich fallen, auch wenn der wahrscheinlich zu hoch greift. Die Art jedenfalls, wie Achtundzwanzigjährige scheinbar mühelos und überaus versiert eine hinreißende Mixtur aus Soul, Funk, Motown, 60s, Ska, Reggae und Pop präsentiert ist schon mehr als eine hochgezogene Augenbraue wert. Wem Janelle Monaes "The Archandroid" zu ungestüm, zu unentschieden und hektisch war, der wird sich mit "Beautiful Imperfection" versöhnen lassen: "Why Can't We", "Maybe" und "Be My Man" - gleich die drei ersten Stücke allesamt das, was man liebevoll "toe-tapper" nennt, wer da in seinem Sessel kleben bleibt, dem ist in der Tat nicht mehr zu helfen.
Nach dem eher gefühligen "Preacher Man" dann ein fröhlich hüpfendes "Bimpé", das zum ersten Mal auch ein Stück weit ihre ferne Herkunft erahnen läßt, zur Mitte hin leider etwas untergebuttert von einem etwas deplatzierten Schweinerockriff. Das jazzige "The Way I Feel" ist einfach bezaubernd - sparsame und klug gesetzte Bläsersätze auf langsamem Beat. Jedem Song scheint ihr warmes und variantenreiches Timbre eine unverwechselbar eingängige Note zu geben - man hört nichts wirklich Revolutinäres, nichts überraschend Neues und ist doch angetan von der Selbstverständlichkeit, mit der hier nahe an der - ja, Perfektion musiziert wird.
Manchem mag das langweilig erscheinen, weil das Repertoire ein bekanntes ist und wirkliche Herausforderungen nicht auszumachen sind. Wenn es aber um Soul, Flow oder Catchiness geht, hat diese Frau in jedem Falle die Nase vorn und ist trotzdem meilenweit entfernt von der zuweilen einlullenden Eintönigkeit einer Tracy Chapman. Das gelingt mit langsamen Balladen wie "Dreamer Girl" oder "Baby Gone" ebenso eindrucksvoll wie mit den im heimatlichen Idiom gesungenen Stücken "Oré" oder dem lebhaften "Broda Olé".
Ein Blick auf den Waschzettel zum Album offenbart ein denkbar einfaches Anliegen: "I wanted to create something that would help people come out of sad moods and feel uplifted." Irgendwie vorweihnachtlich, was soll man sagen - mission accomplished.
Sonntag, 31. Oktober 2010
Gehört_204
Christiane Rösinger „Songs Of L. And Hate“ (Staatsakt)
Sieht fast so aus, als würden zwei der anregendsten Platten deutscher Sprache in diesem Jahr aus der Hauptstadt kommen – und damit sind ganz sicher nicht die Helden gemeint, deren neuestes Werk sich eher zwischen „naja“ und „passt schon“ niederließ. Gerade erst das aktuelle Album von Mutter gelobt, da kommt auch Christiane Rösinger, früher hauptamtlich bei den Lassie Singers, heute bei Britta am Mikrofon, mit einer Soloplatte daher, die einen staunen und innehalten läßt.
Irgendwie müssen die Gemeinsamkeiten bei Geburt und Herkunft der beiden Wahlberliner – sowohl Max Müller als auch Christiane Rösinger sind Anfang der sechziger Jahre in der deutschen Provinz aufgewachsen, Müller im niedersächsischen Wolfsburg, Rösinger im schwäbischen Rastatt – irgendwie müssen diese Verbindungen zu einer Art seelischem Gleichklang geführt haben. So jedenfalls ließe sich erklären, dass sowohl „Trinken Singen Schiessen“ von Müllers Mutter als auch „Songs Of L. And Hate“ von Rösinger auf eine frappierend ähnliche Weise ein stetes Unwohlsein, einen greifbaren Unfrieden und eine fast schon deprimierende Sicht der Dinge in ihren Liedern illustrieren, dass es beide zudem bewußt vermeiden, dem Hörer Trost schenken zu wollen und falsche Hoffnungen zu wecken.
Wo Mutter dies mit roher, dunkler Wucht gelingt, beschränkt sich Christiane Rösinger auf eine kammermusikalische Variante, stellt neben ihre größtenteils freudlosen und überaus gescheiten Worte wenig mehr als ein schlichtes Piano, eine akkustische Gitarre und ein zurückhaltendes Schlagwerk auf die spärlich beleuchtete Bühne – ganz die klassische, selbstbewußte Liedermacherin, ganz ohne jeden überflüssigen Tand.
Wenn das erste Lied „Ich muß immer an dich denken“ mit seiner schrulligen, unentschiedenen Sehnsucht noch vergleichweise versöhnlichen Charakter trägt, sind die Nachfolger „Es geht sich nicht aus“ und „Desillusion“ schon von deutlich pessimistischerer Grundstimmung – „Du hast dir deinen Reim und dein Bild gemacht, dann kommt die Wirklichkeit und sagt: Falsch gedacht!“ – da schwingt schon ein gehöriges Stück Altersweisheit und Ernüchterung mit. Das fabelhafte „Berlin“ gibt den grantigeren Nachfolger zum „Hamburg“-Lied der Lassie Singers, war ersteres noch eine betont liebevolle, so ist letzteres eher eine recht zweifelhafte Liebeserklärung. „Wenn die Ökoeltern sich zum Brunchen treffen, und die Arschlochkinder durch die Cafés kläffen, wenn der Service hinkt und’s nach Babykotze stinkt, ja dann sind wir wieder in Berlin“ – das hätte Judith Holofernes, die hochgejazzte Königin der hauptstädtischen Alternativbiotope, sicher etwas anders zu Papier gebracht – grandios!
„Verloren“ wiederum gibt ein erschreckend vollständiges Nachschlagewerk für all jene, die schon mal versucht haben, positive, verheißungsvolle Worte mit den Vorsilben „ver“ oder auch „un“ zu finden, auch „Sinnlos“ macht seinem Titel alle Ehre – „Es ist ja alles so sinnlos, das hält ja gar kein Mensch mehr aus, da muß man sich doch einfach hinlegen, oder man steht erst gar nicht auf.“ Kämen danach nicht mit „Hauptsache raus!“ und dem berückenden Jackson-Brown-Cover „These Days“ zwei melancholische und vergleichsweise fröhliche Stücke, man hätte fast einen Notruf setzen wollen. So verklingt diese wundervolle Platte mit einer Mischung aus buchstäblicher Enttäuschung und störrisch beharrlichem Selbstbehauptungswillen und der anrührende Heine-Spruch aus dem Booklet läßt einen versonnen nicken: „Als ich euch meine Schmerzen geklagt, da habt ihr gegähnt und nichts gesagt, doch als ich sie zierlich in Verse gebracht, da habt ihr mir große Elogen gemacht.“ Haben wir, keine Frage.
http://www.christiane-roesinger.de/
Sieht fast so aus, als würden zwei der anregendsten Platten deutscher Sprache in diesem Jahr aus der Hauptstadt kommen – und damit sind ganz sicher nicht die Helden gemeint, deren neuestes Werk sich eher zwischen „naja“ und „passt schon“ niederließ. Gerade erst das aktuelle Album von Mutter gelobt, da kommt auch Christiane Rösinger, früher hauptamtlich bei den Lassie Singers, heute bei Britta am Mikrofon, mit einer Soloplatte daher, die einen staunen und innehalten läßt.
Irgendwie müssen die Gemeinsamkeiten bei Geburt und Herkunft der beiden Wahlberliner – sowohl Max Müller als auch Christiane Rösinger sind Anfang der sechziger Jahre in der deutschen Provinz aufgewachsen, Müller im niedersächsischen Wolfsburg, Rösinger im schwäbischen Rastatt – irgendwie müssen diese Verbindungen zu einer Art seelischem Gleichklang geführt haben. So jedenfalls ließe sich erklären, dass sowohl „Trinken Singen Schiessen“ von Müllers Mutter als auch „Songs Of L. And Hate“ von Rösinger auf eine frappierend ähnliche Weise ein stetes Unwohlsein, einen greifbaren Unfrieden und eine fast schon deprimierende Sicht der Dinge in ihren Liedern illustrieren, dass es beide zudem bewußt vermeiden, dem Hörer Trost schenken zu wollen und falsche Hoffnungen zu wecken.
Wo Mutter dies mit roher, dunkler Wucht gelingt, beschränkt sich Christiane Rösinger auf eine kammermusikalische Variante, stellt neben ihre größtenteils freudlosen und überaus gescheiten Worte wenig mehr als ein schlichtes Piano, eine akkustische Gitarre und ein zurückhaltendes Schlagwerk auf die spärlich beleuchtete Bühne – ganz die klassische, selbstbewußte Liedermacherin, ganz ohne jeden überflüssigen Tand.
Wenn das erste Lied „Ich muß immer an dich denken“ mit seiner schrulligen, unentschiedenen Sehnsucht noch vergleichweise versöhnlichen Charakter trägt, sind die Nachfolger „Es geht sich nicht aus“ und „Desillusion“ schon von deutlich pessimistischerer Grundstimmung – „Du hast dir deinen Reim und dein Bild gemacht, dann kommt die Wirklichkeit und sagt: Falsch gedacht!“ – da schwingt schon ein gehöriges Stück Altersweisheit und Ernüchterung mit. Das fabelhafte „Berlin“ gibt den grantigeren Nachfolger zum „Hamburg“-Lied der Lassie Singers, war ersteres noch eine betont liebevolle, so ist letzteres eher eine recht zweifelhafte Liebeserklärung. „Wenn die Ökoeltern sich zum Brunchen treffen, und die Arschlochkinder durch die Cafés kläffen, wenn der Service hinkt und’s nach Babykotze stinkt, ja dann sind wir wieder in Berlin“ – das hätte Judith Holofernes, die hochgejazzte Königin der hauptstädtischen Alternativbiotope, sicher etwas anders zu Papier gebracht – grandios!
„Verloren“ wiederum gibt ein erschreckend vollständiges Nachschlagewerk für all jene, die schon mal versucht haben, positive, verheißungsvolle Worte mit den Vorsilben „ver“ oder auch „un“ zu finden, auch „Sinnlos“ macht seinem Titel alle Ehre – „Es ist ja alles so sinnlos, das hält ja gar kein Mensch mehr aus, da muß man sich doch einfach hinlegen, oder man steht erst gar nicht auf.“ Kämen danach nicht mit „Hauptsache raus!“ und dem berückenden Jackson-Brown-Cover „These Days“ zwei melancholische und vergleichsweise fröhliche Stücke, man hätte fast einen Notruf setzen wollen. So verklingt diese wundervolle Platte mit einer Mischung aus buchstäblicher Enttäuschung und störrisch beharrlichem Selbstbehauptungswillen und der anrührende Heine-Spruch aus dem Booklet läßt einen versonnen nicken: „Als ich euch meine Schmerzen geklagt, da habt ihr gegähnt und nichts gesagt, doch als ich sie zierlich in Verse gebracht, da habt ihr mir große Elogen gemacht.“ Haben wir, keine Frage.
http://www.christiane-roesinger.de/
Dienstag, 26. Oktober 2010
Gehört_203
Small Black “New Chain” (Jagjaguwar)
Gern möchte man wissen, nach welchem System die eifrigen A&R-Berater jungen aufstrebenden Indiehoffnungen Maßgebliches wie Bandnamen und Covergestaltung zum Debüt antragen, um den Neulingen die besten Käuferschichten zu sichern. Ein “Black” im Namen sollte in diesen Überlegungen schon mal als gesetzt gelten, das kann nie schaden und gilt bei einschlägig sozialisierten Zielgruppen schon mal gern als erster Widerhaken. Wenn man, wie die neueste Entdeckung aus Brooklyn, dazu noch hauptsächlich auf Elektronik setzt, kann ein behutsamer Hinweis auf die Altväter der Szene so falsch nicht sein –manches Kind der 80er wird beim Blick auf die Plattenhülle natürlich sofort an Depeche Mode’s Klassiker “Master And Servant” denken müssen, auch da zierten mächtige, stilisierte Kettenglieder die Verpackung.
Sei’s drum, die vier Jungens aus New York haben mit dem eher schwerblütigen und monochromen Synthiepop aus dem England vor der Jahrtausendwende sonst recht wenig am Hut. Und wenn schon eine Referenz, dann vielleicht New Order zu Zeiten ihres sträflich unterschätzten “Low-Life”-Albums aus dem Jahre 1985. Small Black klingen experimenteller und verspielter als viele der ihnen angedichteten Vorbilder, Synthieflächen mäandern wie beim symptomatischen Opener “Camouflage” als Hintergrund zu leicht vernebelter, hallender Stimme durchs Bild. Aus dem Hause Jagjaguwar ist man mit Black Mountain und den Pink Mountaintops harte Psychedelia durchaus gewohnt, Small Black ergänzen das Labelprofil nun noch um eine Art von schwelgerischem LoFi-Sound. Stücke wie das überdreht pulsierende “Photojournalist” oder das dunkel schimmernde “Light Curse” taumeln leicht angetrunken durchs Licht der guten alten Lavelampe, ohne auf skelettierende Drumparts zu verzichten. Ein richtiges Singleformat sucht man auf “New Chain” allerdings vergebens, einzig “Crisp 100s” wirkt etwas straighter und kantenärmer, eingängiger.
Kein Vergleich also mit dem kalkulierten Epigonentum der Starschnittboys von Hurts, auch die sympatischeren The Drums tanzen mit ihrem juwenil perlenden Dancepop auf einer anderen Hochzeit – Small Black kommen, um im Bilde zu bleiben, höchstens später zum Fest und nehmen sich den Teil der Nacht, der seit jeher der interessantere ist, vor dem all die Kleiderständer und Suppenkasper schon immer kapituliert haben.
http://www.myspace.com/smallblacksounds
Montag, 25. Oktober 2010
Gehört_202
Mutter „Trinken Singen Schiessen“ (Die eigene Gesellschaft)
[Sie machen es einem nicht einfach. Für jemanden, der es gewohnt ist, komplette Alben in nullkommanix aus dem Netz zu laden, der zumindest annimmt, dass der digital nicht verfügbare Tonträger wenigstens bequem aus dem Sortiment der großen Onlinehändler zu beziehen ist, ist das schon eine Umstellung. Um das aktuelle Album der Berliner Band Mutter, dessen Manufaktur unter anderem über eine Art persönlicher Schuldverschreibung finanziert wurde, schließlich in Händen halten zu können, muß man schon den klassischen Mailorderweg gehen: Katalog anschauen, auswählen, überweisen, Postweg – warten. Für den eingefleischten Fan sicher keine große Sache, für den verwöhnten Quereinsteiger gewöhnungsbedürftig. Nebensache.]
Sie machen es einem nicht einfach. Für jemanden, der sich das Falsche und Verfahrene unserer Gesellschaft in den letzten Jahren von Tocotronic, Blumfeld, Element Of Crime, Knyphausen oder van Dannen ausleuchten ließ, sind die Songs von Mutter entschieden schwerer zu verdauen. Natürlich gab es früher die Fehlfarben, gab es Ton Steine Scherben, aber das war früher – andere Zeiten, lange her. Aber nach ein paar Takten „Trinken Singen Schiessen“ wird einem gewärtig, dass die Zeiten doch eigentlich nicht wirklich besser geworden sind, dass es noch und immer wieder eine Menge Dinge zu benennen gilt, die mehr als übel laufen und dass man nur ab und an vergißt, einen längeren Gedanken daran zu verschwenden.
Mutter tun das. Und sie singen davon und es klingt, trotz der bleischweren Akkorde und der pechschwarzen Verse wirklich gut. Es klingt richtig, nicht abgeschmackt, es tut zuweilen weh (und soll es wohl auch), es will keine falsche Hoffnung wecken, den Schmerz nicht lindern und ist doch eben deshalb klar und wahrhaftig. Hier wird nicht ständig die Metapher bemüht, wenn Unangenehmes droht, lieber eine Gerade vor den Kopf oder tief in die Magengrube, lieber ausgekotzt als Falsches hinuntergeschluckt. „Leben heißt das Loch das mich als Durchfall hat“, es gab weiß Gott schon herzlichere Begrüßungen – nicht so bei Mutter. Die Liebe in „Eins“ ist ein Schreien, ein Explodieren und hat so gar nichts romantisches, wärmendes mehr. „Die Alten hassen die Jungen“ muß nicht viel erklären, der Lauf der Zeit als kompromissloses Gegeneinander „… bis die Jungen die Alten sind.“
Jeder Song hat solche kleinen bösen Sätze parat: „Bin ich der Einzige, der so denkt wie ich?“ (Wohlstandspsychatrie), „völlige Talentfreiheit verstärkt den Ehrgeiz, die Energie mitzuhalten, present zu sein …“ (Mach doch einfach), „Das Geschrei nach der absoluten Sicherheit, dem ganz privaten Schutz, ist es das, was wir für Freiheit halten?“ – man hat den Eindruck, hier wird noch gekämpft und gerungen, mit sich, mit dem und denen da draußen, jedes Mal auf’s Neue. Keine Illusionen, Geschenke werden nicht erwartet, Mitleid ist das Äußerste: „Denn diese Welt ist nicht gerecht zu dir und sie sagt nicht dankeschön, denn diese Welt ist nicht gerecht zu dir und sie nimmt dich nicht in ihren Arm“ (Diese Welt). Eine gewisse Genugtuung wenigstens zum Schluß, Bestätigung und Mut für den Kleinkrieg, den unabänderlichen, den alltäglichen: „Und selbst ist man der Idiot, der das ewig lang erträgt, Idioten zu erklären, dass sie welche sind, kann man nicht und tut es doch – weil sie welche sind (Tag der Idioten). So gibt’s auch für das Unabänderliche einen Trost, irgendwie …
http://www.myspace.com/muttermusik
[Sie machen es einem nicht einfach. Für jemanden, der es gewohnt ist, komplette Alben in nullkommanix aus dem Netz zu laden, der zumindest annimmt, dass der digital nicht verfügbare Tonträger wenigstens bequem aus dem Sortiment der großen Onlinehändler zu beziehen ist, ist das schon eine Umstellung. Um das aktuelle Album der Berliner Band Mutter, dessen Manufaktur unter anderem über eine Art persönlicher Schuldverschreibung finanziert wurde, schließlich in Händen halten zu können, muß man schon den klassischen Mailorderweg gehen: Katalog anschauen, auswählen, überweisen, Postweg – warten. Für den eingefleischten Fan sicher keine große Sache, für den verwöhnten Quereinsteiger gewöhnungsbedürftig. Nebensache.]
Sie machen es einem nicht einfach. Für jemanden, der sich das Falsche und Verfahrene unserer Gesellschaft in den letzten Jahren von Tocotronic, Blumfeld, Element Of Crime, Knyphausen oder van Dannen ausleuchten ließ, sind die Songs von Mutter entschieden schwerer zu verdauen. Natürlich gab es früher die Fehlfarben, gab es Ton Steine Scherben, aber das war früher – andere Zeiten, lange her. Aber nach ein paar Takten „Trinken Singen Schiessen“ wird einem gewärtig, dass die Zeiten doch eigentlich nicht wirklich besser geworden sind, dass es noch und immer wieder eine Menge Dinge zu benennen gilt, die mehr als übel laufen und dass man nur ab und an vergißt, einen längeren Gedanken daran zu verschwenden.
Mutter tun das. Und sie singen davon und es klingt, trotz der bleischweren Akkorde und der pechschwarzen Verse wirklich gut. Es klingt richtig, nicht abgeschmackt, es tut zuweilen weh (und soll es wohl auch), es will keine falsche Hoffnung wecken, den Schmerz nicht lindern und ist doch eben deshalb klar und wahrhaftig. Hier wird nicht ständig die Metapher bemüht, wenn Unangenehmes droht, lieber eine Gerade vor den Kopf oder tief in die Magengrube, lieber ausgekotzt als Falsches hinuntergeschluckt. „Leben heißt das Loch das mich als Durchfall hat“, es gab weiß Gott schon herzlichere Begrüßungen – nicht so bei Mutter. Die Liebe in „Eins“ ist ein Schreien, ein Explodieren und hat so gar nichts romantisches, wärmendes mehr. „Die Alten hassen die Jungen“ muß nicht viel erklären, der Lauf der Zeit als kompromissloses Gegeneinander „… bis die Jungen die Alten sind.“
Jeder Song hat solche kleinen bösen Sätze parat: „Bin ich der Einzige, der so denkt wie ich?“ (Wohlstandspsychatrie), „völlige Talentfreiheit verstärkt den Ehrgeiz, die Energie mitzuhalten, present zu sein …“ (Mach doch einfach), „Das Geschrei nach der absoluten Sicherheit, dem ganz privaten Schutz, ist es das, was wir für Freiheit halten?“ – man hat den Eindruck, hier wird noch gekämpft und gerungen, mit sich, mit dem und denen da draußen, jedes Mal auf’s Neue. Keine Illusionen, Geschenke werden nicht erwartet, Mitleid ist das Äußerste: „Denn diese Welt ist nicht gerecht zu dir und sie sagt nicht dankeschön, denn diese Welt ist nicht gerecht zu dir und sie nimmt dich nicht in ihren Arm“ (Diese Welt). Eine gewisse Genugtuung wenigstens zum Schluß, Bestätigung und Mut für den Kleinkrieg, den unabänderlichen, den alltäglichen: „Und selbst ist man der Idiot, der das ewig lang erträgt, Idioten zu erklären, dass sie welche sind, kann man nicht und tut es doch – weil sie welche sind (Tag der Idioten). So gibt’s auch für das Unabänderliche einen Trost, irgendwie …
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