Christiane Rösinger „Songs Of L. And Hate“ (Staatsakt)
Sieht fast so aus, als würden zwei der anregendsten Platten deutscher Sprache in diesem Jahr aus der Hauptstadt kommen – und damit sind ganz sicher nicht die Helden gemeint, deren neuestes Werk sich eher zwischen „naja“ und „passt schon“ niederließ. Gerade erst das aktuelle Album von Mutter gelobt, da kommt auch Christiane Rösinger, früher hauptamtlich bei den Lassie Singers, heute bei Britta am Mikrofon, mit einer Soloplatte daher, die einen staunen und innehalten läßt.
Irgendwie müssen die Gemeinsamkeiten bei Geburt und Herkunft der beiden Wahlberliner – sowohl Max Müller als auch Christiane Rösinger sind Anfang der sechziger Jahre in der deutschen Provinz aufgewachsen, Müller im niedersächsischen Wolfsburg, Rösinger im schwäbischen Rastatt – irgendwie müssen diese Verbindungen zu einer Art seelischem Gleichklang geführt haben. So jedenfalls ließe sich erklären, dass sowohl „Trinken Singen Schiessen“ von Müllers Mutter als auch „Songs Of L. And Hate“ von Rösinger auf eine frappierend ähnliche Weise ein stetes Unwohlsein, einen greifbaren Unfrieden und eine fast schon deprimierende Sicht der Dinge in ihren Liedern illustrieren, dass es beide zudem bewußt vermeiden, dem Hörer Trost schenken zu wollen und falsche Hoffnungen zu wecken.
Wo Mutter dies mit roher, dunkler Wucht gelingt, beschränkt sich Christiane Rösinger auf eine kammermusikalische Variante, stellt neben ihre größtenteils freudlosen und überaus gescheiten Worte wenig mehr als ein schlichtes Piano, eine akkustische Gitarre und ein zurückhaltendes Schlagwerk auf die spärlich beleuchtete Bühne – ganz die klassische, selbstbewußte Liedermacherin, ganz ohne jeden überflüssigen Tand.
Wenn das erste Lied „Ich muß immer an dich denken“ mit seiner schrulligen, unentschiedenen Sehnsucht noch vergleichweise versöhnlichen Charakter trägt, sind die Nachfolger „Es geht sich nicht aus“ und „Desillusion“ schon von deutlich pessimistischerer Grundstimmung – „Du hast dir deinen Reim und dein Bild gemacht, dann kommt die Wirklichkeit und sagt: Falsch gedacht!“ – da schwingt schon ein gehöriges Stück Altersweisheit und Ernüchterung mit. Das fabelhafte „Berlin“ gibt den grantigeren Nachfolger zum „Hamburg“-Lied der Lassie Singers, war ersteres noch eine betont liebevolle, so ist letzteres eher eine recht zweifelhafte Liebeserklärung. „Wenn die Ökoeltern sich zum Brunchen treffen, und die Arschlochkinder durch die Cafés kläffen, wenn der Service hinkt und’s nach Babykotze stinkt, ja dann sind wir wieder in Berlin“ – das hätte Judith Holofernes, die hochgejazzte Königin der hauptstädtischen Alternativbiotope, sicher etwas anders zu Papier gebracht – grandios!
„Verloren“ wiederum gibt ein erschreckend vollständiges Nachschlagewerk für all jene, die schon mal versucht haben, positive, verheißungsvolle Worte mit den Vorsilben „ver“ oder auch „un“ zu finden, auch „Sinnlos“ macht seinem Titel alle Ehre – „Es ist ja alles so sinnlos, das hält ja gar kein Mensch mehr aus, da muß man sich doch einfach hinlegen, oder man steht erst gar nicht auf.“ Kämen danach nicht mit „Hauptsache raus!“ und dem berückenden Jackson-Brown-Cover „These Days“ zwei melancholische und vergleichsweise fröhliche Stücke, man hätte fast einen Notruf setzen wollen. So verklingt diese wundervolle Platte mit einer Mischung aus buchstäblicher Enttäuschung und störrisch beharrlichem Selbstbehauptungswillen und der anrührende Heine-Spruch aus dem Booklet läßt einen versonnen nicken: „Als ich euch meine Schmerzen geklagt, da habt ihr gegähnt und nichts gesagt, doch als ich sie zierlich in Verse gebracht, da habt ihr mir große Elogen gemacht.“ Haben wir, keine Frage.
http://www.christiane-roesinger.de/
Sieht fast so aus, als würden zwei der anregendsten Platten deutscher Sprache in diesem Jahr aus der Hauptstadt kommen – und damit sind ganz sicher nicht die Helden gemeint, deren neuestes Werk sich eher zwischen „naja“ und „passt schon“ niederließ. Gerade erst das aktuelle Album von Mutter gelobt, da kommt auch Christiane Rösinger, früher hauptamtlich bei den Lassie Singers, heute bei Britta am Mikrofon, mit einer Soloplatte daher, die einen staunen und innehalten läßt.
Irgendwie müssen die Gemeinsamkeiten bei Geburt und Herkunft der beiden Wahlberliner – sowohl Max Müller als auch Christiane Rösinger sind Anfang der sechziger Jahre in der deutschen Provinz aufgewachsen, Müller im niedersächsischen Wolfsburg, Rösinger im schwäbischen Rastatt – irgendwie müssen diese Verbindungen zu einer Art seelischem Gleichklang geführt haben. So jedenfalls ließe sich erklären, dass sowohl „Trinken Singen Schiessen“ von Müllers Mutter als auch „Songs Of L. And Hate“ von Rösinger auf eine frappierend ähnliche Weise ein stetes Unwohlsein, einen greifbaren Unfrieden und eine fast schon deprimierende Sicht der Dinge in ihren Liedern illustrieren, dass es beide zudem bewußt vermeiden, dem Hörer Trost schenken zu wollen und falsche Hoffnungen zu wecken.
Wo Mutter dies mit roher, dunkler Wucht gelingt, beschränkt sich Christiane Rösinger auf eine kammermusikalische Variante, stellt neben ihre größtenteils freudlosen und überaus gescheiten Worte wenig mehr als ein schlichtes Piano, eine akkustische Gitarre und ein zurückhaltendes Schlagwerk auf die spärlich beleuchtete Bühne – ganz die klassische, selbstbewußte Liedermacherin, ganz ohne jeden überflüssigen Tand.
Wenn das erste Lied „Ich muß immer an dich denken“ mit seiner schrulligen, unentschiedenen Sehnsucht noch vergleichweise versöhnlichen Charakter trägt, sind die Nachfolger „Es geht sich nicht aus“ und „Desillusion“ schon von deutlich pessimistischerer Grundstimmung – „Du hast dir deinen Reim und dein Bild gemacht, dann kommt die Wirklichkeit und sagt: Falsch gedacht!“ – da schwingt schon ein gehöriges Stück Altersweisheit und Ernüchterung mit. Das fabelhafte „Berlin“ gibt den grantigeren Nachfolger zum „Hamburg“-Lied der Lassie Singers, war ersteres noch eine betont liebevolle, so ist letzteres eher eine recht zweifelhafte Liebeserklärung. „Wenn die Ökoeltern sich zum Brunchen treffen, und die Arschlochkinder durch die Cafés kläffen, wenn der Service hinkt und’s nach Babykotze stinkt, ja dann sind wir wieder in Berlin“ – das hätte Judith Holofernes, die hochgejazzte Königin der hauptstädtischen Alternativbiotope, sicher etwas anders zu Papier gebracht – grandios!
„Verloren“ wiederum gibt ein erschreckend vollständiges Nachschlagewerk für all jene, die schon mal versucht haben, positive, verheißungsvolle Worte mit den Vorsilben „ver“ oder auch „un“ zu finden, auch „Sinnlos“ macht seinem Titel alle Ehre – „Es ist ja alles so sinnlos, das hält ja gar kein Mensch mehr aus, da muß man sich doch einfach hinlegen, oder man steht erst gar nicht auf.“ Kämen danach nicht mit „Hauptsache raus!“ und dem berückenden Jackson-Brown-Cover „These Days“ zwei melancholische und vergleichsweise fröhliche Stücke, man hätte fast einen Notruf setzen wollen. So verklingt diese wundervolle Platte mit einer Mischung aus buchstäblicher Enttäuschung und störrisch beharrlichem Selbstbehauptungswillen und der anrührende Heine-Spruch aus dem Booklet läßt einen versonnen nicken: „Als ich euch meine Schmerzen geklagt, da habt ihr gegähnt und nichts gesagt, doch als ich sie zierlich in Verse gebracht, da habt ihr mir große Elogen gemacht.“ Haben wir, keine Frage.
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