Mittwoch, 28. April 2010

Gehört_133



LCD Soundsystem „This Is Happening“ (DFA)
James Murphy ist ein lustiger Kerl. Erst kürzlich konnte man in der SPEX, dem Besserwisser- und Auskennerblatt Nummer eins, Murphys Ansichten über die Figuren der Sesamstraße, insbesondere seinen Favoriten Kermit und dessen spezielle Charakterzüge lesen. Kermit nämlich habe die seltene Gabe, sich bei Peinlichkeiten unangenehm berührt zu fühlen und dies mit seinem unnachahmlichen Knautschblick zum Ausdruck zu bringen. Peinlichkeit, so Murphy weiter, sei eine große Triebfeder menschlicher Entwicklung und werde generell sehr stark unterschätzt. Soso. An dem neuen Album von LCD Soundsystem jedenfalls ist so überhaupt nichts peinlich, es ist sogar – sorry, möchte man fast sagen – mutmaßlich schon jetzt eines des besten dieses Jahres. Nur wenigen seiner Kollegen – er ist ja eher Projektmanager denn Bandleader – gelingt es mit so unverschämter Lockerheit, zwischen endlos gelooptem Dancetrack und klassischer Songstruktur hin- und herzuschalten und das nun schon mit dem dritten Album in Serie. Auch „This Is Happening“ weiß in jeder Hinsicht und jeder Minute zu überraschen: Der Opener „Dance Yrself Clean“ beginnt noch leise und fast schüchtern, nur um dann zur Mitte hin urplötzlich mit vier Schlägen gleichsam zu explodieren und dem Hörer damit klar zu machen, dass lauwarmer Kuschelpop hier nicht zu haben ist. Das folgende „Drunk Girls“ ist dann einer von diesen grandios hingerotzten Songs, die Murphy anscheinend immer aus der Tasche zaubern kann, die auch ahnen lassen, warum dieser Mann soviel Spaß daran hatte, eine Punkband wie Six Finger Satellite zu produzieren. Eben dieser Song ist im Übrigen auch ein Grund, warum LCD Soundsystem sich mit Coverversionen von Joy Division nie zum Affen gemacht haben, weil sie anders als mancher Grabschläfer wissen, dass JD zu einem nicht unerheblichen Teil auch eine fabelhafte Tanzband waren. Weiter mit „One Touch“ – ein Synthesizer stöhnt sich in höhere Lagen, Sprechgesang und treibender Retrobeat, perfekt. „All I Want“ eröffnet mit zuckersüßer New-Order-Hookline, bevor Murphy das Ganze mit herrlich umeinandertorkelnden Dissonanzschleifen verziert und so die allzu verführerische Harmonie gleich selbst wieder bricht. Und so geht es klug dahin, über das gesungene Understatement von „You Wanted A Hit“ mit Joachim-Witt-Gedächtniseinstieg – „...we are not dangerous...“ (und ob!) und „...you wanted a hit but that’s not what we do...“ (was denn sonst?), zum lässigen und zugleich vertrackten „Pow Wow“, das wiederum verteufelt an den ollen Diskokram von Hot Chocolate erinnert – der Mann kennt keine Schmerzen. Wie auch immer – diese Platte ist nicht nur niemals peinlich, sie wird auch zu keinem Zeitpunkt langweilig, macht Spaß, hat Witz und James Murphy ist spätestens jetzt eine, meine Lieblingsband.
http://www.lcdsoundsystem.com/thisishappening/

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