Dienstag, 13. September 2016

Von Wegen Lisbeth: Guter Pop ist kein Verbrechen

Foto: Lukas Vogt
Gar nicht so einfach, Matthias Rohde dieser Tage ans Telefon zu bekommen – Kunststück, hat doch des Sängers Band Von wegen Lisbeth in diesem Sommer mit „Grande“ ein Album der Extraklasse abgeliefert, vollgestopft mit so verteufelt eingängigen wie angenehm sarkastischen Stücken, die nicht nur unterhalten, sondern auch zum Denken anregen dürfen. Man sollte also meinen, die Jungs hätten sich alle schon Zweitnamen zulegen müssen auf der Flucht vor gierigen Geheimdiensten, schließlich ist die Formel für den perfekten Pop, noch dazu den äußerst seltenen in der Gattung „deutschsprachig“, mehr als begehrt. Also kurz vor Beginn der großen Tour, die am Freitag in Rostock startet und zur Hälfte schon ausverkauft ist, schnell mal nachgefragt, wie das denn so geht.

Pop in Perfektion und auch noch mit deutschen Texten, plant man sowas oder kommt das einfach?
Schön erst mal, daß du das so empfindest, und nein, wir haben einfach das gemacht, was wir immer schon gefeiert haben und was wir gutfinden und daß dabei eine ziemlich poppige Platte rauskommt, war uns schon klar und auch in Ordnung so. Leider hat Popmusik in Deutschland ja einen ziemlich schlechten Ruf, weil es nicht viel davon gibt und jeder gleich ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn es gut klingt – ich höre selbst auch sehr gern Pop und habe da kein Problem mit.

Grande ist ja beim besten Willen kein Agitpop – Songs wie „Meine Kneipe“ oder „Der Untergang des Abendlandes“ möchte man aber schon mal dezent politisch nennen. Wie schwer ist das, hier die Balance zu finden? Gibt es für Euch Grenzen?
Das ist schwer zu sagen, weil so viele Faktoren mit hineinspielen. Eine bewußte Entscheidung ist es zunächst einmal nicht, wenn es politisch wird, dann sind das eher Alltagsbeschreibungen, wo man sich den Teil denken kann, um den es uns geht – bis vielleicht auf „Der Untergang des Abendlandes“, da hatten wir einfach mal Bock, etwas dazu zu sagen. Generell finde ich es schade, dass so wenige Bands politisch sind, weil sich das ja eigentlich nicht ausschließt. Manche haben wohl einfach Angst davor, gewisse Fangruppen zu verprellen – wenn uns Leute nicht mehr hören, weil wir ein Lied gegen Pegida gemacht geben, dann ist mir das eigentlich nur recht.



Bei „Meine Kneipe“ im Speziellen geht’s ja auch darum, dass gewisse Ansichten, Meinungen, Anschauungen in die Privatsphäre schwappen, habt Ihr selbst solche Erfahrungen schon gemacht?
Im Freundeskreis direkt jetzt nicht, aber wenn man bei Facebook auf alte Schulfreunde trifft und die posten plötzlich flüchtlingsfeindliche Artikel, da denkt man natürlich schon: 'Was ist denn mit dir los, mit dir hab ich zusammen Abitur gemacht?!' Jeder hat jetzt plötzlich eine Meinung und traut sich auch, die auszusprechen.

Was vor Euch liegt, ist leicht zu erraten: Nach Circus Halli Galli kommen nun die großen Hallen, vielleicht die großen Verträge – alles ‘grande‘ also. Toll so oder gibt’s da auch Sachen, die Angst machen, oder vor denen man zumindest Respekt hat?
Zunächst einmal ist das natürlich meganice, was da seit Januar alles passiert ist, dass so viele Leute zu unseren Konzerten kommen, mitsingen, das war vorher nie so krass der Fall. Und das ist gerade einfach nur extrem feierlich. Klar haben wir da jetzt auch Respekt vor, aber vor allem freuen wir uns darauf, eine geile Tour zu spielen, Schattenseiten haben wir da überhaupt noch nicht kennengelernt.

Selbst schon den verführerischen Ruf „Komm mal rüber bitte!“ vernommen und ablehnen müssen?
Ja schon, aber das bekommen wir gemeinsam ganz gut hin, daß wir nur die Sachen machen, auf die wir wirklich Bock haben.



Eure Videos, das fällt schon auf, sind allesamt kleine Kunstwerke – wie findet Ihr Eure Ideen und wer ist der Verspielteste von Euch?
Da ist Doz, unser Gitarrist, derjenige, der da ganz besonders hinterher ist, er hat von Anfang an viele Ideen gehabt und hängt sich immer mächtig ins Zeug, solche Sachen wie „Bitch“ zum Beispiel macht er sehr gut und sehr liebevoll.

Es gibt hörbare Anklänge bei Element of Crime, wo und wie ordnet Ihr Euch selbst ein, welche Vorbilder könnte man benennen?
Wir hören selbst sehr, sehr unterschiedliche Sachen, da ist von Punk bis Hip Hop wirklich alles dabei. Ich selbst mußte früher, also als Kind, immer ganz viel Berliner Rundfunk 91,4 hören, und das hat mich vielleicht mehr geprägt als spätere Sachen, diese ganzen 60er, 70er und 80er Sachen.

Sind die Texte eigentlich eher da oder ist es die Musik?
Also maximal ein Satz am Anfang, weil Musik irgendwie viel leichter zu machen ist als ein Text, den mache ich dann zum Schluß auf den Song drauf.

Interessanterweise kann man sich eure Text auch gut als gerappt vorstellen, sie sind sehr tricky konstruiert und würden dort wohl auch funktionieren - …
Das stimmt, ich höre momentan zwar ganz wenig Musik, aber wenn, dann eher Hip Hop und Rap, insofern kann das schon stimmen.

„Bärwaldpark“, „Becks Ice“, wieviel Berlin steckt in Von Wegen Lisbeth?
Es ist natürlich schon so, daß man in Berlin sehr viele Möglichkeiten hat, als Band zu spielen und in vielen Clubs auftreten kann, wären wir aber beispielsweise in Braunschweig, würden wir wohl von dortigen Sachen singen. Aber klar, es steckt schon viel Berlin drin, so wie wir es halt mitbekommen und reflektieren.

Die kompletten Tourdaten finden sich auf der Website der Band, das Album "Grande" ist im Juli bei Columbia/Sony erschienen.

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