Kein Tag ohne einen neuen Track von Brockhampton, der vielköpfigen Hip-Hop-Kollektiv aus Los Angeles. Und weil wir hier bisher noch keinen einzigen gelistet hatten, müssen wir gleich mal alle bisherigen auf einmal raushauen. Die Truppe von Kevin Abstract hat ja im vergangenen Jahr mit ihrem Album "Ginger" noch jede Party zum Kochen gebracht, es gab jede Menge guter und leider auch ein paar schlechte Schlagzeilen, nun aber steht offenbar bald eine neue Platte ins Haus. Welcher der folgenden Songs dann noch darauf Platz finden wird, wissen wir nicht, gut bis ausgezeichnet sind sie jedenfalls allesamt. Hier also kommen via Technical Difficulties Radio nun bunt durcheinander "N.S.T.", "Things Can't Stay The Same", "I.F.L" sowie "Downside Feat. Ryan Beatty", "Baby Bull", "M.O.B." und "Twisted Feat. Ryan Beatty And Christian Alexander". So, jetzt aber mal los!
Update: Die Liste wird länger - hier kommen "Fishbone" und "Chain On/Hold Me Feat. JPEGMAFIA"
Sonntag, 31. Mai 2020
Gewalt: Grenzen sprengen
Da muss man gar nicht groß drumherum reden, beim Wort Jazz stellen sich vielen von uns die Haare zu Berge und nicht wenige suchen panisch die Programmwahl-Taste - kompliziert, verkopft, amelodisch, anstrengend, ermüdend, es lassen sich in kürzester Zeit tatsächlich jede Menge Vorurteile aufzählen, warum wir uns damit nicht befassen wollen. Hier allerdings lohnt es sich, kurz mal innezuhalten. Denn im kleinen, niederrheinischen Städtchen Moers wird seit dem Beginn der 70er ein höchst honorables Jazz-Festival veranstaltet, das bewusst die Grenzen des Genres auszuweiten und auch zu überschreiten versucht. Dummerweise macht das blöde Virus auch vor dem Ruhrgebiet nicht halt und so ist in diesem Jahr das komplette Festival erstmals als viertägiger Stream fast ohne Publikum zu sehen. Einige Künstler*innen konnten aus naheliegenden Gründen nicht anreisen, John Zorn beispielsweise hat abgesagt, die amerikanische Noise-Kapelle Lightning Bolt ebenso. Dennoch, das Programm ist noch immer beachtlich, was nicht nur, aber auch am wunderbaren Chilly Gonzales liegt und vor allem am Auftritt der Berliner Band Gewalt. Die nämlich haben gestern Abend eine ca. halbstündiges Set gespielt mitsamt alten ("Limiter"), aktuellen ("Deutsch") und ganz neuen, bislang unveröffentlichten Songs ("Puppe", "Snooze"), im nachfolgenden Mitschnitt ab 06:33:00 zu finden.
Jan Delay vs. Bilderbuch: Heimreimarbeit
Das Ding mit Trettmann ist ja schon 'ne Weile her und man hatte sich schon gefragt, ob's das jetzt schon wieder war mit olle Jan Delay und seiner Disko No.1 Diskotheque. Nun aber überraschen uns er und seine Posse mit einer sehr feinen Version des Bilderbuch-Hits "Maschin", aufgenommen im Homeoffice und in mühevoller Kleinarbeit zusammengeschraubt. Kann man herzeigen, macht Laune.
Freitag, 29. Mai 2020
Nation Of Language: Erst der Anfang
Nation Of Language
„Introduction, Presence“
(Self Release)
Natürlich muss man mit Etiketten vorsichtig sein, zu schnell landen Künstler/Bands so in Schubladen, aus denen sie so schnell nicht mehr herausfinden. Dass sich die New Yorker Band Nation Of Language ihre Referenzen in den 80ern gesucht hat, werden Sänger Ian Devaney, Aidan Noelle an den Keyboards und Bassist Michael Sui-Poi allerdings schwerlich bestreiten können, zu auffällig sind die Parallelen zu einem Sound, dem man damals die Aufschrift New Romantic verpasste. Was ursprünglich ja gar keine Musik-, sondern eher eine Modebewegung war, unter der sich dann aber Formationen wie Duran Duran, Spandau Ballet oder Visage zusammenfanden. Hinzu kommt die Vorliebe der drei für den Wave-Pop von OMD, New Order oder A Flock Of Seagulls und Devaneys markanter Gesang, der nicht selten an den von Roxy-Music-Legende Bryan Ferry erinnert. Das zusammen gibt den zugegebenermaßen ziemlich bezaubernden Stilmix des Trios, den sie seit Gründung im Jahr 2014 auf einer Vielzahl verschiedener Singles veröffentlicht und nun endlich auf ihrem Debüt gebündelt haben.
Dabei variieren sie durchaus, was Stimmung, Instrumentierung und Klangfarbe angeht – „Indignities“ beispielsweise kommt uns vergleichsweise dunkel, Gitarre, Bass und Schlagzeug gemahnen hier an Joy Division, wohingegen „Friend Machine“ sich eher an der etwas besser gelaunten Folgeformation orientiert. Das Zusammengehen von zauberhaften Synth-Melodien, der weichen Stimme Devaneys und maßvollen, soften Drums macht den Reiz der Stücke aus, die sich zwischen Hitsingles wie „Tournament“ und „The Wall And I“ auf dem Album tummeln. Diesem Reiz ist im Übrigen auch ein recht prominenter Zeitgenosse erlegen – Fabrizio Moretti, Drummer bei The Strokes, hat nicht nur die bekannten Bandfotos geschossen, sondern auch auf zwei Tracks des Albums selbst mitgespielt. Das Artwork der Band hat im Übrigen nicht Peter Saville zu verantworten, sondern Devaneys früherer Bandkollege Spencer Kimmins, mit dem er, damals noch in New Jersey, bei einer Kapelle namens The Static Jacks spielte. Damit und dort hatte alles angefangen, es dürfte noch lange nicht vorbei sein.
„Introduction, Presence“
(Self Release)
Natürlich muss man mit Etiketten vorsichtig sein, zu schnell landen Künstler/Bands so in Schubladen, aus denen sie so schnell nicht mehr herausfinden. Dass sich die New Yorker Band Nation Of Language ihre Referenzen in den 80ern gesucht hat, werden Sänger Ian Devaney, Aidan Noelle an den Keyboards und Bassist Michael Sui-Poi allerdings schwerlich bestreiten können, zu auffällig sind die Parallelen zu einem Sound, dem man damals die Aufschrift New Romantic verpasste. Was ursprünglich ja gar keine Musik-, sondern eher eine Modebewegung war, unter der sich dann aber Formationen wie Duran Duran, Spandau Ballet oder Visage zusammenfanden. Hinzu kommt die Vorliebe der drei für den Wave-Pop von OMD, New Order oder A Flock Of Seagulls und Devaneys markanter Gesang, der nicht selten an den von Roxy-Music-Legende Bryan Ferry erinnert. Das zusammen gibt den zugegebenermaßen ziemlich bezaubernden Stilmix des Trios, den sie seit Gründung im Jahr 2014 auf einer Vielzahl verschiedener Singles veröffentlicht und nun endlich auf ihrem Debüt gebündelt haben.
Dabei variieren sie durchaus, was Stimmung, Instrumentierung und Klangfarbe angeht – „Indignities“ beispielsweise kommt uns vergleichsweise dunkel, Gitarre, Bass und Schlagzeug gemahnen hier an Joy Division, wohingegen „Friend Machine“ sich eher an der etwas besser gelaunten Folgeformation orientiert. Das Zusammengehen von zauberhaften Synth-Melodien, der weichen Stimme Devaneys und maßvollen, soften Drums macht den Reiz der Stücke aus, die sich zwischen Hitsingles wie „Tournament“ und „The Wall And I“ auf dem Album tummeln. Diesem Reiz ist im Übrigen auch ein recht prominenter Zeitgenosse erlegen – Fabrizio Moretti, Drummer bei The Strokes, hat nicht nur die bekannten Bandfotos geschossen, sondern auch auf zwei Tracks des Albums selbst mitgespielt. Das Artwork der Band hat im Übrigen nicht Peter Saville zu verantworten, sondern Devaneys früherer Bandkollege Spencer Kimmins, mit dem er, damals noch in New Jersey, bei einer Kapelle namens The Static Jacks spielte. Damit und dort hatte alles angefangen, es dürfte noch lange nicht vorbei sein.
Donnerstag, 28. Mai 2020
Hater: Lohnender Ausblick
Für diese Band haben wir hier immer ein Plätzchen frei: Hater aus dem schwedischen Malmö sind im Blog tatsächlich Dauergäste, seit sie 2017 mit ihrem Album "You Tried" hatten aufhorchen lassen. Auch das folgende "Siesta" konnte trotz Labelwechsel überzeugen, letztes Lebenszeichen war im vergangenen Jahr die Single "Four Tries Down". Und ja, es gibt tatsächlich Neues von Caroline Landahl und ihren Freunden, gerade kam "Sift", eigentlich als Begleitung zur verschobenen US-Tour geplant, um die Ecke, flankiert von der Nachricht, dass mit einem neuen Studioalbum Anfang 2021 zu rechnen sein wird.
Rosalía vs. Travis Scott: Tanz um den Riesendonut
Nicht mal zweieinhalb Minuten und doch ein ganz Großer: Endlich ist er also da, der Track, den Rosalía gemeinsam mit Travis Scott eingespielt hat - "TKN" kommt mit einem Video von Nicolás Méndez und einem riesigen Kindergarten plus toter Taube und Riesendonut. Der Sound hat wie von ihr versprochen ordentlich ordentlich Wumms, der Song ist aber nicht die erste Zusammenarbeit - schließlich hatte sich die Spanierin schon als Partnerin bei einem Remix von Scotts "Highest In The Room" ins Gespräch gebracht.
Protomartyr: Unzumutbarer Zustand [Update]
Die Lage der Dinge ist keine gute - was uns Mustermännern und -frauen im täglichen Leben frustriert, nervt und auch mal ohnmächtig aussehen lässt, ist Künstlern oft alleinige Arbeitsgrundlage. Sich am Zustand der Welt abzuarbeiten gehört also dazu wie die Luft zum Atmen, da macht auch Joe Casey von der Detroiter Post-Punk-Kapelle Protomartyr keine Ausnahme. Vier Alben hat er mit dem Quartett mittlerweile veröffentlicht und weil in der Zwischenzeit, zehn Jahren eben, nichts besser geworden ist, kommt nun Studioplatte Nummer fünf daher. Genauer am 29. Mai, dann nämlich sollen die zehn neuen Stücke via Domino Records unter dem Titel "Ultimate Success Today" erscheinen. Der Nachfolger von "Relatives In Descent" (2017) und der EP "Consolation" (2018) wird mit einer Tour begleitet, in Deutschland gibt es vorerst nur zwei Termine in Berlin - zu hören dort auch die erste Vorauskopplung "Processed By The Boys", das Video angelegt als Parodie eines brasilianischen TV-Clips.
02.05. Berlin, Urban Spree
03.05. Berlin, Urban Spree
Update: Der VÖ-Termin für das neue Album mußte nun leider auf den 17. Juli geschoben werden, dafür gibt es aber heute mit "Worm In Heaven" eine weitere Singleauskopplung zu hören/sehen ... und nun auch gleich noch "Michigan Hammers".
02.05. Berlin, Urban Spree
03.05. Berlin, Urban Spree
Update: Der VÖ-Termin für das neue Album mußte nun leider auf den 17. Juli geschoben werden, dafür gibt es aber heute mit "Worm In Heaven" eine weitere Singleauskopplung zu hören/sehen ... und nun auch gleich noch "Michigan Hammers".
Muzz: Neues vom Ruhelosen [Update]
Neues aus New York City von einem, der noch nie lange stillhalten konnte: Paul Banks, Sänger der Kapelle Interpol, hat ja nun wahrlich schon vieles versucht, neben seinem Brotjob als Bandleader tat er sich durch diverse Soloarbeiten hervor (manche unter seinem Klarnamen, andere als Julian Plenti), veröffentlichte seine nicht ganz so heimlichen musikalischen Vorlieben auf Mixtapes und kollaborierte überraschend stimmig mit dem Wu-Tang-Member RZA als Banks And Steelz. Das reicht aber offenbar nicht, denn gerade hat der Mann die Gründung einer weiteren Band namens Muzz bekanntgegeben, mit dabei Matt Barrick (The Walkmen, Fleet Foxes) und Josh Kaufman (Bonny Light Horseman, Day Of The Dead). Eine erste Single steht mit "Bad Feeling" schon parat - stilistisch weit weniger dramatisch als Interpol, eher klassischer, zurückhaltender LoFi-Rock mit Jazzeinflüssen - über weitere Pläne ist vorerst aber noch nichts bekannt.
Update: Fast schon kontemplativ, in jedem Falle psychedelisch - die neue Single "Broken Tambourine" mit schönem Weltraumvideo von Griffin Frazen ... Und nun ist auch der Rest bekannt: Paul Banks hat also nicht nur eine Vorliebe für ausgefallene Strickmoden entwickelt, sondern auch zwei neue Freunde - und diese schon seit 2015. Seit diesem Jahr jedenfalls musizieren die drei Herren miteinander und nun soll am 5. Juni bei Matador ein ganzes Album von kommen. Zwölf Stücke on it, das dritte bekannte ist jetzt "Red Western Sky", gefolgt vom vierten Streich "Knuckleduster".
Update: Fast schon kontemplativ, in jedem Falle psychedelisch - die neue Single "Broken Tambourine" mit schönem Weltraumvideo von Griffin Frazen ... Und nun ist auch der Rest bekannt: Paul Banks hat also nicht nur eine Vorliebe für ausgefallene Strickmoden entwickelt, sondern auch zwei neue Freunde - und diese schon seit 2015. Seit diesem Jahr jedenfalls musizieren die drei Herren miteinander und nun soll am 5. Juni bei Matador ein ganzes Album von kommen. Zwölf Stücke on it, das dritte bekannte ist jetzt "Red Western Sky", gefolgt vom vierten Streich "Knuckleduster".
Bo Ningen: Standortbestimmung [Update]
Aus einer gänzlich anderen Richtung kommt heute die folgende Nachricht: Die japanische Noise-Rock-Kapelle Bo Ningen hat gerade die Veröffentlichung ihres vierten Studioalbums "Sudden Fictions" bekanntgegeben. Ein genauer Termin dafür steht zwar noch nicht fest, dafür droppen Taigen Kawabe, Yuki Tsujii, Kohhei Matsuda und Monchan Monna vorab eine erste Singel mit dem Namen "B.C" (hier auch noch als Foodman Remix). Sänger Kawabe meint in einem Statement zum Album, in Zeiten zunehmender Entkoppelung der Musikproduktionen von herkömmlichen Strukturen und Wurzeln - Stichwort: Bedroom-Pop - soll die neue Platte auch Ausdruck der Suche nach einer Neudefinition von Rockmusik, Zeichen der eigenen Standortbestimmung sein. Wer die Herren schon einmal live auf der Bühne hat herumzucken und -posen sehen, der weiß, wovon der Mann da redet und wo sein Schmerz verortet ist.
Update: Wenn jemand weiß, wie die Massen zu hypnotisieren sind, dann ist es Bobby Gillespie, der Frontmann von Primal Scream - just mit dem haben nun Bon Ningen den Song "Minimal" aufgenommen.
Update: Wenn jemand weiß, wie die Massen zu hypnotisieren sind, dann ist es Bobby Gillespie, der Frontmann von Primal Scream - just mit dem haben nun Bon Ningen den Song "Minimal" aufgenommen.
Mittwoch, 27. Mai 2020
Everything Everything: Erwartungshaltung [Update]
Manchmal dauert es etwas länger: Als vor ein paar Wochen "In Birdsong", das erste neue Stück der britischen Art-Pop-Formation Everything Everything, kam, da haben wir noch einigermaßen still gehalten, der Track schien uns dann doch etwas zu bombastisch, zu dick aufgetragen. Ansichtssache, klar, aber für die Rückmeldung nach knapp drei Jahren hatte man sich vielleicht ein etwas eingängigeres Lied erwartet. Eines wie das, was nun nachgeliefert wurde - "Arch Enemy" klingt leichter, tanzbarer, ähnlich wie das Material vom letzten Album "A Fever Dream", erschienen 2017. Die neue Platte ist im Übrigen auch schon festgezurrt, "Re-Animator" soll sie heißen und am 21. August via Infinity Industries im Regal landen.
Update: Sehenswert natürlich auch der Videoclip von Jonathan Higgs und Alex Johnson.
Update: Sehenswert natürlich auch der Videoclip von Jonathan Higgs und Alex Johnson.
Beach Fossils: Über jeden Zweifel
Okay, okay, wir geben es ja zu, dass wir zur Feier des zehnjährigen Jubiläum des Debütalbums der New Yorker LoFi-Rocker Beach Fossils nur durch den Hintereingang hineingeschlüpft sind, denn auf der Gästeliste kann nur stehen, wer sie von Anfang an begleitet hat. Und da gehören wir leider nicht dazu - uns sind sie erst mit dem Zweitwerk "Clash The Truth" von 2013 so richtig aufgefallen, beim Nachfolger aus dem Jahr 2017 "Somersault" waren wir dann aber mit ganzem Herzen dabei. Trotzdem wollen wir natürlich Beifall klatschen, zumal die Jungs extra für das Reissue einen bislang unveröffentlichten Song aus den Anfangstagen namens "Time" online geschickt haben. Und der ist nun wirklich über jeden Zweifel erhaben.
Dienstag, 26. Mai 2020
Idles vs. LIFE: Auf die Spitze getrieben
Das hier bringt uns wieder mal zu einem unserer Lieblingsthemen zurück: Wer in den 80ern aufgewachsen ist, hat auch die Hochzeit der Remixkultur und der Extended Versions miterlebt und wer das gemocht hat, vermisst heute definitiv etwas. Damals wurde nicht alles einfach durch die House-Mühle gedreht oder um ein paar Takte verlängert, da steckten Arbeit und Hirnschmalz drinne und wenn beides optimal zusammentraf, erhielt man Wunderbares. Mark Bowen, Gitarrist der Idles, ist zwar noch einigermaßen jung, hat aber die Sehnsucht nach solchen Dingen nicht ganz verloren. Anders ist es nicht zu erklären, dass er sich den neuen Song "Switching On" von LIFE vorgenommen hat, um ihm ein paar Extradrehungen zu verpassen. Dem Onlineportal DIY hat er gestanden, dass auf den meisten Remixen, die er bisher gebastelt hat, die Originalstimme kaum noch zu erkennen war, da sei der hier eher die Ausnahme. Ansonsten habe er versucht, die neu erwachte Experimentierlust der Jungs an elektronischem Equipment etwas auf die Spitze zu treiben - es ist ihm ganz gut gelungen.
Montag, 25. Mai 2020
Tim Burgess: Der euphorische Optimist
Tim Burgess
„I Love The New Sky“
(PIAS/Bella Union)
Es ist nur fair, wenn man sich dieser Tage etwas ausführlicher der neuen Platte von Tim Burgess, dem Kreativkopf der britischen Kapelle The Charlatans, widmet. Zum einen, weil „I Love That New Sky“ – wir greifen vor – mit Sicherheit eines der besten Popalben dieses Jahres geworden ist. Und darüberhinaus hat sich wohl kaum ein Musiker während des anhaltenden Corona-Lockdowns so anrührend und leidenschaftlich um das Wohl seiner Kolleg*innen gekümmert wie der Mann aus Manchester – und tut es noch. Innerhalb kürzester Zeit ist #TimsTwitterListeningParty zum Dauerbrenner avanciert, wer kein Konzerte besuchen kann (wie die einen) und ebensowenig welche geben darf (die anderen), setzt sich einfach mit einer gemeinsamen Lieblingsplatte vor die Anlage, Notebook oder Smartphone immer parat, um sich dann miteinander auszutauschen, in Erinnerungen zu schwelgen, gern auch mal etwas nostalgisch, gar eskapistisch zu werden. Da drehen dann Primal Scream, Oasis, die Sleaford Mods, die Idles, Blur oder Nada Surf auf dem Teller, wandern Fotos und Anekdoten von hier nach da, sage noch einer, Pop könne die Menschen nicht verbinden.
Zurück zu Burgess selbst und seinem fünften Soloalbum. Man muss nicht den kompletten Werkskanon seiner selbst und der Band (die ja im Übrigen nur auf Hold ist und sehr wohl noch existiert) kennen, um zu wissen, dass dieser Kerl ein begnadeter Songschreiber ist. Einer in der Tradition derer, die bei Worten wie Romantik, Melancholie, Ironie und Drama nicht gleich die große Flatter bekommen, Leuten also wie Paul Heaton, Stuart Murdoch, Jason Lytle, Damon Gough, Neil Hannon und vielleicht sogar Rufus Wainwright. Vielschichtigkeit ist das eine Zauberwort, Verspieltheit, Experimentierfreude, Stilsicherheit und Mut sind andere. Denn musikalisch ist diese Platte eine einzige, große Wundertüte, voll von schönsten Melodien, spannenden Instrumentierungen, waghalsigen Ausflügen - hey, schließlich haben wir neben Saxophon, Cello und Orgel auch Flöte und Kastagnetten dabei. Burgess versucht sich am Jazz und am Folk, er läßt Gitarrensoli erklingen, wie sie Santana nicht besser hätte einspielen können, kommt uns mit Männerchören und Kinderstimmen, kurz, mit allem, was ihm in den wunderbaren Kram passt.
Und erweist sich als Magier der Stimmungen: Hier der unverbesserliche Träumer („Sweet Heart Mercury“), bald darauf bei „The Mall“ der sarkastische Beobachter, der die Künstlichkeit und anhaltende Entfremdung von unserer Umwelt bei einem Gang durch’s Einkaufzentrum beißend kommentiert: “They say that you can’t win them all, but you can if you’re at the mall”. Aber Burgess ist tatsächlich auch ein Romantiker, ein Optimist, und zwar ein zuweilen sehr euphorischer, einer, der einen anzustecken vermag mit seiner guten Laune, auch wenn sich dahinter manchmal gar nicht so lustige Dinge verbergen. So heißt es zum Beispiel nach dem dem feinen Eingangsakkord von The Cure’s „Boys Don‘t Cry“ bei „Empathy For The Devil“: “I’m hoping the infliction affects you, and all your imperfections perfect you, not there yet but it’s all gonna work out fine“, das darf man wohlwollend und zweischneidig zugleich nennen. Deutlicheren Zuspruch gibt’s später bei „I Got This“: “Its gonna get better, just keep on climbing, one day you’ll be flying, I’ll be the one who walks you through the darkness. I got this”.
Ein ganzes Dutzend solcher kleinen Wunder gibt es hier zu hören, bei „The Warhol Me“ kratzen ein paar Gitarren, „Little Creatures“ hakt sich erst mit fulminantem Art Pop, danach mit funkigen Rhythmen unwideruflich im Ohr fest. Mal juxt der Schelm über die Vergänglichkeit der Dinge (“Whats your favorite Cure LP, I like Pornography, but it could be one of three“), mal bereut der traurige Erzähler („Undertow“), um gleich wieder Hoffnung und Zuversicht Platz zu machen. Ein stetes Schwanken, Umherspringen, Ausprobieren, doch immer dem Song als solchem treu verpflichtet - es fällt nichts auseinander, es macht einfach nur unglaublich großen Spaß. Ganz zum Schluß, bei „Laurie“, dreht er noch mal richtig auf, gibt ein prächtiges, standesgemäßes Finale, preist Freundschaft, Liebe, Beistand und endet mit dem Satz: “All that is important, is that you’ve been dreaming.“ Genauso, wie sich Burgess gerade als Twitter-DJ um die Werke anderer verdient macht, so müssen wir uns bei ihm für dieses Album bedanken. Ein besseres ist ihm bislang noch nicht gelungen und ob andere in diesem Jahr ähnliches zuwege bringen, darf zumindest mal angezweifelt werden.
„I Love The New Sky“
(PIAS/Bella Union)
Es ist nur fair, wenn man sich dieser Tage etwas ausführlicher der neuen Platte von Tim Burgess, dem Kreativkopf der britischen Kapelle The Charlatans, widmet. Zum einen, weil „I Love That New Sky“ – wir greifen vor – mit Sicherheit eines der besten Popalben dieses Jahres geworden ist. Und darüberhinaus hat sich wohl kaum ein Musiker während des anhaltenden Corona-Lockdowns so anrührend und leidenschaftlich um das Wohl seiner Kolleg*innen gekümmert wie der Mann aus Manchester – und tut es noch. Innerhalb kürzester Zeit ist #TimsTwitterListeningParty zum Dauerbrenner avanciert, wer kein Konzerte besuchen kann (wie die einen) und ebensowenig welche geben darf (die anderen), setzt sich einfach mit einer gemeinsamen Lieblingsplatte vor die Anlage, Notebook oder Smartphone immer parat, um sich dann miteinander auszutauschen, in Erinnerungen zu schwelgen, gern auch mal etwas nostalgisch, gar eskapistisch zu werden. Da drehen dann Primal Scream, Oasis, die Sleaford Mods, die Idles, Blur oder Nada Surf auf dem Teller, wandern Fotos und Anekdoten von hier nach da, sage noch einer, Pop könne die Menschen nicht verbinden.
Zurück zu Burgess selbst und seinem fünften Soloalbum. Man muss nicht den kompletten Werkskanon seiner selbst und der Band (die ja im Übrigen nur auf Hold ist und sehr wohl noch existiert) kennen, um zu wissen, dass dieser Kerl ein begnadeter Songschreiber ist. Einer in der Tradition derer, die bei Worten wie Romantik, Melancholie, Ironie und Drama nicht gleich die große Flatter bekommen, Leuten also wie Paul Heaton, Stuart Murdoch, Jason Lytle, Damon Gough, Neil Hannon und vielleicht sogar Rufus Wainwright. Vielschichtigkeit ist das eine Zauberwort, Verspieltheit, Experimentierfreude, Stilsicherheit und Mut sind andere. Denn musikalisch ist diese Platte eine einzige, große Wundertüte, voll von schönsten Melodien, spannenden Instrumentierungen, waghalsigen Ausflügen - hey, schließlich haben wir neben Saxophon, Cello und Orgel auch Flöte und Kastagnetten dabei. Burgess versucht sich am Jazz und am Folk, er läßt Gitarrensoli erklingen, wie sie Santana nicht besser hätte einspielen können, kommt uns mit Männerchören und Kinderstimmen, kurz, mit allem, was ihm in den wunderbaren Kram passt.
Und erweist sich als Magier der Stimmungen: Hier der unverbesserliche Träumer („Sweet Heart Mercury“), bald darauf bei „The Mall“ der sarkastische Beobachter, der die Künstlichkeit und anhaltende Entfremdung von unserer Umwelt bei einem Gang durch’s Einkaufzentrum beißend kommentiert: “They say that you can’t win them all, but you can if you’re at the mall”. Aber Burgess ist tatsächlich auch ein Romantiker, ein Optimist, und zwar ein zuweilen sehr euphorischer, einer, der einen anzustecken vermag mit seiner guten Laune, auch wenn sich dahinter manchmal gar nicht so lustige Dinge verbergen. So heißt es zum Beispiel nach dem dem feinen Eingangsakkord von The Cure’s „Boys Don‘t Cry“ bei „Empathy For The Devil“: “I’m hoping the infliction affects you, and all your imperfections perfect you, not there yet but it’s all gonna work out fine“, das darf man wohlwollend und zweischneidig zugleich nennen. Deutlicheren Zuspruch gibt’s später bei „I Got This“: “Its gonna get better, just keep on climbing, one day you’ll be flying, I’ll be the one who walks you through the darkness. I got this”.
Ein ganzes Dutzend solcher kleinen Wunder gibt es hier zu hören, bei „The Warhol Me“ kratzen ein paar Gitarren, „Little Creatures“ hakt sich erst mit fulminantem Art Pop, danach mit funkigen Rhythmen unwideruflich im Ohr fest. Mal juxt der Schelm über die Vergänglichkeit der Dinge (“Whats your favorite Cure LP, I like Pornography, but it could be one of three“), mal bereut der traurige Erzähler („Undertow“), um gleich wieder Hoffnung und Zuversicht Platz zu machen. Ein stetes Schwanken, Umherspringen, Ausprobieren, doch immer dem Song als solchem treu verpflichtet - es fällt nichts auseinander, es macht einfach nur unglaublich großen Spaß. Ganz zum Schluß, bei „Laurie“, dreht er noch mal richtig auf, gibt ein prächtiges, standesgemäßes Finale, preist Freundschaft, Liebe, Beistand und endet mit dem Satz: “All that is important, is that you’ve been dreaming.“ Genauso, wie sich Burgess gerade als Twitter-DJ um die Werke anderer verdient macht, so müssen wir uns bei ihm für dieses Album bedanken. Ein besseres ist ihm bislang noch nicht gelungen und ob andere in diesem Jahr ähnliches zuwege bringen, darf zumindest mal angezweifelt werden.
Sonntag, 24. Mai 2020
Please Madame: Keine halben Sachen
Kennt wohl jede/r, den Spruch: "Ohne Dich bin ich nur noch die Hälfte wert!" Und in den Beziehungen, die erst tief gingen und dann auseinander, stimmt das wohl auch. Mit dem Alter hat das erst mal gar nichts zu tun. Denn sonst hätten Dominik Wendt, Laurenz Strasser, Martin Pöheim und Niklas Mayr darüber ja kaum singen können. Machen sie aber - in ihrem neuen Song "Same Again". Die vier jungen Herren aus Wien und Salzburg nennen sich Please Madame und haben das besagte Thema auch visuell umzusetzen versucht, im Video zur Single von Rupert Höller gibt es deshalb, ganz im Gegensatz zum Sound der Band, ziemlich viele halbe Sachen. Mit diesem feinen Sound werden sie im Herbst nicht nur ihr neues, drittes Album via Kleio Records, sondern auch die Bühnen dieses Landes bespielen. Die Tour wird unter dem Namen "Angry Boys, Angry Girls" laufen, Grund zum Ärger sehen wir bis hierhin aber erst mal keinen.
05.11. Linz, Stadtwerkstatt
06.11. Wien, WUK
07.11. Graz, p.p.c.
14.11. Lustenau, Carinisaal
15.11. Innsbruck, pmk
16.11. Zürich, Hafenkneipe
17.11. Konstanz, Kulturladen
19.11. Biberach, Abdera
25.11. Hildesheim, Kulturfabrik Löseke
26.11. Oberhausen, Tresohr Sessions
27.11. Wuppertal, Utopiastadt
28.11. Hannover, LUX
29.11. Köln, Tsunami
02.12. Berlin, Badehaus
03.12. Hamburg ,Astra Stube
04.12. Oldenburg, Umbaubar
05.12. München, Folks Club
19.12. Salzburg, Rockhouse
05.11. Linz, Stadtwerkstatt
06.11. Wien, WUK
07.11. Graz, p.p.c.
14.11. Lustenau, Carinisaal
15.11. Innsbruck, pmk
16.11. Zürich, Hafenkneipe
17.11. Konstanz, Kulturladen
19.11. Biberach, Abdera
25.11. Hildesheim, Kulturfabrik Löseke
26.11. Oberhausen, Tresohr Sessions
27.11. Wuppertal, Utopiastadt
28.11. Hannover, LUX
29.11. Köln, Tsunami
02.12. Berlin, Badehaus
03.12. Hamburg ,Astra Stube
04.12. Oldenburg, Umbaubar
05.12. München, Folks Club
19.12. Salzburg, Rockhouse
Freitag, 22. Mai 2020
Ganser: Aus lauter Verzweiflung [Update]
Sie sagen es in einem Tweet selbst: "What strange timing". Aber gibt es denn einen passenden Zeitpunkt dieser Tage. Weiter gefragt: Gibt es einen besseren als genau diesen?! Allerorten werden Wohnzimmerkonzerte gefidelt, was die Klampfen hergeben und würde man den Künstlern, die solches veranstalten nicht unrecht tun wollen, so müsste man laut schreien "Haltet ein!". Denn wirklich erquicklich, wir sprachen öfters darüber, ist dieser ganze LoFi-Kram aus dem Hobbykeller nicht. Was ist dagegen ein richtiges, neues Album, noch dazu von einer unserer absoluten Lieblinge, der Post-Punk-Band Ganser aus Chicago? Dass der Longplayer so kurz nach Erscheinen der überaus gelungenen EP "You Must Be New Here" (November 2019) kommt, hatte sich gerüchteweise angedeutet, überraschend ist es dennoch. "Just Look At That Sky" wird er heißen und es gibt mit "Lucky" sogar schon einen ersten Vorabsong samt Videoclip zu hören/zeigen. Frontfrau Nadja Garofalo über den Song gegenüber dem FLOOD-Magazine: "'Lucky' ist ein Kommentar zum persönlichen Empfinden der Unzulänglichkeit und wie diese Gefühle oft zu ungesundem oder extremem Verhalten führen können. Besonders jetzt, da wir uns in einer Zeit der Unsicherheit befinden, haben wir oft den Eindruck, noch weniger Kontrolle über das zu haben, was mit uns und um uns herum geschieht. Ist es nicht bescheuert, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir gehofft hatten?!" Und wirklich, Zeilen wie "Hell of a day kid, hell of a day. Drink up sonny ...
You should be so lucky" klingen nach purer, nach lauter Verzweiflung. Mit auf dem Album enthalten ist im Übrigen auch die Single "Bad Form", erschienen im Sommer vergangenen Jahres.
Update: Die Plastiktüte als Sinnbild des Niedergangs - hier kommt die neue Single "Bags For Life".
Update: Die Plastiktüte als Sinnbild des Niedergangs - hier kommt die neue Single "Bags For Life".
Coriky: Ohne viele Worte
Manchmal reicht eine klare Auskunft. Wie die auf der Bandcamp-Seite: "Coriky is a band from Washington, D.C. Amy Farina plays drums. Joe Lally plays bass. Ian MacKaye plays guitar. All sing. Formed in 2015, Coriky did not play their first show until 2018. They have recorded one album. They hope to tour." Damit ist eigentlich alles gesagt. Man kann dann gern noch ein paar Hashtags hinzufügen, wie zum Beispiel #Fugazi #Embrace #TheEvens #Hardcore #MinorThreat oder #DischordRecords. Der Rest, versprochen, erschließt sich einem ganz schnell, wenn man sich die beiden Songs "Clean Kill" und "Too Many Husbands" anhört. Selbsterklärend sozusagen. Am 12. Juni kann man dann das Album (also doch eine Info) in digitaler, ab dem 26. Juni dann in physischer Form erwerben. Was soll man sagen: WAHNSINN! (Kleiner Hinweis zum folgenden Foto - hier.)
Telquist: Wie aus dem Bilderbuch
Dreimal Deutschland, aber nicht so, dass man es mit der Angst bekommen muß. Im Gegenteil, das sind alles recht feine Perlen, über die Woche gesammelt und hier in einem Wurf rausgehauen. Den Anfang macht der Regensburger Sebastian Eggerbauer, den sich, wie könnte es anders sein, Talente-Fischer Marc Liebscher und sein Erfolgslabel Blickpunkt Pop an Land gezogen haben. Unter dem Namen Telquist hat der Junge mit seiner Single "Trash Talk" Anfang des Jahres einen Überraschungserfolg landen können, nun schenkt er mit "Taste" nach und mischt nun zum Pop noch (bilderbuchmäßig, haha) maximal lässigen Rap dazu. Und selbst wenn man keinen azurblauen Swimmingpool zur Hand hat, wirkt der Song sehr entspannend. Ein Album, so der Waschzettel zur heutigen VÖ, ist für den Sommer in the making, wäre doch gelacht, wenn er damit nicht ebenso schnurgerade durchstarten könnte.
Blinker: Gut beraten auf den Punkt
Und damit dann zu diesem bunten Vogel: Dass man mit dem Namen Wieland Johannes Stahnecker Karriere machen kann, reden sie einem nur bei strunzdummen Castingshows ein, wer halbwegs bei wachem Verstand ist und Solomusiker werden möchte, besorgt sich also nach abgebrochenem Jurastudium und diversen mäßig erfolgreichen Bandjobs schnellstens ein einprägsames Pseudonym und eine markante Frise. Beides hat hier geklappt, Blinker sollte er fortan heißen und für den Kopf gab es eine Mischung aus Rezo und Sascha Lobo. Der gebürtige Mannheimer, der mittlerweile in Berlin quartiert, hat im vergangenen Jahr eine erste EP mit dem Titel "Blicke" veröffentlicht, nun ist mit "Blitz" die zweite draußen. Was auffällt: Viel Gefühl und eine Stimme, die für Gänsehautmomente sorgt - die fünf Songs sind griffig, lässig, auf den Punkt. Und auch mal sehr, sehr traurig. Könnte also tatsächlich etwas werden mit dem Kerl.
Kramsky: Dunkler Verschnitt
Und dann haben wir noch das Quartett Kramsky aus Karl-Marx-Stadt. Hä? Naja, das ist wohl so eine Art bandinterner Joke, denn natürlich kommen die vier Herren aus Trier, bestehen aber darauf, dass dies die einzig echte Karl-Marx-Stadt sei. Okay, darüber sollen sie sich dann mal mit Kraftklub (auch mit einem K) unterhalten, uns geht es hier eher um die Musik und die aus Trier ist eher dunkler Waverock verschnitten mit einer Portion Post-Punk. Vor einiger Zeit ist bei Barhill Records ihr aktuelles Album "Metaego" erschienen, die erste Single hörte - schöner Bezug zum vorherigen Post - auf den hübschen Namen "Kokain? Ja bitte!", jetzt kommt das vergleichsweise ruhige, besinnlich melancholische "Insgesamt" hinterher.
Chris Imler: Tanz den Untergang [Update]
Foto: Max Zerrahn |
Update: Und hier gleich nachgereicht die ebenso bezaubernde B-Seite "Protect Myself".
Donnerstag, 21. Mai 2020
Houses Of Heaven: Drohkulisse
Houses Of Heaven
"Silent Places"
(Felte)
Da können wir gleich mit der Tür ins Haus fallen: Ein absolutes Muss für Freunde der Maschinenmusik ist dieser Tage das Debüt von Houses Of Heaven. Das Trio aus Oakland, Kalifornien, hat 2017 mit der EP "Remnant" vorgelegt, nun gehen sie auf's Ganze und präsentieren ein wahres Prunkstück in Sachen dystopischer Drohkulisse. So recht eingrenzen läßt sich der Sound nicht, früher wäre das unter Industrial und EBM, vielleicht auch Techno gelaufen, heute kommen noch Cold Wave und ein bisschen Electro dazu. Jedenfalls ziehen Keven Tecon (Gesang, Synths, Gitarre), Adam Beck (Gitarre, Synths) und Nick Ott (Drums) alle Register, wenn es um düstere Klänge zum Zwecke der Einschüchterung geht - die Beats werden in aller Breite über die Bühne gerollt, Dramatik groß geschrieben. Gitarren sollen auch anwesend sein, verhalten sich aber eher unauffällig, die Live-Drums von Ott dagegen sorgen für ordentlich Wucht und Lärm. Die Platte funktioniert dabei durchaus als Stimmungsverstärker, wer also eher empfindlich auf dunkle Töne reagiert, sollte wissen, worauf er/sie sich einläßt. Dabei muß man nicht unbedingt trübe in der Ecke sitzen, Stücke wie "Dissolve The Floor" oder "Channeling" funktionieren mit ihrem rohen Wummern und den schiefen Synths durchaus auch im lichtarmen Kellerclub. Liebhaber entdecken bei manchem Track vielleicht auch ein paar Versatzstücke der sträflich unterschätzten "Construction Time Again" von Depeche Mode, ansonsten können als Referenzen der Neuzeit eher Boy Harsher, These New Puritans oder HEALTH herhalten. Konzerte der drei sind momentan aus Gründen nicht in Planung, dürften in postcoronalen Zeiten aber durchaus reizvoll sein. Orte der Stille sollten dort aber schwerlich zu finden sein.
"Silent Places"
(Felte)
Da können wir gleich mit der Tür ins Haus fallen: Ein absolutes Muss für Freunde der Maschinenmusik ist dieser Tage das Debüt von Houses Of Heaven. Das Trio aus Oakland, Kalifornien, hat 2017 mit der EP "Remnant" vorgelegt, nun gehen sie auf's Ganze und präsentieren ein wahres Prunkstück in Sachen dystopischer Drohkulisse. So recht eingrenzen läßt sich der Sound nicht, früher wäre das unter Industrial und EBM, vielleicht auch Techno gelaufen, heute kommen noch Cold Wave und ein bisschen Electro dazu. Jedenfalls ziehen Keven Tecon (Gesang, Synths, Gitarre), Adam Beck (Gitarre, Synths) und Nick Ott (Drums) alle Register, wenn es um düstere Klänge zum Zwecke der Einschüchterung geht - die Beats werden in aller Breite über die Bühne gerollt, Dramatik groß geschrieben. Gitarren sollen auch anwesend sein, verhalten sich aber eher unauffällig, die Live-Drums von Ott dagegen sorgen für ordentlich Wucht und Lärm. Die Platte funktioniert dabei durchaus als Stimmungsverstärker, wer also eher empfindlich auf dunkle Töne reagiert, sollte wissen, worauf er/sie sich einläßt. Dabei muß man nicht unbedingt trübe in der Ecke sitzen, Stücke wie "Dissolve The Floor" oder "Channeling" funktionieren mit ihrem rohen Wummern und den schiefen Synths durchaus auch im lichtarmen Kellerclub. Liebhaber entdecken bei manchem Track vielleicht auch ein paar Versatzstücke der sträflich unterschätzten "Construction Time Again" von Depeche Mode, ansonsten können als Referenzen der Neuzeit eher Boy Harsher, These New Puritans oder HEALTH herhalten. Konzerte der drei sind momentan aus Gründen nicht in Planung, dürften in postcoronalen Zeiten aber durchaus reizvoll sein. Orte der Stille sollten dort aber schwerlich zu finden sein.
JONES: Aus gut mach besser
Wenn ein Song wie dieser derart hartnäckig in der Playlist seine Runden dreht, dann hat er wohl seine Qualitäten und dann gehört er auch geteilt: Die im Londoner Stadtteil Aldgate aufgewachsene Soulistin Cherie Jones-Mattis, kurz JONES, hatte lange nichts von sich hören lassen, 2019 ist ihre EP "New York" erschienen, wie auch schon das Kurzformat "London" davor enthielt sie vornehmlich akustische Stücke. Ihr Debütalbum "New Skin" liegt schon ganze vier Jahre zürück, danach wurden, wie gesagt, die Pausen länger. Was schade war, denn sie verfügt über ein verflixt gutes Gespür fürs Songwriting und ist dazu noch mit einer angenehm weichen, wandelbaren Stimme gesegnet. Um so besser also, dass sie sich mit "Giving It Up" nun einen zwei Jahre alten Song geschnappt und die einst stromlose Version mit einem ansprechenden Popsound und einem Videoclip versehen hat - herausgekommen ist ein Ohrwurm, dem man nur schwer entkommen kann. Eine längere Story über sie kann man übrigens bei The Line Of Best Fit lesen, ob dem Song bald ein Album folgen wird, hat sie der Seite allerdings auch nicht verraten.
Mittwoch, 20. Mai 2020
SPICE: Lohnender Ableger [Update]
Wenn Ross Farrar mit von der Partie ist, heißt es Obacht geben: Dieser Mann nämlich ist Sänger bei Ceremony, einer Band also, die ursprünglich mal mit Hardcore startete, mittlerweile aber - und das ist in diesem Falle überhaupt nicht von Nachteil - in anderen Teichen fischt. Seit ihrer Platte "The L-Shaped Man", spätestens aber it dem letzten Album "In The Spirit World Now" haben Ceremony sich in Richtung Post-Punk und Wave bewegt und sich dabei ganz gewiß nicht zum Affen gemacht. Farrar jedenfalls hat nun zusammen mit seinem Drummer Jake Casarotti eine weitere Formation namens SPICE gegründet, mit dabei sind laut Brooklyn Vegan auch noch Bassist Cody Sullivan (Sabertooth Zombie, No Sir), Ian Simpson an der Gitarre (Creative Adult, No Sir) und Victoria Skudlarek an der Violine. Am 17. Juli soll bei Dais Records das selbstbetitelte Debüt erscheinen (Produzent Sam Pura), neun Songs werden sich darauf befinden und einer davon hört auf den Namen "First Feeling". Laut Farrar geht es in den Stücken vor allem den Schmerz, der uns tagtäglich in den unterschiedlichsten Situationen und Formen begegnet und mit dem fertig zu werden unsere immer wiederkehrende Aufgabe ist.
Update: Und hier kommt ein zweiter Song vom neuen Album - "All My Best Shit" haut in die gleiche Kerbe, sozusagen.
Update: Und hier kommt ein zweiter Song vom neuen Album - "All My Best Shit" haut in die gleiche Kerbe, sozusagen.
International Teachers Of Pop: Gerüchteweise
In ihrem letzten Song ging es noch darum, dass irgendwer irgendwem seine Chucks geklaut hatte, wobei ziemlich klar war, dass hinter den Protagonisten dieses Dramas Sängerin Leonore Wheatley und Jason Williamson von den Sleaford Mods steckten. Erstere ist bekanntlich das weibliche Drittel des Synthpop-Trios International Teachers Of Pop und die hatten Ende 2019 gerade ihre neue Single "I Stole Yer Plimsoles" ins Schaufenster gestellt. Diese gehört nun laut The Quietus offiziell zur Besetzung des neuen, zweiten Albums der Band, das unter dem Titel "Pop Gossip" am 28. August bei Desolate Spools erscheinen soll. Ebenso dabei die aktuelle Single "Flood The Club", bei der sich die Sprinkleranlage als Unruhestifter entpuppt.
Dienstag, 19. Mai 2020
Idles: Mit Drecksack und Machete
Angekündigt als eine Art Fitness-Stunde mit dem bärtigen Bassisten, hat sich die Nachricht dann zum Glück als das herausgestellt, was allseits erhofft wurde - eine neue Single, der mögliche Auftakt zu einem neuen, dem dritten Album. Die Idles aus Bristol sind eine Punkband, die live noch mehr als schon im Studio vor Energie zu bersten scheint, für die aktuelle Vorabsingle (wir nennen sie jetzt einfach mal so) haben sie viel von diesem Furor in dreieinhalb Minuten gepackt. "Mr. Motivator" heißt das gute Stück, dazu gibt es tatsächlich eine short lesson in hometraining, was ja zu Zeiten des anhaltenden Lockdowns ganz nützlich sein kann. Ein kleines Statement noch als Handreichung: "Wir wollen diese Reise mit einem Moment beginnen, der nicht nur die Stimmung des [kommenden] Albums einfängt, sondern unser Publikum dazu anregt, zu tanzen, als würde niemand zuschauen, und mit dieser zwei Tonnen schweren Machete von einem Lied und der schönsten Gemeinschaft von Drecksäcken, die je versammelt wurde, durch diese dunklen Zeiten pflügen. Los geht's. Alles ist Liebe." Nichts hinzuzufügen, den Rest dann, wenn der Nachfolger von "Joy As An Act Of Resistance" genauer benannt worden ist.
No Age: Bleiberecht
Hatten wir das schon erwähnt? Sicher, aber wir wiederholen es gern noch mal: Mit dem amerikanischen Noise-Rock-Duo No Age und ihrem Debüt "Nouns" hat dieser Blog im Jahr 2008 seine Arbeit aufgenommen, es war das erste Album, das wir - damals in mageren sechs Zeilen - rezensierten, insofern haben Randy Randall und Dean Spunt aus Los Angeles hier auf immer eine Art Bleiberecht. Das gilt natürlich auch für ihre neue, fünfte Platte Album "Goons Be Gone", die am 5. Juni bei Drag City erscheinen soll. Die erste Single "Head Sport Full Face" klingt im Vergleich zu den Frühwerken erstaunlich poppig, geschmückt wird sie von einem hübschen Live-Video, das heute wie aus einem komplett anderen Zeitalter wirkt. Sie folgt im übrigen den Auftaktsongs "Feeler" und "Turn To String", die schon früher im Jahr die Runde machte.
Mark Lanegan vs. Cold Cave: Mit Widmung
Gestern jährte sich, traurig genug, zum vierzigsten Mal der Todestag von Ian Curtis, dem Mann also, der mit Joy Divison zweieinhalb geniale Platten eingespielt und sich danach als Folge von Krankheit das Leben genommen hat. Man darf darüber spekulieren, was noch von ihm gekommen wäre, hätte er Hilfe und Linderung gefunden, das jedenfalls, was wir haben, ist lückenlos unvergleichlich und unübertroffen. Einer der bekanntesten Songs ist zweifellos "Isolation", nicht ganz so oft gecovert wie "Love Will Tear Us Apart", aber nahe dran. Dennoch wollen wir diese Version hier nicht verschweigen, weil daran eben zwei Zeitgenossen beteiligt sind, die über einiges an Renommee verfügen. Zum einen Mark Lanegan, der nicht nur eine ganze Reihe phänomenaler Soloalben fabriziert hat, sondern zusammen mit so namhaften Künstler und Bands wie The Walkabouts, Dinosaur jr., Isobel Campbell, Afghan Whigs, Queens Of The Stone Age, Soulsavers, Screaming Trees und UNKLE zugange war. Und zum anderen Wesley Eisold alias Cold Cave, der sich das Erbe aus Manchester ohnehin zum Beruf gemacht hat. Von den beiden mit Begleitband nun also dieser Song in dieser Zeit, ein schönes Statement, noch immer.
Übrigens: Ende Juni kommt die Wiederauflage des legendären zweiten Albums von Joy Division in den Handel, "Closer" erscheint in hochwertig veredeltem Pappcover auf transparentem Vinyl, bestellbar unter anderem bei JPC.
Übrigens: Ende Juni kommt die Wiederauflage des legendären zweiten Albums von Joy Division in den Handel, "Closer" erscheint in hochwertig veredeltem Pappcover auf transparentem Vinyl, bestellbar unter anderem bei JPC.
Montag, 18. Mai 2020
PAAR: Ohne Verluste [Update]
PAAR
"Die Notwendigkeit der Notwendigkeit"
(Grzegorzki Records)
Fast hätten wir vergessen, wie gut sie wirklich sind: Das Münchner Post-Punk-Trio PAAR, zuletzt mit dem Video zum Song "CRACK" von ihrer EP "HONE" in Erscheinung getreten, gehört zu jener Sorte Bands, die die Geduld ihrer Fans stets auf eine harte Probe stellen. Weil sie sich sehr viel Zeit nehmen für die Dinge, mit denen sie in die Öffentlichkeit gehen (auch der Clip zu "SYN" brauchte gefühlt Monate, ehe er sich aus dem Dunkel der Postproduktion wagte), wogegen nichts zu sagen ist, weil diese Dinge dann eben auch bemerkenswert gut gelingen. Ein Teufelskreis. Keine wirkliche Überraschung also, dass auch das Debütalbum lange auf sich warten ließ - und durchweg überzeugt. Die musikalischen Vorlieben von Sängerin Ly Nguyen, Rico Sperl (Bass, Electronics) und Matthias Zimmermann an der Gitarre liegen bekanntlich eher im Halbschatten - der Sound von PAAR kommt als Mischung aus Cold Wave, Gothrock, Shoegazing und Post-Punk daher und klingt dabei weiterhin dicht, hochmelodisch und sehr intensiv.
Wie der dunkel rollende Bass bei "Beauty Needs Witness" den Bau der wuchtigen Wall of Sound vorantreibt, sich aus den zerklüfteten Synth-Texturen in "Rework" wunderbare Gitarrenakkorde schälen, kurz darauf bei "Modern" verzerrte Riffs gemeinsam mit dem Gastgesang von Thomas Schamann alias Grotto Terrazza marschieren, das ist schon beeindruckend. PAAR gelten ja als leidenschaftliche Live-Band (was sie in Zeiten wie den jetzigen leider besonders hart trifft), dass sie die Energie ihrer Stücke ohne nennenswerten Verlust in die Aufnahmen gepackt bekommen, ist gewiss nicht alltäglich und sollte auch dem Produzenten Andor Bencze einigen Lorbeer einbringen. Denn obwohl auch für die restlichen Tracks des Albums die Pegel am Anschlag bleiben, geht hier nichts von Stimmung und Charakteristik der Stilmittel verloren - besonders "Metal" mit seinen frostigen Industrialklängen, die sich recht bald zur wilden Gitarrenjagd wandeln, sticht da hervor. Nach gut einer halben Stunde ist alles vorbei - und wir werden wieder warten müssen. Gelohnt hat sich's (auch hier) allemal. www.paarmusic.com
22.03. München, Milla (Termin verschoben)
18.09. Regensburg, Kulturzentrum Alte Mälzerei
07.12. München, Rote Sonne
Update: Das Lyric-Video zu "Modern" stammt von Sebastian Dominic Auer und wurde wie üblich von DAS DIKTAT produziert.
"Die Notwendigkeit der Notwendigkeit"
(Grzegorzki Records)
Fast hätten wir vergessen, wie gut sie wirklich sind: Das Münchner Post-Punk-Trio PAAR, zuletzt mit dem Video zum Song "CRACK" von ihrer EP "HONE" in Erscheinung getreten, gehört zu jener Sorte Bands, die die Geduld ihrer Fans stets auf eine harte Probe stellen. Weil sie sich sehr viel Zeit nehmen für die Dinge, mit denen sie in die Öffentlichkeit gehen (auch der Clip zu "SYN" brauchte gefühlt Monate, ehe er sich aus dem Dunkel der Postproduktion wagte), wogegen nichts zu sagen ist, weil diese Dinge dann eben auch bemerkenswert gut gelingen. Ein Teufelskreis. Keine wirkliche Überraschung also, dass auch das Debütalbum lange auf sich warten ließ - und durchweg überzeugt. Die musikalischen Vorlieben von Sängerin Ly Nguyen, Rico Sperl (Bass, Electronics) und Matthias Zimmermann an der Gitarre liegen bekanntlich eher im Halbschatten - der Sound von PAAR kommt als Mischung aus Cold Wave, Gothrock, Shoegazing und Post-Punk daher und klingt dabei weiterhin dicht, hochmelodisch und sehr intensiv.
Wie der dunkel rollende Bass bei "Beauty Needs Witness" den Bau der wuchtigen Wall of Sound vorantreibt, sich aus den zerklüfteten Synth-Texturen in "Rework" wunderbare Gitarrenakkorde schälen, kurz darauf bei "Modern" verzerrte Riffs gemeinsam mit dem Gastgesang von Thomas Schamann alias Grotto Terrazza marschieren, das ist schon beeindruckend. PAAR gelten ja als leidenschaftliche Live-Band (was sie in Zeiten wie den jetzigen leider besonders hart trifft), dass sie die Energie ihrer Stücke ohne nennenswerten Verlust in die Aufnahmen gepackt bekommen, ist gewiss nicht alltäglich und sollte auch dem Produzenten Andor Bencze einigen Lorbeer einbringen. Denn obwohl auch für die restlichen Tracks des Albums die Pegel am Anschlag bleiben, geht hier nichts von Stimmung und Charakteristik der Stilmittel verloren - besonders "Metal" mit seinen frostigen Industrialklängen, die sich recht bald zur wilden Gitarrenjagd wandeln, sticht da hervor. Nach gut einer halben Stunde ist alles vorbei - und wir werden wieder warten müssen. Gelohnt hat sich's (auch hier) allemal. www.paarmusic.com
22.03. München, Milla (Termin verschoben)
18.09. Regensburg, Kulturzentrum Alte Mälzerei
07.12. München, Rote Sonne
Update: Das Lyric-Video zu "Modern" stammt von Sebastian Dominic Auer und wurde wie üblich von DAS DIKTAT produziert.
Samstag, 16. Mai 2020
Silverbacks: Gute Nachricht
Das hätten wir, verdammt noch mal, beinahe vergessen: Die irische Band Silverbacks, gern gesehene Gäste im hiesigen Blog, haben in der vergangenen Woche endlich ihr Debütalbum angekündigt. Und das kann, angesichts der vielen wunderbaren Singles, die das Quintett aus Dublin bislang veröffentlicht hat (zuletzt "Drool" und "Sirens"), nur eine gute Nachricht sein. Der Titel der Platte wird "Fad" heißen, produziert hat dem Vernehmen nach Daniel Fox, Bassist der Girl Band und mit "Muted Gold" gibt es auch schon eine erste - und wie nicht anders zu erwarten: vorzügliche - Single zu hören. Der Rest dann am 17. Juni bei Central Tones.
Minimal Schlager: Geglücktes Wagnis
Das ist nun mal so, bei Coverversionen von Lieblingsbands hört man immer etwas genauer hin. Und wehe, wenn es misslingt - Spott und Missachtung werden den Glücklosen auf ewig sicher sein. Dem Geschwisterduo Minimal Schlager aus Berlin wird sicher bewußt gewesen sein, welches Wagnis sie eingingen, als sie sich an ihre Version von "Hey" der Pixies machten. Die Herangehensweise von Fran Parisi und Alicia Macanás an die Musik ist eine so minimalistische, dass vom Original aber ohnehin nicht mehr viel übrigblieb, man also die zerrissenen Riffs von Frank Blacks Original nurmehr ahnen kann. Und was sollen wir sagen: Erstaunlicherweise klingt diese neue Variante dann doch ziemlich stimmig. Das Stück ist im Übrigen die B-Seite zur im April bei Duchess Box Records erschienenen Single "Killing Is About Us".
Freitag, 15. Mai 2020
Sleaford Mods: Zorn und Beharrlichkeit
Sleaford Mods
„All That Glue“
(Rough Trade)
Retrospektive, wie Jason Williamson es nennt, trifft es tatsächlich besser. Denn diese stellt laut Wörterbuch eine „Präsentation des [früheren] Werks eines Künstlers, der Kunst einer zurückliegenden Zeit“ dar und erhebt keinesfalls den Anspruch, nur das Allerbeste zu versammeln. Wie sollte das auch gehen? Das Beste dieser Band ist auf vier Plattenseiten schlicht nicht unterzubringen! Gut, das ist jetzt eine sehr subjektive Sicht der Dinge, aber wo wir schon mal dabei sind: Sieben Jahre Bandgeschichte spiegeln die zweiundzwanzig Tracks von „All That Glue“ wieder, das entspricht bei vielen Anhänger*innen in etwa auch dem Zeitraum, da sie und er die beiden grundsympathischen Kerle aus dem Städtchen Nottingham kennengelernt und ins Herz geschlossen haben. Zeit und Grund genug also, mal etwas persönlich zu werden. Denn Rezensionen haben wir hier weiß Gott schon genug geschrieben (und es war, was Wunder, kein einziger Verriss dabei) – warum man aber, einmal angefixt, vom wüst schimpfenden Grantler und seinem kongenialen, lässigen Tonmeister nicht lassen will und kann, darf an dieser Stelle ruhig noch einmal aufgelistet werden.
Grundsätzlich wird jede/r im Leben auf verschiedenste Weise musikalisch sozialisiert, mal sind es die Geschwister, mal gar die Eltern, Schulhof, Pubertät, Freunde, Clubs, Konzerte, soweit normal. Und immer gibt es zwei, drei Künstler*innen, Bands, die den Kurs bestimmen oder auch mal für die große Umkehr sorgen, denen man verfällt, hoffnungs- und widerspruchslos. Das alles passiert in der Regel bis 30, maximal 40, dann ist Schluß mit neu, ab dann wird rückwärts gedacht, lebt oder hört wenigstens ins Gestern, hat die Retrobrille auf und sammelt alte Erinnerungen, Konzertkarten, Musikkassetten, verkratzte Platten. Um so mehr grenzt es an ein Wunder, wenn es zwei ebenso alten Säcke wie Williamson und Fearn gelingt, diese Routine zu durchbrechen und die Hörgewohnheiten noch in gesetztem Alter über den Haufen zu werfen. Man sich trotz morscher Knochen und sorgsam antrainiertem Phlegma stolz und aufgeregt wie ein Teen in die Moshpit vor der Bühne wirft und nach jedem neuen Song und Album giert, als sei es die Verheißung des Heilands persönlich.
Und warum das Ganze!? Weil die beiden mit störrischer Konsequenz einen Musikstil pflegen, der einen Shit auf vollumfänglichen, ausgewogenen Hörgenuß gibt und lieber die Direktheit, das Rohe und Unverfälschte feiert (ohne sich neuen Ideen zu verweigern, versteht sich). Weil sie seit Anbeginn ihrer Karriere nicht auf liberale Korrektness und politisches Lagerdenken achten, sondern denen die unbedingte Treue geschworen haben, die keine Stimme haben und so weit an den Rand gedrängt wurden, dass man sie weder sehen und hören kann. Trotzdem: Antiroyalistisch, anti-elitär, pro-europäisch. Du nennst es working class? Sie sagen: Mitmenschlichkeit (Williamson: „All I ask is for somebody with a kind heart. I know lots of working class people who are total wankers”/Clash). Und weil sie in ihrem Engagement, in ihrem Frust, ihrer Wut und ihrem Humor ungebrochen und bewundernswert ausdauernd sind, jeden Gig auf die gleiche Weise mit vollem Körpereinsatz und ganzer Leidenschaft angehen – wir sind hier, ihr seid hier, das ist der Moment.
Insofern ist die Auswahl auf der Compilation natürlich auch ein Zugeständnis an diejenigen, die sie seit Jahren, gerade auf den ausgedehnten Touren, mit größter Zuneigung begleiten: „Jobseeker“, „Jolly Fucker“, „Routine Dean“, „Tweet Tweet Tweet“, „Fizzy“ – allesamt live classics, Überhits, ein Status, den sich jüngere Tracks wie „Tarantula Deadly Cargo“, „TCR“, „B.H.S.“ und „OBCT“ gerade erst erarbeiten. Zwischendrin seltene B-Seiten, bislang Ungehörtes wie „Second“ aus der aktuellen „Eton Alive“-Session und schöne Spielereien („Slow One’s Bothered“ statt des bekannten „No Ones’s Bothered“). Und mit „When You Come Up To Me“ der vielleicht erstaunlichste Song des letzten Studioalbums, ganz ohne die gewohnte Agressivität, mit Singstimme, ein Lovesong, nearly. Man muss schon sehr lange suchen, um eine Band zu finden, die sich über einen so langen Zeitraum derart treu geblieben ist wie diese. Ihre Beharrlichkeit mag für manche/n altmodisch erscheinen, überkommen, weniger interessant – wir finden, sie ist vor allem ehrlich. Und notwendiger denn je.
„All That Glue“
(Rough Trade)
Retrospektive, wie Jason Williamson es nennt, trifft es tatsächlich besser. Denn diese stellt laut Wörterbuch eine „Präsentation des [früheren] Werks eines Künstlers, der Kunst einer zurückliegenden Zeit“ dar und erhebt keinesfalls den Anspruch, nur das Allerbeste zu versammeln. Wie sollte das auch gehen? Das Beste dieser Band ist auf vier Plattenseiten schlicht nicht unterzubringen! Gut, das ist jetzt eine sehr subjektive Sicht der Dinge, aber wo wir schon mal dabei sind: Sieben Jahre Bandgeschichte spiegeln die zweiundzwanzig Tracks von „All That Glue“ wieder, das entspricht bei vielen Anhänger*innen in etwa auch dem Zeitraum, da sie und er die beiden grundsympathischen Kerle aus dem Städtchen Nottingham kennengelernt und ins Herz geschlossen haben. Zeit und Grund genug also, mal etwas persönlich zu werden. Denn Rezensionen haben wir hier weiß Gott schon genug geschrieben (und es war, was Wunder, kein einziger Verriss dabei) – warum man aber, einmal angefixt, vom wüst schimpfenden Grantler und seinem kongenialen, lässigen Tonmeister nicht lassen will und kann, darf an dieser Stelle ruhig noch einmal aufgelistet werden.
Grundsätzlich wird jede/r im Leben auf verschiedenste Weise musikalisch sozialisiert, mal sind es die Geschwister, mal gar die Eltern, Schulhof, Pubertät, Freunde, Clubs, Konzerte, soweit normal. Und immer gibt es zwei, drei Künstler*innen, Bands, die den Kurs bestimmen oder auch mal für die große Umkehr sorgen, denen man verfällt, hoffnungs- und widerspruchslos. Das alles passiert in der Regel bis 30, maximal 40, dann ist Schluß mit neu, ab dann wird rückwärts gedacht, lebt oder hört wenigstens ins Gestern, hat die Retrobrille auf und sammelt alte Erinnerungen, Konzertkarten, Musikkassetten, verkratzte Platten. Um so mehr grenzt es an ein Wunder, wenn es zwei ebenso alten Säcke wie Williamson und Fearn gelingt, diese Routine zu durchbrechen und die Hörgewohnheiten noch in gesetztem Alter über den Haufen zu werfen. Man sich trotz morscher Knochen und sorgsam antrainiertem Phlegma stolz und aufgeregt wie ein Teen in die Moshpit vor der Bühne wirft und nach jedem neuen Song und Album giert, als sei es die Verheißung des Heilands persönlich.
Und warum das Ganze!? Weil die beiden mit störrischer Konsequenz einen Musikstil pflegen, der einen Shit auf vollumfänglichen, ausgewogenen Hörgenuß gibt und lieber die Direktheit, das Rohe und Unverfälschte feiert (ohne sich neuen Ideen zu verweigern, versteht sich). Weil sie seit Anbeginn ihrer Karriere nicht auf liberale Korrektness und politisches Lagerdenken achten, sondern denen die unbedingte Treue geschworen haben, die keine Stimme haben und so weit an den Rand gedrängt wurden, dass man sie weder sehen und hören kann. Trotzdem: Antiroyalistisch, anti-elitär, pro-europäisch. Du nennst es working class? Sie sagen: Mitmenschlichkeit (Williamson: „All I ask is for somebody with a kind heart. I know lots of working class people who are total wankers”/Clash). Und weil sie in ihrem Engagement, in ihrem Frust, ihrer Wut und ihrem Humor ungebrochen und bewundernswert ausdauernd sind, jeden Gig auf die gleiche Weise mit vollem Körpereinsatz und ganzer Leidenschaft angehen – wir sind hier, ihr seid hier, das ist der Moment.
Insofern ist die Auswahl auf der Compilation natürlich auch ein Zugeständnis an diejenigen, die sie seit Jahren, gerade auf den ausgedehnten Touren, mit größter Zuneigung begleiten: „Jobseeker“, „Jolly Fucker“, „Routine Dean“, „Tweet Tweet Tweet“, „Fizzy“ – allesamt live classics, Überhits, ein Status, den sich jüngere Tracks wie „Tarantula Deadly Cargo“, „TCR“, „B.H.S.“ und „OBCT“ gerade erst erarbeiten. Zwischendrin seltene B-Seiten, bislang Ungehörtes wie „Second“ aus der aktuellen „Eton Alive“-Session und schöne Spielereien („Slow One’s Bothered“ statt des bekannten „No Ones’s Bothered“). Und mit „When You Come Up To Me“ der vielleicht erstaunlichste Song des letzten Studioalbums, ganz ohne die gewohnte Agressivität, mit Singstimme, ein Lovesong, nearly. Man muss schon sehr lange suchen, um eine Band zu finden, die sich über einen so langen Zeitraum derart treu geblieben ist wie diese. Ihre Beharrlichkeit mag für manche/n altmodisch erscheinen, überkommen, weniger interessant – wir finden, sie ist vor allem ehrlich. Und notwendiger denn je.
Slowthai: Nach dem Sturm [Update]
Es ist der Versuch einer Rückkehr. Die hätte Tyrone Kaymon Frampton aka. Slowthai auf diese Art eigentlich gar nicht nötig gehabt, doch nachdem er im vergangenen Jahr mit seinem grandiosen, grimeinfizierten Album "Nothing Great About Britain" mit Karacho durch die Decke ging, brannten bei dem Jungen kurzfristig die Sicherungen durch und er benahm sich während der Verleihung der NME Awards gegenüber der Moderatorin Katherine Ryan leider ziemlich daneben. Was folgte waren Rausschmiß, Shitstorm, Ächtung und viele Entschuldigungen. Nun, auch weil Ryan sich selbst für den zweifellos talentierten Kerl eingesetzt hatte, ist etwas Gras über die Sache gewachsen und offenbar Zeit für neues Material. Vor ein paar Tagen schon kam der Track "ENEMY" unter die Leute, heute nun folgte "MAGIC", entstanden in Zusammenarbeit mit Produzent Kenny Beats.
Update: Und wir ergänzen "BB (BODYBAG)".
Update: Und wir ergänzen "BB (BODYBAG)".
Donnerstag, 14. Mai 2020
Alison Mosshart: Nur eine Frage der Zeit [Update]
Die Quoten für eine Wette auf eine Soloplatte dieser Frau müssen ziemlich hoch gestanden sein. Denn Alison Mosshart ist keine, die nur auf einer Hochzeit tanzt und sich ansonsten brav zurückhält. Gemeinsam mit Jamie Hince hat sie bekanntlich die Rocktruppe The Kills ins Leben gerufen und auch bei The Dead Weather grätschte sie dem Jack White fein in die Parade - Powerfrau, sozusagen. Nun sieht es also ganz so aus, als ob sie bald ein eigenes Album präsentieren wollte, gerade hat sie mit "Rise" einen ersten Song veröffentlicht und das Video dazu auch gleich selbst produziert. Die eigentliche Premiere des Tracks gab es allerdings im Rahmen des Finales von "Sacred Lies", einem Drama mit Juliette Lewis, das gerade auf FacebookWatch gelaufen ist.
Update: Ein weiterer Song geht mit "It Ain't Water" ins Rennen, die Idee zum Video und die Produktion stammen von Mosshart selbst.
Update: Ein weiterer Song geht mit "It Ain't Water" ins Rennen, die Idee zum Video und die Produktion stammen von Mosshart selbst.
Abonnieren
Posts (Atom)