Savages
Support: Bo Ningen
Strom, München, 11. März 2016
Über ein kulturelles Überangebot in Sachen Populärmusik kann man sich ja in München eher nicht beschweren, selbst für Schmalspuransprüche gestaltet sich der Veranstaltungskalender in der Regel eher übersichtlich. Es gibt allerdings Tage, die aus dem Rahmen fallen – dieser Freitag war so einer, Berliner Verhältnisse, Super-Friday sozusagen, da hieß es, das richtige Kreuz zu setzen. Zur Auswahl standen immerhin Ben Frost, australischer Experimental-Elektroniker, das German Wunderkind Konstantin Gropper alias Get Well Soon, die englischen Style-Ikonen Tindersticks und der Post-Punk der Savages. Es empfahl sich, mit der Entscheidung nicht allzu lange zu warten, denn zumindest die beiden letzten Termine waren restlos ausverkauft – der Veranstalter hatte für die Londoner Frauenkapelle erfreulicherweise eine erstaunlich kleinen Club gewählt, wer da war, dem kam das sicher zu passe.
Nun hat es sich die Kritik ja zur leidigen Angewohnheit gemacht, über Vorbands wenige bis keine Worte zu verlieren, bei Bo Ningen verbietet sich das aus zweierlei Gründen: Zum einen gehört die japanische Progrockband seit Jahren zu den engeren Vertrauten der Savages, gemeinsam haben sie vor zwei Jahren immerhin das Album „Words To The Blind“ aufgenommen und Sängerin Jehnny Beth hält, das betonte sie auch an diesem Abend, große Stücke auf die vier Herren, die ursprünglich aus Tokio stammen, mittlerweile aber ihre Wahlheimat in der englischen Hauptstadt gefunden haben. Darüberhinaus macht das Quartett, das sein Publikum bekanntlich gern mit femininer Kleiderwahl irritiert, einen Höllenlärm, der zwischen Blues, Metal und kreischenden Hardrockanleihen gekonnt umherspringt – allein der letzte Song dauerte eine gefühlte halbe Stunde und endete in einer Art spaßig-gruseligem Gitarren-Harakiri.
In punkto Wucht und Leidenschaft standen ihnen die Savages in nichts nach, die Bühne in kaltes und grelles Licht getaucht, legte das Quartett eine Art Blitzstart hin. Wer die Damen vor drei Jahren während ihrer Tour zum hochgelobten Debüt „Silence Yourself“ gesehen hatte, konnte unschwer ein deutliches Plus an Energie und Selbstsicherheit erkennen. Wirkten sie damals noch leicht unterkühlt und distanziert, hatten sie jetzt die Crowd im Handumdrehen hinter sich und eine deutlich aufgeräumtere Jehnny Beth konnte die Moshpit nach Belieben von der Bühne aus dirigieren. Die Rollen waren ohnehin klar verteilt, Gemma Thompson übernahm an der Gitarre die Rolle der Stoischen und Unnahbaren, Fay Milton hinter den Drums drosch munter drauf los und die wunderbare Bassistin Ayse Hassan wiegte sich unentwegt sanft im Takt der Stücke und lächelte sonst zumeist selbstvergessen in sich hinein.
Den Job der Einheitzerin hatte Beth sich ganz klar selbst zugeteilt – ohne Pause gestikulierte und sprang sie am Bühnenrand umher, einer Furie gleich spuckte und schrie sie die Worte zu Songs wie „Shut Up“, „Husbands“, „Evil“, „Hit Me“ und „The Answer“ in Richtung Zuhörer und wenn sie ihnen nicht ab und an ein gewinnendes Lächeln hinterhergeschickt hätte – man wäre vor Angst schier erstarrt. So aber wogte der aufgeputschte Saal nach ihrem Geheiß wild durcheinander, der Sound war kantig und aggressiv (und manches Mal fehlte es einem fast an einer tröstenden Melodie) – dass sie sich gegen Ende selbst von dieser tosenden Menge tragen ließ, zeugt, läßt man das übliche Rockstarkalkül mal beiseite, auch von verwegenem Mut, der einem gehörigen Respekt abnötigte. Mit dem anrührenden Statement „Adore“ und einem furionsen „Fuckers“ beschlossen die Savages den berauschenden Abend und wer vor Ort war wußte nun, dass er/sie nicht die schlechteste Wahl getroffen hatte.
PS: Zu klären wäre, ob sich Beth nach der Show noch mit einem Expresstaxi in die Kammerspiele fahren ließ, um dort an der Seite von Stuart Staples das herrliche Duett „We Are Dreamers“ aufzuführen – wenn man denn schon mal zur gleichen Zeit in der selben Stadt gastiert? Wer’s weiß, gibt bitte Laut …
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