Sonntag, 10. November 2019

Ganser: Erneuter Ausbruch

Ganser
„You Must Be New Here“
(Bandcamp)

Man darf annehmen, dass es Musikern ein diebisches Vergnügen bereitet, Erwartungen zu unterlaufen. Natürlich kann sich das nur leisten, wer genügend auf Kante gelegt hat und/oder über ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein verfügt. Denn anders als landläufig unterstellt können längst nicht alle Bands in Duck’schen Millionen baden, mit dem Privatjet von Gig zu Gig reisen oder nobelklassige Hotelsuiten buchen. Ganz davon abgesehen, dass solche Sachen bei Menschen halbwegs normalen Verstandes auf der Liste der erstrebenswertesten Dinge sicher nicht in den Top Five gerankt sind. Bei Ganser, der vierköpfigen Formation aus Chicago zum Beispiel, dürfte es Zuhörer*innen denkbar schwerfallen, eine passende Kategorie für ihrern Stil zu benennen. Post-Punk muß ja heutzutage für alles herhalten, worauf in der Eile kein Etikett zu kleben ist, und natürlich trifft es auch hier nicht die Falschen. Doch genauso spielen Nadja Garofalo, Alicia Gaines, Brian Cundiff und Charlie Landsman mit Versatzstücken aus Punk, No-Wave, Garage und sogar Goth (auch wenn sie letzteres eher belustigt zur Kenntnis nehmen). Seit seiner Gründung vor vier Jahren hat das Quartett mehrere EP und 2018 dann das großartige Debüt „Odd Talk“ veröffentlicht, dessen Songs angenehm schroff daherkamen, ganz so, als ob die Band einer allzu schnellen Vereinnahmung durch gierige A&R-Scouts auf der Suche nach mehrheitsfähigem Indiefutter entgegentreten wollte.



 Auf dem neuen Kurzformat „You Must Be New Here“ nun geben sie sich etwas weniger kantig, Melodien treten deutlicher hervor und die vier Songs überraschen durchaus mit einer gewissen Eingängigkeit. Konstanten gibt es dennoch zu hören – Gaines‘ Bass wummert so herrlich wie immer, die Drums von Cundiff sind gewohnt druckvoll und Landsmans Leadgitarre gönnt sich ein paar schiefe Momente. Wer mag, darf sich wieder ein paar Referenzen notieren, beim wunderbaren „Buio“ Anklänge bei The Cure, „Act Natural“ kommt mit ein paar DEVO-Verweisen daher und das Eingangsriff des Titelstücks hätte Joey Santiago von den Pixies auch nicht besser hingebracht. Die Texte dazu bleiben rätselhaft. „Motivational Speaking“ beispielsweise erzählt von den täglichen Routinen, von den Wiederholungen, die das Leben manchmal wie einen unendlichen Kreislauf von irrer Geschwindigkeit erscheinen lassen – kein Entkommen, kaum Kraft und Antrieb für die nächste Runde: „Life cycles, spin dry, every day a caricature, a picture of a picture of a picture of a picture. Speak repeat, speak repeat (turn on, turn off, turn in)“. Es scheint, als sei Ganser mit dieser 12“ ein neuerlicher, fulminanter Ausbruch gelungen, energiegeladen, abwechslungsreich – von Langeweile oder Eintönigkeit ist hier so gar nichts zu spüren.



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