Lorde
„Melodrama“
(Universal)
Das ist ja das Schöne an dieser Platte: Mit gerade mal Anfang zwanzig bestimmt die Neuseeländerin das Melodrama zum sinnstiftenden Thema ihres zweiten Albums und besingt dort auch fast ausschließlich das, was Menschen ihres Alters als dramatisch gilt: Beziehungschaos, Liebeswirren, persönliche Enttäuschungen, Sinnsuche. Und ohne jetzt Adele zu nahe treten zu wollen – bei ihr hätte das dann auch nach reichlich Melodrama geklungen. Lorde hingegen bastelt daraus mit Jack Antonoff aka. Bleachers, ihrem Produzenten und Kollaborateur, eine der vermutlich besten Popplatten dieses Sommers. Keine wohlgemerkt, die vor lauter Glückseligkeit durch Blumenwiesen hüpft, dafür sind die verhandelten Gefühlswelten dann doch zu ernst geraten. Dicke, schwerfällige Bassbeats gehören hier eher zur Grundausstattung, Lorde mischt, mal mit Flume, später Jean Benoit Dunckel, den gefälligen, schönen Melodien allerlei Versatzstücke des Trip-Hop bei und selbst ihr Gesang nimmt sich mit vorsichtig angedeuteten Rapversuchen so seine Freiheiten.
Überhaupt: ihre Stimme. Wo Adele oder gerade eben auch Hannah Reid von London Grammar diese zum einzig bestimmenden Stilmittel ihrer Songs machen und sie so ein Stück weit ihrer Wandelbarkeit und möglicher Überraschungen berauben, geht Lorde etwas andere Wege. Obschon sie sich, was Klangfarbe und Volumen angeht, hinter den beiden genannten Damen keineswegs verstecken muß, ist sie klug genug, den Tracks genügend instrumentales Eigenleben zu verpassen. Das Piano als Taktgeber für den flotten Dancepop von „Greenlight“, wenig später ‘stripped down‘ bei ihrer Balladenpremiere „Liability“, hier die kurze Gitarreneinlage für den hübschen Abba-Moment im Schlußteil von „The Louvre“, dort dissonante, düstere Industrial-Loops, die eine zerbrochene Beziehung genauso schmerzhaft klingen lassen, wie sie sich auch anfühlt („Hard Feelings“/“Loveless“).
Es ist trotz der vielen Spielereien ähnlich dem Vorgänger "Pure Heroine" wieder ein sehr ernstes Album geworden, das den Namen des wohl schönsten Stückes „Sober“ als Klammer über die gesamte Länge trägt. Texte, geschrieben an der Wegscheide zwischen unbeschwerter Jugend und unvermeidlichem Übertritt ins selbstbestimmte, spannende, aber eben bisweilen auch ziemlich glanzlose, mühevolle Leben einer Erwachsenen. Daß sie dabei am Ende fast klingt wie ihre eigene Mutter, läßt sich wohl nicht vermeiden: „All of the things we're taking 'cause we are young and we're ashamed, send us to perfect places. All of our heroes fading, now I can't stand to be alone – let's go to perfect places…“, die Erfahrung muß wohl jede/r machen und das fühlt sich nicht gut an, sondern immer auch ein bisschen wie der Verrat an der eigenen Vergangenheit. Auf dem Weg zu einer wirklich ernstzunehmenden Künstlerin, das kann man hier schon hören, ist sie damit aber schon einen großen Schritt vorangekommen. https://lorde.co.nz/
11.10. München, Zenith
14.10. Köln, Palladium
15.10. Berlin, Tempodrom
1 Kommentar:
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