Sonntag, 28. Februar 2021

Messer: Die neue Lust

Gibt es sie denn tatsächlich, die neue Lust an der Elektrifizierung im Allgemeinen, an der Clubmusik im Speziellen? Wenn man offenen Ohres durch die Musiklandschaft dieser Tage wandert, dann hört man auffällig oft von Beispielen, die diese These stützen. Und zwar von Künstler*innen, denen man einen solchen Schritt nicht unbedingt zugetraut hätte. Nun gut, dass die Sleaford Mods tanzbarer, poppiger geworden sind, hatte sich über einen längeren Zeitraum angedeutet, ihr Equipment bestand ja ohnehin schon kaum aus klassischem Instrumentarium, die Beats stammten also schon vorher - um es mal unzulässig zu verallgemeinern - meistenteils aus der Steckdose. Dass allerdings Nick Cave und auch die Tindersticks auf ihren neuen Alben mit Tanzmusik im weiteren Sinne überraschen, ist neu. Und beidenteils erfreulich. Auch eine eher traditionell verortete Post-Punk/Art-Rock-Band wie Ganser aus Chicago hat derzeit viel Spaß daran, die Stücke ihrer letzten Platte ambitionierten Remixern zur Nachbearbeitung zu überlassen. Mit der Pandemie hat das alles wohl nur bedingt zu tun, denn Neugier und Experimentierfreude entspringen schließlich nicht den äußeren Umständen, sondern sollten dem Selbstverständnis der Musiker*innen geschuldet sein. Und doch - elektronische Musik ist bei weitem lockdown-tauglicher als ein komplettes Band-Outfit, Proberäume sind für diesen Fall vernachlässigbar und, noch wichtiger, es gelingt auf diese Weise, im Gespräch, in Bewegung zu bleiben.

Neuestes Beispiel: die Münsteraner Band Messer. Im vergangenen Jahr veröffentlichte sie ihr viertes Album "No Future Days" und schon das erschien uns, anders als noch die beiden ersten Platten, als Gestaltenwandler zwischen den Genregrenzen. Keine Ausschließlichkeit mehr, sondern Durchlässigkeit, viel Raum für experimentelle Klänge, Spannungsaufbau durch Stilvermischung. Ihr Drummer Philipp Wulf war es dann, der den fruchtbaren Kontakt zum Freund und Kollegen Kimmo Saastamoinen aka. Toto Belmont, seines Zeichens finnischer Produzent, herstellte. Und gemeinsam mit der restlichen Band wurde so langsam die Idee geboren, das komplette letzte Album als Dub-Version neu zusammenzusetzen und einzuspielen. Das Ergebnis ist, soviel wollen wir hier schon mal spoilern, ein wahrer Glücksfall geworden, die Songs, jetzt eher Tracks, spiegeln einen neuen Kontext und erhalten ein ungekannte Tiefe und, auch das soll kein Geheimnis bleiben, einen wunderbaren Groove. Ein erstes Beispiel können wir aber von Erscheinen des ganzen Werkes am 9. April bei Trocadero heute schon präsentieren, hier gern auch in der Gegenüberstellung - "Versiegelter Dub II" 2021 meets also "Versiegelte Zeit" 2020.  






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