Was sollen wir sagen: Das ging schnell. Ein neues Album von den Fontaines D.C. aus Dublin. Dabei ist das phänomenale Debüt "Dogrel" noch nicht mal ein Jahr alt. Das macht einen stutzig, klar, weil man so viele Geschichten gehört und erlebt hat, wo es auf der Suche nach dem schnellen Erfolg noch schneller den Bach runter ging. Muss natürlich nicht sein. "A Hero's Death", die zweite Platte, die am 31. Juli kommt, enthält elf neue Stücke und geht es nach dem Titelsong, könnte durchaus etwas draus werden. "Live ain't always empty" heißt es dort, Sänger Grian Chatten wiederholt den Satz fast beschwörend und wer will, darf das gern als Kommentar zur Krisenzeit verstehen. Die Hauptrolle im Video von Hugh Mulhern hat übrigens der irische Schauspieler Aidan Gillen (The Dark Knight Rises, Maze Runner, Peaky Blinders) übernommen.
Update: Diesmal also mal was Bedächtigeres - die Fontaines D.C. mit ihrer zweiten Single "I Don't Belong" vom sehnsüchtig erwarteten zweiten Album ... und kurz darauf noch die Nummer drei "Televised Mind".
16.03. München, Backstage
19.03. Berlin, Astra Kulturhaus
20.03. Hamburg, Gruenspan
26.03. Wiesbaden, Schlachthof
27.03. Köln, Live Music Hall
Dienstag, 30. Juni 2020
Ganser: Durch den Notausgang
Vieles hat sich verschoben in diesen Zeiten der Pandemie, nicht nur die Wahrnehmung der eigenen Lebensumstände, sondern auch ganz profane Dinge wie zum Beispiel die Zeitpunkte, zu welchen Musikerinnen und Musiker ihre Platten veröffentlichen. Das öffentliche Leben verlangsamt sich oder kam über längere Zeit fast gänzlich zum Erliegen, Produktionsroutinen konnten nicht wie gewohnt begonnen, fortgesetzt oder abgeschlossen werden, Promotion musste und muss neu gedacht werden, denn Releasekonzerte sind gerade keine Option. Das Warten erfordert auch auf der anderen Seite mehr Geduld, wer daheim auf das Erscheinen neuen Materials wartet - nicht selten eine der wenigen Freuden im sonst so trostlosen, weil eingeschränkten Alltag - braucht jetzt Ausdauer. So auch bei Ganser, Post-Punk-Formation aus Chicago. Deren zweites Album "Just Look At That Sky" ist, um es vorsichtig zu formulieren, mit einem leicht erhöhten Sehnsuchtsfaktor markiert und nun auf den 31. Juli via Felte terminiert. Bislang vorausgeschickt haben die vier die Singles "Bags For Life" und "Lucky", heute nun geht der Song "Emergency Equipment And Exits" raus. Das Video dazu hat die Band nahezu in Eigenregie in der Upper Westside ihrer Heimatstadt aufgenommen, in der Hauptrolle (weil auch Leadvocals) diesmal Bassistin Alicia Gaines. Durch die Hintertür in ein menschenleeres Industriegebiet, so wandert sie zu Zeilen wie "And it all seemed so big, so real, surreal, it's a long way down..." bis hin zu einer moorartigen, verwitterten Landschaft - David Lynch hätte seine Freude daran. Dass der Weg von Ganser mit diesem Song nicht durch den Notausgang, sondern weiter steil bergauf gehen wird, daran besteht für uns keinerlei Zweifel.
Sonntag, 28. Juni 2020
Sault: Exkurs und Farbenlehre
Sault
"Untitled (Black Is)"
(Forever Living Originals)
Eines der stärksten Statements zu Rassenhass und Polizeigewalt, beides (tatsächlich nicht ganz so überraschend) keine US-amerikanischen Phänomene, kommt dieser Tage von einer Formation, die in der öffentlichen Wahrnehmung zwar existiert, aber ganz bewusst keinen visuellen Zugriff erlaubt. Viele meinen zu wissen, wer sich hinter Sault verbirgt, Namen wie die des Londoner Produzenten Dean Josiah, der Sängerin Cleo Sol oder der Kanye-West-Kollaboratorin Kid Sister werden genannt, aber so wirklich Genaues weiß eigentlich niemand und selbst sonst exzellent vernetzte Journalisten und Insider tappen vorerst weiter im Dunkeln. Gut so und eben deshalb auch ein Trost, dass in Zeiten der vollumfänglichen und allzeitigen Verfügbarkeit von allem und jedem (wenn auch nur für mutmaßlich kurze Zeit) noch Geheimnisse gibt, die sich dem Drang zur Offenlegung entziehen. Und das nicht, so wird vermutet, um eines lustigen Verwirrspiels wegen oder um den Ehrgeiz der Presse herauszufordern. Sondern zugunsten einer Sache, die im Moment größer ist als jede/r einzelne, die oder der sie vertritt. An diesem expliziten Anliegen wiederum gibt es keinen Zweifel, denn über die üblichen Kanäle gab die Band Folgendes zu Protokoll: "We present our first ‘Untitled’ album to mark a moment in time where we as Black People, and of Black Origin are fighting for our lives. RIP George Floyd and all those who have suffered from police brutality and systemic racism. Change is happening…We are focused."
Ein klare politische Motivation und Ansprache also stecken hinter der Veröffentlichung dieser Platte, die nicht von ungefähr auf den sog. Juneteenth dieses Jahres fiel, das Jubiläum der Proklamation der Sklavenbefreiung also, die geballte Faust auf dem Cover sagt ein Übriges. Musikalisch ziehen sie dabei erneut sämtliche Register: Wie auch schon auf ihren letzten Alben "5" und "7", beide im vergangenen Jahr erschienen, mischen sie in knapp sechzig Minuten eine ungemein reichhaltige Palette von Stilen, Subgenres und Stimmungen - Gospel, Afrobeat, Funk, Trip-Hop, Jazz, Soul und R'n'B sind einige davon. Schwer wummernde Beats, unterlegt mit Sirenengeheul und Protestrufen, wechseln hier mit warmen, weichen Sprechpassagen, Chören oder düsteren Rhymes. Will man diese Vielfalt, diesen Klangkosmos vergleichen, landet man unweigerlich bei Platten von Massive Attack, Algiers oder Faithless und wird doch nur einem Teil von Sault gerecht. Thematisch ist "Untitled" ein Spiegel schwarzer Befindlichkeit der Jetztzeit - historische Bezüge, afrikanische Wurzeln, sehr viel Stolz, natürlich Klage und Wut, aber ebenso Zuversicht, Erlöserglaube und Aufruf zur Besonnenheit und Gewaltlosigkeit ("Don't Shoot Guns Down"). Eine Exkursion also und auch eine Lehrstunde, die sich aus aktuellem Anlass mit "Black is beautiful" nur einer einzigen Farbe widmet. Und hoffentlich ihre Wirkung nicht verfehlt.
"Untitled (Black Is)"
(Forever Living Originals)
Eines der stärksten Statements zu Rassenhass und Polizeigewalt, beides (tatsächlich nicht ganz so überraschend) keine US-amerikanischen Phänomene, kommt dieser Tage von einer Formation, die in der öffentlichen Wahrnehmung zwar existiert, aber ganz bewusst keinen visuellen Zugriff erlaubt. Viele meinen zu wissen, wer sich hinter Sault verbirgt, Namen wie die des Londoner Produzenten Dean Josiah, der Sängerin Cleo Sol oder der Kanye-West-Kollaboratorin Kid Sister werden genannt, aber so wirklich Genaues weiß eigentlich niemand und selbst sonst exzellent vernetzte Journalisten und Insider tappen vorerst weiter im Dunkeln. Gut so und eben deshalb auch ein Trost, dass in Zeiten der vollumfänglichen und allzeitigen Verfügbarkeit von allem und jedem (wenn auch nur für mutmaßlich kurze Zeit) noch Geheimnisse gibt, die sich dem Drang zur Offenlegung entziehen. Und das nicht, so wird vermutet, um eines lustigen Verwirrspiels wegen oder um den Ehrgeiz der Presse herauszufordern. Sondern zugunsten einer Sache, die im Moment größer ist als jede/r einzelne, die oder der sie vertritt. An diesem expliziten Anliegen wiederum gibt es keinen Zweifel, denn über die üblichen Kanäle gab die Band Folgendes zu Protokoll: "We present our first ‘Untitled’ album to mark a moment in time where we as Black People, and of Black Origin are fighting for our lives. RIP George Floyd and all those who have suffered from police brutality and systemic racism. Change is happening…We are focused."
Ein klare politische Motivation und Ansprache also stecken hinter der Veröffentlichung dieser Platte, die nicht von ungefähr auf den sog. Juneteenth dieses Jahres fiel, das Jubiläum der Proklamation der Sklavenbefreiung also, die geballte Faust auf dem Cover sagt ein Übriges. Musikalisch ziehen sie dabei erneut sämtliche Register: Wie auch schon auf ihren letzten Alben "5" und "7", beide im vergangenen Jahr erschienen, mischen sie in knapp sechzig Minuten eine ungemein reichhaltige Palette von Stilen, Subgenres und Stimmungen - Gospel, Afrobeat, Funk, Trip-Hop, Jazz, Soul und R'n'B sind einige davon. Schwer wummernde Beats, unterlegt mit Sirenengeheul und Protestrufen, wechseln hier mit warmen, weichen Sprechpassagen, Chören oder düsteren Rhymes. Will man diese Vielfalt, diesen Klangkosmos vergleichen, landet man unweigerlich bei Platten von Massive Attack, Algiers oder Faithless und wird doch nur einem Teil von Sault gerecht. Thematisch ist "Untitled" ein Spiegel schwarzer Befindlichkeit der Jetztzeit - historische Bezüge, afrikanische Wurzeln, sehr viel Stolz, natürlich Klage und Wut, aber ebenso Zuversicht, Erlöserglaube und Aufruf zur Besonnenheit und Gewaltlosigkeit ("Don't Shoot Guns Down"). Eine Exkursion also und auch eine Lehrstunde, die sich aus aktuellem Anlass mit "Black is beautiful" nur einer einzigen Farbe widmet. Und hoffentlich ihre Wirkung nicht verfehlt.
Haim: Angenehm ungeschminkt [Update]
Haim
„Women In Music Part III“
(Polydor)
Was jetzt eigentlich anders ist? Nun, genaugenommen gar nicht so viel. Es sind noch immer die drei Schwestern Danielle, Alana, Este, die seit acht Jahren gemeinsam auf der Bühne stehen und nimmt man das Ergebnis dieser Zusammenarbeit, die aktuelle, dritte Platte also, als Gradmesser, dann dürfte es um das familiäre Binnenklima derzeit besser denn je bestellt sein. Es gibt ja nicht wenige Stimmen, die behaupten, Haim hätten mit „Women In Music“ ihr bislang bestes Album abgeliefert. Schwer zu sagen, weil die Euphorie um ihr Debüt „Days Are Gone“ alles überstrahlte und der Nachfolger zwangsläufig einen schweren Stand haben musste. Dennoch: Je länger man sich mit der neuen Platte beschäftigt, desto mehr möchte man der vorangegangenen These zustimmen. Ernsthafter sind sie geworden, das lässt sich sagen – was sicher auch daran liegt, dass sie es (man hört es in vielen Interviews) ziemlich leid sind, jeder und jedem immer wieder erklären zu müssen, dass sie weit mehr sind als drei hübsche Girls, die zu gefällige Popmelodien die Hüften schwingen und für den Rest vorurteilsgemäß eine Entourage an Zuarbeiter*innen beschäftigen. Endlich als gute Musikerinnen, Songschreiberinnen wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden ist das Ziel – wer sich die aktuellen Videos anschaut und durch die Texte liest, entdeckt darin viele trotzige Blicke, Kommentare, Seitenhiebe, nicht von ungefähr treten die drei Schwestern mittlerweile der Öffentlichkeit im wortwörtlichen Sinne recht ungeschminkt entgegen.
Ein neues Selbstbewusstsein also ist es, was das neue Werk auszeichnet, beim Rest eher keine Experimente: Das Produzententeam nämlich ist unverändert – noch immer unterstützen die Langzeitfreunde Rostam Batmanglij und Ariel Rechtshaid das Trio maßgeblich bei der Entwicklung ihres Sounds, berät und betreut Regisseur Paul Thomas Anderson die visuelle Komponente. Das Klangspektrum von „Women In Music“ wurde ein wenig erweitert, zu Pop und Rock gesellen sich nun auch ein paar Jazzeinflüsse mit vereinzelten, sehr gelungenen Saxophonparts, gibt es Anleihen bei Soul und Funk („3am“) und selbst die Stimmen der drei werden schon mal vorsichtig verfremdet. All das passiert in kleinen Dosen, hier mal etwas Reggae („Another Try“), dort die karibischen Vampire-Weekend-Grooves („Los Angeles“/“Leaning On You“), nichts auf dem Album wirkt unbedacht oder übertrieben, im Vergleich zum Vorgänger wird nicht überproduziert, zählen Songidee und Inspiration mehr als der Ehrgeiz, die Sache perfekt machen zu wollen.
Denn diese Imperfektion ist es ja auch, die sie wie einen roten Faden durch die Songs der Platte laufen lassen. Beziehungslieder haben Haim schon immer gemacht, diese hier bilden auf neue Weise das kaum planbare, nicht selten widersprüchliche Durcheinander der Gefühle und Emotionen ab, die Freundschaften, Partnerschaften nun mal ausmachen. Und sie setzen dazu dem tradierten Rollenverständnis stärker als zuvor die weibliche Selbstbehauptung, das gewachsene Selbstverständnis entgegen. Fast jeder Song, sei es „The Steps“, „I Know Alone“, „Gasoline“ oder „Don’t Wanna“ spiegelt diese Entwicklung wider, zeigen deutlich, dass die Entscheidungshoheit heutzutage nicht mehr vom Geschlecht, sondern von innerer Reife und Stärke bestimmt wird. Und dass weiterhin bestehende Vorurteile (siehe „Man From A Magazine“) nicht nur überholt, sondern ermüdend und frustrierend sind. Kein Wunder also, dass sich selbst Haim einen PAEC-Aufkleber und ein paar e-Markierungen auf Spotify ehrlich verdient haben – es steht ihnen gut. Und wenn zu diesen deutlicheren Worten dann noch, wie bei „FUBT (Fucked Up But True)“, so schöne Einfälle wie die Purple-Rain-Schmachtgitarre kommen, haben sie für den Moment wieder mal alles richtig gemacht.
Update: Workout scheint bei den dreien ein wichtiges Thema zu sein, im Video zur aktuellen Single "Don't Wanna" treffen sie sich jedenfalls zu geschwisterlichen Wettlauf.
„Women In Music Part III“
(Polydor)
Was jetzt eigentlich anders ist? Nun, genaugenommen gar nicht so viel. Es sind noch immer die drei Schwestern Danielle, Alana, Este, die seit acht Jahren gemeinsam auf der Bühne stehen und nimmt man das Ergebnis dieser Zusammenarbeit, die aktuelle, dritte Platte also, als Gradmesser, dann dürfte es um das familiäre Binnenklima derzeit besser denn je bestellt sein. Es gibt ja nicht wenige Stimmen, die behaupten, Haim hätten mit „Women In Music“ ihr bislang bestes Album abgeliefert. Schwer zu sagen, weil die Euphorie um ihr Debüt „Days Are Gone“ alles überstrahlte und der Nachfolger zwangsläufig einen schweren Stand haben musste. Dennoch: Je länger man sich mit der neuen Platte beschäftigt, desto mehr möchte man der vorangegangenen These zustimmen. Ernsthafter sind sie geworden, das lässt sich sagen – was sicher auch daran liegt, dass sie es (man hört es in vielen Interviews) ziemlich leid sind, jeder und jedem immer wieder erklären zu müssen, dass sie weit mehr sind als drei hübsche Girls, die zu gefällige Popmelodien die Hüften schwingen und für den Rest vorurteilsgemäß eine Entourage an Zuarbeiter*innen beschäftigen. Endlich als gute Musikerinnen, Songschreiberinnen wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden ist das Ziel – wer sich die aktuellen Videos anschaut und durch die Texte liest, entdeckt darin viele trotzige Blicke, Kommentare, Seitenhiebe, nicht von ungefähr treten die drei Schwestern mittlerweile der Öffentlichkeit im wortwörtlichen Sinne recht ungeschminkt entgegen.
Ein neues Selbstbewusstsein also ist es, was das neue Werk auszeichnet, beim Rest eher keine Experimente: Das Produzententeam nämlich ist unverändert – noch immer unterstützen die Langzeitfreunde Rostam Batmanglij und Ariel Rechtshaid das Trio maßgeblich bei der Entwicklung ihres Sounds, berät und betreut Regisseur Paul Thomas Anderson die visuelle Komponente. Das Klangspektrum von „Women In Music“ wurde ein wenig erweitert, zu Pop und Rock gesellen sich nun auch ein paar Jazzeinflüsse mit vereinzelten, sehr gelungenen Saxophonparts, gibt es Anleihen bei Soul und Funk („3am“) und selbst die Stimmen der drei werden schon mal vorsichtig verfremdet. All das passiert in kleinen Dosen, hier mal etwas Reggae („Another Try“), dort die karibischen Vampire-Weekend-Grooves („Los Angeles“/“Leaning On You“), nichts auf dem Album wirkt unbedacht oder übertrieben, im Vergleich zum Vorgänger wird nicht überproduziert, zählen Songidee und Inspiration mehr als der Ehrgeiz, die Sache perfekt machen zu wollen.
Denn diese Imperfektion ist es ja auch, die sie wie einen roten Faden durch die Songs der Platte laufen lassen. Beziehungslieder haben Haim schon immer gemacht, diese hier bilden auf neue Weise das kaum planbare, nicht selten widersprüchliche Durcheinander der Gefühle und Emotionen ab, die Freundschaften, Partnerschaften nun mal ausmachen. Und sie setzen dazu dem tradierten Rollenverständnis stärker als zuvor die weibliche Selbstbehauptung, das gewachsene Selbstverständnis entgegen. Fast jeder Song, sei es „The Steps“, „I Know Alone“, „Gasoline“ oder „Don’t Wanna“ spiegelt diese Entwicklung wider, zeigen deutlich, dass die Entscheidungshoheit heutzutage nicht mehr vom Geschlecht, sondern von innerer Reife und Stärke bestimmt wird. Und dass weiterhin bestehende Vorurteile (siehe „Man From A Magazine“) nicht nur überholt, sondern ermüdend und frustrierend sind. Kein Wunder also, dass sich selbst Haim einen PAEC-Aufkleber und ein paar e-Markierungen auf Spotify ehrlich verdient haben – es steht ihnen gut. Und wenn zu diesen deutlicheren Worten dann noch, wie bei „FUBT (Fucked Up But True)“, so schöne Einfälle wie die Purple-Rain-Schmachtgitarre kommen, haben sie für den Moment wieder mal alles richtig gemacht.
Update: Workout scheint bei den dreien ein wichtiges Thema zu sein, im Video zur aktuellen Single "Don't Wanna" treffen sie sich jedenfalls zu geschwisterlichen Wettlauf.
ARCA vs. Rosalía: Spannende Kombi [Update]
Diese Kollaboration kam dann doch etwas überraschend: Nachdem erst kürzlich die lang erwartete Zusammenarbeit von Rapper Travis Scott und Rosalía die Runde machte, geht nun eine weitaus ungewöhnlichere Kombination ins Rennen, denn auf dem aktuellen, vierten Album "KiCk i" von Popavantgardistin ARCA wird sich auch der Track "KLK" befinden, den die spanische Künstlerin mit eingesungen hat. Bislang sind von der Platte, die am 26. Juni bei XL Recordings erscheinen soll, die Stücke "Mequetrefe", "Nonbinary" und "Time" bekannt, mit Spannung erwartet wird zudem noch ein Duett mit Langzeitfreundin und Kollegin Björk.
Update: Da vervollständigen wir gern - hier kommt (siehe unten) noch die Zusammenarbeit mit Björk für den Song "Afterwards".
Update: Da vervollständigen wir gern - hier kommt (siehe unten) noch die Zusammenarbeit mit Björk für den Song "Afterwards".
Mittwoch, 24. Juni 2020
Joseph Boys: Ohne Schnörkel
Der Schlußakkord ist heute der Punkband Joseph Boys aus Düsseldorf vorbehalten. Im Frühjahr vergangenen Jahres hat die mit "Rochus" ein wirklich feines Brett abgeliefert, zackiger Riffrock, anständige Texte, vorn drauf das markante Ei der Rochuskirche aus dem Stadtteil Pempelfort. Und wie als hätten sie's gewußt, packten sie ganz ans Ende der Platte noch den Song "Allegleich", eine amtliche Ansage, die ohne viele Schnörkel auskommt. Und die gerade (leider) wieder mal nötiger denn je ist. Also gibt es nun noch ein Video. Mehr muß man dazu nicht sagen - einfach anschauen, spricht für sich. Und für uns sowieso.
Jesu: Sanfte Dröhnung
Hart sind bei unserem nächsten Gast erst mal nur die Namen und die damit verbundenen Erinnerungen: Justin K. Broadrick nämlich war Mitte der Achtziger Gitarrist bei der Death-Metal-Kapelle Napalm Death und später in ähnlicher Funktion bei Godflesh, einer wilden Stilmischung aus Hip-Hop, Industrial, Breakbeat und Metal. Er hat gemeinsam mit Sun Kil Moon und Kevin Martin kollaborative Alben aufgenommen, seit 2004 ist er unter dem Moniker Jesu aber auch solistisch tätig. Zuletzt erschien 2013 von ihm die Platte "Everyday I Get Closer To The Light From Which I Came", nun ist wohl eine neue EP namens "Never" im Anmarsch. Von der hat er einen ersten, sechseinhalbminütigen Song mit dem Titel "Because Of You" veröffentlicht, ein schwerblütiges, droniges Shoegazing-Monster samt Video unter Regie von Chariot Of Black Moth.
Dienstag, 23. Juni 2020
Fenne Lily: Verheißungsvoll
Unbedingt hörenswert, das läßt sich jetzt schon sagen, wird das neue Album dieser jungen Dame aus Bristol: Fenne Lily, so ihr Name, hat 2016 mit verschiedenen Auftritten auf Festivals begonnen, Freunde für ihre Art von Indie-Folk zu finden. 2018 erschien ihr Debütalbum "On Hold" und die mittlerweile ansehnlich gewachsene Fangemeinde war schwer begeistert. Das wird sich auch mit dem Nachfolger "BREACH" nicht ändern, den die Britin im September bei ihrem neuen Label Dead Oceans veröffentlichen wird. Zwei Songs waren bislang von diesem bekannt, zu "Hypochondriac" und "To Be A Woman Pt.2" gesellt sich heute das wunderschöne "Alapathy".
TRIXSI: Zwischen Spaßpunk und Randalerock
TRIXSI
„Frau Gott“
(Glitterhouse Records)
Wie sagt man’s wohl am besten, ohne gleich den Spielverderber zu geben? Nun, die Freude war durchaus groß, als es hieß, da hätte sich eine bunte Truppe an Musikern verschiedener Bands zusammengetan, um ihrer Spielfreude die lange Leine und dem klischeebehafteten Genre des Deutschrock einen neuen Anstrich zu geben. Paul Konopacka, Torben Leske, Kristian Kühl und Klaus Hoffmann (ergo Jupiter Jones, Findus, Herrenmagazin) warfen ihren Hut in den Ring und – die wohl wichtigste Personalie – Jörkk Mechenbier von der Trierer Punk-Kapelle Love A das Mikrophon hinterher, es war ein großes Versprechen. „Bisschen Keller, bisschen dreckig, bisschen Rock, ganz viel Hamburg“ sollte es werden und als die erste Single „Wannabe“ hereinplatzte, schien die Sache aufgegangen zu sein. Ordentlich knackige Riffs, gutes Tempo und ein paar zornige Verse an eine Gesellschaft aus Fingerzeigern, Meinungsfaulen und Mitläufern („Ein jeder läßt sich vor den Karren spannen, doch der Karren steckt weiter im Dreck, so kann man nicht mal gegen Wände fahrn, so kann man nie mehr hier weg“, und weiter: „Frag nicht, was sie verkaufen, frag dich lieber: Was kaufst du?“
Dass der gute Eindruck nicht über die ganze Spiellänge vorhält, liegt verzwickterweise auch an Mechenbier selbst. Denn wer seine zerknirschte, fiebrige Performance bei Love A im Laufe der Jahre schätzengelernt hat, die/der wird sich mit dem Großteil der Songs auf diesem Album, die weniger auf Nachdenklichkeit und mehr auf Krawall gebürstet sind, vielleicht etwas schwertun. Zu beiläufig und uninspiriert oftmals die Texte, an anderer Stelle dann wieder zu plakativ – der Titelsong „Frau Gott“ will wohl provozieren, wirkt aber leider recht bemüht („Ich hab von Gott geträumt, sie war schwarz, sie war lesbisch, sie war ziemlich müde…“), der Report vom Raser als versklavtem „Wichser auf der Autobahn“ läßt auch nicht eben viele Zwischentöne übrig, „Menschen“ nervt derweil mit seiner übertriebenen Geschwätzigkeit. Und beim einzig wirklichen Hamburg-Bezug, den sie ja eingangs versprochen hatten, landen wir schlußendlich im „IroCityExpress“ mit Funpunk Marke Brieftauben, der irgendwie nicht mehr ganz zu den mittelalten Herren passen möchte. Möglich, dass diese Einschätzung furchtbar ungerecht ist und die neue Attitüde probehalber nicht nur den Musikern selbst gefällt (sonst hätten sie es ja wohl nicht versucht), sondern auch genügend Zuspruch findet. Zu festgefügte resp. Große Erwartungen sind jedenfalls in diesem Fall mal der schlechteste Ratgeber.
„Frau Gott“
(Glitterhouse Records)
Wie sagt man’s wohl am besten, ohne gleich den Spielverderber zu geben? Nun, die Freude war durchaus groß, als es hieß, da hätte sich eine bunte Truppe an Musikern verschiedener Bands zusammengetan, um ihrer Spielfreude die lange Leine und dem klischeebehafteten Genre des Deutschrock einen neuen Anstrich zu geben. Paul Konopacka, Torben Leske, Kristian Kühl und Klaus Hoffmann (ergo Jupiter Jones, Findus, Herrenmagazin) warfen ihren Hut in den Ring und – die wohl wichtigste Personalie – Jörkk Mechenbier von der Trierer Punk-Kapelle Love A das Mikrophon hinterher, es war ein großes Versprechen. „Bisschen Keller, bisschen dreckig, bisschen Rock, ganz viel Hamburg“ sollte es werden und als die erste Single „Wannabe“ hereinplatzte, schien die Sache aufgegangen zu sein. Ordentlich knackige Riffs, gutes Tempo und ein paar zornige Verse an eine Gesellschaft aus Fingerzeigern, Meinungsfaulen und Mitläufern („Ein jeder läßt sich vor den Karren spannen, doch der Karren steckt weiter im Dreck, so kann man nicht mal gegen Wände fahrn, so kann man nie mehr hier weg“, und weiter: „Frag nicht, was sie verkaufen, frag dich lieber: Was kaufst du?“
Dass der gute Eindruck nicht über die ganze Spiellänge vorhält, liegt verzwickterweise auch an Mechenbier selbst. Denn wer seine zerknirschte, fiebrige Performance bei Love A im Laufe der Jahre schätzengelernt hat, die/der wird sich mit dem Großteil der Songs auf diesem Album, die weniger auf Nachdenklichkeit und mehr auf Krawall gebürstet sind, vielleicht etwas schwertun. Zu beiläufig und uninspiriert oftmals die Texte, an anderer Stelle dann wieder zu plakativ – der Titelsong „Frau Gott“ will wohl provozieren, wirkt aber leider recht bemüht („Ich hab von Gott geträumt, sie war schwarz, sie war lesbisch, sie war ziemlich müde…“), der Report vom Raser als versklavtem „Wichser auf der Autobahn“ läßt auch nicht eben viele Zwischentöne übrig, „Menschen“ nervt derweil mit seiner übertriebenen Geschwätzigkeit. Und beim einzig wirklichen Hamburg-Bezug, den sie ja eingangs versprochen hatten, landen wir schlußendlich im „IroCityExpress“ mit Funpunk Marke Brieftauben, der irgendwie nicht mehr ganz zu den mittelalten Herren passen möchte. Möglich, dass diese Einschätzung furchtbar ungerecht ist und die neue Attitüde probehalber nicht nur den Musikern selbst gefällt (sonst hätten sie es ja wohl nicht versucht), sondern auch genügend Zuspruch findet. Zu festgefügte resp. Große Erwartungen sind jedenfalls in diesem Fall mal der schlechteste Ratgeber.
Montag, 22. Juni 2020
Hayley Williams: Fällige Nachbearbeitung
Und wieder mal ist es Zeit für eine kleine Abbitte: Okay, wir haben Hayley Williams in den letzten Monaten zwar nicht unerwähnt gelassen, so richtig gefeiert wurde sie hier aber auch nicht. Und sie hätte es weiß Gott verdient. Für ihre aktuelle Platte "Petals For Armor", für ihren Groove, für ihr songwriterisches (sagt man so?) Gespür, für die Melodien - kurz: für wunderbaren Pop. Nachholen möchten wir die vergessene Lobhudelei anhand einer Reihe sehr feiner Remixe, die von den Singles des Albums bis heute erschienen sind. Da hätten wir also "Simmer" in der Version von Caroline Polachek, den Remix der Glass Animals von "Dead Horse" und eine ganz frische Version desselben von Hot Chip, ergänzen möchten wir noch mit dem toll choreographierten Video zu "Cinnamon" inklusive Dance Tutorial. Hätten wir also gleich drei der besten Songs noch einmal auf den Radar geschoben - den Rest kann dann wohl jede/r selbst übernehmen.
Sonntag, 21. Juni 2020
Public Enemy: Lagebericht
Wir bleiben beim Thema und kommen zu einer Clique, die mit Alben wie "It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back" und "Fear Of A Black Planet", mit Tracks wie "Bring The Noise" und "Fight The Power" an einer ganzen Epoche mitgeschrieben hat. Public Enemy haben also eine neue Single veröffentlicht und auch wenn gerade zu lesen war, dass es der Rap mit zunehmendem Alter seiner Protagonisten schwer hat, ist darin nichts zu hören, was nach Langeweile, Abnutzung oder fehlender Energie klänge. Kunststück natürlich, denn der Adressat von "State On The Union (STFU)" sitzt ja immer noch im Weißen Haus und befeuert mit seiner fürchterlich dilettantischen und gefährlichen Politik ungehindert Rassismus, Polizeigewalt und soziale Konflikte. Kein Grund nachzulassen demnach, bis der Typ aus dem Oval Office vertrieben ist, im günstigsten Falle dauert es bis dahin nur noch ein paar Monate. Public Enemy jedenfalls wollen ihren Teil dazutun.
Anderson .Paak: Mit seinen Mitteln
Die hohe Kunst aber, all der Gewalt, dem Geschrei und der Wut nicht eins zu eins zu antworten, sondern den aufgebrachten Gemütern mit Gefühl, Bedachtsamkeit, Nachdenklichkeit und Seele zu begegnen und trotzdem die Message bei all dem nicht zu vergessen, die gelingt in diesen Tagen nur wenigen. Einer davon ist Anderson .Paak, hochgelobter Musiker aus dem kalifornischen Oxnard. Seit 2010 künstlerisch tätig, gelang ihm der Durchbruch 2016 mit dem Album "Malibu", auf welchem Hip-Hip, Soul, RnB und Jazz eine höchst gelungene Vermählung feierten. Erst kürzlich war er an der Seite von Justin Timberlake für die "Trolls World Tour" mit der Single "Don't Slack" unterwegs, nun kommt von ihm aus weitaus ernsteren Gründen der beeindruckende Song "Lockdown". Unterstützt wurde Paak hier von Kollegen wie Syd, Dominic Fike, SiR, Andra Day, Doubfoundead und Jay Rock und man darf wohl behaupten, dass kaum ein Song aus den letzten Wochen die Situation des schwarzen Widerstandes gegen Rassenhass und Polizeiterror so gut auf den Punkt bringt wie dieser - und das wohlgemerkt, ganz ohne laut zu sein.
Samstag, 20. Juni 2020
Schmyt: Bewußt mitten rein
Da will wohl einer von der Traurigkeit nicht lassen. Nein, im Gegenteil, der Junge will offenbar mitten rein. Schon der erste Solosong "Niemand" von Julian Schmit aka. Schmyt zeugte mit seiner melancholischen bis selbstquälerischen Lyrik von diesem Vorhaben, kam wortwörtlich mit sagenhaften Bezügen und düsteren, maximal abgebremsten Beats daher. Und trotz der allumfassenden Dunkelheit war man froh, dass der Kerl seinen Job bei Rakede an den Nagel gehangen hat. Nun also via Jive Germany "Taximann", ein ebenso trostloser wie grandioser Zug um die Häuser. Sieht so aus, als sollte er mit der Masche Erfolg haben - nichts dagegen einzuwenden.
Dienstag, 16. Juni 2020
Idles: Härter gerockt
Dass ein neues Album auf dem Weg war, wußte man spätestens, als die erste Vorauskopplung "Mr. Motivator" aus den Boxen schepperte. Überraschend war dann heute eher das Hardrock-Outfit, in welchem die Platte am 25. September via Partisan Records unter die Leute geht: "Ultra Mono", das dritte Studiowerk der Idles aus Bristol (nach "Brutalism" und "Joy As An Act Of Resistance") kommt also mit ungewöhnlicher CI daher und wer das alles hübsch und aufregend findet, darf sich das Ganze in jeder nur erdenklichen Variante (sogar in Mono) gönnen. Budles satt also auf der bandeigenen Website, dazu mit "Grounds" eine weitere Single und die Ankündigung, Ende August drei exklusive Studiokonzerte zu spielen. Alles gut und schön, aber der aktuelle Konzertfilm "Don't Be Gentle" hat dann auch gezeigt, dass man die Jungs besser eye to eye sehen sollte - auch wenn's bis dahin wohl noch etwas dauern wird...
Sonntag, 14. Juni 2020
JARV IS: Entwicklungsfragen [Update]
Wegen der allgemeinen Retromanie und Reunionitis ist man immer ganz aufgeregt, wenn dieser Mann sich zu Wort meldet: Jarvis Cocker. Und zwar nicht etwa, weil man sich seine frühere Band Pulp wieder hergestellt wünschte, sondern weil man Angst davor hat, er würde es tun und wir müssten dann die Enttäuschung verarbeiten. Doch keine Bange, er macht vorerst unter eigenem Namen weiter oder besser unter dem leicht abgewandelten Kürzel JARV IS. Hinter diesem Pseudonym versammeln sich noch weitere Bandmitglieder, die erste Single nennt sich "Must I Evolve?" und ist ein ziemlich ausladendes Art-Pop-Abenteuer - und zwar kein schlechtes. Zu kaufen gibt es die 7" übrigens nur auf Livekonzerten.
Update: Nachdem wir dem Stück "House Music All Night Long" ja einen eigenen, späteren Post gewidmet haben, passt der neue Song dann wieder eher zu dieser Veröffentlichung - ebenso schräg und rätselhaft, hübsche Präse dazu - hier kommt "Save The Whale".
Update: Nachdem wir dem Stück "House Music All Night Long" ja einen eigenen, späteren Post gewidmet haben, passt der neue Song dann wieder eher zu dieser Veröffentlichung - ebenso schräg und rätselhaft, hübsche Präse dazu - hier kommt "Save The Whale".
Coriky: Die Wut der Besonnenen
Coriky
"Coriky"
(Dischord Records)
Wer bei der Besprechung dieser Platte ganz ohne nostalgische Zwischentöne auskommt, besitzt entweder das Talent zur totalen Reduktion oder ist, sehr viel wahrscheinlicher, um einiges zu jung oder einfach ein gefühlloser Klotz. Hier jedenfalls wird es das nicht geben. Wie auch, wenn man im Juli 1995 in der Hamburger Fabrik wohl das Konzert seines Lebens erleben durfte - mit dabei: Ian MacKaye und Joe Lally. Fugazi also. Wer diese Band aus Washington DC also jemals live gesehen, besser: gespürt hat, die ungebremste Wucht, mit der Lallys Bass und Guy Piciottos Gitarre ins Publikum fuhren, angetrieben von Brendan Cantys Schlägen und MacKayes schneidender Stimme, der wird das (zum Glück) seinen Lebtag nicht vergessen. Und natürlich sofort parat haben, sobald die ersten Töne von "Clean Kill" aus den Boxen stampfen. Schon 2015 hatte sich Lally mit Mac Kaye und dessen Ehefrau Amy Farina für erste Proben zusammengetan, lose Verabredungen, erst drei Jahre später dann erste Auftritte - all das ohne Versprechungen oder die übliche Label/Platte/Tour-Routine (Stichwort: Hintertür). Doch nun, weitere zwei Jahre später, nun doch ein gemeinsames Album. Natürlich bei MacKayes Label Dischord, natürlich mit Produzent Don Zientara, der auch schon Minor Threat, Embrace, Fugazi und The Evens betreute. Und mit dafür sorgte, dass "Coriky" nach beidem klingt - nach vertrauter Mischung und angenehm frischem Aufschlag.
Und natürlich sind die Dinge wieder dabei, die gerade Fugazi und The Evens auszeichneten - die brachialen Breaks, der schroffe Funk, die schiefe Melodik, dazu viele, kleinere Bluesanleihen und natürlich reichlich kluge, politische Denkanstöße. Farina, MacKaye und Lally waren schon zuvor keine Parolenprediger*innen und auch auf "Coriky" kommen sie lieber durch die Hintertür. Mit Geschichten wie die der Pilotin, die sich bei "Clean Kill" einzureden versucht, sie mache einen sauberen, nützlichen Job und die sich doch, schwer von Zweifeln geplagt, nach Reinigung, nach Läuterung sehnt. Oder gleich danach die dieser Tage oft erzählte Begegnung zweier alter Bekannter, die einander mehr und mehr fremd geworden sind. Ein jeder beharrt auf seiner Meinung, man dreht sich im Kreis und kommt keinen Schritt vorwärts, das einzige Ziel ist es, den anderen zu überzeugen und Recht zu behalten. MacKayne wirkt enttäuscht und verzweifelt, wenn er feststellt: "Hard to explain, feels like everybody's gone insane." Entfremdung, Selbsttäuschung, dauerndes Missverständnis - Erfahrungen, die jede/r auf die eine oder andere Art schon gemacht hat und die dennoch, egal ob Familie oder Freundeskreis, immer wieder schmerzhaft sind.
Trotz seiner unumstößlichen Überzeugungen ist MacKaye immer ein nachdenklicher, besonnener Mensch geblieben, Punk, Veganer, Straight Edge zwar mit ganzem Herzen, aber stets bereit, die Dinge zu hinterfragen, das eigene Handeln nicht aus den Überlegungen auszuschließen. Deshalb auch Songs wie "Have A Cup Of Tea", "BQM (Beginning to Question my Motives)" oder "Jack Says". Gesunder Zweifel, Misstrauen, Neujustierung, die vor Unbelehrbarkeit und Selbstbeweihräucherung schützen. Dass "Coriky" lange Zeit brauchte, um endlich veröffentlicht zu werden, zeigt auch, dass ein Song wie "Inauguration Day" darauf Platz fand, ein Stück, das mutmaßlich Bezug nimmt auf die Amtseinführung des jetzigen Präsidenten Donald Trump. Und das ist dann vielleicht der einzige Moment des Albums, wo sie doch etwas deutlicher werden: "There's some people here to see you, I don't think, they agree with you, one hundred thousand strong, standing out on the lawn", heißt es dort. Und, vielleicht als Vorgriff auf Kommendes zu verstehen: "What's surprising is the expectation, that we ever had a say, about who'd be standing on that carpet on inauguration day." Übrigens: Wer mehr über Ian MacKaye, seine musikalische Sozialisation, sein Leben als Musiker, Labelchef und Archivar und natürlich über die neue Platte erfahren möchte, gönnt sich das Interview mit dem (zugegeben: recht gewöhnungsbedürftigen) Moderator John Ruskin aka. Nardwuar (ganz nebenbei zerstreuen diese neunzig Minuten auch das eine oder andere Vorurteil gegenüber alten, weißen Amerikanern der Neuzeit, können also generell nicht schaden).
"Coriky"
(Dischord Records)
Wer bei der Besprechung dieser Platte ganz ohne nostalgische Zwischentöne auskommt, besitzt entweder das Talent zur totalen Reduktion oder ist, sehr viel wahrscheinlicher, um einiges zu jung oder einfach ein gefühlloser Klotz. Hier jedenfalls wird es das nicht geben. Wie auch, wenn man im Juli 1995 in der Hamburger Fabrik wohl das Konzert seines Lebens erleben durfte - mit dabei: Ian MacKaye und Joe Lally. Fugazi also. Wer diese Band aus Washington DC also jemals live gesehen, besser: gespürt hat, die ungebremste Wucht, mit der Lallys Bass und Guy Piciottos Gitarre ins Publikum fuhren, angetrieben von Brendan Cantys Schlägen und MacKayes schneidender Stimme, der wird das (zum Glück) seinen Lebtag nicht vergessen. Und natürlich sofort parat haben, sobald die ersten Töne von "Clean Kill" aus den Boxen stampfen. Schon 2015 hatte sich Lally mit Mac Kaye und dessen Ehefrau Amy Farina für erste Proben zusammengetan, lose Verabredungen, erst drei Jahre später dann erste Auftritte - all das ohne Versprechungen oder die übliche Label/Platte/Tour-Routine (Stichwort: Hintertür). Doch nun, weitere zwei Jahre später, nun doch ein gemeinsames Album. Natürlich bei MacKayes Label Dischord, natürlich mit Produzent Don Zientara, der auch schon Minor Threat, Embrace, Fugazi und The Evens betreute. Und mit dafür sorgte, dass "Coriky" nach beidem klingt - nach vertrauter Mischung und angenehm frischem Aufschlag.
Und natürlich sind die Dinge wieder dabei, die gerade Fugazi und The Evens auszeichneten - die brachialen Breaks, der schroffe Funk, die schiefe Melodik, dazu viele, kleinere Bluesanleihen und natürlich reichlich kluge, politische Denkanstöße. Farina, MacKaye und Lally waren schon zuvor keine Parolenprediger*innen und auch auf "Coriky" kommen sie lieber durch die Hintertür. Mit Geschichten wie die der Pilotin, die sich bei "Clean Kill" einzureden versucht, sie mache einen sauberen, nützlichen Job und die sich doch, schwer von Zweifeln geplagt, nach Reinigung, nach Läuterung sehnt. Oder gleich danach die dieser Tage oft erzählte Begegnung zweier alter Bekannter, die einander mehr und mehr fremd geworden sind. Ein jeder beharrt auf seiner Meinung, man dreht sich im Kreis und kommt keinen Schritt vorwärts, das einzige Ziel ist es, den anderen zu überzeugen und Recht zu behalten. MacKayne wirkt enttäuscht und verzweifelt, wenn er feststellt: "Hard to explain, feels like everybody's gone insane." Entfremdung, Selbsttäuschung, dauerndes Missverständnis - Erfahrungen, die jede/r auf die eine oder andere Art schon gemacht hat und die dennoch, egal ob Familie oder Freundeskreis, immer wieder schmerzhaft sind.
Trotz seiner unumstößlichen Überzeugungen ist MacKaye immer ein nachdenklicher, besonnener Mensch geblieben, Punk, Veganer, Straight Edge zwar mit ganzem Herzen, aber stets bereit, die Dinge zu hinterfragen, das eigene Handeln nicht aus den Überlegungen auszuschließen. Deshalb auch Songs wie "Have A Cup Of Tea", "BQM (Beginning to Question my Motives)" oder "Jack Says". Gesunder Zweifel, Misstrauen, Neujustierung, die vor Unbelehrbarkeit und Selbstbeweihräucherung schützen. Dass "Coriky" lange Zeit brauchte, um endlich veröffentlicht zu werden, zeigt auch, dass ein Song wie "Inauguration Day" darauf Platz fand, ein Stück, das mutmaßlich Bezug nimmt auf die Amtseinführung des jetzigen Präsidenten Donald Trump. Und das ist dann vielleicht der einzige Moment des Albums, wo sie doch etwas deutlicher werden: "There's some people here to see you, I don't think, they agree with you, one hundred thousand strong, standing out on the lawn", heißt es dort. Und, vielleicht als Vorgriff auf Kommendes zu verstehen: "What's surprising is the expectation, that we ever had a say, about who'd be standing on that carpet on inauguration day." Übrigens: Wer mehr über Ian MacKaye, seine musikalische Sozialisation, sein Leben als Musiker, Labelchef und Archivar und natürlich über die neue Platte erfahren möchte, gönnt sich das Interview mit dem (zugegeben: recht gewöhnungsbedürftigen) Moderator John Ruskin aka. Nardwuar (ganz nebenbei zerstreuen diese neunzig Minuten auch das eine oder andere Vorurteil gegenüber alten, weißen Amerikanern der Neuzeit, können also generell nicht schaden).
Samstag, 13. Juni 2020
Azealia Banks: Neue Hoffnung?
Da haben sie recht bei Brooklyn Vegan: Von Azealia Banks hörte man die letzen Jahre fast immer nur dann etwas, wenn sie mit dieser oder jener (seltener diesem oder jenem) ein Beef ausfechten mußte, musikalisch war leider eher tote Hose. Abgesehen von ein paar kurzen Zwischenmeldungen, von denen wir in Folge einige auflisten möchten (aus alter Verbundenheit quasi): So die Tracks "Nirvana", "1-800-Nu-Checks", "Salchichon", eine neuerliche Veröffentlichung des Interpol-Songs "Slow Hands" (eigentlich 2010), das Feature bei The Real Yung Honcho oder den eher untypischen House-Bouncer "Anna Wintour" aus dem Jahr 2018. Und nun - Überraschung: "Black Madonna feat. Lex Luger", endlich mal wieder ein Stück von Format, gerade online gegangen und begleitet von der Hoffnung, die Lady möge ihr unzweifelhaftes Talent zukünftig etwas gezielter einsetzen.
Donnerstag, 11. Juni 2020
Coach Party: Wütende Stimmungskanonen [Update]
Und wo wir schon mal bei den Gitarren sind, können wir die vier hier ganz sicher noch unterbringen: Coach Party von der südenglischen Isle Of Wight sind in Sachen Tagesworkout so etwas wie Stimmungskanonen, denn zu dieser Art überdrehtem Grunge-Pop kann garantiert keine/r stillehalten. Am 12. Juni soll ihre Debüt-EP mit dem passenden Titel "Party Food" bei Chess Club erscheinen, sechs Lieder sollen drauf sein - neben den beiden bislang bekannten "Oh, Lola" und "Breakdown" kommt heute im Vorspann das Video zu "Space" dazu. Wenn wir Sängerin und Bassistin Jess Eastwood richtig verstanden haben, dann sind die animierten Tier-Armeen ihre Art, auf spielerische Weise mit Wut und Frustration der heutigen Zeit zurechtzukommen.
Update: Wir dürfen die Sammlung um die schöne Single "Bleach" ergänzen.
Update: Wir dürfen die Sammlung um die schöne Single "Bleach" ergänzen.
Mittwoch, 10. Juni 2020
Friends Of Gas: Um zu spüren, was zählt
Friends Of Gas
„Kein Wetter“
(Staatsakt)
Die Frage nach der Unverwechselbarkeit, sie stellt sich ja zunächst nur uns, die wir zuhören, die wir sofort vergleichen und urteilen wollen. Als Künstler*in hingegen ist man erst einmal bestrebt, alle Gedanken, Intentionen, die in einem nicht mehr nur schlummern, sondern rumoren, herausdrängen, in eine Form zu bringen, mit der man zuallererst selbst zufrieden ist, die einem als der passende Ausdruck erscheint. Ob das so schon jemand gemacht hat? Who cares! Auch bei der Münchner Formation Friends Of Gas wird das nicht anders sein, auch hier ist Unverwechselbarkeit also keineswegs Intention, gleichwohl aber Ergebnis. Denn man wird lange suchen müssen, um in der derzeitigen Musiklandschaft etwas Vergleichbares zu finden, das so roh, so unmittelbar und ungeschönt ist. Ja, Friends Of Gas machen es einem nicht einfach, sind sperrig und schwer zugänglich, allerdings vornehmlich dem, der sich keine Zeit lässt und die Mühe der Auseinandersetzung scheut. Die Platten des Quintetts, die vorliegende eingeschlossen, wirken stets so, als seien sie im Ganzen aus einem schrundigen, verwitterten Gesteinsblock herausgehauen worden – der Sound der Band, irgendwo zwischen Post-Punk, No-Wave und Noiserock, erscheint uns auf fast schon berauschende Weise organisch (und ist nebenbei auch ein Grund, warum man die Friends Of Gas, wenn schon nicht live, ausschließlich auf Vinyl wirklich genießen kann).
Alleinstellungsmerkmal also, wieder mal. Schon die letzte, fabelhafte EP „Carrara“ trug das Terrestrische im Namen, benannt nach einem längst verfallenen Ursprungsort italienischen Marmors, auch dort ist alles zerklüftet, gesprungen, aufgerissen, wund. Nicht anders bei „Kein Wetter“: Hier hat das Natürliche, auch und gerade das Menschliche, nichts Anmutiges, Beschauliches, Tröstliches, sondern ist vielmehr brutal, unabänderlich, schonungslos. Evolution also, in jedem der zehn grandiosen Stücke. Einatmen, Ausatmen, so einfach. Wobei es hier eher ein fortwährendes Röcheln, Keuchen, Rasseln, Pfeifen ist, passend zur markanten Stimme von Sängerin und Songschreiberin Nina Walser, ohne die diese Band schlicht nicht denkbar wäre. Schroffe Gitarren, fragmentierte Texte, die Rhythmen mal schleppend und bleiern, dann wieder als Treibjagd durch die endzeitlichen Kulissen. „Waldbrand“, „Graue Luft“, „Felder“, „Stechpalmenwald“, Abwasser – alles unwirtlich, abschreckend, bedrohlich, nichts dabei zum Innenhalten und Ausruhen.
Der Ver- und Zerfall des Menschen, dem "Schädling ohne Feind", der sein Unwesen treibt und seine Gesellschaft zugrunde richtet, das lässt sich als gnadenlose Beobachtung nur schwer aushalten. Und ist doch wahr und sehr gegenwärtig. Das „Draußen, zu Tode kultiviert“, auf das wir erschrocken und mit geweiteten Pupillen starren, unfähig umzukehren, die Richtung zu korrigieren, unterwegs von „bana“ nach „lität“, gefangen in den Zwängen und Ängsten unserer selbst. Die Frage nach „Kapital oder Kapitulieren“ ist längst keine mehr, die wir selbst in der Hand haben und Erlösung wird auch sie nicht bringen. Die Liebe, eigentlich doch letzte Zuflucht, erscheint nur noch als romantisiertes, medial gepimptes Trugbild, ist nur „ein von Hollywood gezüchtetes Monster“. Und das Herz? Verpflanztes Fleisch, pumpt, funktioniert (oder auch nicht) – hier taucht es in der Geschichte des Philip Blaiberg auf, einem weißen Südafrikaner, der sich als zweiter Mensch einer Transplantation unterzog, mit dem Organ eines jungen Schwarzen. Fortschritt? Welcher Fortschritt!?
Und das war es noch nicht einmal. Denn ganz am Schluß kommen mit „Im Bad“ und „Selber keine“ noch zwei Meisterwerke in Überlänge. Ersteres ein knapp achtminütiger Abgesang auf unsere Spezies, die es sich so fein eingerichtet hat in den vier mal vier Wänden, dahinlebt, alles in Ordnung gebracht und alle Extreme, allen Überschwang eliminiert hat. Zu heiß, zu kalt, lauwarm muss es sein, „beruhigt, behaglich, gelöst, sicher, verpflegt, sediert.“ Danach weitere zehn Minuten mit dem Zwei-Wort-Mantra „Selber keine“, Walser brüllt es heraus, in das Chaos, in den Lärm. Wenn wir doch einen Vergleich wagen wollten, dann erinnert „Kein Wetter“ am ehesten an „Daydream Nation“ von Sonic Youth – ausuferndes Inferno, rasende Energie und ständige Anspannung. Es ist, schon jetzt, ihr Opus Magnum geworden und es wird Zeit, dass sie damit auf die Bühne gehen, das Feedback gewaltig krachen lassen und uns dieses wahnsinnige Album um die Ohren hauen. Es wird weh tun, keine Frage - aber wir werden etwas spüren. Das allein zählt.
03.-05.09. Neustrelitz, Immergut Festival
18.09. Wien, Flex
19.09. Wels, Schlachthof
26.09. München, Strom
16.10. Chemnitz, Atomino
17.10. Berlin, Zukunft am Ostkreuz
19.10. Hamburg, Hafenklang
20.10. Wiesbaden, Kreativfabrik
21.10. Köln, Bumann & Sohn
22.10. Bochum, Trompete
24.10. Stuttgart, Merlin
10.11. Nürnberg, Z-Bau
11.11. Jena, Rosenkeller
13.11. Saarbrücken, Sparte 4
14.11. Karlsruhe, Kohi
12.03. Salzburg, Arge
„Kein Wetter“
(Staatsakt)
Die Frage nach der Unverwechselbarkeit, sie stellt sich ja zunächst nur uns, die wir zuhören, die wir sofort vergleichen und urteilen wollen. Als Künstler*in hingegen ist man erst einmal bestrebt, alle Gedanken, Intentionen, die in einem nicht mehr nur schlummern, sondern rumoren, herausdrängen, in eine Form zu bringen, mit der man zuallererst selbst zufrieden ist, die einem als der passende Ausdruck erscheint. Ob das so schon jemand gemacht hat? Who cares! Auch bei der Münchner Formation Friends Of Gas wird das nicht anders sein, auch hier ist Unverwechselbarkeit also keineswegs Intention, gleichwohl aber Ergebnis. Denn man wird lange suchen müssen, um in der derzeitigen Musiklandschaft etwas Vergleichbares zu finden, das so roh, so unmittelbar und ungeschönt ist. Ja, Friends Of Gas machen es einem nicht einfach, sind sperrig und schwer zugänglich, allerdings vornehmlich dem, der sich keine Zeit lässt und die Mühe der Auseinandersetzung scheut. Die Platten des Quintetts, die vorliegende eingeschlossen, wirken stets so, als seien sie im Ganzen aus einem schrundigen, verwitterten Gesteinsblock herausgehauen worden – der Sound der Band, irgendwo zwischen Post-Punk, No-Wave und Noiserock, erscheint uns auf fast schon berauschende Weise organisch (und ist nebenbei auch ein Grund, warum man die Friends Of Gas, wenn schon nicht live, ausschließlich auf Vinyl wirklich genießen kann).
Alleinstellungsmerkmal also, wieder mal. Schon die letzte, fabelhafte EP „Carrara“ trug das Terrestrische im Namen, benannt nach einem längst verfallenen Ursprungsort italienischen Marmors, auch dort ist alles zerklüftet, gesprungen, aufgerissen, wund. Nicht anders bei „Kein Wetter“: Hier hat das Natürliche, auch und gerade das Menschliche, nichts Anmutiges, Beschauliches, Tröstliches, sondern ist vielmehr brutal, unabänderlich, schonungslos. Evolution also, in jedem der zehn grandiosen Stücke. Einatmen, Ausatmen, so einfach. Wobei es hier eher ein fortwährendes Röcheln, Keuchen, Rasseln, Pfeifen ist, passend zur markanten Stimme von Sängerin und Songschreiberin Nina Walser, ohne die diese Band schlicht nicht denkbar wäre. Schroffe Gitarren, fragmentierte Texte, die Rhythmen mal schleppend und bleiern, dann wieder als Treibjagd durch die endzeitlichen Kulissen. „Waldbrand“, „Graue Luft“, „Felder“, „Stechpalmenwald“, Abwasser – alles unwirtlich, abschreckend, bedrohlich, nichts dabei zum Innenhalten und Ausruhen.
Der Ver- und Zerfall des Menschen, dem "Schädling ohne Feind", der sein Unwesen treibt und seine Gesellschaft zugrunde richtet, das lässt sich als gnadenlose Beobachtung nur schwer aushalten. Und ist doch wahr und sehr gegenwärtig. Das „Draußen, zu Tode kultiviert“, auf das wir erschrocken und mit geweiteten Pupillen starren, unfähig umzukehren, die Richtung zu korrigieren, unterwegs von „bana“ nach „lität“, gefangen in den Zwängen und Ängsten unserer selbst. Die Frage nach „Kapital oder Kapitulieren“ ist längst keine mehr, die wir selbst in der Hand haben und Erlösung wird auch sie nicht bringen. Die Liebe, eigentlich doch letzte Zuflucht, erscheint nur noch als romantisiertes, medial gepimptes Trugbild, ist nur „ein von Hollywood gezüchtetes Monster“. Und das Herz? Verpflanztes Fleisch, pumpt, funktioniert (oder auch nicht) – hier taucht es in der Geschichte des Philip Blaiberg auf, einem weißen Südafrikaner, der sich als zweiter Mensch einer Transplantation unterzog, mit dem Organ eines jungen Schwarzen. Fortschritt? Welcher Fortschritt!?
Und das war es noch nicht einmal. Denn ganz am Schluß kommen mit „Im Bad“ und „Selber keine“ noch zwei Meisterwerke in Überlänge. Ersteres ein knapp achtminütiger Abgesang auf unsere Spezies, die es sich so fein eingerichtet hat in den vier mal vier Wänden, dahinlebt, alles in Ordnung gebracht und alle Extreme, allen Überschwang eliminiert hat. Zu heiß, zu kalt, lauwarm muss es sein, „beruhigt, behaglich, gelöst, sicher, verpflegt, sediert.“ Danach weitere zehn Minuten mit dem Zwei-Wort-Mantra „Selber keine“, Walser brüllt es heraus, in das Chaos, in den Lärm. Wenn wir doch einen Vergleich wagen wollten, dann erinnert „Kein Wetter“ am ehesten an „Daydream Nation“ von Sonic Youth – ausuferndes Inferno, rasende Energie und ständige Anspannung. Es ist, schon jetzt, ihr Opus Magnum geworden und es wird Zeit, dass sie damit auf die Bühne gehen, das Feedback gewaltig krachen lassen und uns dieses wahnsinnige Album um die Ohren hauen. Es wird weh tun, keine Frage - aber wir werden etwas spüren. Das allein zählt.
03.-05.09. Neustrelitz, Immergut Festival
18.09. Wien, Flex
19.09. Wels, Schlachthof
26.09. München, Strom
16.10. Chemnitz, Atomino
17.10. Berlin, Zukunft am Ostkreuz
19.10. Hamburg, Hafenklang
20.10. Wiesbaden, Kreativfabrik
21.10. Köln, Bumann & Sohn
22.10. Bochum, Trompete
24.10. Stuttgart, Merlin
10.11. Nürnberg, Z-Bau
11.11. Jena, Rosenkeller
13.11. Saarbrücken, Sparte 4
14.11. Karlsruhe, Kohi
12.03. Salzburg, Arge
Montag, 8. Juni 2020
Billy Nomates: Gegen das Vergessen
Der Satz gehört zum Standardrepertoire eines jeden Politikers, egal ob lupenreiner Demokrat, populistischer Diktator oder volksnaher Menschenfänger - und wenn er fällt, ist höchste Vorsicht geboten. Er lautet in etwa: "Wir müssen uns um die einfachen Leute kümmern, dürfen die große Masse der Normalen nicht aus dem Blick verlieren!" Nun, was folgt, ist meist das genaue Gegenteil des Vorhabens, denn ebenjene normalen, einfachen Menschen fallen ganz schnell hinten über, wenn es um die großen, weltbewegenden Entscheidungen geht, interessant sind sie für die Mehrheit der politischen Elite ohnehin nur das knappe halbe Jahr vor der jeweils anstehenden Wahl. Billy Nomates weiß, wovon sie singt, sie hat sich weiß Gott genügend mit Gelegenheitsjobs und anderen Beschwerlichkeiten herumgeplagt, bevor sie zu Musik resp. Berufung fand. Und auch jetzt ist sie weit davon entfernt, sorglos in die Zukunft zu blicken. "Well I sleep on the floor, have a room, I just can't afford, for a job, that I just don't want, I was born with a fork, not a spoon", so beginnt ihre neue Single "FNP" und dort heißt es weiter: "And the only thing, that keeps me going, is the fact, that if I can't own nothing, than nothing can own me." Das Thema ist ihr verdammt wichtig, sie zählte lang genug zu denen, die vergessen waren und sind: "Forgotten normal people, we ain't all born equal, well the burning world is ours and I'm on fire." Vor einem Monat ist ihre feine "Ramshackle EP" erschienen, die nur diejenigen noch hören können, die schnell genug bei Bandcamp zugegriffen haben, allen anderen bleibt ihre bislang einzige frei erhältliche Single "No" und die Aussicht auf das nächste Album, das in naher Zukunft bei Invada Records gepresst werden soll.
Sonntag, 7. Juni 2020
Soul Asylum x Mr. Bungle: Mit Punk zur Debatte
Da kann man den Text relativ kurz fassen, denn die Musik spricht hier wie so oft für sich: Es geht um vier Bands - zwei davon altgediente Ikonen des Punks, zwei andere wiederum schon längere Zeit nicht mehr auf dem Schirm und jetzt zur allgemeinen Debatte zurück mit jeweils einem Coversong. Zunächst Soul Asylum, deren Hochzeit man eigentlich ausschließlich mit der soften (und für manchen deshalb schwer genießbaren) Rockballade "Runaway Train" Anfang der 90er verbindet. Die Herren haben sich gerade eines Klassikers der Dead Kennedys angenommen und glücklicherweise den Charakter von "Nazi Punks Fuck Off" nicht maßgeblich geändert - es bleibt ein kurzer, wütender Aufschrei, auch heute. Mr. Bungle wiederum, legendäre Jazzcore-Band von Mike Patton, der hauptsächlich durch seine Arbeit mit Faith No More bekannt geworden ist, haben nach über zwanzig Jahren Pause wieder die öffentliche Bühne betreten. Und zwar auch mit einem Cover, diesmal von The Exploited, schottische Punkband der 80er. Patton schmettert also den Song "USA", der eigentlich "Fuck The USA" heißt, so aber weniger schnell auf die Sendelisten der Radiosender geraten dürfte, wenn ihm das überhaupt gelingen sollte.
Samstag, 6. Juni 2020
HEADS.: Auf die Bretter!
HEADS.
„PUSH“
(Glitterhouse Records)
Das Prägnanteste an den zehn Songs der deutsch-australischen Formation HEADS. aus Berlin, wollte man sie einem Unkundigen beschreiben, ist wohl der Bass. Chris Breuer spielt den in einer Manier, die ihm bei Bedarf mühelos eine Gastrolle bei den ehrwürdigen Doom-Metallern von Sunn O))) eintragen sollte - als Grundierung, fett, dronig, dreckig, laut, die Saiten mutmaßlich aus Drahtseilen. Dazu Ed Frasers Sprechgesang plus Gitarre und die Drums von Nic Stockmann. Und eine illustre Reihe von Gastmusikern wie Markus A. Lipka (Eisenvater), Christoph Hahn (Swans), Matthias Feit (Radare) und Rosa Mercedes (Kino Motel) – der Sound wahlweise Noise, Hardcore, Post-Punk oder Postrock. Düster schwere Lärmkunstwerke, die selten melodisch, immer kraftvoll sind. Beim längsten, knapp achtminütigen Stück „Paradise“ variieren sie ausnahmsweise zwischen sanft und infernalisch, zwischen Reduziertheit und voller Kapelle, der ebenso feine Rest rumpelt und knarzt unaufhörlich, gnadenlos. Aufgenommen wurde das Werk, wie man verschiedentlich lesen konnte, in einer abgeranzten Ostberliner Fabrikhalle, gut möglich, dass die heruntergekommene Kulisse dem disruptiven Klang des Albums zuträglich war. Angefangen haben die drei 2014 mit ersten Singles, ein Jahr später die selbstbetitelte EP und 2018 dann das vielgelobte Debüt „Collider“, mit dem gesammelten Material bestritten sie auch den Support für Bands wie Metz, Daughters, Nothing und Protomartyr. Wem „PUSH“ gefällt, der wird die ausbleibende Livesaison um so härter vermissen, man möchte das Trio wirklich schnellstens wieder auf die Bretter schicken.
„PUSH“
(Glitterhouse Records)
Das Prägnanteste an den zehn Songs der deutsch-australischen Formation HEADS. aus Berlin, wollte man sie einem Unkundigen beschreiben, ist wohl der Bass. Chris Breuer spielt den in einer Manier, die ihm bei Bedarf mühelos eine Gastrolle bei den ehrwürdigen Doom-Metallern von Sunn O))) eintragen sollte - als Grundierung, fett, dronig, dreckig, laut, die Saiten mutmaßlich aus Drahtseilen. Dazu Ed Frasers Sprechgesang plus Gitarre und die Drums von Nic Stockmann. Und eine illustre Reihe von Gastmusikern wie Markus A. Lipka (Eisenvater), Christoph Hahn (Swans), Matthias Feit (Radare) und Rosa Mercedes (Kino Motel) – der Sound wahlweise Noise, Hardcore, Post-Punk oder Postrock. Düster schwere Lärmkunstwerke, die selten melodisch, immer kraftvoll sind. Beim längsten, knapp achtminütigen Stück „Paradise“ variieren sie ausnahmsweise zwischen sanft und infernalisch, zwischen Reduziertheit und voller Kapelle, der ebenso feine Rest rumpelt und knarzt unaufhörlich, gnadenlos. Aufgenommen wurde das Werk, wie man verschiedentlich lesen konnte, in einer abgeranzten Ostberliner Fabrikhalle, gut möglich, dass die heruntergekommene Kulisse dem disruptiven Klang des Albums zuträglich war. Angefangen haben die drei 2014 mit ersten Singles, ein Jahr später die selbstbetitelte EP und 2018 dann das vielgelobte Debüt „Collider“, mit dem gesammelten Material bestritten sie auch den Support für Bands wie Metz, Daughters, Nothing und Protomartyr. Wem „PUSH“ gefällt, der wird die ausbleibende Livesaison um so härter vermissen, man möchte das Trio wirklich schnellstens wieder auf die Bretter schicken.
Freitag, 5. Juni 2020
Steppenkind: Irritation Ehrensache
Okay, die Typen hier sehen schon mal ziemlich krass aus oder zumindest so, wie man sie mit dem Sound, der gleich folgt, nicht unbedingt verbinden wollte: Steppenkind aus Berlin nämlich machen kein drogenbefeuertes Spaceship-Brimborium, sondern klingen eher nach kühlem Synthpop und Maschinenmusik. Live wird das als Melange aus elektronischen und akustischen
Drums, hypnotischen Gitarren und Spoken Word-Performances dargeboten, digital unterfüttert von allerlei Eqipment mit Stromanschluß. Kopf der Bande ist der Ire Brandon Cleary, der als Dichter an die Spree kam, unterstützt wird er von Hotte Schulz und Can Winter. Gemeinsam veröffentlichten die drei 2018 ihr Debütalbum "Walk Along Your River", nun sind sie beim Label 8MM Musik gelandet und haben dort die Single "Bravado", einen ironischen Kommentar auf die mediale Überversorgung der Jetztzeit, platziert. Irritation ist hier wie sonst auch Ehrensache.
Donnerstag, 4. Juni 2020
Bob Mould: Nicht mit ihm
Foto: Blake Little Photography |
Montag, 1. Juni 2020
JARV IS: Im Hier und Heute [Update]
Allein mit seiner letzten Aktion hat sich Jarvis Cocker ziemlich unsterblich die Herzen vieler und einigermaßen unbeliebt im Gedächntnis einiger weniger eingeschrieben, dann nämlich, als er sich Ende 2019 zusammen mit dem Kaiser Quartett und den Stimmen seiner zahlreichen Fans daran versuchte, seine Single "Running The World" im Rahmen einer Weihnachts-Charity-Aktion nochmals in den britischen Charts toppen zu lassen. Wir erinnern uns an die unmißverständliche Liedzeile "... cunts are still running the world" und feixen nochmals mit Blick auf den dicken Johnson in der Downing Street in uns hinein - genutzt hat's nix, er sitzt ja jetzt dort trotzdem seinen Brexit-Arsch platt. Nun gut, im Mai 2019 kam, und damit mal zu den aktuellen Geschehnissen, unter dem selbstgewählten Kürzel JARV IS ja auch noch die Solosingle "Must I Evolve?" in den Handel und seit heute wissen wir auch, wofür. Denn am 1. Mai soll Cockers neue Platte "Beyond The Pale" erscheinen und von der gibt es mit "House Music All Night Long" auch noch eine taufrische Singleauskopplung zu hören/sehen.
Update: Alle schieben, also schiebt er auch. Der neue Release-Date für das Soloalbum ist nun der 4. September, als Trostpflaster gibt es den Jason's JACK IS...-Mix von "House Music All Night Long" ... und jetzt kommt noch die ultimative Extended All Night Gonz Version feat. Chilly Gonzales und Naala dazu!
Update: Alle schieben, also schiebt er auch. Der neue Release-Date für das Soloalbum ist nun der 4. September, als Trostpflaster gibt es den Jason's JACK IS...-Mix von "House Music All Night Long" ... und jetzt kommt noch die ultimative Extended All Night Gonz Version feat. Chilly Gonzales und Naala dazu!
The Clockworks: Galway Boys
Es hat dann doch eine kleine Ewigkeit gedauert, ehe sie mit dem Song offiziell rausgerückt sind: The Clockworks, vierköpfige Post-Punk-Kapelle aus dem irischen Galway, veröffentlichen nun also endgültig ihre neue Single "The Future Is Not What It Was" und wer sich in den Sound von Kapellen wie den Silverbacks, Fontaines D.C. oder The Murder Capital verliebt hat, wird auch in dem Quartett schnell neue Freunde finden. James McGregor (Gesang, Gitarre), Sean Connelly (Gitarre), Tom Freeman (Bass) und Damian Greaney (Drums) haben nach ersten Anfängen den Umzug nach London gewagt, es folgte das Signing bei Alan McGee's berühmten Label Creation23 und die Veröffentlichung zweier Singles "Bills And Pills" und "Stranded In Stansted". Jetzt also dieser Song, der als ganz dickes Versprechen an die - naja, Zukunft - gehört werden darf.
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