Sonntag, 28. März 2010

Gehört_123



Lars And The Hands Of Light „The Looking Glass“ (Crunchy Frog)
Eigentlich rät einem die innere Stimme eindringlich, Platten zu ignorieren, auf deren Covern sich gar lustige Menschen mit Ringelpullis und Häschenkostümen tummeln. Hörte man immer auf diese Einflüsterungen, es würden einige Schätze weniger gehoben werden und so mancher kleine Geheimtip bliebe wohl zum ewige Schattendasein verdammt. Was wiederum bei einem so sonnigen Album wie dem der Dänen Lars And The Hands Of Light mehr als schade wäre. Und was soll ich sagen – der Frühling hat seine erste musikalische Entsprechung gefunden, so bestechend gutgelaunt und ansteckend entspannt lassen die Musiker um Frontmann Lars Vognstrup auf ihrem Debüt ein wundervolles Stück nach dem anderen aus den Boxen perlen – „Me Me Me“, „Stranger To The Sea“, „Three To The Floor“ – keine Filler, alles erstklassiger, leichtgängiger Sixties-Gitarrenpop, mal „very british“ angenölt, dann wieder luftig-blumig untermalt, immer mehr Dur als Moll und lieber einmal mehr gewippt als öde herumgestanden – Frühling, Baby! Die helle Stimme von Co-Sängerin und Vognstrups Schwester Jeppe Ostergaard gibt dem Ganzen noch eine zusätzlich einschmeichelnde Note (Multicolored, Hey My Love), der Titelsong selbst könnte auch einem verträumten Roadmovie entsprungen sein. Alles wirkt sehr abgeklärt, Instrumentierung und Songwriting beschränken sich auf klassisches Handwerk und man hat das sichere Gefühl, dass die vier wirklich mit viel Spaß bei der Sache sind. Kurz – wer noch einen geeigneten Anschub braucht, um sein bequemes Hinterteil aus dem warmgesessenen Wintersessel zu heben, der sollte es mal mit dieser CD versuchen. Und wer dann nach „Christmas Comatose“ automatisch die Repeat-Taste drückt, den hat’s schon erwischt …
http://www.myspace.com/larsandthehandsoflight

Mittwoch, 24. März 2010

Gehört_122



Band Of Skulls „Baby Darling Doll Face Honey" (Rykodisc)
Für einen Fan des FC St. Pauli ist eine gewisse Affinität zu dieser Band aus naheliegenden Gründen nicht zu verhehlen, zweifellos macht aber auch der keinen Fehler, der hier – unabhängig von der Namensgebung – das eine oder andere Ohr mehr riskiert. Das Debütalbum der südenglischen Kapelle brauchte, leider nicht unüblich, knappe zwölf Monate für den Weg ins Regal der deutschen Dealer, glücklicherweise konnte sich der umtriebige Kinogänger jedoch schon beim Soundtrack des Vampirsequels „New Moon“ von der Qualität der Band überzeugen – „Friends“ gehörte dort zu den besseren Titeln. Erleichtertes Aufatmen dann, denn auf „Baby Darling ...“ ist es ihnen gelungen, den Erwartungen für eine komplette Albumlänge gerecht zu werden. Sicher, große Songideen lassen sich nicht destillieren aus dieser knorrigen Garragenrockmixtur, doch wer ihnen nur simples Plagiat zwischen Kills, Duke Spirit und White Stripes unterstellt, greift ungnädigerweise zu kurz. Auch wenn Russel Marsdens Gitarrenarbeit zuweilen stark an die von Jack White erinnert (Light Of The Morning, Death By Diamonds...) und der weibliche Gesangspart wiederum an den von Alison Mosshart, so gelingt ihnen doch bei fast jedem Song eine durchaus eigenständige und gefällige Schattierung. Denn den Gang in die Untiefen des Sentiments, den zumindest die White Stripes scheuen wie der Teufel das Weihwasser, bekommen die Totenköpfe passabel hin – sei es beim anrührenden „Fires“ oder dem ganz und gar akkustischen „Honest“. Auch die hüftsteifen, staubtrockenen Bluesbrocken „Blood“ und „Dull Gold Heart“ erweisen sich als gelungene Kompositionen – im Übrigen ein schöner Kontrast zur eher massentauglichen Single „I Know What I Am“. Weniger amüsant, fast schon ärgerlich die Momente, in denen die drei meinen, ihrem Soundspektrum noch die Spielart „gefühliger Soulrock“ hinzufügen zu müssen und so bei „Impossible“ und „Cold Fame“ die Assoziationskette zu U2 knüpfen – das hätte es nicht gebraucht. Beruhigend deshalb zu erfahren, dass Sängerin Emma Richardson in ihrer Freizeit in einer Metzgerei arbeitete und dort die Ideen für ihre Trichinengemälde sammelte – das klingt standesgemäß und wäre für den bekennenden Vegetarier Bono wohl eher ein NoGo.
http://www.bandofskulls.com/

Dienstag, 23. März 2010

Jahrhundertelf



Es soll ja durchaus Ignoranten geben, die noch nicht mitbekommen haben, dass der FC St. Pauli in diesem Jahr, genauer am 15. Mai, sein hundertjähriges Jubiläum feiert. Und natürlich wird auch auf dieser Seite, unterstützend quasi, kräftig geklatscht und zugeprostet. Zunächst einmal gibt's die offizielle, von mehr als 50.000 Fans gewählte Jahrhundertelf und eine kurze Übersicht für Unkundige:
Klaus "Das Tier" Thomforde, *1962, im Norden mindestens so berühmt wie "Die Katze von Anzing", war sogar schon als Trainer in Litauen tätig;
André "Trulle" Trulsen, *1965, jetzt Co. von Holger Stanislawski;
Walter Frosch, *1950, Abwehrbollwerk, Kettenraucher, schaffte 27 gelbe Karten in 37 Spielen;
Karl Miller, *1913 +1967, Nationalspieler, kickte während des Krieges auch in Dresden;
Dirk Dammann, *1967, Abwehrschlaks;
Michél Mazingu-Dinzey, *1972, Spieler mit der meisten Erstligaerfahrung;
Thomas Meggle, *1975 in München (!), Weltpokalsiegerbesiegertorschütze;
Jürgen Gronau, *1962, spielte nie woanders;
Harald Stender, *1924, Rekordspieler des Vereins (fast 500 Partien);
Peter "Oschi" Osterhoff, *1937, fast so gut wie "Euch Uwe";
Franz Gerber, *1953 in München (!!), spielte auch beim FC Bayern und in Übersee.

Gefunden_53



Das Video zur aktuellen Single "I Feel Better" von Hot Chip ist ja schon geraume Zeit im Umlauf und wirklich schön anzuschauen, jetzt ist zusätzlich noch ein Remix des Stücks aufgetaucht, zusammengeschraubt von keinem Geringeren als Bonnie "Prince" Billy - Titel des Tracks nun natürlich "I Feel Bonnie".

Montag, 22. März 2010

Gehört_121



MGMT „Congratulations“ (Sony)
Es dürfte im sprunghaften Alltagsgeschäft des Popbusiness ein ziemlich einmaliges Ereignis sein, dass sich eine Band noch vor der Veröffentlichung ihres Albums fast kleinlaut für Auswahl und Charakter ihrer Musik in aller Öffentlichkeit entschuldigt. So geschehen vor einiger Zeit bei Ben Goldwasser, der einen Hälfte der hippen Hippies von MGMT bei der Promotion für die erste Auskopplung aus ihrem aktuellen Album. Man muß sich schon fragen, was die Jungs zu einer solch verzagten Verlautbarung treibt („Ich bin mir sicher, dass es eine Menge Leute gibt, die ["Flash Delirium"] total wirsch finden und es nicht das ist, was sie erwartet haben. Es tut mir leid."), hätten sie doch allen Grund gehabt, nach dem grandiosen Erfolg ihres letzten Werkes „Oracular Spectacular“ mit mehr als breiter Brust in den Ring zu steigen. Hat man aber den ersten Durchlauf von „Congratulations“ hinter sich gebracht beginnt man zu ahnen, was Goldwasser und VanWyngarden so skeptisch stimmt und worin ihr vorsichtiges Mißtrauen gründet. Und mit jedem jeder Wiederholung wird es deutlicher: Sie haben es sich und uns nicht eben leicht gemacht. Denn auch wenn der Einstieg „It’s Working“ noch leichtgängigen Pop suggeriert – in der Folge entwickelt sich das neue Album immer mehr zu einer recht sperrigen Mischung aus neuzeitlicher Rocky-Horror-Picture-Show, vertrackten Pink-Floyd-Zitaten und vereinzelten Entspannungsmomenten, die am ehesten an den spacigen Sound von Air zu Moon-Safari-Zeiten erinnern (Someone’s Missing, Siberian Breaks). Die Abwesenheit von charttauglichem Material Marke „Kids“ oder „Time To Pretend“, diese konsequente Verweigerung also ist mehr als mutig und es steht zu befürchten, dass sich gerade erst gewonnene Fans mit der Begründung „zu anstrengend“ oder „irgendwie doch zu freaky“ recht schnell von dem Duo abwenden. Dabei bleiben MGMT für alle, die sich etwas Zeit zu nehmen bereit sind, durchaus interessant, gerade im gedrängten Nebeneinander von Prog und Pop, von Kirmesgeklimper und gekonnt verschachtelten Melodievariantionen mit höherem Anspruch. Das klingt dann zwar zuweilen verdächtig nach elektronisch verstärkter Rockoper (Brian Eno), etwas, was man also aus gutem Grund schon mal ganz argwöhnisch betrachten muß, auf Lady GagaDada’s Nightmare und das gruselige Katzengejaule hätte man getrost auch verzichten können. Und doch kommt man nicht umhin, den Wagemut von MGMT anzuerkennen, so offensichtlich gegen den Strich zu bürsten. Wie groß am Ende die Schar der Gratulanten sein wird, bleibt abzuwarten – dem mehr als dürftigen Beifall am Schluß des Titelsongs entspringt da vielleicht schon eine böse Vorahnung …
http://www.whoismgmt.com/

Freitag, 19. März 2010

Gefunden_52



Das aktuelle Video von Massive Attack zur Single "Saturday Comes Slow" ist, wie könnte es anders sein, einmal mehr ein höchst bemerkenswertes geworden. Mehr achtminütige Kurzdoku denn Musikclip setzt sich die Band damit auf bewegende Weise mit den im Lager von Guantanamo Bay angewandten Foltermethoden mittels Musik auseinander; der Song selbst, aufgenommen mit Damon Albarn, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Video und mehr bei spex.de

Gehört_120



Goldfrapp „Head First“ (Mute)
Es gibt Platten, da macht es gar keinen großen Sinn, um den heißen Brei herumzureden, nur weil einem der Verriß in der Seele wehtut oder man sich das zumindest einbildet – das neue Album von Goldfrapp gehört, da hilft kein lamentieren, für mich dazu. Und auch wenn manchen diese ewigen Referenzen fast schon körperlich schmerzen, so muß man doch darauf hinweisen, dass „Head First“ – mittlerweile ja Studiowerk Nummer fünf – so gnadenlos und meilenweit von der Magie des Erstlings „Felt Mountain“ entfernt ist, dass alle selbsthypnotisierenden Entschuldigungen und Schönredereien, mit denen man sich in den letzten Jahren noch trösten konnte – von wegen „intelligent disco“ und so – hier nicht mehr weiterhelfen: Diese Platte ist eine einzige Enttäuschung! Man sitzt davor und hofft von Titel zu Titel auf den einen, den unschlagbar mystischen Moment und hört doch nur, neun mal hintereinander, ganz platte, beliebige Tanzmusik ohne jede Inspiration, lauwarmen Bubblegumpop, den selbst Madonna, Annie oder La Roux besser hinbekommen haben. Bar jeder halbwegs ansprechenden Idee bleibt ohne das früher zweifellos vorhandene Genie nur noch ein Fistelstimmchen, umrahmt von halbgarem Retrosoundbrei. Viel mehr fällt mir gar nicht dazu ein, außer dass kurz vor Schluß mit „I Wanna Life“ der bisherige Tiefpunkt erreicht scheint – Allison Goldfrapp wispert in ihr Mikro, was wahrscheinlich irgendwie lasziv wirken soll, aber eigentlich nur billig klingt – Querverweise auf Boytoy Sabrina oder Postergirl Mandy Smith drängen sich förmlich auf. Irgendwie hätte man Goldfrapp diese Blamage gern erspart und sich gewünscht, dass sie damals mit dem weißen Pferd abgehauen wären, aus heutiger Sicht wäre es einfach die klügere Enscheidung gewesen.
http://www.goldfrapp.com/

Donnerstag, 18. März 2010

Gehört_119



Balthazar „Applause“ (Munich)
Um Greifbares über Balthazar herauszufinden muss man schon das belgische Wikipedia bemühen – die Gefahr, da trotz Sprachverwandschaft den einen oder anderen Teil der Vita falsch zu übersetzen ist also durchaus gegeben. Deshalb an dieser Stelle nur das Verläßlichste: Seit der Gründung der Band im Jahr 2006 wurden eine Reihe von Singles veröffentlicht, manche gar nur über iTunes, somit kann man „Applause“ getrost als ihr Debüt bezeichnen; nach einigen Umbesetzungen dürfte das Stammpersonal mittlerweile fünf Mitglieder zählen – soweit die Fakten. Was einem Wikipedia natürlich nicht abnehmen kann und soll ist die Bewertung des Albums, vorausschauend gleich mal mit einem recht unmißverständlichen Titel versehen. Balthazar spielen wie ihre amerikanischen Kollegen von Spoon eine sehr abgeklärte Art von bluesigem Indierock, klug, weil zurückhaltend instrumentiert und überraschend clever komponiert – wie auch Spoon nutzen sie den Bass als klares Gerüst und Pausen, Breaks und Tempiwechsel als bewußtes Stilmittel. Alle elf Songs haben einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter, kommen mal laut und rough daher (Hunger At The Door, The Boatman), dann wieder verträumt und entspannt (I’ll Stay Here) – bei diesem Spiel mit verschiedenen Stimmungen und Schattierungen erinnern sie auch ein wenig an Phoenix, auch wenn sie von deren kunstfertiger Perfektion (möglicherweise zu Glück) noch eine ganze Ecke entfernt sind. Eine bewundernswert reife Leistung jedenfalls, auch wenn‘s wahrscheinlich wieder kein Mensch mitbekommen wird. Diese Parallele zu Spoon möchte man ihnen eigentlich gern ersparen, aber wer weiß, wozu das noch gut ist, wenn sie nicht zu schnell zu groß werden. Applaus also, aber nicht zu laut, wir wollen sie doch noch eine Weile für uns, oder?!
http://www.myspace.com/balthazarband

Mittwoch, 17. März 2010

He Oido_118



Stereo Total "No Controles" (Elefant Records)
Pregunta: Es que no vamos a crecer nunca? Respuesta: Pues esperemos que no! Para todos aquellos entre nosotros, que no pueden esperar hasta el próximo álbum de "Stereo total" (finales de Abril "Baby Ouh!") existe desde finales del pasado ano 2009 un "Best of" fantástico por completo en espanol. Como quién dice para llenar el hueco. Un "Block" publicitario. Y ya que Francoise Cactus & Bretzel Göhring se niegan con razón a dar una valoración seria, sólo podemos remitir a versiones verdaderamente galácticas de clásicos como "Amo amor a tres" "Dailamos en Cuadrado" o "Bonito Por Atras". Y es que no se puede de otro modo: Hay que adorarles sin parar!
http://www.stereototal.de/

Dienstag, 16. März 2010

Gehört_117



The Besnard Lakes „The Besnard Lakes Are The Roaring Night“ (Jagjaguwar)
Was soll ich sagen – die letzten Sachen, die ich aus dem Hause Jagjaguwar gehört habe, waren allesamt verläßliche Hundertprozenter: Black Mountain, Pink Mountaintops und Dinosaur jr., kein Fehlgriff dabei, alle über jedweden Zweifel erhaben. Und es steht nicht zu erwarten, dass sich daran mit dem zweiten Album der Besnard Lakes irgendetwas ändern sollte. Ihre Art von bedächtig stampfendem Progrock birgt nach wie vor ein erstaunlich hohes Infektionspotential – allein der zweigeteilte Eröffnungssong „Like The Ocean, Like The Innocent“ wird, je öfter man ihn anspielt, immer zauberhafter und raumgreifender. Ganz klar, das opulente Breitwandepos ist so ganz ihre Sache, auch „Land Of Living Skies“ kommt in einer Doppelfolge daher, tonnenschweres, mit jubilierendem Chorus bestücktes Klanggewitter. Das anschließende „And This Is What We Call Progress“ ist dagegen vergleichsweise beschwingt geraten – solches darf aber getrost als Intermezzo gelten, „Light Up The Night“ rückt anschließend als knapp achtminütiger, orchestraler Opus die Verhältnisse wieder gerade. Waren es bei vorangegangenen Stücken berückende, an Neil Young oder J. Mascis erinnernde Gitarrensoli, so sind es hier zusätzlich die gestrichenen Saiten, die dem Song Wucht und Volumen geben. Es bleibt also alles beim alten und ich mir weiterhin selbst ein Rätsel: Wo ich Altgedientes wie Yes, Aphrodites Child oder die frühen Genesis eher mit spitzen Fingern anzufassen pflege, laufe ich andererseits Bands wie eben den Besnard Lakes mit fliegenden Fahnen geradewegs in die Arme.
http://www.myspace.com/thebesnardlakes

Angespielt_5



Daran scheiden sich die Geister: Kann er oder kann er nicht? Ryan Adams. Heavy Metal. Soll jeder selber hören, die erste, noch namenlose Auskopplung: http://ryanada.ms/

Sonntag, 14. März 2010

Gehört_116



Fanfarlo „Reservoir“ (Atlantic)
Seien wir nicht ungerecht – keiner kann es Simon Balthazar, dem Gründer und Sänger von Fanfarlo, zum Vorwurf machen, dass seine Stimme derartige Ähnlichkeit mit der von Win Butler aufweist. Dass allerdings das Debüt seiner Band, 2008 eingespielt und jetzt veröffentlicht, klingt, als hätte sich eben dieser Win Butler in der Hausapotheke vergriffen, also wie Arcade Fire auf Prozac, das sollte schon einen kritischen Hinweis wert sein. Man kann sie wieder hören, die freudetrunkenen Jubelarien, endlich das nächste ganz große Ding aus dem drögen Einheitsbrei gefischt zu haben – Multiinstrumentalisten, London, produziert von einem, der schon The National und Interpol im Studio hatte, das muß es doch sein. Als wäre die Anzahl der aufgenommenen Spuren allein schon Garant für die ultimative Sensation. Die aber vermag ich beim besten Willen nicht zu entdecken. „Reservoir“ ist beileibe keine schlechte Platte und Fanfarlo schreiben keine wirklich schlechten Songs, aber (schlimm, den Typen hier zitieren zu müssen) wenn Dummbeutel Noel Gallagher kürzlich dem Indiepop im Allgemeinen mit der Bemerkung „they don’t keep me awake at night“ eine mitgab: Hier hätte er verdammt noch mal Recht gehabt. Denn nichts ist, wie ich finde, wirklich aufregend an dieser Platte, nicht die Songs, die zwar im Tempo variieren, von ihrer dauerhaften Lieblichkeit aber nicht abrücken wollen, auch Balthazars Stimmlage bleibt über alle elf Lieder nahezu unverändert und selbst die beschwingte Trompete verliert nach dem dritten Einsatz in Folge bald ihren Reiz, von der singenden Säge (Comets) ganz zu schweigen. Die gern zitierten Vorbilder erweisen sich eher als unerreichbare Hypothek – von der Dramaturgie, dem Genius der Kompositionen bei Arcade Fire bleibt man meilenweit entfernt, für den Charme von Belle & Sebastian fehlt es Fanfarlo an Leichtigkeit und bewußter und gekonnter Reduktion. Mit Ausnahme von „Luna“ fällt mir auch irgendwie kein Titel ein, den ich besonders hervorheben möchte. Das werden viele anders sehen und das geht auch völlig in Ordnung, Fanfarlo werden in diesem Sommer ohne Zweifel ihr Publikum finden. Aber ich sollte mich schwer täuschen, wenn mit dieser Platte schon „the next big thing“ gefunden wäre.
http://fanfarlo.com/

Freitag, 12. März 2010

Gehört_115



The White Stripes „Under Great White Northern Lights“ (XL)
Der Blick in den eigenen Plattenschrank lädt zuweilen dazu ein, über Sinn und Unsinn von Live-Alben zu philosophieren. Exemplarisch stehen da bei mir Neil Youngs „Weld“, Deep Purples „Live In Japan“ und „Take No Prisoners“ von Lou Reed, jedes Werk auf seine Art Zeitzeugnis und unvergleichlicher Monolyth. Bestes Beispiel in negativer Hinsicht: Die Live-Version von Depeche Modes „Songs Of Faith And Devotion“, spannungsarme Pflichterfüllung und kalkuliertes Zugeständnis an Plattenfirma und Management. Wohin nun gehört das erste offizielle Live-Album der White Stripes? Wie vermutet dürfte die Wahrheit in der Mitte zu finden sein: Ein epochaler Meilenstein ist es vielleicht nicht geworden, bloßes Zwischenfutter für Fans als Pausensnack bis zur nächsten Platte kann man den Geschwistern White beim besten Willen aber auch nicht vorwerfen. Aufgenommen wurden die Stücke im tiefsten kanadischen Hinterland, die Mischung kann man getrost als ausgewogen bezeichnen, außer „De Stijl“ ist jedes der sechs bisherigen Alben in der Setlist vertreten, naturgemäß das aktuellste (Icky Thump) und das kommerziell erfolgreichste (Elephant) mit jeweils vier Titeln und somit den meisten Treffern. Die Auswahl ist wie immer diskussionswürdig, mit „Black Math“ und „Seven Nation Army“ sind immerhin zwei lupenreine Crowdpleaser dabei, mir fehlen mit „Hotel Yorba“ und „The Hardest Button ...“ zwei persönliche Favoriten – geschenkt. Greifbar, auch auf CD, bleibt die ungezügelte Kraft des Duos, die Songs bersten schier vor Energie und man hat den Derwisch Jack White förmlich vor Augen, wie er sich an den Saiten die Finger wundarbeitet. Dazu noch seine oft überdreht kippenden oder auch nur gebellten Vocals, begleitet von Megs jagendem Getrommel – Songs wie das auf dem Album eher durchschnittliche „Blue Orchid“ muten so eher an wie mühsam gezügelter, vertonter Exorzismus. Alles Material fügt sich zu einer wilden, elektrisch verstärkten Verzerrungsorgie, angereichert durch delirierende Sythesizer. Selten bekommt man einen Moment zum Durchatmen, selbst das grandiose Dolly-Parton-Cover „Jolene“ wird eher geschrieen denn gesungen, herzzerreißend, taumelnd. Kurz vor Schluß dann noch einmal zwei vergleichsweise alte Stücke, „Fell In Love With A Girl“ und „When I Hear My Name“, die – Offenbarungen gleich – selbst den Abräumer (bah babababa bah bah, alles klar) ein wenig alt aussehen lassen. Wer die Chance hatte, die Band schon einmal in einem kleineren Club zu sehen und zu hören, kennt diese unmittelbare und brachiale Wucht, die einem da entgegenschlägt – einiges davon kann man auch auf dieser CD erahnen. Und das wiederum ist für ein Live-Dokument keine kleine Leistung.
http://www.whitestripes.com/

Winter 2.0



Gerade verirren sich die ersten Sonnenstrahlen ins winterlich kalte Deutschland, es gibt weiß Gott keinen Grund, diesem Winter noch nachzutrauern und erst Recht keinen – abgesehen vom dritten Geburtstag meiner Tochter – den Dezember dieses Jahren herbeizuwünschen. Und doch mischt sich eine winzig kleine Sehnsucht in die erwachenden Frühlingsgefühle, denn seit einiger Zeit steht der Starttermin für das Disney-Sequel zum legendären Streifen „TRON“ aus dem Jahr 1982, genannt „TRON Legacy“: Dezember 2010. Der Film gilt quasi als der anorganische Gegenentwurf zur „Reise ins Ich“ – erfreulicherweise konnte die Stammbesetzung mit Jeff Bridges und Bruce Boxleitner gehalten werden, für die Musik zeichnen, wen wundert’s, Daft Punk verantwortlich und ein Trailer ist auch schon da. Offizielle Website Disney

Donnerstag, 11. März 2010

Gehört_114



Dag För Dag „Boo“ (Haldern Pop)
Auch wenn die kolportierte Verwandtschaft der schwedischen Kombo Dag För Dag mit PJ Harvey trotz einiger Parallelen zu hoch gegriffen scheint, diese Schuhe also ein Stück zu groß geraten sind, bleibt „Boo“ trotzdem eine recht gute Platte. Die Geschwister Sarah Parthemore und Jacob Donald, geboren im sonnigen Kalifornien, später übergesiedelt ins kühlere Stockholm, vereint die gemeinsame Liebe zu verträumtem Noiserock, wie ihn auch Blonde Redhead oder die Raveonettes gern zum Besten geben. Nach einer ersten EP „Shooting Form The Shadows“ aus dem letzten Jahr ist „Boo“ nun ihr erster Longplayer. Der Einstieg mit „I Am The Assassin“ täuscht ein wenig über den Charakter des restlichen Albums hinweg – ganz so gewaltig geht es danach nicht mehr weiter, trotzdem gelingen ihnen auch bei verhaltenem Tempo ganz bezaubernde Nummern, auch weil sie sich nicht scheuen, den Instrumenten in den einzelnen Songs gehörig Platz freizuräumen: Da kann man bei „Boxed Up In Pine“ schon mal einem längeren, angenehm kratzigen Violinenriff lauschen, für „Silence As The Verb“ hätte man auch Neil Young dazubitten können, auch „Seven Stories“ belegt eine schöne Gitarrenspur. Alles schön skandinavisch abgedimmt, in gefälliges Moll getaucht, gegen Ende manches Mal eine Spur zu zäh und sirenenhaft (Traffic Jam, Came In Like A Knife) oder zu hektisch (Animal). Aber fast hört man sie rufen: „Einen haben wir noch!“ und sie haben wirklich – „Ring Me, Elise“ legt noch mal los, fegt noch mal durch und entschädigt für den einen oder anderen Durchhänger. Noch mal Glück gehabt also ...
http://www.dagfordag.com/

Angespielt_4



Gonjasufi. A Sufi And A Killer. Gorillaz von unten. Ist was? Ist nicht von hier und doch von heute. Ist Krach mit Kopf. Ist alles zusammen. Ist verrückt. Macht verrückt. Macht Spaß. Ist von Warp.
http://www.myspace.com/gonjasufi

Dienstag, 9. März 2010

Gehört_113



Black Rebel Motorcycle Club „Beat The Devil’s Tattoo“ (Universal)
Wer die Jungs von Black Rebel Motorcycle Club über die Jahre ins Herz geschlossen hat, wird die folgenden Ausführungen nicht unbedingt gern lesen – er kennt sie zur Genüge: Der BRMC hatte von Anfang an mit der Hypothek zu kämpfen, sich zu offensichtlich bei den selbstgewählten Vorbildern in Pose und Sound bedient zu haben, zu deutlich waren die Anleihen bei Jesus & The Mary Chain, den Stooges oder den Lords Of The New Church. Und obwohl sie sich in den zwölf Jahren Bandgeschichte vielfachen Versuchen der Häutung und Wandlung unterworfen haben, ist so ein Etikett schlecht wegzubekommen – anders formuliert: Von innen läßt sich eine Schublade einfach schwerer öffnen. Insofern kann man das neue Album, wie jedes andere auch, ganz gut aus zwei Blickwinkeln beurteilen: Für den Fan wird es zweifellos als lang erwartetes Hochamt gefeiert – die Rückkehr zu deutlich dunklerer Klangfärbung, zu mehr Krach und mehr Verzerrung wird von denen goutiert werden, die den Ausflug in Richtung Gospel und Folk nicht mitgehen konnten. Stücke wie „Conscience Killer“ und das brachiale „War Machine“ sind exemplarisch für diese wilkommene Rückbesinnung. Wer seinen Altar daheim für die in puncto Lautstärke etwas konsequenteren Liars oder A Place To Bury Strangers freigeräumt hat, wird wieder anmerken, dass sich so manch besinnliche Ballade unnötigerweise zwischen die Rillen gedrängt hat und natürlich kann man sich streiten, ob sich BRMC mit dem Falsettgesang bei „Sweet Feeling“ oder der rückgekoppelten Mundharmonika auf „The Toll“ einen großen Gefallen getan haben. Mir jedenfalls scheint eine überschaubare Anzahl wirklich guter Ansätze auf zu viel Material verteilt, so dass deren Wirkung in der Masse eher gering bleibt. Trotzdem, neben den erwähnten Brechern bleiben noch der knochentrockene und vielschichtige Blues von „Aya“, das angenehm beatlastige „Mama Taught Me Better“ und der überraschende Pianoschunkler „Long Way Down“ im Gedächtnis haften. Keine große Kunst, das alles, aber dennoch ordentliche Arbeit.
http://www.blackrebelmotorcycleclub.com/

Gefunden_51



"Westerwelle, der nicht mehr auf den Nockherberg kommen will - das ist genaugenommen eine gute Nachricht, die noch besser wäre, wenn er auch nicht mehr ins Außenministerium gehen würde."
Helmut Schleich, Kabarettist, Süddeutsche Zeitung, 6. März 2010

Hirnhusten



"I really despise this new fucking disease of indie fucking shit, fucking student music, the likes of Bloc Party and all that fucking nonsense. They don't keep me awake at night, but it's just shite, and they can fucking have it mate."
Noel Gallagher, Esquire Magazine, 5. März 2010

Montag, 8. März 2010

Gehört_112



Broken Bells „Broken Bells“ (Columbia)
Irgendwo war kürzlich zu lesen, dass der Shins-Sänger James Mercer gar nicht so erbaut über Zach Braffs damalige Drehbuchidee beim Regiedebüt "Garden State" gewesen sein soll, in welcher ihm eine fürsorgliche Natalie Portman ihren Kopfhörer mit den Worten überstülpt: „Das wird dein Leben verändern!“ – zu hören gab es natürlich die Shins. Solche Grüße mit dem Zaunspfahl können, das wahrscheinlich seine Angst, zwar sehr wohl Karrieren befeuern, sich aber schnell auch als zu schwere Last oder falsch verstandene Schubladenzuweisung entpuppen. Sollte er von diesem Groll noch etwas konserviert haben, so ist davon jedenfalls auf der Veröffentlichung seines Seitensprungs Broken Bells so gar nichts zu spüren. Zusammen mit Brian Burton, besser bekannt unter dem beruflichen Pseudonym Danger Mouse, als solcher wiederum mit dem MashUp aus Beatles und Rapper Jay-Z (The Grey Album), als Produzent der Gorillaz und The Good, The Bad And The Queen und nicht zuletzt als eine Hälfte der Charttopper Gnarls Barkley quasi im Dauergespräch, mit ihm jedenfalls hat Mercer gerade eine wunderbar leicht anmutende Arbeit abgeliefert, vollgepackt mit Songs, die auf so manchem Beziehungstape (gibt es noch sowas noch: Kassettenmädchen/-jungs?) einen Stammplatz einnehmen dürften. Es ist dem offenbar guten Miteinander und dem klugen Musikverständnis der beiden geschuldet, dass sich hier nichts in den Vordergrund schieben will, alles trotz der elektronischen Spielereien und Effekte sehr ausgewogen daherkommt. Mit „The High Road“ gelingt schon mal ein perfektes WarmUp, auch die folgenden „Vaporize“ und „Your Head Is On Fire“ haben in ihrer Einfachheit verblüffende Sogwirkung. „The Ghost Inside“ und „Trapp Doors“ sind federleichte Popsongs allererster Güte, verführerische Gehörgangsschmeichler, die nicht mehr so schnell loslassen wollen. Wie diese beiden ist auch „Mongrel Heart“ eine Spur elektronischer gearbeitet als der Rest, wird dann zur Mitte hin sogar noch mit schönem Trompetenchorus versehen (der Wiedergänger zu „Vaporize“), dahinter wiederum stecken die beiden am Ende mit „The Mall & Mistery“ noch eine recht raffinierte Tanznummer, so als wollten sie zeigen, dass sie auch dieses Stilmittel mühelos beherrschen. Und wenn einem dabei dann die urbritischen ABC und Heaven 17 einfallen, so eher zur wohlwollenden Abrundung eines nahezu perfekten Gesamteindrucks.
Schöne Spielerei: http://www.brokenbells.com/home.html

Sonntag, 7. März 2010

1:2



Am Ende war dann alles wie immer: Weiß-blauer Sechzgerhimmel, Leidensfähigkeit getestet, einmal mehr in München verloren - das alte Lied. Es wäre wohl klüger gewesen, das Spiel von der DFL nicht als verkapptes Halbgeisterspiel (27.700 Zuschauer), sondern komplett unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen - zumindest den angereisten St.-Pauli-Fans wäre so einiges erspart geblieben. Der Ehrlichkeit halber muß man sagen, dass der Sieg so ziemlich in Ordnung ging, denn Pauli schaffte es nicht einmal mit einem Mann mehr auf dem Platz zu klarer Feldüberlegenheit - im Mittelfeld schoben sie einander die Bälle mit einer Ruhe zu, als hätten sie Tabelle und Spiel nur allzu fest im Griff, im Sturm hatte man den Eindruck, Stani habe die Truppe vorher auf Sieg- und Aufstiegsvermeidungstaktik eingeschworen, so konsequent wurde dort verstolpert und vergeben, hinten reichten dann ein klarer Stellungsfehler und körperloses Abwehrspiel für zwei dumme Gegentore. Alles in allem ein Jammer, dazu gewinnt Augsburg mal eben locker zuhause (Glückwunsch, Franze!) und mir bleibt der Trost, zusammen mit einigen wackeren Zuschauern dem Datsche auch in der kommenden Spielzeit einen angenehmen Seniorennachmittag in seiner Arena gestalten zu dürfen. Gern geschehen, alter Junge!

Freitag, 5. März 2010

Angespielt_3



Nach all dem wunderhübsch bunten Geblubber braucht's dringend einen zünftigen Downer, Nika Roza Danilova alias Zola Jesus sorgt mit ihrer "Stridulum E.P." für die allergepflegteste Depression, verpackt in ein wunderbar ekliges Cover (hießen die nicht Bilwissmenschen ...?): Zola Jesus "Night" bei Pitchfork

Ach, Marius ...



... alte Röhre, vorbei die Zeiten, wo „Sexähhh“ noch als Schlachtruf aus den Arenen der Republik erscholl, wo man sich die Finger am Feuerzeug verbrannt hat, weil „Freiheit“ wieder mal nicht zu Ende gehen wollte, wo man bei „Dicke“ spätpubertär in sich hineinkichern konnte – vorbei also die Zeit, wo Du noch etwas von Relevanz zur deutschen Popmusik beisteuern konntest. Jetzt hast Du ne neue Platte draußen, „Williamsburg“ heißt sie, und kein Schwein bekommt was mit davon. Und dann stellst Du Dich bei den Echos 2010 auf die Bühne, erzählst recht zusammenhangslos eine Menge Metaphernkram (Musik=Nahrungsmittel) und machst einen auf Gralshüter des Musikbusiness. Stammelst fast tränenumflort irgendwas von Echtheit, von Frauen, denen ihr Outfit nicht über die Musik geht, von der ganzen Castingmisere (bist Du nicht neulich selbst als Juror bei Raab aufgetreten?) und „auch wenn ihr dahinten jetzt redet“ von allerlei Verpflichtungen - und mußt im gleichen Atemzug atemberaubende Nominierungen wie Eisblume, Anett Louisan, Cassandra Steen, Ina Müller und – ja, doch – Nena ansagen. Hätte es nicht gebraucht, Alter. Kann man auch würdevoller hinkriegen, seinen Abgang ...

Mittwoch, 3. März 2010

Gehört_111



Gorillaz „Plastic Beach“ (EMI)
Man tut sich sicher keinen großen Gefallen, die Arbeit von Damon Albarn und seinem Comic-Projekt Gorillaz mit den Maßstäben herkömmlicher Bands zu messen. Aber selbst wenn man das mit sich selbst in aller Großzügigkeit geklärt hat, bleibt einem doch eine zwiespältige Sicht auf Alben wie „Plastic Beach“, die entschieden werden will. Erhebt man nämlich solche Sammelsurien verschiedenster Stile und somit die uneingeschränkte und größtmögliche Vielfalt zur allein seeligmachenden Kunstform der Zukunft, läßt sich eine große Befriedigung auf dieser Spielwiese finden. Die hier eröffnete, genreübergreifende Spannweite zwischen Antipoden wie Klassik und HipHop erscheint einem dann geradezu befreiend, die fehlende Orientierung wiegt weit weniger schwer. Mir persönlich – da lasse ich mich gern engstirnig oder auch spießig schimpfen – ist der dargebotene Gemischtwarenladen ein wenig überdimensioniert, ich gehöre also zu denen, die in der auf „Plastic Beach“ angebotenen, schier überbordenden Soundmixtur neben aller unumstrittenen Genialität auch den einen oder anderen eher durchschnittlichen Song für sich entdecken.

Etwas schelmenhaft könnte man fragen: Okay, wer war nicht geladen zu Albarns Supernamedroppingperformance? Der Papst, klar, die Muppets, Obama und natürlich auch die Gallaghers. Der noch immer ansehnliche Teil der Promisause, der sich für die sechszehn Songs zum Dienst gemeldet hat, schlägt sich dann durchaus wechselhaft: Der Großmeister der Westcoast-Coolness, Snoop Dogg bewältigt seinen Part bei „Welcome To The World ...“ als Aufwärmprogramm gewohnt souverän, Bobby Womack, schon im vorabveröffentlichten Diskosoul-Bastard „Stylo“ ungeschlagen, schiebt mit „Cloud Of Unknowing“ noch eine angenehm gefühlige Ballade hinterher. Auch ganz klar auf der Haben-Seite: Ein verschlurftes „Rhinestone Eyes“ mit „Clint-Eastwood“-Wiedererkennungsfaktor und das stampfende Ungetüm „Glitter Freeze“ mit der gewohnt nöligen Unterstützung von The Fall-Mastermind Mark E. Smith – die Parallelen zu The KLF, einem anderen Chaos-Projekt mit ähnlicher Attitüde, erscheinen naheliegend. Die Songs von Albarn selbst (Empire Ants, On Melancholy Hill) wiederum wirken in diesem Umfeld bestenfalls nett, der Beitrag von Lou Reed (Some Kind Of Nature) ist von einer zuckersüßen, künstlichen Maniriertheit, die mir so gar nicht eingehen will, gleiches gilt für das orientalische Getrommel auf „White Flag“, eher ein MashUp mit Rondo Veneziano denn große Kunst.

Generell passen mir die angerappten, beatlastigen Tracks besser in den Kram, Mos Def, DeLaSoul – alles feiner Groove, obschon häufig gebremst und unterkült, wirken sie nicht halb so lauwarm wie die synthetischen Spielereien. Am Ende muß sich wie immer ein jeder selbst entscheiden, ob das Werk seinen Ansprüchen und Erwartungen genügen kann – meine Vorbehalte haben die Gorillaz mit „Plastic Beach“ trotz einiger unbestrittener Glanzstücke leider nicht entkräften können, bleibe somit etwas unentschlossen zurück ...

Montag, 1. März 2010

Gehört_110



Groove Armada „Black Light“ (Cooking Vinyl)
Kein Regal, an dem ich sonst stehenbleibe, keine Band, bei der ich in’s Fach greifen würde – die machen House, heißt es, Disco, Funk und noch eine Menge mehr von dem Zeug, dass mir „Hände weg!“ entgegenschreit. Und dann kommen die ersten Töne von „Look Me In The Eye Sister“ aus den Boxen und ich sitze etwas sprachlos und mit offenem Mund vor der Anlage und nehme den Finger wieder von der Skip-Taste. Das war natürlich sehr clever, gerade diesen Song an den Anfang des neuen Albums zu stellen – denn damit haben sie mich und sicher noch ein paar mehr von denen, die eher auf Rock gepolt sind, klar angefixt. Das ist fett, das ist natürlich Achtziger, Wave, Psychedelic, alles drin, ein Hammersong. Beim Blättern in den Linernotes hätte man es ahnen können, denn wenn sich Groove Armada Nick Littlemore von den im letzten Jahr schon schwer angesagten Empire Of The Sun, selbst so ein unerbittliches Referenzmonster, ins Studio holen, dann wird eben nicht gekleckert, sondern werden fröhlich Stile gemischt und Klangschichten gestapelt, bis die Songs fast zu platzen drohen. „Fall Silent“ darf da noch als Appetizer gelten, aber „Not Forgotten“ und „Cards To Your Heart“ sind bestens überdrehter Dancepop, tonnenschwer, gehen ins Ohr durchs Blut direkt in die Beine, gnadenlos. Die Kollaboration mit Jess Larrabee ist da etwas zurückhaltender angesetzt, neben der offenkundigen Nähe zu Goldfrapp läßt sich hier auch der Vergleich mit Tracey Thorns Everything But The Girl nicht verleugnen – deren zauberhaftes Debüt „Eden“ kommt einem bei „Just Tonight“ sofort in den Sinn. Das Zusammengehen mit den britischen SaintSaviour dagegen gelingt nicht immer ganz so reibungslos, zumindest bei „I Won’t Kneel“, nächste Ausfahrt Eurodisko, winken mir Roxette doch zu deutlich um die Ecke. „Warzaw“ wirkt ein wenig überambitioniert, da wurde drauf- und reingepackt und am Ende ging wohl der Deckel nicht mehr zu. Bryan Ferry zeigt bei „Shameless“, nachdem er schon bei DJ Hell im letzten Jahr veredeln durfte, wie man in wenigen Minuten mit Lässigkeit und rauchigem Timbre einen entspannten Groove zustandebringt. Dass man mit einem Casting-Star durchaus auch Ansprechendes leisten kann, beweisen Groove Armada mit dem Schlußsong „History“ – gesungen von Will Young und gedacht als unverkennbare Hommage an Somervilles Bronski Beat: gefühliger Bubblegumpop, gelungen und gar nicht peinlich. „Black Light“, möchte man meinen, hat also für jeden was dabei. Mancher mag dieses wundertütenhafte Stylehopping als übertrieben und verwirrend empfinden – unterhaltsam ist es allemal. Und im noch jungen Jahr, das einmal mehr im Zeichen des Dancepop zu stehen scheint, ist das mal keine schlechte Ansage. Denn die Gorillaz und LCD Soundsystem biegen gerade auf die Zielgerade …
http://www.groovearmada.com/