Donnerstag, 16. Juni 2016

Swans: Kein Ende, nirgends

Swans
„The Glowing Man“

(Mute Records)

Braucht es da noch irgendeinen Superlativ? Seit sich die Swans unter dem Vorsitz ihres so genialen wie streitbar sturköpfigen Frontmannes Michael Gira im Jahr 2010 zur Reunion entschlossen, haben sie in regelmäßigem Abstand vier Alben von wahrhaft monumentalen Ausmassen veröffentlicht. Nimmt man die vorangegangenen Arbeiten seit der Gründerzeit hinzu, hat die Band mit Sicherheit einige der lautetsten, düstersten, längsten und eben auch der körperlich anstrengendsten Songs hervorgebracht, deren Erscheinen stets die immergleichen zwei Fragen nach sich zog: Wer spielt so etwas? Und: Wer hört sich das überhaupt an? Und zwar am Stück? Allein das aktuelle Werk misst in der Summe gute zwei Stunden Spielzeit und gleicht – da stapelt man sicher nicht zu hoch – einem musikalischen Fegefeuer, das Gira als Inkarnation der vier apokalyptischen Reiter in Personalunion mit Dreizack, Waage und  Flammenschwert begleitet.

Und natürlich braucht es Geduld und Nehmerqualitäten, sich durch die acht Stücke dieser Platte zu kämpfen. Viel Zeit, sich auf das anstehende Inferno vorzubereiten, wird dem Zuhörer dabei nicht gelassen, schon zur Hälfte des Openers “Cloud Of Nothing” setzen die wuchtigen Drums und der bohrende Gitarrenlärm ein, begleitet von Giras gewohnt kehligem Hadern und Schreien – mit den Worten “I am blind” übergibt er an “Cloud Of Unknowing”, einem wahren Ungetüm aus größenwahnsinnigen Bläsern, sirenenartigen Begleitchören und allerlei brachialem Gehämmer. Ganze vier Mal variiert das Tempo, um ganz am Ende zu feingliedrigem, entspanntem Jazz überzuwechseln – ein Überraschung, die der Band mit Sicherheit diebische Freude bereitet hat, ein Fadeout mit einer Länge, aus der anderswo ein, zwei eigenständige Nummern gearbeitet werden.

“The World Looks Red” verweist dann auf einen alten Sonic-Youth-Song, den Gira zu Zeiten von “Confusion Is Sex” für Thurston Moore geschrieben hat, die Swans entwickeln hier einen Drive wie die Bad Seeds früheren Datums. “Frankie M.” wiederum war schon auf der letzten Konzertreise fester Bestandteil des Programms, nach chaotischem Beginn treffen sich hier hypnotischer Noise und wummernde Beats zum Dauergewitter. Anschließend: Auftritt Jennifer Gira, der Ehefrau des Chefs – “When Will I Return” kommt als traurig-bittere Abrechnung einer Vergewaltigung daher, dunkel, brutal, und trotzig: “I’m alive, I’m alive, I’m alive …” wird sie nicht müde zu singen. Auch das sicher, nach dem bedauernswerten Abgang von Jarboe, eine Bereicherung.

Der Titelsong als Finale. Eine knappe halbe Stunde als wilde, dampfende Jagd, der Prediger, sein Chor und das Orchester der Offenbarung. Kurze Pausen zum Atemholen, aber sonst immer weiter, Gira glüht nicht nur, er brennt lichterloh und treibt alle anderen vor sich her. Es ist, so hat er zuvor gesagt, die letzte Platte der Swans in bisheriger Besetzung, es bleiben also nur noch diese Stücke und ein paar Termine im Herbst, die alten, aber ruhelosen Helden noch einmal zu sehen. Ob er versöhnt, ob er zufrieden ist, wer weiß das schon – den Abschluss “Finally Peace” sollte man da, auch wenn er vergleichsweise ruhig daherkommt, nicht allzu wörtlich nehmen. Gira ist ein Ruheloser, er wird sich bald aufraffen und, ob solo oder mit neuer Band, Unmögliches versuchen. Und wir werden dabei sein. http://swans.pair.com/

17.10.  Hamburg, Kampnagel
18.10.  Berlin, Huxley's Neue Welt
22.10.  Wien, Arena
23.10.  Graz, Orpheum Extra
28.10.  Basel, Kaserne
29.10.  Vevey, Rocking Chair
30.10.  Bern, Reitschule Dachstock
10.11.  Köln, Gebäude 9
11.11.  München, Feierwerk
12.11.  Wiesbaden, Kulturzentrum Schlachthof

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