St. Vincent
„St. Vincent“
(Caroline/Universal)
“I was thinking of a party record you could play at a funeral, something that has emotional weight that also had a great groove to it.” Mit solch einem Satz als Einstieg kann man nicht viel falsch machen. Annie Clark alias St. Vincent hat so kürzlich der Musikplattform Under The Radar auf die Frage geantwortet, wie zum Teufel sie es denn geschafft habe, die großen, essentiellen Fragen der Menschheit – also ungefähr: Wer sind wir und wohin geht’s mit uns? – in ein Format zu packen, das bei allem Ernst auch noch so verdammt sexy und unterhaltsam zu klingen vermag. Nun hat sie damit schon eine gewisse Übung, sie macht solches schließlich nicht zum ersten Mal. Schon der Vorgänger aus dem Jahr 2011 „Strange Mercy“ konnte mit den gleichen Zutaten punkten, auch hier wurde stets knapp am Siedepunkt gearbeitet, auch hier gab es diesen tricky abgemischten Elektrofunk zu hören, der auf dem aktuellen Album noch präziser, noch bissiger erscheint.
Clark schafft es also auch auf ihrer vierten Platte, die Zartheit ihrer Stimme, ihrer Erscheinung mit dem nervösen, ruhelosen Mashup aus Rock, Jazz und Funk zu jener faszinierenden Mischung zu verbinden, die selbst den Zuhörer zur Kurzatmigkeit treiben kann. Zusammen mit neuen und alten Bekannten, also Homer Steinweiss von den Dap Kings, Bobby Sparks, Daniel McFerrin und Midlakes McKenzie Smith hat sie sich gleich im Anschluss an ihre Arbeit mit David Byrne und „Love This Giant“ an diese elf Songs gemacht und neben ein paar guten sind ihr dabei auch richtige Juwelen gelungen. Schon die beiden Eröffnungsstücke „Rattlesnake“ und „Birth In Reverse“ zucken und pulsieren famos, die Klapperschlange steht im Übrigen für das Unvermögen von Stadtmenschen (wie ihr selbst auch), sich auf die oft herbeigesehnte Ursprünglichkeit der Natur auch vorbehaltlos einzulassen – am Ende rennt man doch in panischer Angst vor dem kleinsten, fremden Geräusch zurück in die zivile Wohlstandsmühle.
Auch ihre Gedanken zur rasanten Wesensveränderung des mediengeplagten Menschen („All of our senses now are mediated by screens, and all the information is essentially flat and non-curated for the most part”, UtR) platziert sie zwischen lässige, spotzende Beats und satte Bläsersätze – „Digital Witness“ geht ebenso direkt in die Beine wie „Psychopath“ und der vertrackte Pop von „Every Tear Disappears“. Wenn Clark ihrer Freakness mal eine kleine Auszeit gönnt, dann croont sie zu schwelgerischen Streichern und souligem Backround, dann geht es um schmerzhafte Erfahrungen mit engen Freunden („Prince Johnny“) und die Beziehung zur eigenen Mutter („I Prefer Your Love“) – auch hier möchte man ihr bereitwillig folgen. Eine längere Erholungspause, so sagt sie, wäre gar nicht nötig, schließlich mache ihr Musik so viel Spaß, dass sie keine Zeit für andere Dinge zu verschenken hätte. Wer dieses Album hört, der möchte ihr das gerne glauben. http://ilovestvincent.com/
Komplettstream des Albums zur Zeit bei NPR.
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