Montag, 31. August 2020

I Like Trains: Zeichen der Zeit

I Like Trains
"Kompromat"

(Atlantic Curve)

Natürlich wird eine Band nach acht Jahren nicht einfach da weitermachen können, wo sie aufgehört hat. Zumindest nicht, wenn sie einem gewissen künstlerischen Anspruch folgt und da steht Weiterentwicklung bekanntlich an erster Stelle. Dass der Schritt dann aber ein so großer wird, war nicht unbedingt zu erwarten. Die Musik von I Like Trains aus Leeds war seit Gründung der Band 2004 eher auf der dunklen Seite zu Hause, David Martin gefiel sich auf den beiden bisherigen Alben in schwermütigem Raunen, sein Gesang war ein unheilvolles, zuweilen auch recht trauriges Lamento, der Sound dazu gothy, episch, dicht und größtenteils sehr, sehr langsam. Kein Wunder, dass das Quintett vor allem Fans von Interpol und den Editors in Verzückung versetzte – der Bedarf war da, sie lieferten. Nun, die Welt hat sich seither immer schneller gedreht und auch wenn Martin das, wie er sagt, explizit nicht vorhatte, so ist die neue, dritte Platte eine überraschend direkte, ja nahezu politische geworden.



Fast alle Songs sind gespickt mit mehr oder weniger deutlichen Anspielungen, düster weiterhin, aber ohne die bleierne Schwere, das Verinnerlichte, sondern mit mehr Frust und Wut über das, was seither mit Brexit und dem neuen amerikanischen Übel namens Trump über die Welt gekommen ist. Grundthema, Subtext, Konzept von „Kompromat“ ist der Umgang der westlichen Gesellschaft mit Daten und Informationen, es handelt davon, wie wir uns denen ausliefern, die diese Informationen sammeln und zuweilen auch mißbrauchen, wie sie uns lenken und manipulieren, wie wir uns bereitwillig lenken und manipulieren lassen. Zu Verschwörern taugen I Like Trains dennoch nicht, sie thematisieren ergebnisoffen, stellen Fragen und nehmen sich selbst von einer möglichen Schuldfrage nicht aus. „The Truth“ beispielsweise, so etwas wie das Herzstück der Platte, basiert auf einer Liste verschiedener Slogans, die Martin über längere Zeit aufschnappte, sammelte, stets bei sich trug und die er nun für das Stück scheinbar zusammenhanglos aneinanderreiht. Die Sinnsuche, die Assoziation sind des Zuhörers Sache.



Das alles baut sich hier zu einer bedrohlichen Kulisse auf, die etwas an die Bilder erinnert, mit denen auch Pink Floyd vor Jahrzehnten schon ihre Musik illustrierten. Der Albumtitel trägt seinen Teil zu diesem Eindruck bei, eine Art Wortverkürzung, welche zu Zeiten des Kalten Krieges auf russischer Seite kompromitierendes Material für etwaige Erpressungen bezeichnete – so jedenfalls liest man es. Der Sound ist im Übrigen nicht weniger überraschend, knorrige Riffs (herrlich bei „Patience Is A Virtue“), kraftvoller Gitarrenlärm und wuchtige Drums, verziert mit elektronischen Effekten, wechseln mit bezaubernden Melodien aus der Gründerzeit („Dig In“, „A Man Of Conviction“, „New Geography“), alles deutlich kompakter, drängender, zielgerichteter als zuvor. Einen ganz speziellen Dreh hält der Schlußsong „Eyes To The Left“ bereit, welchem die deutsch-britische Musikerin und Journalistin Annika Henderson ihre künstlich kühle Stimme leiht, um so dem Ausklang noch eine besondere, nicht weniger bedrohliche Note zu geben. Ein fulminante Rückkehr also, die so keinesfalls zu erwarten war.

Freitag, 28. August 2020

Crucchi Gang: So oder so

Über das Tun und Treiben der Crucchi Gang gibt es ganz verschiedene Ansichten: Die einen sind maximal begeistert, weil hier endlich das italienische Lebensgefühl mit vermeintlich teutonischem Liedgut (okay, das ist jetzt einigermaßen übertrieben) vermählt wird, andere fanden's am Anfang toll, später nicht mehr so und einigen klingt's dann wieder arg bemüht. Wir meinen, dass es manchmal funktioniert und manchmal eben nicht. Zu den bekömmlichen Coverversionen zählen unseres Erachtens Von Wegen Lisbeths "Al Mio Locale (Meine Kneipe)" und das ganz neue "Tutto Grigio (Alles Grau)" von Isolation Berlin, weniger gelungen dagegen Steiner und Madlaina mit "La Dolce Vita (Das Schöne Leben)" oder "Carta Bianca (Weißes Papier)" von Element Of Crime. Woran es liegt, dass einem das eine passt und das nächste eher nicht, wissen wir nicht so genau, fest steht, dass die Hauptarbeit an Texten und Produktionen bei Francesco Wilking liegt, der sonst bei Die Höchste Eisenbahn Dienst tut. Nach der erfolgreichen EP "Patate in Wunderland" wird nun jedenfalls am 25. September das Debütalbum erscheinen und ein paar Überraschungen, so hört man, haben die Musiker Christoph Bernewitz (Gitarre), Alexander Binder (Bass, Madoline), Jan Burkamp (Drums) und Patrick Reising (Keyboards) noch in petto.










Montag, 24. August 2020

Westbam: Dreht bei ihm

Zur nächsten Urlaubsunterbrechung schieben wir schnell mal ein bisschen Diskomucke ein. Natürlich nicht irgendwelche, sondern quasi royale. Seit ein paar Wochen nämlich ist bekannt, dass olle Maximilian Lenz, filed under Westbam, eine neue Platte abliefern wird. "Famous Last Songs Vol.1" soll sie heißen und das nimmt keineswegs Bezug auf die bevorstehende Pensionierung des altgedienten DJs, sondern darauf, dass laut Selbstauskunft seine Songs bei Kollegen immer am Ende ihrer Sets gespielt wurden. Warum auch immer. Wie schon bei den vorangegangenen Alben "The Risky Sets" (2019) und "Götterstraße" (2013) hat sich der Mann wieder einige Unterstützung dazugeladen, wir hören also auch Marian Gold von Alphaville, Dieter Meier (Yello), die unvermeidliche Inga Humpe (2Raumwohnung) und Jon Marsh. Letzterer hatte mit seinem Projekt The Beloved in den 90ern den Überhit "Sweet Harmony" - hier spielt er mit Westbam den Track "Sky Is The Limit" ein. Auf das neue Gesamtwerk müssen wir dann aber leider noch etwas warten, Erscheinungsdatum soll der 22. Januar 2021 sein.





Cabaret Voltaire: Weiter im Alleingang

Und gleich noch ein etwas älteres Gewächs: Richard H. Kirk ist Freunden der elektronischen Unterhaltungsmusik ein geläufiger Name, schließlich hat er als Gründungsmitglied der britischen Formation Cabaret Voltaire maßgeblichen Einfluss auf Genres wie Industrial, Techno und Post-Punk genommen. Seit langer Zeit ist er unter gleichem Namen solo am Regler, nun hat der Mann aus Sheffield im Alleingang ein Album namens "Shadow Of Fear" aufgenommen, das am 20. November bei Mute Records erscheinen wird. Acht Stücke wird es enthalten und mit "Vasto" können wir hier schon mal eines davon präsentieren.


Dienstag, 18. August 2020

Liiek: Berlin by numbers

Der Dank für diese Entdeckung geht zur Hälfte an die taz aus Berlin und die Kollegen von Neolyd aus München. Die zwei nämlich haben sich mehr oder weniger ausführlich mit den Leuten von ADK (Allee der Kosmonauten) und dem Label Static Age Musik, beide aus der Hauptstadt, beschäftigt und zu Recht bemerkt, dass dort in Sachen Post-Punk eine erstaunliche Menge cooles Zeug zu holen ist. Bands wie AUS, Diät, Benzin, Heavy Metal oder Gilb werden erwähnt und eben auch Liiek, ein Trio, das gerade seine neue Single veröffentlicht hat. Aufgenommen wurde sie standesgemäß im legendären SO36 - die drei darauf enthaltenen Stücke "One Two", "Fog" und "Fitted And Lost" schreddern gar wunderbar aus den Boxen. Bei der Benennung des Tonträgers haben sich Sänger und Gitarrist Denes Bieberich, Bassist Oskar Militzer und Schlagzeugerin Anne Sophie Lohmann (auch bei AUS) wohl lange die Köpfe zermartert, letztlich sind sie dann bei "7"" gelandet. Was schlüssig erscheint, weil schon die erste Veröffentlichung aus dem April diesen Jahres "s/t" heißt. Von dieser stammt im Übrigen auch das nachfolgende Video zum Song "Crisis", eine Art Wellness-Trip für geplagte Punkmusiker*innen. Funfact: Liiek scheinen tatsächlich die einzige Band dieser Welt zu sein, die keinen Facebook-Account besitzt und das macht die drei nun wirklich ziemlich sympathisch.



Montag, 17. August 2020

The Clockworks: Der nächste Schritt

Und auch diese vier Herren aus dem irischen Küstenort Galway hatten wir schon im Programm - The Clockworks haben im Juni ihre vielversprechende Single "The Future Is Not What It Was" herausgebracht und weil das Ding sogleich in Ohr und Beine ging, ist jeder Nachschub höchst willkommen. Voilá, hier kommt "Can I Speak To A Manager?", im Video zur Single rennt Sänger James McGregor mit dem Mobiltelefon am Ohr durch seine überaus windige Heimatstadt und wir denken uns unseren Teil zu den Produktionskosten des Clips. Wichtig ist das nicht, denn die Band klingt weiterhin gut genug für den nächsten Karriereschub.



Annie: Weit mehr als Bits und Bytes [Update]

Die Sunday Spotlights widmen sich als Zug durch die Gemeinde sonst ja eher den Neuankömmlingen, den weniger Bekannten. Das ist heute etwas anders, denn die vergangene Woche hatte zum Thema Wiederkommen so viel Erfreuliches zu bieten, dass wir uns an dieser Stelle ausnahmsweise mal um die Arrivierten kümmern wollen. Den Anfang macht die wunderbare norwegische Künstlerin Anne Lilia Berge Strand, besser bekannt unter ihrem Kurznamen Annie. Die Songwriterin aus dem Küstenort Bergen, seit langer Zeit in Berlin zu Hause, ist mit ihrem Synthpop seit Ende der Neunziger weit über die Grenzen ihres Landes und selbst Europas bekannt geworden, ihre beiden Studioalben "Anniemal" und "Don't Stop" heimsten Preise und Lobeshymnen en masse ein. Nun hat sie nach ganzen elf Jahren die Veröffentlichung einer neuen Platte angekündigt, "Dark Hearts" soll sie heißen und am 16. Oktober erscheinen. Und schon die erste Single "American Cars" läßt einen sofort eintauchen in ihren Kosmos, in dem Maschinenmusik weit mehr ist als die sorgsam berechnete Aneinanderreihung von Bits und Bytes, hier sind Wärme und Gefühl keine Fremdworte, sondern Grundlage. Viel Grund zur Freude also auf den Herbst.

Update: Und da ist er dann, der Titeltrack des Albums "Dark Hearts", zusammen mit dem mittlerweile ebenfalls erschienenen "The Bomb".





Sonntag, 16. August 2020

MAMMÚT: Naheliegend

Für jemanden, der die Band MAMMÚT zum ersten Mal hört und gefragt wird, an wen sie einen erinnert, gibt es eigentlich keine zwei Möglichkeiten - der zerbrechliche Gesang von Katrína Mogensen, die schiefen Gitarren, eigentlich die ganze Athmosphäre, man ist schnell bei den Sugarcubes, der einstigen Band von Björk. Und liegt damit nicht ganz so daneben, denn die fünf kommen tatsächlich aus Island, genauer Reykjavik und sind in wechselnden Besetzungen schon seit 2003, damals noch unter dem Namen ROK, zusammen. Vier Alben haben sie in dieser Zeit veröffentlicht, zuletzt "Kinder Versions" im Jahr 2017, nun ist die nächste Studioplatte angekündigt. "Ride The Fire" wird am 23. Oktober erscheinen und wir haben hier gleich ein ganzes Quartett an Stücken davon parat, angefangen mit "Forever On Your Mind" über "Fire" und "Sun And Me" bis hin zur aktuellen Auskopplung "Prince". Die Männerstimme in letzterer gehört im Übrigen Árni Hjörvar von The Vaccines, der das Stück auch produziert hat.









Sweater Curse: Gerne gegensätzlich

Ähnlich harsche Töne hat das Trio Sweater Curse aus dem australischen Brisbane zu bieten, allerdings sind Chris Langenberg (Gitarre, Gesang), Rei Matsumoto Bingham (Drums) und Monica Sottile (Bass, Gesang) erst seit gut drei Jahren als Band zusammen und schicken sich gerade an, ihre zweite offizielle EP "Push/Pull" zu veröffentlichen. "All The Same" ist einer von zwei bislang bekannten Songs davon und kommt mit einem eigenwilligen Video, den Regisseur Nick Sullivan gedreht hat. Ungewöhnlich auch deshalb, weil sich der woman on the run-Clip doch sehr vom obligatorischen Lockdown-Filmchen mitsamt Freundeskreis abhebt, den sie im Mai zur Single "Close" ins Netz gestellt haben. Alles zusammen mit zwei weiteren Tracks dann am 25. September.





Park Hotel: Direkt aus dem Club

Auch diese beiden hier sind, was ihre Zusammenarbeit angeht, noch ziemliche Newbies: Tim Abbey aus London und Rebeca Marcos-Roca aus Barcelona ließen unter dem Namen Park Hotel im vergangenen Jahr mit ihrer EP "Nothing To Lose" aufhorchen, die 12" mit den fünf Tracks lief vornehmlich in den Clubs dieser Welt und pumpte dort auf's Vorzüglichste. Nun also ihre neue Single "The Hand", etwas chilliger, leicht abgebremst, aber deshalb nicht weniger eingängig. Viel mehr gibt es eigentlich noch nicht zu berichten - macht aber nix, es soll so Einiges in Vorbereitung sein und für's erste reicht der feine Groove schon mal für die kommenden Spätsommertage.




Gegenphase: Noch immer lieber dunkelgrau

Ein harter Schnitt zum Schluss, wir gehen noch mal kurz nach Berlin: Von dort kommt die Formation Gegenphase, die wir hier schon zur Veröffentlichung ihrer EP "The Melody Central Tapes" im Jahr 2016 im Programm hatten. Mittlerweile ist die Band bei Duchess Box Records gelandet und dort haben sie gerade eine Single mit dem Titel "Mittelschiff der Träume" veröffentlicht, auf der Flipside findet sich der Song "Telefonkette". Man hört es, wippt sofort mit und ist im nächsten Moment wieder mitten drin im Dunkelgrau der 80er, insbesondere dem der Fehlfarben. Und das ist ja nun mal nicht die allerschlechteste Referenz, immer noch.




Samstag, 15. August 2020

First Aid Kit: Sehnsucht nach der Straße reloaded

Sehnsucht ist ein Zweineinhalbminutensong: Kürzlich hat das Folk-Duo Whitney aus Chicago, sonst eigentlich maximal geschmackssicher, mit "Candid" ein weiteres, durchaus umjubeltes Album veröffentlicht. Allen guten Kritiken allerdings war gemeinsam, dass sie einen winzigen Wermutstropfen zu vermelden hatten - die beiden Herren hatten sich auf der Platte nämlich an einem Cover des Schunkel-Klassikers von John Denver "Take Me Home, Country Roads" versucht und das misslang kräftig (s.u.). Es gibt einfach Songs, die fasst man nur im Notfall oder mit ganz viel Können und Selbstvertrauen an. Zu denen dürfte auch Willie Nelsons "On The Road Again" gehören, auch der ist bei auf vielen Seniorenparties, Studentenfesten und sonstigen Saufgelagen zu Tode geritten worden, dass er eigentlich ein unbedingtes NoGo ist. Die schwedische Geschwistergespann First Aid Kit hatte also gleiches vor Jahren auch schon versucht und siehe da - es funktionierte. Und tut es immer noch. Weil hier und heute konnotiert mit der Sehnsucht nach Touralltag, Liveauftritten, Interaktion und Alberei, wie man sie im neu bebilderten Video dazu bewundern kann. Nichts falsch gemacht ausnahmsweise.



Osees: Monsterwellen

John Dwyer ist ein Typ, dem wir bedenkenlos alles abkaufen würden. Nicht unbedingt, weil es uns gefällt - das muss es nicht. Sondern weil es den Anspruch hat, zu beschäftigen, zu verstören, einen am Laufen zu halten. Seine Band Osees, zu früheren Zeiten auch bekannt als The Ohsees, The Oh Sees, Thee Oh Sees oder einfach Oh Sees, ist noch immer ein wahres Monster, das einzige Ungetüm, dem man sich bereitwillig ausliefern möchte (abgesehen von seinem Soloprojekt Damaged Bug, einem weiteren wunderbaren Unding). Nun hat Dwyer beschlossen, ein neues Album mitsamt seiner furchterregenden Kapelle zu veröffentlichen - "Protean Threat" soll am 18. September bei Castle Face erscheinen und wenn die beiden ersten Auskopplungen "Dreary Nonsense" und "If I Had My Way" nicht täuschen, dann steht uns wieder Bestes bevor. Monsterwellen quasi - wenn alles klappt im Herbst auch zweimal live in Deutschland.

25.11.  Düsseldorf, Zakk
26.11.  Berlin, Festsaal Kreuzberg



Donnerstag, 13. August 2020

Glass Animals: Kluger Pop für zarte Nerven

Glass Animals
„Dreamland“
(Polydor)

Natürlich lässt man eine solche Geschichte, wie sie gerade in vielen Zeitungen (so unter anderem im britischen Independent) zu lesen ist, nicht einfach liegen. Zumal Sänger Dave Baley von den Glass Animals ohnehin so dreinblickt, dass man ihm jede Story abkauft. Vor zwei Jahren jedenfalls ist Banddrummer und Sandkastenbuddy Joe Seaward in Dublin mit seinem Fahrrad ziemlich böse unter die Räder gekommen, langwierige Untersuchungen, zähe Klinikaufenthalte folgten und während der eine Freund beim anderen am Krankenbett saß und versuchte, halbwegs zuversichtlich nach vorn zu schauen (Baley studierte zu dieser Zeit passenderweise Neurowissenschaften), wuchsen auch nach und nach die Ideen zum vorliegenden Album. Und die waren nicht immer so locker entspannt wie mancher Track auf „Dreamland“ klingt und der Titel suggerieren mag.



Im Vergleich zu den beiden ebenfalls hochgelobten Vorgängern „ZABA“ (2014) und „How To Be A Human Being“ (2016) ist die aktuelle Platte deutlich autobiographischer gefärbt, Kindheits- und Jugenderinnerungen des mittlerweile Dreißigjährigen, zuweilen getaucht ins milde Licht der Melancholie, bilden größtenteils die Textur für die sechszehn Stücke und nicht wenige künden von Unsicherheit, Schmerz und Zurückweisung. „You don’t realise until later how dark it all is“, gestand er in besagtem Artikel – Genderprobleme und die Schwierigkeit, männlichen Idealen resp. Klischees zu entsprechen, all das kommt in den Songs zur Sprache, findet dort seine lyrische Entsprechung. Und weil Baley schon damals die Musik, vorerst nur als staunender Zuhörer, noch nicht als Künstler selbst, als Zuflucht entdeckte, sind wohl auch seine Kompositionen so erstaunlich wandelbar geraten.



Von Beginn an waren die Glass Animals eine Band, die konsequent so viel wie möglich ausprobieren wollte. Und die das jetzt, auf dem dritten Album, nahezu zur Perfektion gebracht hat. Denn „Dreamland“ ist ein wunderbares, schimmerndes und vibrierendes Stück Pop geworden, auf dem alles Platz hat: Fette Beats aus der Timbaland-/Timberlake-Ära, schmeichelnde Softness, fanfarenartige Bläsersätze, Trip-Hop, Electrofolk, Bossa-Nova-Rhythmen und sogar die Grime-Raps von Gaststar Denzel Curry („Tokyo Drifting“) stehen hier nebeneinander und nichts davon wirkt zu viel oder überambitioniert. Und so – Hitfutter en masse: „Space Ghost Coast To Coast“, „Waterfalls Coming Out Of Your Mouth“, die feine Single „Heatwave“ und nicht zu vergessen das im Wortsinn herzzerreißende „It’s All So Incredibly Loud“. So wie Baley hier dem Unabänderlichen nachspürt, das unbedachte Wort anzurichten vermögen, hat das lange keiner mehr gemacht. Kluge Musik für zarte Nerven.

06.05.  Berlin, Columbiahalle
07.05.  Köln, Live Music Hall

Dienstag, 11. August 2020

Idles: Spießeridylle

Ein Video von Michel Gondry macht sich im Portfolio einer jeden Band gut - der Mann hat schließlich für Björk, Massive Attack, die White Stripes, Beck und Radiohead gedreht. Wenn also jetzt auch die Idles aus Bristol für ihren neuen Song "Model Village" eine Arbeit des französischen Regisseurs präsentieren (für die Animationen im Clip zeichnet übrigens Bruder Olivier Gondry verantwortlich), dann zeigt das auch, wie weit die Band aus Bristol mittlerweile gekommen ist. Thematisch ist das Stück übrigens eine bitterböse Abrechnung für die Engstirnigkeit der Kleinstadtidylle, wo jeder jeden kennt und doch auch geflissentlich über den Horror hinwegsieht, wenn er zu nahe kommt: "I beg your pardon, I don't care about your rose garden, I've listened to the things you said, you just sound like your scared to death", heißt es dort beim netten Stelldichein der Brexiteers, Schwulenhasser und Rassisten. Mehr davon natürlich am 25. September auf "Ultra Mono" bei Partisan Records.

Girls In Synthesis: Durchhalten [Update]

Den letzten Vermerk zur fabelhaften Londoner Band Girls In Synthesis gab es hier im März dieses Jahres mit dem Hinweis auf die Single "Pressure", viel Zeit ist seit dem vergangen und ebenso viel hat sich verändert. Eben diese Veränderungen zwangen das Trio dann auch, die Veröffentlichung ihres Albums "Now Here's An Echo From Your Future" zu verschieben, nun soll es hoffentlich am 28. August bei Harbinger Sound erscheinen. Bis dahin gibt es wenigstens das neue Stück "The Images Agree" mitsamt Video, eine Tour, so liest man, sei dann für Oktober in Planung.

Update: Der Release-Date ist fix, das ist doch schon mal was in diesen unsicheren Zeiten - bis dahin noch das aktuelle Video der drei "They're Not Listening" mit ordentlich Krach in der Kiste.



King Krule: Kein Grund zur Sorge [Update]

Schon klar - die Bilder waren unscharf, verwackelt, handwerklich also etwas fragwürdig. Aber deshalb gleich auf den Scheiterhaufen? Archy Marshall aka. King Krule hat ja im November letzten Jahres einen fünfzehnminütigen Kurzfilm mit dem Titel "Hey World!" veröffentlicht, vier neue Songs enthielt der und die Gemeinde nahm ihn als lang erwartetes Lebenszeichen des genialen Rotschopfes aus dem Londoner Stadtteil Southwark. Nach seinen bislang zwei erschienenen Alben "6 Feet Beneath The Moon" (2013) und "The Ooz" (2017) wurde der Streifen natürlich als willkommener Fingerzeig auf eine weitere Platte in diesem Jahr genommen - nicht zu Unrecht, wie wir jetzt wissen. Denn für den 21. Februar hat Marshall nun "Man Alive!" angekündigt, vierzehn Stücke soll das Werk enthalten und neben den besagten vier Neuligen ist auch "(Don't Let The Dragon) Draag You" als offizielle Vorabsingle mit von der Partie. Dass er dennoch für das Video zum Song auf offenem Feuer gemeuchelt wurde, ist so unpässlich wie unwahrscheinlich, schließlich hat er mit seiner markanten Stimme und den jazzigen, nicht selten widerborstigen Arrangements schon für viele Überraschungen und jede Menge feine Songs gesorgt. Wie zu lesen ist, hat sich Marshall die Idee zum Clip bei Carl Theodor Dreyers Stummfilm "The Passion of Joan of Arc" aus dem Jahr 1928 geholt - man muß sich also keine Sorgen um ihn machen.

08.03.  Berlin, Columbiahalle

Update: Neulich nachts im Stadtpark auf 'ner Bank aufgewacht, Filmriß offenbar, Schädel brummt. Keine Erfahrung, die Marshall exklusiv hat, aber ein so spooky Video dazu dreht halt auch nicht jeder. Hier also der aktuelle Clip zur Single "Comet Face"







Montag, 10. August 2020

Billy Nomates: Der bessere Weg [Update]

Billy Nomates
„Billy Nomates“

(Invada Records)

Bald geht es nun also wieder los, hierzulande, irgendwo, überall. Nächste Staffel (sorry: season) nächste Casting-Show. Hoffnungsvolle, ambitionierte Talente mit Superstimmen treffen Superstars zum Anfassen auf dem Weg zu endlosen Superfame, so die Gaukelei. Wahrheitsgemäß ist das dann nicht ganz so super, müßte man bekennen, dass nicht eine/r der angetretenen Kandidaten*innen jemals eine Chance im gierigen Bizz bekommt, dass die Show nur deshalb läuft, damit sich alternde Ex-Sternchen in ihrem Esprit und/oder ihrer Schlagfertigkeit vor einem Millionenpublikum sonnen dürfen und so vielleicht den einen oder anderen Tonträger mehr unters Volk bringen. Im schlimmeren Fall dienen die weniger begabten Kandidaten als Witzfiguren – gedemütigt, verlacht, Folgeschäden nicht ausgeschlossen, aber egal.



Kann man so machen, regelt der Markt, der Nachgeschmack bleibt bitter. Warum der Text? Nun, weil es Beispiele wie eben jene Billy Nomates gibt: Ehrgeizige, mutige Frau, knapp 30, die bereitwillig zugibt, von Musikinstrumenten keine und von Computertechnologie und -sampling ziemlich wenig Ahnung zu haben. Die aber unbedingt wissen wollte, wie sich der Versuch anfühlt und das Ergebnis klingt, wenn man es trotzdem macht, so ganz ohne Budget und die üblichen Steigbügel.

Die Alternative, weiter zu studieren, mit schlechter Laune von einem crap job zum nächsten zu ziehen, war offenbar keine, Versuche, in einer Band unterzukommen, scheiterten ebenfalls (zu viele Leute wollten zu viel mitreden, solche Sachen). Also schnappte sie sich ein billiges Interface, ein tragbares Mini-Keyboard und einen gebrauchten Mac und spielte die Songs ihres Debüts im eigenen Schlafzimmer, in der Küche ihrer Schwester, in einem leerstehenden Büro ein. Unterstützung überschaubar, der Bruder, selbst Musiker, bastelte ein paar Live-Drums dazu und half bei der Produktion, vier der Tracks erhielten zusätzliche Bass-Spuren, das war’s.



Und das Ergebnis kann sich durchaus hören lassen: LoFi-Sound, Electroblues, DIY-Punk, trockene Beats, Gitarren auch, alles elektrisch, reduziert, noisy. Der Gesang rau und zornig, voller Trotz, nur kein Selbstmitleid, aber Wut en masse. Nomates hadert mit den Umständen, aber sie beklagt sich nicht bei anderen, sie schimpft über eine Gesellschaft, die Menschen an den Rand drängt, in die mies bezahlten Jobs, die einen krank machen und abstumpfen lassen. Sie sieht die „hippy elite“ mit alle den hübschen, nachhaltigen (und oft unnützen) Dingen, die für ein gutes Gewissen sorgen, solange man sie sich leisten kann. Alle anderen sind auf ihr eigenes, graues Selbst zurückgeworfen, wohl denen, die sich und den Humor nicht verlieren – „happy misery“.

Das klingt schroff, hat nichts Einschmeichelndes, Elegantes. Wie sollte es auch, working class poetry, mate! Manchmal wird die Stimme dann doch mal weich und rund, bei „modern hart“ beispielsweise oder später in „supermarket sweep“: „Maybe the monotony is here, to stay he thought, in every dead end job, in every dead end town…”, dann bricht die Traurigkeit die Härte für ein paar Takte auf, wird’s richtiggehend gefühlig. Ein schöne Platte ist es geworden, jeden Retweet wert. Weil hier – nenn es Nostalgie, nenn es Naivität – ein Weg aufgezeigt wird („Don’t take the easy way out“, Ilgen-Nur), der sich wohltuend abhebt von der blankgewienerten, oberflächlichen Schnelldreher-Mentalität, die sich unablässig nur ums sich selbst dreht und keine Fehler kennt. „It's not a perfect thing, but I'm glad”, so Nomates, “It shouldn't be. It’s my zero budget flag and it’s just the start.”

Update: Im September 2019 erschien das Album bei Bandcamp noch als Selfmade-Projekt, nun, mit ihren Freunden von Invada Records und der Familie Williamson im Rücken, gibt es die komplette Platte, angereichert um drei, vier neue Songs noch einmal und jetzt auch physisch und hoffentlich für längere Zeit. Mit dabei u.a. der schöne Track "Supermarket Sweep" mit einem Gastfeature von Jason Williamson (Sleaford Mods), passenderweise wird Billy Nomates Mitte September auch für die Mods in London eröffnen und zwar bei einem speziellen Streaming Gig aus dem 100 Club.

12.09.  London, 100 Club (with Sleaford Mods)

Sonntag, 9. August 2020

Gewalt: Am Ende wie immer

Neulich beim Jazz in Moers - Gewalt! Klingt wie ein B-Movie, war aber eine sehr feine Sache. Denn natürlich ist die Kapelle gleichen Namens aus Berlin gemeint, die auf dem außerordentlichen Streaming-Festival einen Querschnitt durch's Bandprogramm anbot und dabei auch zwei neue Songs namens "Snooze" und "Puppe" zur Aufführung brachte. Diese beiden kommen in Form einer Single in der kommenden Woche zum digitalen und Anfang September zum physischen Verkauf - und zwar via Bandcamp. Und, weitaus wichtiger: Gewalt gehen im neuen Lineup (am Bass Jasmin Rilke) auch wieder auf Tour, vorerst für drei Termine, weitere sollen folgen. Der Sound schwenkt übrigens wieder einmal in eine neue Richtung, doch wie in den Linernotes treffend vermerkt: "Am Ende ist es irgendwie immer Gewalt."

17.12.  Karlsruhe, KOHI
18.12.  Baden, Royal
19.12.  St. Gallen, Palace

Donnerstag, 6. August 2020

Zugezogen Maskulin: Schaum vor dem Mund

Zugezogen Maskulin
„10 Jahre Abfuck“

(Four Music)

Die Frustrationstoleranz, ja also. Der kann man im Laufe der letzten Jahre beim Abnehmen zusehen, in potenzierter Geschwindigkeit. Und zwar auf allen Seiten. Keiner kann mit keinem mehr, jeder fühlt sich angepisst, verraten, verkauft, verarscht. Klare Feindbilder machen die Sache zwar übersichtlicher, aber nicht eben einfacher – so zu sehen bei Moritz Wilken und Hendrik Bolz. Knappe zehn Jahre seit dem Debüt „Kauft nicht bei Zugezogen“ arbeiten sich die beiden mit ZM an ihren Antikörpern ab, reiben sich auf im Reimkampf gegen die Verblödung der Massen, schreien an gegen Dumpfbrauntum, Ausgrenzung, Vorverurteilung und auch Sexismus (naja). Sie tun das mit Worten, die mehrheitlich heftig sind und zunächst einmal Haltung zeigen, an geeigneter Stelle aber auch zu Irritationen, Missverständnissen und Provokation führen. Und selbst wenn es so aussieht, dass ZM gut mit beidem leben könnten, es macht doch auch müde, das immerwährende Anrennen, er stumpft ab, der Zorn. Wenn einer also nach diesen zehn Jahren, weil er Merkel halbwegs okay findet, in diesem Land schon als radikal und subversiv gilt, dann ist’s vorbei mit der Zuversicht, dann gehen Laune, guter Glaube und Antrieb schnell ins Bodenlose.

„Heute sitzen Fackeln und Mistgabeln schön locker und Juden wieder auf gepackten Koffern. Jetzt sind es schon zehn Jahre, die ich in den Abgrund starre, aber wird es wirklich schlimmer oder wird mein Blick nur klarer, wird es wirklich dümmer oder werd' ich immer schlauer - frag mich in zehn Jahren nochmal, dann wissen wir’s genauer.“ So getextet im Titeltrack des aktuellen Albums, da klingt dann doch auch viel Ernüchterung und Müdigkeit durch. Dennoch: Auch „10 Jahre Abfuck“ ist nach „Alles brennt“ und „Alle gegen alle“ wieder eine Platte mit ordentlich Schaum vor dem Mund geworden, hier wird trotzdem anständig ausgeteilt. Die Nazischläger, Testosteronmachos, Hohlhirne, Rapversteher, Instaprinzen, sie kriegen alle eine mit – die Synthies spotzen, der Techno wummert (so dass man manchmal glaubt, aus dem Nebenstudio hätten Deichkind ihre Amps dazugestöpselt) und wenn Wilken nicht langsam etwas pfleglicher mit seinen Stimmbändern umgeht, kann auch der alte Mann da oben nicht mehr viel helfen.



Extrakrass und durchaus diskutabel wird es, wie erwähnt, also noch immer. Bei „Echte Männer Freestyle“ fantasieren und politisieren sich Wilken und Bolz ein paar heiße Partyszenen im Freundeskreis zusammen („ich bin was ich bin, ich hab das nicht geplant, von Linken verstoßen, von Rechten umgarnt“), müssen aber letztendlich zugeben, dass es zum „Geschlechtsverräter“ für Saubermänner nicht reicht. Und auch die Abspritztour durch’s nächtliche Berlin („Jeder Schritt“) ist ganz herbe Kost und extreme Gratwanderung, von der man hofft, dass nicht die falschen Leute mitbrüllen. Am Schluss schimmert sie dann wieder durch, die Lust an der Flucht: „Das Feuer gebändigt und den Hund gezähmt, jetzt können wir untergehen, wir haben genug gesehen“, heißt es höhnisch in „Es war nicht alles schlecht“ (war es eben doch) - bevor sich die beiden zum Spießerglück hinreißen lassen, nehmen sie doch lieber den Ausgang („Exit“). So recht vorstellen kann man sich das nicht, ZM in der Hängematte, wie sie der Welt beim Untergang zusehen, besser also, sie hängen noch ein paar Jährchen Abfuck dran.

07.08.  Berlin, Kino International
08.08.  Leipzig, Moritzbastei
11.08.  Köln, Zum Schrotty
07.08.  München, Olympiastadion
04.02.  Kiel, Die Pumpe
05.02.  Hamburg, Große Freiheit 36
07.02.  Berlin, Huxleys Neue Welt
12.02.  Rostock, Peter Weiss Haus
14.02.  Düsseldorf, zakk Halle
17.02.  Frankfurt, Batschkapp
19.02.  Jena, Kassablanca
20.02.  Dresden, Scheune
21.02.  Hannover, Musikzentrum
22.04.  Braunschweig, Westand
23.04.  Bremen, Schlachthof
24.04.  Erlangen, E-Werk
25.04.  Wiesbaden, Schlachthof
27.04.  München, Muffathalle
01.05.  Kaiserslautern, Kammgarn
06.05.  Köln, Gloria Theater
08.05.  Dortmund, Junkyard
09.05.  Bielefeld, Movie
13.05.  Freiburg, Jazzhaus
14.05.  Leipzig, Werk2

Mittwoch, 5. August 2020

Kelly Lee Owens: Beste zweite Chance [Update]

Das ist mal ein Satz, wie man ihn selbst auf Wikipedia nicht alle Tage zu lesen bekommt: "Sie gab ihre Arbeit als Krankenschwester auf einer Krebsstation in Manchester auf, um sich der Musik zu widmen." Die Rede ist hier von Kelly Lee Owens, mittlerweile eine der wenigen etablierten Produzentinnen resp. Künstlerinnen in der doch sehr männlich dominierten Londoner Techno/DJ-Szene. Die Waliserin kam 2007 nach England, sammelte erste musikalische Erfahrungen bei Nebenjobs auf lokalen Indie-Festivals, letztlich wurde sie aber von ihren Patient*innen dazu gedrängt, es doch ernsthafter an den Turntables und im Tonstudio zu probieren. Und das sicher nicht, weil ihr für die Medizin die nötige Leidenschaft fehlte. Die Entscheidung war bestimmt nicht die falsche, Owens arbeitete mit Kollegen wie Daniel Avery, James Greenwood und Erol Alkan, ihrer ersten EP "Oleic" folgte 2017 das Debüt-Album "Kelly Lee Owens" und einer Kollaboration mit Jenny Hval, später folgten weitere mit Björk und St. Vincent. Für den 1. Mai nun hat sie ihre zweite Platte "Inner Song" via Smalltown Supersound angekündigt, vorab konnten wir davon zunächst den Track "Melt!" hören, nun schickt sie den erstaunlich eingängigen Song "Night" und das zarte "On" hinterher. Gespannt dürfen wir zudem auch auf ein weiteres Joint Venture sein, mit "Corner Of My Sky" findet sich auf dem Album auch ein Feature von John Cale.

Update: Und nun, da das Album mittlerweile auf den 28. August geschoben worden ist, haben wir auch die Collabo mit John Cale vorliegen - voilá, "Corner Of My Sky feat. John Cale".










Dienstag, 4. August 2020

Odd Morris: Die Straßen deiner Stadt

Immer dann, wenn man ihn schon abgeschenkt hat, kommt doch noch ein Song um die Ecke, der einen am endgültigen Tod des Indierocks zweifeln läßt. Es geht ihm nicht so gut, schon klar, aber die irische Band Odd Morris hat offenbar etwas dagegen, dass das Genre vollkommen vom Radar verschwindet. Und so haben sie gerade ihre neue Single "Your Four Walls", eine kleine Hommage an die Straßen und Häuser Dublins und die dazugehörigen Geschichten, geteilt. Vor einem Jahr traten Daragh Griffin (Gesang, Gitarre), Kris Hassett (Gitarre), Ciarán McCarthy (Bass) und Sam Martin (Drums) mit ihrer Debütsingle "What Might Be" erstmals in Erscheinung, es folgten die Stücke "Lilac Leaves" und "Cold Water", Konzerte im Vorprogramm von Ezra Furman und der Fat White Family - und wenn nicht alles noch schlimmer kommt mit der Pandemie, dann steht ihrer Karriere zumindest 2021 nichts mehr im Weg.








Big Joanie: Berechtigte Frage

Dass solche Momente in unregelmäßigen Abständen kommen, ist ganz normal und gesund. Man kann schließlich nicht überall sein. Dennoch die Frage: Wo um alles in der Welt waren wir, als diese Band erstmals auftauchte (also 2013)? Und wo bitteschön haben wir uns dann im September 2018 herumgetrieben, als Big Joanie ihre fabelhafte Single "Fall Asleep" veröffentlichten? Diese stammt vom rundherum tollen Debüt "Sistahs", das die All-Girl-Formation aus London im November desselben Jahres nachreichte. Wie gesagt, das kann passieren. Aber wie oft wohl entert eine schwarze, feministische Punkband die Schlagzeilen, die ihre Bezugsquellen zwischen Sonic Youth, den Pixies und The Breeders auf der einen und klassischem Soul bzw. R'n'B verortet? Dass Stephanie Phillips, Chardine Taylor-Stone und Estella Adeyeri oft in einem Atemzug mit der New Yorker Kapelle The Ronettes genannt werden, überrascht deshalb nicht. Nachträgliches Stöbern lohnt sich im Übrigen bei den dreien, findet man dabei doch Coverversionen von "Wave Of Mutilation" (Pixies), "Doe" (The Breeders) und "No Scrubs" (TLC), bevor man sich dann der aktuellen Neubearbeitung zuwenden kann - für Jack Whites Label Third Man Records nämlich haben sie gerade "Cranes In The Sky" von Solange Knowles eingespielt, auf der Flipside findet sich die Nummer "It's You" vom ersten Longplayer.





Montag, 3. August 2020

Ela Minus: Der Sound zur Zeit

Dass die Bewohner*innen Kolumbiens, wenn sie nicht gerade ihren Unterhalt im Medellín-Kartell verdienen (und auch das ist kein Zuckerschlecken), keine einfachen Lebensbedingungen gewohnt sind und deshalb ungewöhnliche Lebensentwürfe eher kennen, sollte sich selbst bis ins diesbezüglich recht bequeme Westeuropa herumgesprochen haben. Diese junge Dame hier, mit Geburtsnamen Gabriela Himeno, hat beispielsweise schon mit zwölf in einer Hardcore-Kapelle die Drums verdroschen, bevor sie in den USA das Berklee-College enterte, um dort eine anständigen Abschluß zu machen. Himeno, die sich alsbald das Pseudonym Ela Minus zulegte, pflegt seit dieser Zeit eine sehr enge Beziehung zu analgogen Synthesizern, sie schätzt deren unverfälschten, warmen Sound, den man wiederum ihren Tracks anhören kann. Wohnhaft in Brooklyn, ist sie dort tief in der DIY- und Clubszene verwurzelt, im April schickte sie mit "they told us it was hard, but it was wrong" einen ersten neuen Track in die Runde, dem nun das feine Stück "megapunk" folgt. Zeitgemäßer kann Dance nun wirklich kaum klingen.




Sonntag, 2. August 2020

The Notwist: Schiffsmeldung

Lazy Sunday Afternoon - die Spotlights heute wegen Hochsommer als kräftesparende Rundreise, also mal ausschließlich aus Deutschland. Kommt ja selten vor, dass wir ausreichend Neuigkeiten in ansprechender Qualität aus der Heimat vorliegen haben. Doch gleich, wenn der erste Name fällt, gehen auch international die Lichter an: The Notwist nämlich, die Weilheimer Frickelbude, planen via Morr Music am 21. August die Veröffentlichung einer neuen EP mit dem Titel "Ship" und der Titelsong (feat. Saya/Tenniscoats) läßt, zumindest für diese 12", auf eine Kurskorrektur in Sachen Sound schließen. Mit "Loose Ends" und "Avalanche" werden sich zwei weitere Stücke auf dem Tonträger befinden - wer am kommenden Samstag noch nichts vor hat, kann ja auch mal am Kölner Tanzbrunnen vorbeischauen, dort nämlich wird das Kunstkollektiv vorspielen.

08.08.  Köln, Tanzbrunnen
04./05.06. 2021  Hamburg, Elbjazz Festival

Provinz: Anderer Blickwinkel

Ob die oberschwäbische Kleinstadt Ravensburg tatsächlich schon als Provinznest gilt, kommt wohl auf den Standpunkt an - junge Menschen jedenfalls, die in dem 50-Tausend-Seelen-Örtchen großgeworden sind, werden nicht selten das Gefühlt gehabt haben, dort von allem Wichtigen dieser Welt abgeschnitten zu sein und also schnell den Ausbruch wagen. Dass es diese vier jungen Herren mit eben dem Namen Provinz zumindest musikalisch gar nicht nötig haben, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, pfeifen schon seit langem nicht nur Spatzen von den Dächern. Seit ihrer Debüt-EP "Reicht dir das" sind sie gern gesehene Gäste auf hochkarätigen Festivals und ihre Songs laufen bei den einschlägigen Radiosendern in Dauerschleife. Grund genug, sie auch hier mal vorzustellen, zumal ja gerade ihr Album "Wir bauten uns Amerika" erschienen ist. Und weil wir etwas später dran sind, bleibt uns nur das vollumfängliche, sehr ausgiebige Video-Roundup mit sieben Stücken der Platte - dass sie richtig gut sind, weiß mittlerweile ohnehin schon jede/r.













Aime Simone: Schönheit und Vergänglichkeit

So, jetzt müssen wir etwas schummeln, denn dieser junge Mann hier ist zwar in Deutschland, genauer in Berlin, zu Hause, wurde aber in Paris geboren. Aime Simone macht allerdings so schöne Musik, dass man ihn sofort einbürgen wollte. Dunkel zwar, aber anmutig und mit ausreichend Herzenswärme. Von einer begonnenen Modelkarriere ist zu lesen, von einer Freundschaft mit Enfant Terrible Pete Doherty und natürlich seinem gerade veröffentlichten Albumdebüt "Say Yes, Say No". Von diesem wollen wir hier die Singles "In This Dark Time", "Strange Inside" und "Everything's Changing" präsentieren. Wer wissen möchte, woher Aimes Vorliebe für Themen wie Tod, Vergänglichkeit, Verlust und Einsamkeit kommt, findet die Antwort vielleicht in einer Dokumentation (siehe unten), die gerade beim Far Out Magazine über ihn erschienen ist.







Schatzi: Style und Kalkül

Schatzi also. Wir geben zu - mit dem Namen haben wir so unsere Probleme. Da aber werden wir nicht die einzigen sein, deshalb darf man davon ausgehen, dass die Brüder Jeremias und Yannic Koch plus Sänger Julian Schatz damit sehr wohl kalkuliert haben. Denn das gibt natürlich Zusatzpunkte auf der Irritations- und also Aufmerksamkeitsskala. Auf der sind die drei seit 2018 mit ihren Songs "Coke Light", "7 Minuten", "Lindsay" und "Kamera" schon gelandet, nun kommt mit "Glock" ein neuer dazu und obendrauf die Ankündigung für eine neue EP namens "Animalia Parc" (VÖ: 23. Oktober, Downbeat). Was wir hören: sanfte Trapklänge, dunkel schimmernden Popsound. Was wir sehen: Style, Lässigkeit, Attitüde, geballte Arroganz - passt also. Und bleibt spannend, so scheint es.