Zugezogen Maskulin
„Alles brennt“
(Buback Tonträger)
Relevanz ist, wenn es um Musik geht, ein trügerisches, wenn nicht sogar untaugliches Kriterium, denn woran sollte man sie messen? Ist relevant, wer die Verkaufscharts toppt? Wer in Gesprächsrunden geladen wird und auf flauschigem Polster Hochgeistiges diskutiert? Oder besser doch, wer von ganz unten schreit? Von links? Oder gar von rechts? Relevant, real, authentisch – ganz schwierige Sache. Kürzlich erst musste sich Noel Gallagher, Veteran des Britpop, den Vorwurf des Hochverrats gefallen lassen, weil er mit dem proletarischen Fußvolk so gar nichts mehr gemein habe. Also nicht mehr real? Auch der HipHop kommt traditionell aus der gesellschaftlichen Unterschicht, zumindest hatte er dort seinen Ausgangspunkt – wer aber wollte behaupten, dass gehypte Moneymaker wie Jay-Z, Kanye West oder Eminem diesen historischen Bezug noch glaubhaft herstellen, ja leben könnten? Sicher ein Problem der drei Genannten, aber sind sie darum weniger relevant? Und wenn es stimmt, dass gerade im HipHop (ergo auch Deutsch-Rap) die meisten deshalb dabei sind, weil sie der Tristesse und Hoffnungslosigkeit da ganz unten entfliehen wollen – was genau heißt das dann für Zugezogen Maskulin?
Für die Zukunft vielleicht nichts Gutes. Einigen wir uns einfach darauf, dass Zukunft für den Moment keine Rolle spielt (was im Doppelsinn etwas bitter klingt), einigen wir uns weiterhin auf den Satz: Wahr ist, was weh tut. Dann nämlich sind Testo und Grim 104 sehr real. Zwei Bands, auf die sich Zugezogen Maskulin auch textlich beziehen, ist in ihren Anfangstagen Bemerkenswertes gelungen: Die Fehlfarben haben mit „Monarchie und Alltag“ genauso wie Ton Steine Scherben und „Warum geht es mir so dreckig?“ Debütalben abgeliefert, die weh taten, unbequem, kantig waren und vielleicht ist die Vermutung gar nicht so falsch, dass ZM mit „Alles brennt“ ein Werk von ähnlicher Güte geglückt ist. Brettharte, graukalte Zerfallsmusik ist das, was da aus den verwitterten Fugen der Plattenbauten tönt, nicht schön, nicht beruhigend, nichts womit sich Besucher locken ließen. Vom Polarkreis tönt ein Sirenenstimmchen „Verschwende Deine Zeit!“, allein allein, aber bunter wird es nicht. ZM klingen wie ein hochgepitchter, furchteinflößender Alptraum, ein Aufschrei all derer, die „immer im Weg sind“.
Brandworte, ausgespuckt. Dronige Synths hämmern zu sich überschlagenden Stimmen, der Abschaum, die Kellerkinder starren mit weit aufgerissenen Augen in die Leere und machen sich einen Reim darauf. Cool will das nicht sein, wahrhaftig aber schon. Da schrumpft die Welt plötzlich zu einer kleinen, traurigen, dreckigen Kulisse, liegt Kreuzberg am Meer („Schiffbruch“), Lampedusa am „Oranienplatz“ und das schwarz-rot-goldene Partyfähnchen flattert als schlechter Witz im Wind: „Wenn nicht gerade ein Turnier ist, bist du nicht zu Gast bei Freunden“ – herzlich willkommen! Kein Lullaby, höchstens Betäubung – „Ich sauge dich ein und du saugst mich aus, … ich mach kaputt was mich kaputt macht – mich selber“ („Grauweißer Rauch“), Autoagression als einzige Möglichkeit, sich selbst zu spüren, nicht neu, aber deshalb auch nicht weniger schmerzvoll. World Of Warcraft, Kampf um die Krim, endlich wieder Krieg! „Ich schlaf aus bis 13:00 Uhr. Hurra! Die Schule brennt! Yüah, ich brauch kein Abitur.“ Falsche Götter, falsche Hoffnungen, das Leben erodiert und Zugezogen Maskulin machen den Soundtrack dazu. Kraftklub in böse, mehr Jetzt geht nicht. Anhören. Ansehen. Dringend.
02.04. Kiel, Orange Club
03.04. Hamburg, Uebel und Gefährlich
05.04. Essen, Hotel Shanghai
06.04. Köln, Underground
08.04. Franfurt, Zoom
09.04. München, Feierwerk
10.04. Koblenz, Circus Maximus
11.04. Weinheim, Café Central
12.04. Stuttgart, ClubCANN
15.05. Erlangen, E-Werk
16.04. Leipzig, Werk2
17.04. Münster, Skaters Palace
24.04. Berlin, Lido
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