Zugezogen Maskulin
„Alle gegen alle“
(Four Music)
Wundern wir uns eigentlich noch? Oder haben wir uns abgefunden mit dem, was um uns herum passiert? Mit der Arroganz der Macht in Politik und Wirtschaft? Mit dem Haß, der Gleichgültigkeit, dem Verschwinden des „wir“ und der unbedingten Diktatur des „ich“? Fühlen wir uns noch wohl oder geben wir besser klein bei und richten uns blickdicht ein? Bei Zugezogen Maskulin hat schon vor zwei Jahren alles gebrannt, tanzten die abgewrackten Kids als Klebstoffjunkies im grauen Abseits der Plattenbauten, war ohnehin schon alles zu spät. Kein Wunder in Sicht, deshalb hat sich daran auch bei der neuen, dritten Platte von Grim104 und Testo nichts geändert. Der Sound ist einmal mehr ein wütendes Anschreien gegen die Zustände drinnen und draußen, gegen die Hohlheit, die Verspießerung und die Abschottung, gegen das Blingbling des Hipstertums und nicht zuletzt die Entfremdung, mit der wir uns alle auseinandersetzen müssen, denn das kalte Gift der Egozentriker sickert unaufhaltsam durch alle Schichten und läßt keine aus.
„Uwe und Heiko“ sind die stellvertretenden Namen zum Thema, man trifft sie – früher unbeschwerte Freunde, heute entwurzelte, unkenntliche Gestalten – in einigen der neuen Songs des Berliner Duos und das Wiedersehen ist ein schmerzhaftes, weil mancher sich selbst in diesen Biographien wiedererkennen kann. Es ist auf schmerzhafte Weise verblüffend, wie treffsicher und brutal Zugezogen Maskulin uns den Spiegel vorzuhalten vermögen, es reichen drei Minuten zwanzig, um die Jetztzeit als bestenfalls tristes, immer öfter aber apokalyptisches Unsittengemälde im Stile eines Hieronymus Bosch mit hämmernden Raps zu illustrieren („Was für eine Zeit“). Der gnadenlose Kampf um’s eigene Recht, die Vormachtstellung, die Profilierungssucht – dem „Alle gegen alle“ schon in die Falle gegangen, mittendrin im Schlagabtausch und wenn der am Gartenzaun passiert, dann braucht man zumindest den Mut zur Konfrontation, verstecken wir uns doch gleich besser in der Anonymität der asozialen Netzwerke.
Natürlich ist das alles bewußt überzeichnet, Jerichofanfaren zum Einstieg, der Mensch zurückgeworfen auf „Adams Zeiten“, getrieben von Geilheit und Kriegslust, nur scheinbar zivilisiert, bleibt er am Ende doch ein Primat, der Computer programmiert. Aber wer Wirkung erzielen will, muß Schmerzpunkte setzen, Schlachten gewinnt man schließlich nicht mit Katzenvideos, sondern mit Mut und Rückgrat: „Das hier ist kein das Dada, das hier ist kein Spaß, Zugezogen Maskulin, die Wolken bleiben schwarz!“ Es hat, auch das verwundert nicht, auch viele wehmütige Momente auf dem Album, die bittere Erinnerung an die Jugend („Teenage Werwolf“), das Bild vom Tod als Meister aus Deutschland, der auf einen letzten Drink an der Bar versackt und selbst für’s eigene Handwerk zu müde ist. Und vor allem die traurige Rückschau über Generationen aus der Sicht des Diktaturenkindes in „Steine und Draht“, weit entfernt von Heimatliebe und Sonnenuntergang mit röhrendem Hirsch (aber wenigstens gibt’s eine Knopfler-Gitarre dazu). Mehr Punch als die beiden hat zur Zeit niemand hier, Gnade war ohnehin nicht zu erwarten.
Update: Der Meister aus Deutschland im Kurzfilm - "Der müde Tod" neu in der Videothek.
Tourdaten auf http://www.zugezogenmaskulin.de/
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