Das wird eine gehypte Punkband aus lauter London jetzt nicht unbedingt nachvollziehen können, aber der erste Gedanke der einem hierzulande beim Anhören des neuen Songs kommt geht ins beschauliche Waldhausen im oberösterreichischen Strudengau. Dort wurde nämlich vor mehr als einem halben Jahrhundert der Josef Hader, seines Zeichens bester Kabarettist plus Schauspieler der Alpenrepublik, geboren. Und der wiederum hatte vor langer Zeit im Rahmen seines Programms "Privat" ein Lied vorzuweisen, das sich "Topfpflanzen" nannte. Okay, damit enden die Gemeinsamkeiten schon wieder, denn Hader forderte darin alle Gummibäume, Zimmerpalmen und Monsteras auf, endlich den Arsch hochzubekommen und eigenständig das Weite zu suchen. Squid wiederum besingen auf ihrer neuen Single "Houseplants" die ganz alltäglichen Geldsorgen beim anmieten einer ordentlichen Wohnung. Und sie tun das mit ordentlich Wumms, Sänger Ollie Judges überkippender Stimme, flirrenden Gitarrenhooks. Gerade raus bei Practise Music.
Mittwoch, 27. Februar 2019
Deafheaven: Full Metal Packet
Rechtzeitig zu Beginn ihrer US-Tour haben Deafheaven einen bislang unbekannten Titel springen lassen - "Black Brick" kommt, ungewöhnlich genug bei dem Blackgaze-Quartett, ganz ohne die beschaulichen Zwischentöne aus, anders noch als beim aktuellen Album "Ordinary Corrupt Human Love" ist dieser Siebeneinhalbminüter das komplette Full Metal Packet.
Dienstag, 26. Februar 2019
Wyldest: Mit doppeltem Boden
Ein Song wie ein Vorgriff auf den hoffentlich nicht mehr allzu fernen Sommer und somit auch der Tagessieger in Sachen Vorfreude: Wyldest aus London haben gerade den dritten Song von ihrem für den 1. März angekündigten Debüt "Dream Chaos" präsentiert - "Quiet Violet" folgt auf die Singles "Alive" und "Headrush" und trotz der anmutigen Töne und sommerlichen Close-Ups lauert irgendwie in Bild und Ton eine nicht näher definierbare Traurigkeit. Laut Band geht es in dem Stück um die Verwirklichung des eigenen Selbst, der Träume und Vorstellungen vom Leben - und eben auch darum, dies nicht in aller Konsequenz zu tun. Ein doppelter Boden also. Und das dem Tag, an dem Mark Hollis gegangen ist.
The Drums: Selbstbehauptung [Update]
Und das war natürlich die andere, große Nachricht heute: Jonny Pierce, mittlerweile quasi als eine Art Einmannband unterwegs, hat ein neues Album unter dem Namen The Drums angekündigt. "Brutalism" soll es heißen und am 5. April via ANTI- Records erscheinen. Pierce hatte auch nach erfolgreicher Veröffentlichung seiner letzten Platte "Abysmal Thoughts" 2017 wenig Ruhe und Freude gefunden, Selbstzweifel und depressive Schübe machten das Leben wenig angenehm und nur mit viel Selbstdisziplin und Spaß an der Musik schaffte er es, den Kopf oben zu behalten. Ausgestanden ist es noch nicht, aber mit dem Ergebnis der Zusammenarbeit mit Produzent Chris Coady (Amen Dunes, Beach House, Future Islands) im Rücken dürfte bald wieder etwas mehr Selbstbewußtsein zu haben sein - die erste Single "Body Chemistry" jedenfalls ist lupenrein luftiger Bedroom-Pop mit bissigen Lyrics. Ein guter Anfang.
Update: Und hier kommt Song Nummer zwei vom neuen Album "Brutalism" - "626 Bedford Avenue".
Update: Und hier kommt Song Nummer zwei vom neuen Album "Brutalism" - "626 Bedford Avenue".
Big Thief: Außerirdisch
Und auch hier dürften die Erwartungen gewaltig sein: "Capacity" von der New Yorker Kapelle Big Thief schaffte es vor zwei Jahren nicht nur in den hiesigen Blogcharts ganz nach oben - nicht ganz unschuldig daran die zerbrechliche, geheimnisvolle Aura von Sängerin Adrianne Lenker, die ein Jahr später mit ihrem Solo "Abysskiss" ebenso glänzen konnte. Nun ist, erstmals bei 4AD, Album Nummer drei der Band geplant, "U.F.O.F." soll es heißen und der Titeltrack verspricht schon mal ziemlich viel. Das zweite F im Titel steht laut Lenker übrigens für 'Friend': "Making friends with the unknown … All my songs are about this. If the nature of life is change and impermanence, I’d rather be uncomfortably awake in that truth than lost in denial."
03.06. Berlin, Lido
04.06. Zürich, Bogen F
03.06. Berlin, Lido
04.06. Zürich, Bogen F
Sonntag, 24. Februar 2019
Bilderbuch: Zärtliche Weltherrschaft
Bilderbuch
„Vernissage My Heart“
(Maschin Records)
Jetzt haben sie uns also doch wieder am Haken. Nach „mea culpa“, dem ersten von zwei Teilen, haben wir noch vorsichtige Bedenken angemeldet, ob sie nicht eine Spur zu vorhersehbar, etwas weniger aufregend geworden wären, die BiBuBoys. Und nun fragt man sich, wie um alles in der Welt nur der leiseste Zweifel an ihnen aufkommen konnte. An Maurice Ernst, dem smarten Jungen, dem eine Wortfindungsschwierigkeit so fremd ist wie dem Strache Heinzi die Demokratie, der jedwede Bedenken mühelos mit einem einzigen supercatchy swoosh hinwegwischt. Erst kürzlich hatte er ja in einer Sonntagszeitung auf unvergleichlich sympathische Art mit der Weltherrschaft gedroht – naja, er hatte eigentlich Stadionrock und Europa gemeint, aber wir wissen alle, dass für Bilderbuch erst Schluss sein kann, wenn alle Völker der Erde ihrer Sexyness erlegen sind. Und es wäre gut so, denn dieser Planet braucht nicht nur „mehr approximation“, ein wenig Liebe, Lust und Zärtlichkeit könnten ihm auch nicht schaden.
Schon lustig: Erst einmal hauen sie uns ein vierminütiges Gitarrenbrett um die Ohren, wer jetzt schon schlappmacht, hat es sowieso nicht anders verdient. Und dann? „Ihr Busen hüpft, wenn sie den Frisbee catcht, und mir wird wieder klar, was mich glücklich macht.“ Echt jetzt!? Wie kann er nur? Naja: Er kann halt. Jedem anderen Kerl würden solche Zeilen wie ein Bummerang direkt wieder ins Gesicht gewatscht werden, Ernst setzt noch einen drauf: „Ich bin so gern in dir, baby, du bist so gern auf mir, bubu, …“, und dazu legt die Band einen Funk hin, dass es nur so schnalzt - balzt sie mit Gitarrensoli, dass die Säfte kochen. Und das geht so weiter. Und er weiß ja selbst, dass er keine Wahl hat: „Manchmal da fühl ich diese Welt. Sie braucht mich, die meiste Zeit, da fühl ich überhaupt nichts…“
Tja, und dann: Europa. Natürlich in glänzendem Elektrikblau, der Hausfarbe von Bilderbuch. Aber das ist hier nicht irgendein Schmarren, keine Spielerei. Das ist der Gegenentwurf zu dem ganzen grobschlächtigen, anonymen Hin- und Hergehasse, der lieblosen Wortprügelei in den Netzwerken und auch auf den Straßen. Nicht im Lamborghini diesmal, sondern im Zugabteil. Da denken wir an Interrailtickets, munteres Switchen zwischen den Metropolen, übernächtigt, ungewaschen, schöne Erinnerungen an gestern, voller Vorfreude auf morgen, rastlos frei unterwegs. Zehn Minuten sind da nichts, das fährt sich weg und träumt sich dahin, alles wippt – „Leben ohne Grenzen, freedom zu verschenken“. Und wo sie letztens noch etwas schrumpften, sind Bilderbuch auf einmal wieder ganz groß, ganz da und beim besten Willen nicht wegzudenken. Weltherrschaft? Unbedingt, bitte gleich jetzt!
06.04 Posthalle, Würzburg
07.04 Beethovensaal, Stuttgart
08.04. Capitol, Offenbach
09.04. Turbinenhalle, Oberhausen
11.04. Haus Auensee, Leipzig
12.04 Capitol, Hannover
13.04. Palladium, Köln
14.04. Stadthalle, Kassel
16.04. Zenith, München
17.04. Mehr! Theater, Hamburg
18.04. Columbiahalle, Berlin
19.04. Columbiahalle, Berlin
24.04. Dogana, Innsbruck
25.04. Volkshaus, Basel
26.04. X-Tra, Zürich
24.05. Open Air Schloss Schönbrunn, Wien
25.05. Open Air Schloss Schönbrunn, Wien
21./23.06. Hurricane / Southside Festival
11.07. Poolbar auf der Wiese, Feldkirch
13.07. Donaulände Open Air, Linz
19./21.07. Melt Festival
24.08. Freiluftarena B, Messe Graz
„Vernissage My Heart“
(Maschin Records)
Jetzt haben sie uns also doch wieder am Haken. Nach „mea culpa“, dem ersten von zwei Teilen, haben wir noch vorsichtige Bedenken angemeldet, ob sie nicht eine Spur zu vorhersehbar, etwas weniger aufregend geworden wären, die BiBuBoys. Und nun fragt man sich, wie um alles in der Welt nur der leiseste Zweifel an ihnen aufkommen konnte. An Maurice Ernst, dem smarten Jungen, dem eine Wortfindungsschwierigkeit so fremd ist wie dem Strache Heinzi die Demokratie, der jedwede Bedenken mühelos mit einem einzigen supercatchy swoosh hinwegwischt. Erst kürzlich hatte er ja in einer Sonntagszeitung auf unvergleichlich sympathische Art mit der Weltherrschaft gedroht – naja, er hatte eigentlich Stadionrock und Europa gemeint, aber wir wissen alle, dass für Bilderbuch erst Schluss sein kann, wenn alle Völker der Erde ihrer Sexyness erlegen sind. Und es wäre gut so, denn dieser Planet braucht nicht nur „mehr approximation“, ein wenig Liebe, Lust und Zärtlichkeit könnten ihm auch nicht schaden.
Schon lustig: Erst einmal hauen sie uns ein vierminütiges Gitarrenbrett um die Ohren, wer jetzt schon schlappmacht, hat es sowieso nicht anders verdient. Und dann? „Ihr Busen hüpft, wenn sie den Frisbee catcht, und mir wird wieder klar, was mich glücklich macht.“ Echt jetzt!? Wie kann er nur? Naja: Er kann halt. Jedem anderen Kerl würden solche Zeilen wie ein Bummerang direkt wieder ins Gesicht gewatscht werden, Ernst setzt noch einen drauf: „Ich bin so gern in dir, baby, du bist so gern auf mir, bubu, …“, und dazu legt die Band einen Funk hin, dass es nur so schnalzt - balzt sie mit Gitarrensoli, dass die Säfte kochen. Und das geht so weiter. Und er weiß ja selbst, dass er keine Wahl hat: „Manchmal da fühl ich diese Welt. Sie braucht mich, die meiste Zeit, da fühl ich überhaupt nichts…“
Tja, und dann: Europa. Natürlich in glänzendem Elektrikblau, der Hausfarbe von Bilderbuch. Aber das ist hier nicht irgendein Schmarren, keine Spielerei. Das ist der Gegenentwurf zu dem ganzen grobschlächtigen, anonymen Hin- und Hergehasse, der lieblosen Wortprügelei in den Netzwerken und auch auf den Straßen. Nicht im Lamborghini diesmal, sondern im Zugabteil. Da denken wir an Interrailtickets, munteres Switchen zwischen den Metropolen, übernächtigt, ungewaschen, schöne Erinnerungen an gestern, voller Vorfreude auf morgen, rastlos frei unterwegs. Zehn Minuten sind da nichts, das fährt sich weg und träumt sich dahin, alles wippt – „Leben ohne Grenzen, freedom zu verschenken“. Und wo sie letztens noch etwas schrumpften, sind Bilderbuch auf einmal wieder ganz groß, ganz da und beim besten Willen nicht wegzudenken. Weltherrschaft? Unbedingt, bitte gleich jetzt!
06.04 Posthalle, Würzburg
07.04 Beethovensaal, Stuttgart
08.04. Capitol, Offenbach
09.04. Turbinenhalle, Oberhausen
11.04. Haus Auensee, Leipzig
12.04 Capitol, Hannover
13.04. Palladium, Köln
14.04. Stadthalle, Kassel
16.04. Zenith, München
17.04. Mehr! Theater, Hamburg
18.04. Columbiahalle, Berlin
19.04. Columbiahalle, Berlin
24.04. Dogana, Innsbruck
25.04. Volkshaus, Basel
26.04. X-Tra, Zürich
24.05. Open Air Schloss Schönbrunn, Wien
25.05. Open Air Schloss Schönbrunn, Wien
21./23.06. Hurricane / Southside Festival
11.07. Poolbar auf der Wiese, Feldkirch
13.07. Donaulände Open Air, Linz
19./21.07. Melt Festival
24.08. Freiluftarena B, Messe Graz
Quivers: In guter Gesellschaft
Dass die Australier eine Menge vom Gitarrenpop verstehen, ihn quasi miterfunden haben, das wissen wir nicht erst seit John Forster, Grant McLennan und den Go-Betweens. Das neueste Beispiel nennt sich Quivers, ein Quartett aus Hobart, der größten Stadt des tasmanischen Inselgrüppchens. Sam J. Nicholson, Michael Panton, Bella Quinlan und Holly Thomas haben im Mai vergangenen Jahres ihr Debüt "We'll Go Riding On Hearses" veröffentlicht, nun kommt mit "You're Not Always On My Mind" ein brandneuer Song hinterher. Nicholson schreibt dazu eine Danknote an eine weitere, bekannte Botschafterin des Landes: "I wanted to write a simple song, just four quick chords and a slow realisation. I think I somehow stole the lyrical idea from Kylie Minogue’s “Can’t Get You Out Of My Head” - that a song might be trapped inside just one thought. And in that one thought there might be everything. That’s how good that Kylie song is anyway.” Hat gut geklappt soweit.
Shiny Darkly: Dreiklang
Eine Rückkehr in Sachen Post-Punk gibt es aus Dänemark zu vermelden. Dort nämlich haben Shiny Darkly gerade ihr neues Album "Bronze" via Crunchy Frog herausgebracht. Zwei Songs durften wir davon schon vorab hören, neben "New Country" erschien auch "Perfect" vor Veröffentlichung mit einem Videoclip, nun also komplettiert "Monk in Doubt" einmal mehr mit ein paar interessanten Anklängen an Nick Caves Birthday Party das Trio vom Trio.
Malihini: Beileibe keine Anfänger
Zu guter Letzt noch ein recht interessantes Pärchen: Federica Caiozzo und Giampaolo Speziale kommen, das läßt sich anhand der Namen unschwer erkennen, aus Italien, genauer aus der Hauptstadt Rom. Beide haben leidlich erfolgreiche Erfahrungen beim Film gesammelt und sind sich dann, fast wie in einem Roadmovie, über den Weg gelaufen - und seit dem auch ein Paar. Dass die Entscheidung, gemeinsam Musik zum machen, die richtige war, kann man schnell anhand ihrer letzten Singles hören - vom Debütalbum "Hopefully, Again", das am 8. März bei Memphis Industries erscheinen wird, sind nämlich schon der Titelsong und das Stück "Delusional Boy" ausgekoppelt, nun folgt mit "If U Call" der dritte geschmeidige Popsong. Der Name des Duos lautet übrigens Malihini, was im Hawaiischen soviel wie "Anfänger" bedeutet. Das, mit Verlaub, nennt man fishing for compliments, denn wie Newbies klingen die beiden nun wirklich nicht.
The Streets: Aus einer anderen Zeit
The Streets
Support: Fatoni
Muffathalle, München, 22. Februar 2019
So müssen sie sich also angefühlt haben – die Nullerjahre. Man hat das ja fast schon vergessen, so schnell, wie sich die Kugel dreht. Die Zeit nach dem Jahrtausendwechsel hat damals wirklich einen denkbar blöden Namen verpasst bekommen und man darf sich heute fragen: Hätte sie nicht einen besseren verdient? Schon klar, wir hatten 9/11, den bösen Saddam und den noch viel böseren Bin Laden, eine Euro- und eine Bankenkrise und die Griechen haben uns auch wenig Freude bereitet. Aber hey, wir hatten auch Mike Skinner. Der Junge aus Nordlondon verkörpert wie kein zweiter diese Dekade und ein selbst damals noch immer ziemlich cooles Britannia, nicht das von Blur und Oasis zwar, aber immerhin jenes von Blair, Rooney, den Arctic Monkeys und eben The Streets. Kaum zu glauben, dass er fünf Alben in dieser Zeit veröffentlicht hat, voll mit feinsten Singles, die damals weitaus überraschender klangen als heute, da sich Rap etabliert hat und mit breiter Gischt im Mainstream mitschwimmt.
„Fit But You Know It“ war die bekannteste, „Let’s Push Things Forward“ eine weitere, überdies hat er den Lads seiner Generation mit „Dry Your Eyes“ eine Brücke gebaut, auf dass sie sich zukünftig ihrer Gefühle nicht mehr zu schämen brauchten. Er brachte ein Stück Soul in die harten Rhymes, „Blinded By The Lights“ und andere wunderbare Songs, es hat dem Genre gutgetan. Die Zeiten waren also andere, bessere nicht unbedingt, aber alles war ein Stück weit unbekümmerter. Und genau das versuchte Skinner nun bei seinem Auftritt in der ausverkauften Muffathalle ins heute zu übersetzen. Es ist ihm, das sei vorweggenommen, grandios gelungen. In München spielt man ja häufig gegen das und nicht mit dem Publikum, das möchte hier gebeten, gelobt, verwöhnt werden. Nichts da, Skinner verlegte sich von Anfang an auf’s Scherzen, alles Bauern da unten (im ursprünglichen Sinne jedenfalls), in Berlin, so weiß er, geht es den Leuten deutlich dreckiger (die haben nicht mal Schuhe) – hier aber stehen die großen Autos.
Es brauchte ein paar Hits, die Ausgelassenheit seiner Landsleute und nach einiger Zeit war man warmgeworden, bereit zum Abschuss. Skinner hatte sich zu einer sehr englischen Party entschlossen, pünktlicher Beginn, ein paar anzügliche Jokes und in kürzester Zeit möglichst viel saufen. Hat er alles wunderbar hinbekommen, auch aus dem Publikum wurde mal ein Becher gereicht, wenn es nicht schnell genug ging. Wenn die neuen Sachen nicht ganz so fix zündeten, konnte er das gut mit ein paar lässigen Kommentaren überspielen, im letzten Drittel aber lief die Sache ohnehin wie von selbst. Da rief er zum Crowdsurfing für die Ladies auf – natürlich bei vollem Saallicht und bitteschön ohne jedwede Übergriffigkeiten – im Gegenzug übernahm er einen Becher Hofbräu auf Ex, er hatte wohl noch nicht genug (andere Zeiten, wie gesagt). Und weil es der letzte Tourabend war (höchstwahrscheinlich jedenfalls – Tuesday, Friday, who knows?) gab’s zum Schluß noch die versprochenen Champagner-Dusche direkt aus der Moshpit, heiße Köpfe, alles nass, alle glücklich.
Support: Fatoni
Muffathalle, München, 22. Februar 2019
So müssen sie sich also angefühlt haben – die Nullerjahre. Man hat das ja fast schon vergessen, so schnell, wie sich die Kugel dreht. Die Zeit nach dem Jahrtausendwechsel hat damals wirklich einen denkbar blöden Namen verpasst bekommen und man darf sich heute fragen: Hätte sie nicht einen besseren verdient? Schon klar, wir hatten 9/11, den bösen Saddam und den noch viel böseren Bin Laden, eine Euro- und eine Bankenkrise und die Griechen haben uns auch wenig Freude bereitet. Aber hey, wir hatten auch Mike Skinner. Der Junge aus Nordlondon verkörpert wie kein zweiter diese Dekade und ein selbst damals noch immer ziemlich cooles Britannia, nicht das von Blur und Oasis zwar, aber immerhin jenes von Blair, Rooney, den Arctic Monkeys und eben The Streets. Kaum zu glauben, dass er fünf Alben in dieser Zeit veröffentlicht hat, voll mit feinsten Singles, die damals weitaus überraschender klangen als heute, da sich Rap etabliert hat und mit breiter Gischt im Mainstream mitschwimmt.
„Fit But You Know It“ war die bekannteste, „Let’s Push Things Forward“ eine weitere, überdies hat er den Lads seiner Generation mit „Dry Your Eyes“ eine Brücke gebaut, auf dass sie sich zukünftig ihrer Gefühle nicht mehr zu schämen brauchten. Er brachte ein Stück Soul in die harten Rhymes, „Blinded By The Lights“ und andere wunderbare Songs, es hat dem Genre gutgetan. Die Zeiten waren also andere, bessere nicht unbedingt, aber alles war ein Stück weit unbekümmerter. Und genau das versuchte Skinner nun bei seinem Auftritt in der ausverkauften Muffathalle ins heute zu übersetzen. Es ist ihm, das sei vorweggenommen, grandios gelungen. In München spielt man ja häufig gegen das und nicht mit dem Publikum, das möchte hier gebeten, gelobt, verwöhnt werden. Nichts da, Skinner verlegte sich von Anfang an auf’s Scherzen, alles Bauern da unten (im ursprünglichen Sinne jedenfalls), in Berlin, so weiß er, geht es den Leuten deutlich dreckiger (die haben nicht mal Schuhe) – hier aber stehen die großen Autos.
Es brauchte ein paar Hits, die Ausgelassenheit seiner Landsleute und nach einiger Zeit war man warmgeworden, bereit zum Abschuss. Skinner hatte sich zu einer sehr englischen Party entschlossen, pünktlicher Beginn, ein paar anzügliche Jokes und in kürzester Zeit möglichst viel saufen. Hat er alles wunderbar hinbekommen, auch aus dem Publikum wurde mal ein Becher gereicht, wenn es nicht schnell genug ging. Wenn die neuen Sachen nicht ganz so fix zündeten, konnte er das gut mit ein paar lässigen Kommentaren überspielen, im letzten Drittel aber lief die Sache ohnehin wie von selbst. Da rief er zum Crowdsurfing für die Ladies auf – natürlich bei vollem Saallicht und bitteschön ohne jedwede Übergriffigkeiten – im Gegenzug übernahm er einen Becher Hofbräu auf Ex, er hatte wohl noch nicht genug (andere Zeiten, wie gesagt). Und weil es der letzte Tourabend war (höchstwahrscheinlich jedenfalls – Tuesday, Friday, who knows?) gab’s zum Schluß noch die versprochenen Champagner-Dusche direkt aus der Moshpit, heiße Köpfe, alles nass, alle glücklich.
Samstag, 23. Februar 2019
Frittenbude: Der Unsicherheit zum Trotz
Frittenbude
„Rote Sonne“
(Audiolith)
Das glaubt ja nun wirklich keiner mehr, dass das Leben ein langer, ruhiger Fluss ist. Und auch wenn man seinen Harari gelesen hat und etwas auf Abstand geht – es ist eine verflixte Sache damit: Man wird ja tagtäglich mit Dutzenden von Sinnsprüchen bombardiert, die Chats sind voll davon und nicht wenige Mitmenschen machen es sich zur Aufgabe, diese auch noch auf T-Shirts durch die Gegend zu tragen. Nur, erträglicher oder verständlicher wird der Sinn des Ganzen dadurch auch nicht. Life’s what you make it – haha, good joke, das erzähl' mal einem Kind in Syrien, dem chinesischen Umweltaktivisten oder einem Indio, dem die Urwälder unter den Arsch weggerodet werden. In Westeuropa sieht das auf den ersten Blick natürlich etwas anders aus, aber bei näherer Betrachtung weiß auch hier niemand so recht wie weiter. Frittenbude aus Wahlberlin sind da nicht das einzige Beispiel, mit ihrer neuen Platte aber ein recht anschauliches. Diese nämlich dreht sich vornehmlich um „la vida loca“, die Generation friedensverwöhnter Kindeskinder ist ziemlich verunsichert: Wofür lohnt sich der Kampf oder gehört doch alles in die Tonne?
Seltsam unentschieden kommen sie daher, die neuen Lieder derjenigen, für die doch eigentlich immer alles besser läuft und denen sich am Horizont doch gefährlich viele Bedrohungen aufbauen – Nationalismus, Separatismus, Konsumwahn und Medienwahnsinn, wir drehen durch oder wenigstens im Kreis und die richtigen, die verlässlichen Antworten hat keiner parat. Und so beginnt es gleich mit einer trostlosen, endzeitlichen Szenerie, Helikopter und Mördergeschrei, es geht bergab und der Beat beschleunigt die Talfahrt („Kill Kill Kill“). Einigermaßen verzweifelt präsentiert sich das Trio, orientierungslos. Da wo sie sind, ist’s nicht mehr so prickelnd (die Spree schmeckt scheiße und der Terror der Mitte-Hipster nervt gewaltig), das Leben lebt sich selbst, egal ob wir was tun oder ob wir’s einfach lassen („Alles was wir nicht tun“). Wegrennen hilft nicht („Insel“) und wo Moop Mama den Molli werfen, versucht es die Frittenbude standesgemäß besser gleich mit dem ganzen „Kanister“.
Viel Wehmut ist da, Angst auch und Trotz. Etwas entschiedener werden die drei Freunde aus Bayern wenigstens, wenn es um den Gegner geht, daran läßt es sich aus- und aufrichten. Der Rundumschlag gegen alles und jeden (und eben nicht nur die ewigen Standard-Bösen) zusammen mit Love-A-Sänger Jörkk Mechenbier in „Die Dunkelheit darf niemals siegen“ mag zwar recht plakativ sein, der Zorn aber, der sich bewusst mit einbezieht, macht den Song zu einem der besten des Albums. St. Pauli, Charlotte Roche, Red Bull (die ja auch gern mal ein alternatives Spaßevent sponsern), Bioladen und Kunstversteher, immer eine drüber. Der Sound zur heraufdämmernden Katastrophe, zum Tanz auf dem Vulkan, ist der gewohnte – geschmeidige Loops, härtere Beats, es brodelt, hämmert und spotzt schön in der Fritteuse und auch wenn alles kaputt geht, plädiert das Album wenigstens für ein universell gültiges Motto: Ohne Musik, so sagte der Herr Nietzsche, wäre das Leben ein Irrtum. Und brächte erheblich weniger Spaß.
15.03. Hannover, Faust
16.03. Hamburg, Uebel und Gefährlich
21.03. Wien, Flex
22.03. Salzburg, Rockhouse
23.03. Graz, PPC
28.03. Dresden, Scheune
30.03. Berlin, Festsaal Kreuzberg
04.04. Jena, Kassablanca
05.04. Leipzig, Täubchenthal
06.04. Wiesbaden, Schlachthof
11.04. Münster, Gleis 22
12.04. Essen, Hotel Shanghai
13.04. Köln, Luxor
25.04. Nürnberg, Z-Bau
26.04. Stuttgart, Im Wizemann
27.04. München, Muffathalle
„Rote Sonne“
(Audiolith)
Das glaubt ja nun wirklich keiner mehr, dass das Leben ein langer, ruhiger Fluss ist. Und auch wenn man seinen Harari gelesen hat und etwas auf Abstand geht – es ist eine verflixte Sache damit: Man wird ja tagtäglich mit Dutzenden von Sinnsprüchen bombardiert, die Chats sind voll davon und nicht wenige Mitmenschen machen es sich zur Aufgabe, diese auch noch auf T-Shirts durch die Gegend zu tragen. Nur, erträglicher oder verständlicher wird der Sinn des Ganzen dadurch auch nicht. Life’s what you make it – haha, good joke, das erzähl' mal einem Kind in Syrien, dem chinesischen Umweltaktivisten oder einem Indio, dem die Urwälder unter den Arsch weggerodet werden. In Westeuropa sieht das auf den ersten Blick natürlich etwas anders aus, aber bei näherer Betrachtung weiß auch hier niemand so recht wie weiter. Frittenbude aus Wahlberlin sind da nicht das einzige Beispiel, mit ihrer neuen Platte aber ein recht anschauliches. Diese nämlich dreht sich vornehmlich um „la vida loca“, die Generation friedensverwöhnter Kindeskinder ist ziemlich verunsichert: Wofür lohnt sich der Kampf oder gehört doch alles in die Tonne?
Seltsam unentschieden kommen sie daher, die neuen Lieder derjenigen, für die doch eigentlich immer alles besser läuft und denen sich am Horizont doch gefährlich viele Bedrohungen aufbauen – Nationalismus, Separatismus, Konsumwahn und Medienwahnsinn, wir drehen durch oder wenigstens im Kreis und die richtigen, die verlässlichen Antworten hat keiner parat. Und so beginnt es gleich mit einer trostlosen, endzeitlichen Szenerie, Helikopter und Mördergeschrei, es geht bergab und der Beat beschleunigt die Talfahrt („Kill Kill Kill“). Einigermaßen verzweifelt präsentiert sich das Trio, orientierungslos. Da wo sie sind, ist’s nicht mehr so prickelnd (die Spree schmeckt scheiße und der Terror der Mitte-Hipster nervt gewaltig), das Leben lebt sich selbst, egal ob wir was tun oder ob wir’s einfach lassen („Alles was wir nicht tun“). Wegrennen hilft nicht („Insel“) und wo Moop Mama den Molli werfen, versucht es die Frittenbude standesgemäß besser gleich mit dem ganzen „Kanister“.
Viel Wehmut ist da, Angst auch und Trotz. Etwas entschiedener werden die drei Freunde aus Bayern wenigstens, wenn es um den Gegner geht, daran läßt es sich aus- und aufrichten. Der Rundumschlag gegen alles und jeden (und eben nicht nur die ewigen Standard-Bösen) zusammen mit Love-A-Sänger Jörkk Mechenbier in „Die Dunkelheit darf niemals siegen“ mag zwar recht plakativ sein, der Zorn aber, der sich bewusst mit einbezieht, macht den Song zu einem der besten des Albums. St. Pauli, Charlotte Roche, Red Bull (die ja auch gern mal ein alternatives Spaßevent sponsern), Bioladen und Kunstversteher, immer eine drüber. Der Sound zur heraufdämmernden Katastrophe, zum Tanz auf dem Vulkan, ist der gewohnte – geschmeidige Loops, härtere Beats, es brodelt, hämmert und spotzt schön in der Fritteuse und auch wenn alles kaputt geht, plädiert das Album wenigstens für ein universell gültiges Motto: Ohne Musik, so sagte der Herr Nietzsche, wäre das Leben ein Irrtum. Und brächte erheblich weniger Spaß.
15.03. Hannover, Faust
16.03. Hamburg, Uebel und Gefährlich
21.03. Wien, Flex
22.03. Salzburg, Rockhouse
23.03. Graz, PPC
28.03. Dresden, Scheune
30.03. Berlin, Festsaal Kreuzberg
04.04. Jena, Kassablanca
05.04. Leipzig, Täubchenthal
06.04. Wiesbaden, Schlachthof
11.04. Münster, Gleis 22
12.04. Essen, Hotel Shanghai
13.04. Köln, Luxor
25.04. Nürnberg, Z-Bau
26.04. Stuttgart, Im Wizemann
27.04. München, Muffathalle
The Leisure Society: Schluss mit Rumhängen [Update]
Nichtstun ist eine super Sache, nichts passt dazu besser als der Sonntag und niemand wüsste das besser als die Oberherumhänger von The Leisure Society. Schließlich hat die fünfköpfige Band aus Brighton seit knapp vier Jahren ein Album namens "The Fine Art Of Hanging On" im Programm. Dennoch sind sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten heftig aktiv gewesen, beim Personal wurde kräftig durchgetauscht und nun werden sie am 12. April sogar ein Doppelalbum mit dem Titel "Arrivals And Departures" veröffentlichen - die erste Single "God Has Taken A Vacation" läßt die Gitarren schnalzen, ohne übertrieben hektisch zu wirken. Gut so.
Update: Der neue Song kommt nun mit einem Video mit Schauspieler und Freund John Simm - die Geschichte eines Banküberfalls, der eine überraschende Wendung nimmt. Mit dabei auch Trump, Kim und Putin, also die Créme de la Créme der lupenreinen Demokraten.
Update: Der neue Song kommt nun mit einem Video mit Schauspieler und Freund John Simm - die Geschichte eines Banküberfalls, der eine überraschende Wendung nimmt. Mit dabei auch Trump, Kim und Putin, also die Créme de la Créme der lupenreinen Demokraten.
Freitag, 22. Februar 2019
Sleaford Mods: Dem Ungeist die Stirn
Sleaford Mods
„Eton Alive“
(Extreme Eating)
Wie lange das schon so geht? Keine Ahnung. Gefühlt arbeiten sich orientierungslose Politiker am zweifelhaften Votum ihres Volkes seit Jahrzehnten ab. 2012 hat wohl der erste Brite „Raus!“ geschrien, wenig später waren es dann so viele, dass man es nicht mehr ignorieren konnte und nun plagen sich Regierende und Regierte gleichermaßen mit der folgenschweren Entscheidung trotzköpfiger Separatisten. Ob schwarze Sturmhaube, rote Fahne oder gelbe Weste – die Angst ist diffus, die Wut auch, der Druck steigt. Und die Sleaford Mods sind immer noch zur Stelle. Doch ebensowenig, wie der Brexit nur ein britisches Problem ist, sind die Sleaford Mods eine Brexit-Band. Die Frustration und Aggressivität der Lyrics von Jason Williamson speisen sich vielmehr aus den Erlebnissen eines wohl beschleunigten, aber andauernden Niedergangs unserer westeuropäischen Gesellschaft der vergangenen Dekaden, der Brexit ist also nicht mehr als ein Ausschnitt aus dem Storyboard zur Krise.
Man tut gut daran, sich die Geschichte dieser beiden zornigen Endvierziger in dem immer noch grandiosen Biopic „Bunch Of Kunst“ von Christine Franz anzuschauen, um zu verstehen, dass sich so viel nicht verändert hat, nicht für Andrew Fearn, nicht für Williamson und leider auch nicht für ihr Heimatland im speziellen und Europa im Allgemeinen. Gut, der Blickwinkel ist ein anderer, aber der Weg vom shithole-job in der Hühnerfabrik auf die Bühne ist, so betrachtet, kein allzu großer Schritt und Williamson (man möchte es ihm dennoch nicht wünschen) macht nicht den Eindruck, als ob er damit heute so gar nichts mehr anzufangen wüsste. Vater jetzt, reflektierter vielleicht, aber: Die Kids sind nicht allright – und deren Mütter und Väter sind es eben auch nicht.
Und deshalb eben Eton. Für Williamson, selbst wegen einer Nichtigkeit ohne Abschluss von der Schule geflogen, gibt das Elitecollege in Windsor noch immer ein prima Feindbild ab und der Umstand, dass neben einer ganzen Reihe zweifellos honoriger Persönlichkeiten auch Leute wie David Cameron und Boris Johnson dort ausgebildet wurden, macht ihn nicht eben milder. Über die Gründe dafür hat er kürzlich in der Financial Times mit einem Eton-Absolventen geplaudert. Für ihn stehe der Ort symbolhaft für einige falsche Prinzipien, die Menschen dort anerzogen würden und das Land in den Ruin trieben, es mache ihn traurig, zu sehen, in welch schöner Umgebung dieser Ungeist noch immer gepflegt würde. Er ist bei seinem letzten Besuch im Übrigen vom Gelände geflogen – auf die Frage, ob er seinen Sohn nach Eton schicken würde, kommt wenig überraschend ein klares „nein“.
Kein Glaubwürdigkeitsproblem also zu erkennen. Die Texte still in rage, der Sound gewohnt griffig und mit ein paar kleinen Änderungen versehen. Dass Williamson neben seinen bissigen Tiraden durchaus auch Gefallen am – nun ja: Gesang gefunden hat, konnte man schon auf der letzten EP hören, auf diesem Album nun pusht Andrew Fearn die Beats noch ein wenig mehr in Richtung Groove. Was sich gut und für Gleichaltrige zudem tröstlich anfühlt, weil es zeigt, dass der last exit nicht zwangsläufig in einer sorgsam gepflegten Zeitschleife aus Retromanie und/oder Schweinerock enden muß. Der Beweis, dass man auch jenseits der mutmaßlichen Lebensmitte fern jeder Peinlichkeit fluchen und federn kann, ist eines der größten Verdienste der Sleaford Mods (siehe „Kebab Spider“).
Gleichzeitig wirken die Stücke noch reduzierter, essenzieller, aufgeräumter, haben die einen den alten Punch („Flipside“, „Subtraction“, „O.B.C.T.“), die anderen den Funk („Policy Cream“, „Discourse“) und können doch nicht anstinken gegen dieses eine Highlight der neuen Platte: Auf die Frage, wann denn Schluß sei mit den Mods (etwas, dass auch und gerade Williamson natürlich sehr umtreibt), reagiert auch der Fan etwas ängstlich, unsicher. Vielleicht dann, so denkt man sich, wenn die beiden ihren ersten Lovesong schreiben würden? Nun, „When You Come Up To Me“ ist von dieser Art Liebe noch sehr weit entfernt, aber er ist so ehrlich, fast zerbrechlich, Williamson wirkt hier auf einmal seltsam zurückhaltend und nachdenklich, dazu Fearns gemäßigte Synthloops, wohl der ungewöhnlichste Track der letzten Jahre, und eben auch das: ein Song. Es mache ihnen noch Spaß, auch wenn sie jetzt gewiss glatter, weniger dreckig klingen würden, so hat der Sänger in einem Webchat mit dem Guardian gesagt, er selbst mache das nur, wenn er das Gefühl habe, wahrhaftig sein zu können. Gut so, wir sind dabei und ergänzen: Wer so überraschen kann, für den ist, verdammt noch mal, noch lange nicht Schluss.
„Eton Alive“
(Extreme Eating)
Wie lange das schon so geht? Keine Ahnung. Gefühlt arbeiten sich orientierungslose Politiker am zweifelhaften Votum ihres Volkes seit Jahrzehnten ab. 2012 hat wohl der erste Brite „Raus!“ geschrien, wenig später waren es dann so viele, dass man es nicht mehr ignorieren konnte und nun plagen sich Regierende und Regierte gleichermaßen mit der folgenschweren Entscheidung trotzköpfiger Separatisten. Ob schwarze Sturmhaube, rote Fahne oder gelbe Weste – die Angst ist diffus, die Wut auch, der Druck steigt. Und die Sleaford Mods sind immer noch zur Stelle. Doch ebensowenig, wie der Brexit nur ein britisches Problem ist, sind die Sleaford Mods eine Brexit-Band. Die Frustration und Aggressivität der Lyrics von Jason Williamson speisen sich vielmehr aus den Erlebnissen eines wohl beschleunigten, aber andauernden Niedergangs unserer westeuropäischen Gesellschaft der vergangenen Dekaden, der Brexit ist also nicht mehr als ein Ausschnitt aus dem Storyboard zur Krise.
Man tut gut daran, sich die Geschichte dieser beiden zornigen Endvierziger in dem immer noch grandiosen Biopic „Bunch Of Kunst“ von Christine Franz anzuschauen, um zu verstehen, dass sich so viel nicht verändert hat, nicht für Andrew Fearn, nicht für Williamson und leider auch nicht für ihr Heimatland im speziellen und Europa im Allgemeinen. Gut, der Blickwinkel ist ein anderer, aber der Weg vom shithole-job in der Hühnerfabrik auf die Bühne ist, so betrachtet, kein allzu großer Schritt und Williamson (man möchte es ihm dennoch nicht wünschen) macht nicht den Eindruck, als ob er damit heute so gar nichts mehr anzufangen wüsste. Vater jetzt, reflektierter vielleicht, aber: Die Kids sind nicht allright – und deren Mütter und Väter sind es eben auch nicht.
Und deshalb eben Eton. Für Williamson, selbst wegen einer Nichtigkeit ohne Abschluss von der Schule geflogen, gibt das Elitecollege in Windsor noch immer ein prima Feindbild ab und der Umstand, dass neben einer ganzen Reihe zweifellos honoriger Persönlichkeiten auch Leute wie David Cameron und Boris Johnson dort ausgebildet wurden, macht ihn nicht eben milder. Über die Gründe dafür hat er kürzlich in der Financial Times mit einem Eton-Absolventen geplaudert. Für ihn stehe der Ort symbolhaft für einige falsche Prinzipien, die Menschen dort anerzogen würden und das Land in den Ruin trieben, es mache ihn traurig, zu sehen, in welch schöner Umgebung dieser Ungeist noch immer gepflegt würde. Er ist bei seinem letzten Besuch im Übrigen vom Gelände geflogen – auf die Frage, ob er seinen Sohn nach Eton schicken würde, kommt wenig überraschend ein klares „nein“.
Kein Glaubwürdigkeitsproblem also zu erkennen. Die Texte still in rage, der Sound gewohnt griffig und mit ein paar kleinen Änderungen versehen. Dass Williamson neben seinen bissigen Tiraden durchaus auch Gefallen am – nun ja: Gesang gefunden hat, konnte man schon auf der letzten EP hören, auf diesem Album nun pusht Andrew Fearn die Beats noch ein wenig mehr in Richtung Groove. Was sich gut und für Gleichaltrige zudem tröstlich anfühlt, weil es zeigt, dass der last exit nicht zwangsläufig in einer sorgsam gepflegten Zeitschleife aus Retromanie und/oder Schweinerock enden muß. Der Beweis, dass man auch jenseits der mutmaßlichen Lebensmitte fern jeder Peinlichkeit fluchen und federn kann, ist eines der größten Verdienste der Sleaford Mods (siehe „Kebab Spider“).
Gleichzeitig wirken die Stücke noch reduzierter, essenzieller, aufgeräumter, haben die einen den alten Punch („Flipside“, „Subtraction“, „O.B.C.T.“), die anderen den Funk („Policy Cream“, „Discourse“) und können doch nicht anstinken gegen dieses eine Highlight der neuen Platte: Auf die Frage, wann denn Schluß sei mit den Mods (etwas, dass auch und gerade Williamson natürlich sehr umtreibt), reagiert auch der Fan etwas ängstlich, unsicher. Vielleicht dann, so denkt man sich, wenn die beiden ihren ersten Lovesong schreiben würden? Nun, „When You Come Up To Me“ ist von dieser Art Liebe noch sehr weit entfernt, aber er ist so ehrlich, fast zerbrechlich, Williamson wirkt hier auf einmal seltsam zurückhaltend und nachdenklich, dazu Fearns gemäßigte Synthloops, wohl der ungewöhnlichste Track der letzten Jahre, und eben auch das: ein Song. Es mache ihnen noch Spaß, auch wenn sie jetzt gewiss glatter, weniger dreckig klingen würden, so hat der Sänger in einem Webchat mit dem Guardian gesagt, er selbst mache das nur, wenn er das Gefühl habe, wahrhaftig sein zu können. Gut so, wir sind dabei und ergänzen: Wer so überraschen kann, für den ist, verdammt noch mal, noch lange nicht Schluss.
Donnerstag, 21. Februar 2019
NANCY: Chaos ist eine Möglichkeit
Etwas Neues sollte der Tag schon noch bringen, um so schöner, wenn es so weird ist wie das hier: Der geheimnisvolle Junge, der sich hinter dem Moniker NANCY verbirgt, stammt aus dem Nordosten Englands und hat im Herbst vergangenen Jahres bei Cannibal Hymns seine Debüt-EP "Mysterious Visions" veröffentlicht. Mit dabei ein Cover des Nancy-Sinatra-Hits "These Boots (Are Made For Walking)". Heute nun kommt der Videoclip zu seiner aktuellen Single "I'm Not Getting Sober, I'm Just Getting Older (Helluva Guy)". Das Statement zum Song lautet dann wie folgt: “As time ticks on, I can’t tell if I’m getting more boring or just better at handling my booze. Helluva Guy is my own intervention on myself. I probably have a drinking problem and I’m not afraid to admit it. I created and animated this video myself, I chopped up old magazines from the 50’s and 60’s and stuck them back together in my own way. It’s an explosion of colour and life and is as chaotic and disorganized as a man in the grips of a drinking binge”. Jetzt wissen wir das.
Priests: Kehrtwende [Update]
Das klingt ja in der Tat nach einer ordentlichen Bekehr-... ähh, Umkehrung: Als die Priests aus Washington vor knapp zwei Jahren ihr Debütalbum "Nothing Feels Natural" vorlegten, ging es noch um dreckigen 60s-Punk und Surfrock, die Musik des Quartetts nach analoger Handarbeit. Nun sind sie zum Trio geschrumpft und geht man nach der Vorabsingle respektive dem Titelsong ihrer neuen Platte "The Seduction Of Kansas", dann werden wir uns an neue Töne gewöhnen müssen. Denn hier dominieren Synthesizer und Dancerhythmen, sie tragen jetzt feine Stoffe und kuscheln mit steinigen Statuetten. Nee, im Ernst: Die drei haben sich mit John Congleton einen neuen Produzenten gesucht, einen Mann also, der schon mit dem kompletten Who is Who der Popbranche zusammengearbeitet hat und glaubt man dem Netzportal Stereogum, dann sind mit Massive Attack, Portishead und Nine Inch Nails auch neue Vorbilder auf ihrem Radar vermerkt. Am 5. April wissen wir mehr, dann erscheint das Werk bei Sister Polygon Records, dazu gibt es noch ein paar Livetermine zu notieren.
21.05. Köln, Bumann und Sohn
22.05. München, Import/Export
23.05. Zürich, Rote Fabrik
24.05. Heidelberg, Queer Festival
29.05. Berlin, Kantine Berghain
30.05. Hamburg, Hafenklang
01.06. Neustrelitz, Immergut Festival
Update: Dann doch wieder etwas punky - im neuen Song "Good Time Charlie" geht es rougher zur Sache als gedacht, die Story dazu ist ziemlich strange (nachzulesen bei DIY), es passt also alles bestens zusammen.
21.05. Köln, Bumann und Sohn
22.05. München, Import/Export
23.05. Zürich, Rote Fabrik
24.05. Heidelberg, Queer Festival
29.05. Berlin, Kantine Berghain
30.05. Hamburg, Hafenklang
01.06. Neustrelitz, Immergut Festival
Update: Dann doch wieder etwas punky - im neuen Song "Good Time Charlie" geht es rougher zur Sache als gedacht, die Story dazu ist ziemlich strange (nachzulesen bei DIY), es passt also alles bestens zusammen.
Vampire Weekend: Brautväter [Update]
Apropos Jenny Lewis: Diese spielt auch eine Rolle bei der nächsten Nachricht. Denn vor wenigen Tagen haben Vampire Weekend ihrer Ankündigung für ein neues Album (nach "Modern Vampires Of The City") endlich ein paar hard facts folgen lassen. So kennen wir beispielsweise den Namen des Doppel(!)Albums und wissen zudem, dass zwei der mutmaßlich achtzehn Stücke schon in Umlauf gebracht sind. Ein wenig schwer tun wir uns mit dem Cover von "Father Of The Bride" (tatsächlich, so soll die Platte heißen), Leute, die investigativer unterwegs sind, meinen, sie sähe wohl so aus wie am Ende der beiden nachfolgenden Videoclips zu sehen. Naja, wir werden es erfahren. Hier erst mal die besagten Singles "Harmony Hall" und "2021", bei letzterem übrigens singt besagte Frau Lewis den Part des boys.
Update: Zumindest "Harmony Hall" bekommt jetzt mal ein Video, den Clip samt Backkurs (ohne Rezept) hat Emmett Malloy gedreht.
Update: Zumindest "Harmony Hall" bekommt jetzt mal ein Video, den Clip samt Backkurs (ohne Rezept) hat Emmett Malloy gedreht.
Mittwoch, 20. Februar 2019
Robert Forster: Rasenmähermann
Wenn es stimmt, was das Label Tapete Records erzählt (und natürlich sind da Wachsamkeit und Vorsicht geboten), dann sammelt Robert Forster mit seinem für den 1. März angekündigtes Solo-Album "Inferno" schon kräftigst Vorschusslorbeeren ein. So soll das Fachmagazin MOJO die Platte schon zum Tonträger des Monats März ausgerufen haben - 2019, versteht sich. Wir kennen vorerst einen einzigen Song davon und sind deshalb etwas vorsichtiger, aber das Titelstück "Inferno (Brisbane In Summer)" zeigt den Meister tatsächlich in allerbester Sanges- und Performancelaune. Und wer möchte, darf gern auch noch einmal einen Blick in unser Familienalbum zum Cover der Platte wagen.
Nilüfer Yanya: Längst überfällig [Update]
Sie gehört in die Reihe selbstbewusster, weiblicher Twens, die in den letzten Wochen und Monaten für mächtig Furore sorgten, auch wenn sie nach der "alten Zeitrechnung" noch nicht allzu viel vorzuweisen hat: Nilüfer Yanya, gerade einmal 23-jährige Londonerin, läßt sich in einer Reihe mit upcoming stars wie Glowie, Empress Of, Sigrid nennen, eine Reihe feiner Popsongs auf der Habenseite, noch kein Langspieldebüt, aber dafür Millionen Streams, Likes und einen Ista-Account, der durch die Decke geht. Dass der Hype durchaus seine Gründe hat, davon zeugen die besagten Hits, "Baby Love", "Thanks For Nothing" und "Heavyweight Champion Of The Year" - selbst diese schreibt man nicht mal so im Vorbeiscrollen. Das angesprochenen Manko soll nun auch bald der Vergangenheit angehören, denn Yanya hat gerade via ATO-Records ihr erstes Album angekündigt, in aller zu Gebote stehender Bescheidenheit wird es "Miss Universe" heißen und dem letzten der drei genannten Songs wird auch die neue Single "In Your Head" darauf zu hören sein. Auch wieder so eine Perle. Alles zusammen kann man sich übrigens auch bald live anhören, denn sie kommt für ein paar Clubtermine nach Deutschland.
17.04. Hamburg, Nochtwache
18.04. Berlin, Kantine Berghain
22.04. München, Ampere
24.04. Zürich, Exil
25.05. Köln, Blue Shell
Update: Mit "Tears" gibt es einen weiteren Song vom neuen Album - vorerst im LyricVideo.
17.04. Hamburg, Nochtwache
18.04. Berlin, Kantine Berghain
22.04. München, Ampere
24.04. Zürich, Exil
25.05. Köln, Blue Shell
Update: Mit "Tears" gibt es einen weiteren Song vom neuen Album - vorerst im LyricVideo.
GAIKA: Neues vom Magier
Wir bleiben im nicht mehr ganz so großen Britain und kommen zu GAIKA, einem jungen Dancehall-Magier aus dem Süden Londons. Die Eltern von Gaika Tavares stammen aus Grenada und Jamaika, er selbst ist in Brixton aufgewachsen, war eine Zeit lang in Manchester zugange und gehört nun zum Künstler-Aufgebot der berüchtigten Warp-Records. Das Stück "Seven Churches For St Jude" stammt vom Debüt "Basic Volume" aus dem vergangenen Jahr, jetzt gibt es dazu einen Videoclip von Co-Editor Rob Hepp. GAIKA selbst nennt seinen Sound im Übrigen nicht Gothic Dancehall, sondern Ghettofuturism - wie auch immer man dazu sagt, es klingt ziemlich scharf. Und deshalb gibt es auch gleich noch einen ganz neuen Track dazu, hier kommt on top die Flipside "1800 Fendi".
15.05. Berlin, SchwuZ
16.05. Köln, Gewölbe GmbH
17.05. Hamburg, Uebel und Gefährlich
15.05. Berlin, SchwuZ
16.05. Köln, Gewölbe GmbH
17.05. Hamburg, Uebel und Gefährlich
Slowthai: Größeres im Kommen
Als die ersten Tunes dieses Jungen aus dem britischen Northampton kamen, war ziemlich schnell klar, dass etwas Größeres aus Slowthai werden könnte. In den letzten Tagen ging dann noch "Doorman", die Collab mit Mura Masa, auf Sendung und letzte Zweifel wurden endgültig beseitigt. Gut deshalb, dass heute die Ankündigung des Debütalbums folgte - "Nothing Great About Britain" soll es heißen, was nicht viel Deutungsspielraum über den Inhalt läßt. Die neue Single davon heißt "Peace Of Mind", das Album folgt der EP "RUNT" aus dem Jahr 2017.
Dienstag, 19. Februar 2019
Melby: Der Sonne entgegen [Update]
Ein musikalisches Leichtgewicht kündigt sich heute aus Stockholm an, allerdings betrifft das ausschließlich den Sound des Quartetts: Melby kommen aus Stockholm und haben dort im Mai 2017 ihre selbstbetitelte Debüt-EP veröffentlicht. Der ziemlich entspannt dahinfließende Psychpop mit der wundervollen Stimme von Matilda Wiezell konnte schon damals gefallen, nun gibt es ein neues Stück zu hören. Dem vor einigen Monaten veröffentlichten "Reject" folgt (witzigerweise fast in deckungsgleichem Rhythmus) das Stück "Overthinking". Beide gehören zur angekündigten Debüt-LP, die laut Label Rama Lama Records in Arbeit ist und sicher spätestens 2019 erscheinen wird.
Update: Und da sind auch schon Ross und Reiter - sozusagen. Denn Melby haben soeben ihr Debütalbum "None Of This Makes Me Worry" für den 12. April via Rama Lama angekündigt und auch gleich noch mit "VCR" einen weiteren Song davon geteilt.
02.04. Hamburg, Turmzimmer
03.04. Berlin, Privatclub
04.04. München, Zehner
Update: Und da sind auch schon Ross und Reiter - sozusagen. Denn Melby haben soeben ihr Debütalbum "None Of This Makes Me Worry" für den 12. April via Rama Lama angekündigt und auch gleich noch mit "VCR" einen weiteren Song davon geteilt.
02.04. Hamburg, Turmzimmer
03.04. Berlin, Privatclub
04.04. München, Zehner
Montag, 18. Februar 2019
Piroshka: Hoffentlich ein gutes Ende
Piroshka
„Brickbat“
(Bella Union)
Das Rotkäppchen also. Was wissenschaftlich unter dem staubtrockenen und etwas fragwürdigen Kennzeichen ATU 333 katalogisiert ist, könnte aus gesellschaftspolitischer Sicht kaum mehr Sprengstoff enthalten. Wir vergegenwärtigen uns kurz: Da wird ein kleines Mädchen dereinst allein (!) von seiner Mutter in den Wald (!!) zur kranken Großmutter geschickt, um ihr um der Genesung willen einen Korb mit Kuchen und Wein (!!!) zu überbringen. Leider kommt der rotmützige Teenager vom Weg ab und begegnet einem furchterregenden Wolf (spätestens hier: Aufschrei!), der sie dann natürlich postwendend und mittels arglistiger Täuschung verschlingt und nur der Umsicht des treusorgenden Jägersmannes ist es zu verdanken, dass Mädchen und Großmutter überleben und das böse Tier zur Strecke gebracht werden kann. Soweit, so gruselig. Klar, dass auch Miki Berenyi (Lush), KJ McKillop (Moose), Mick Conroy (Modern English) und Justin Welsh (Elastica) dem schaurigen Reiz des Grimmschen Märchens erlegen sind, warum sie allerdings die ungarische Titelversion für ihre Band gewählt haben, ist nicht so ganz klar (hierzulande tauchen ja bei Erwähnung sofort Bilder der blondbezopften Greta aka. Lilo Pulver auf und geben der Sache eine leicht spießige Nachkriegs-Patina, aber das ist wieder eine andere Geschichte).
Der neu gegründeten Formation geht es natürlich weniger um Artenschutz, Pflegenotstand oder den sachgerechten Umgang Heranwachsender mit Alkoholika. Für Piroshka steht der Wolf eher für das heraufdämmernde Ungemach aus Nationalismus, Abbau des Sozialstaates und Entfremdung der Menschen von ihrem natürlichen Habitat. Und die Songs des Albums geben ihnen die Möglichkeit, Unmut, Zorn und Enttäuschung in Worte und Noten zu fassen, eine Standpauke allerersten Ranges also für die Gesellschaft. So faßt „What’s Next“ gleich mehrere Themen wie die Geschichte des aktiven Widerstandes, Feminismus, Fakenews, Hatespeech und mediale Überforderung in knapp vier Minuten zusammen, „Village Of The Damned“, das wohl gelungenste Stück auf der Platte, handelt von Amokläufen an Schulen und der Ohnmacht, die solch ein Ereignis in jedem einzelnen auslöst. Natürlich kommt der drohende Brexit zur Sprache („This Must Be Bedlam“), die Verrohung der Sprache („Hated By The Powers That Be“) und die Maßlosigkeit unserer Gesellschaft, von der sich keiner freisprechen kann.
Der Sound ist ein Clash mehrerer Stile – hier der Shoegazing-Pop der langjährigen Weggefährten Lush und Moose, unterstrichen durch den noch immer betörenden Gesang Berenyis (die ja ihre Hoffung auf eine dauerhafte Lush-Reunion nach der feinen EP „Blind Spot“ wieder drangeben mußte), dort der harsche Alternativ-Rock von Elastica, der das Programm immer wieder recht ungestüm aufmischt. Mit „Blameless“ haben die vier sogar eine waschechte Ballade dabei, in ihren besten Momenten allerdings klingen Piroshka nach straightem Northern Soul, dann werden Erinnerungen an Belle And Sebastian wach. Über die komplette Spieldauer läßt sich die Spannung dann aber doch nicht halten, es gibt durchaus mittelmäßige Momente auf dem Album, in denen das gesammelte Know-How der Mitglieder nicht auszureichen scheint und Rotkäppchen sich eine kurze Kreativpause gönnt. Ein gutes Ende nimmt das Märchen trotzdem, hoffen wir, dass dies auch für die Anliegen der Briten gilt – es wäre ganz und gar in unserem Sinne.
27.04. Berlin, Privatklub
„Brickbat“
(Bella Union)
Das Rotkäppchen also. Was wissenschaftlich unter dem staubtrockenen und etwas fragwürdigen Kennzeichen ATU 333 katalogisiert ist, könnte aus gesellschaftspolitischer Sicht kaum mehr Sprengstoff enthalten. Wir vergegenwärtigen uns kurz: Da wird ein kleines Mädchen dereinst allein (!) von seiner Mutter in den Wald (!!) zur kranken Großmutter geschickt, um ihr um der Genesung willen einen Korb mit Kuchen und Wein (!!!) zu überbringen. Leider kommt der rotmützige Teenager vom Weg ab und begegnet einem furchterregenden Wolf (spätestens hier: Aufschrei!), der sie dann natürlich postwendend und mittels arglistiger Täuschung verschlingt und nur der Umsicht des treusorgenden Jägersmannes ist es zu verdanken, dass Mädchen und Großmutter überleben und das böse Tier zur Strecke gebracht werden kann. Soweit, so gruselig. Klar, dass auch Miki Berenyi (Lush), KJ McKillop (Moose), Mick Conroy (Modern English) und Justin Welsh (Elastica) dem schaurigen Reiz des Grimmschen Märchens erlegen sind, warum sie allerdings die ungarische Titelversion für ihre Band gewählt haben, ist nicht so ganz klar (hierzulande tauchen ja bei Erwähnung sofort Bilder der blondbezopften Greta aka. Lilo Pulver auf und geben der Sache eine leicht spießige Nachkriegs-Patina, aber das ist wieder eine andere Geschichte).
Der neu gegründeten Formation geht es natürlich weniger um Artenschutz, Pflegenotstand oder den sachgerechten Umgang Heranwachsender mit Alkoholika. Für Piroshka steht der Wolf eher für das heraufdämmernde Ungemach aus Nationalismus, Abbau des Sozialstaates und Entfremdung der Menschen von ihrem natürlichen Habitat. Und die Songs des Albums geben ihnen die Möglichkeit, Unmut, Zorn und Enttäuschung in Worte und Noten zu fassen, eine Standpauke allerersten Ranges also für die Gesellschaft. So faßt „What’s Next“ gleich mehrere Themen wie die Geschichte des aktiven Widerstandes, Feminismus, Fakenews, Hatespeech und mediale Überforderung in knapp vier Minuten zusammen, „Village Of The Damned“, das wohl gelungenste Stück auf der Platte, handelt von Amokläufen an Schulen und der Ohnmacht, die solch ein Ereignis in jedem einzelnen auslöst. Natürlich kommt der drohende Brexit zur Sprache („This Must Be Bedlam“), die Verrohung der Sprache („Hated By The Powers That Be“) und die Maßlosigkeit unserer Gesellschaft, von der sich keiner freisprechen kann.
Der Sound ist ein Clash mehrerer Stile – hier der Shoegazing-Pop der langjährigen Weggefährten Lush und Moose, unterstrichen durch den noch immer betörenden Gesang Berenyis (die ja ihre Hoffung auf eine dauerhafte Lush-Reunion nach der feinen EP „Blind Spot“ wieder drangeben mußte), dort der harsche Alternativ-Rock von Elastica, der das Programm immer wieder recht ungestüm aufmischt. Mit „Blameless“ haben die vier sogar eine waschechte Ballade dabei, in ihren besten Momenten allerdings klingen Piroshka nach straightem Northern Soul, dann werden Erinnerungen an Belle And Sebastian wach. Über die komplette Spieldauer läßt sich die Spannung dann aber doch nicht halten, es gibt durchaus mittelmäßige Momente auf dem Album, in denen das gesammelte Know-How der Mitglieder nicht auszureichen scheint und Rotkäppchen sich eine kurze Kreativpause gönnt. Ein gutes Ende nimmt das Märchen trotzdem, hoffen wir, dass dies auch für die Anliegen der Briten gilt – es wäre ganz und gar in unserem Sinne.
27.04. Berlin, Privatklub
Sonntag, 17. Februar 2019
Automelodi: Wunderwerk
Eine tolle Nachricht ist dieser Woche noch bei Brooklyn Vegan aufgetaucht, die wir heute noch einmal aufgreifen wollen: Das überaus gut informierte Musikportal vermeldete nämlich die Rückkehr der kanadischen Synthpop-Band Automelodi. Die Formation aus Montreal hatte 2010 ihr erstes Album veröffentlicht, 2013 folgte "Surlendemains Acides", nun soll am 3. Mai mit "Mirages Au Futur Verre-Brisé" die dritte Platte erscheinen. Der erste Vorabtrack "La Poussière" kommt hier mitsamt zwei Tourterminen.
10.05. Berlin, Urban Spree Festival
07.06. Leipzig, Wave Gothic Treffen
10.05. Berlin, Urban Spree Festival
07.06. Leipzig, Wave Gothic Treffen
Fiasco: Irrtümlich unterschlagen
Auch Fiasco aus Paris waren hier schon zu Gast, ihre Stücke "Dancing Days" und "B(l)ack" konnten im vergangenen Jahr für angenehme Entspannung sorgen. Heute nun kommt mit "Hold On (They Say)" ein weiterer Track aus Frankreich hinzu, etwas dunkler gehalten, immer noch schön. Fälschlicherweise hatten wir in einem früheren Post von vier jungen Herren geschrieben - und den wunderbaren Gesang der Dame unterschlagen, hier kommt die Abbitte dafür.
Freitag, 15. Februar 2019
More Pain: Kurzes Vergnügen
Gut möglich, dass das die erste EP mit einer Spieldauer unter einer Minute wird: Nick Zinner, vielbeschäftigtes Mitglied der Yeah Yeah Yeahs hat gerade zusammen mit Justin Pearson (The Locust, Retox, Dead Cross) unter dem Namen More Pain via Brooklyn Vegan die Veröffentlichung einer 12" angekündigt, die drei Stücke enthalten wird. Da es sich dabei um waschechten Hardcore handelt, ist zumindest eines davon - "Hammering Tenderness" - gerade mal 27 Sekunden kurz. Am 19. April wissen wir dann, wieviel Zeit wir für den Rest veranschlagen müssen, dann erscheint das Ganze bei Pearsons Label Three One G.
Bilderbuch: Überraschung gelungen
Noch eine Woche hin bis zum nächsten Album von Bilderbuch - am kommenden Freitag erscheint "Vernissage My Heart". Vielleicht haben die Jungs ja etwas zu oft gehört, ihnen gelängen keine wirklichen Überraschungen mehr, hier zumindest kommt mal eine: Ganze neun Minuten vierzig misst "Europa 22", ein Song zum eintauchen, treiben lassen - fort, nur fort ...
Sleaford Mods: Unverhandelbar
Eigentlich hatte die Woche ja nicht so gut begonnen: Fans können, da wird einem jeder Musiker und jede Musikerin zustimmen, sehr eigenartige Persönlichkeiten sein. Sie haben Erwartungen, die manchmal ziemlich anmaßend oder zumindest schwer verständlich sind. Zum Beispiel die der Sleaford Mods. Die mußten in diesen Tagen erfahren, dass deren Sänger Jason Williamson ein ziemlich ernsthafter Mann mit gewissen Grundsätzen und eben auch einer bestimmten Erwartungshaltung ist. Irgendwie hatte man angenommen, er würde Joe Talbot und die Idles genauso mögen wie man selbst, doch das ist nicht der Fall und gegenüber dem Guardian hat er die Gründe dafür recht deutlich benannt - es geht grob gesagt um das, was man zu sein vorgibt und das, was man letztendlich ist. Für ihn offenbar unverhandelbar. Zur Sprache kam das Ganze in einer Art Fragestunde, bei der sich eben jene Fans bei Mr. Williamson melden konnten, man erfährt nebenher noch eine ganze Menge interessanter Dinge. Im Übrigen haben die Mods heute einen neuen Song aus ihrem Album geteilt, "O.B.C.T." ist erneut ein ziemlich danceorientierter Track und macht die Vorfreude auf den kommenden Freitag, an dem "Eton Alive" erscheinen wird, noch größer.
Donnerstag, 14. Februar 2019
Raketkanon: Bandgewordener Albtraum
Die letzten Wochen waren ja nun weiß Gott nicht arm an durchgeknallten Gestalten, sich mit ihren abgefahrenen Neuvorstellungen zu überbieten schienen - 404, Nord Nord Muzikk, Fat White Family, THE DSM IV, alle auf ihre Art am Rande des Nervenzusammenbruchs oder schon längst drübber. Heute lernen wir den bandgewordenen Albtraum von Anthony Kiedis, dem etwas in die Jahre gekommenen Frontmann der Red Hot Chili Peppers, kennen: Raketkanon kommen aus dem belgischen Gent und sehen ein wenig so aus, als wären sie schon viel zu lange in Anstalten mit geschlossenen Räumlichkeiten untergebracht und durften dort nur Videos von DIE ANTWOORD oder "Einer flog übers Kuckucksnest" im Directors Cut sehen. In Wahrheit haben sie gerade einen Deal bei Earache Records unterschrieben - warum die neue Single "Ricky" allerdings ausgerechnet zum Valentinstag kommt, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.
Jessie Ware: Fabelhafte Vorboten
Noch immer läßt sie uns im Unklaren, wie und womit genau es weitergeht: Heute hat Jessie Ware einen weiteren neuen Song geteilt - "Adore You" ist ein fabelhafter, deeper Dancetrack, der die Hoffnungen auf das, was vielleicht kommen wird, noch ein Stückchen weiter in die Höhe schraubt. Produziert haben Metronomy's Joe Mount und James Ford von Simian Mobile Disco, ähnlich wie auch schon den gleichermaßen pulsierenden, eine Spur funkigeren Track "Overtime", der vor ein paar Wochen in die Runde ging.
Jenny Lewis: Starschnitt [Update]
Update: Was hier so schön klingt und glitzert, das ist der zweite Vorabsong "Heads Gonna Roll" vom neuen Album.
Great White Shark: Angebissen
Okay, der erste Eindruck sagt: Poser. Aber der Song hat einen dann doch am Haken - fetter Bass, die Drums nicht minder, David Naville weiß also, wie man's macht. Der Mann stammt ursprünglich aus der Schweiz, lebt jetzt in Berlin und hat dort seit 2018 gemeinsam mit Matthieu Brismontier und Robin Villeval die Formation Great White Shark am Laufen. "Doberman", die erste Single der drei, hat Julien Magnan in Szene gesetzt, was danach kommt, werden wir wohl recht bald wissen.
Spielbergs: Mehr Anfang als Ende
Spielbergs
„This Is Not The End“
(By The Time It Gets Dark)
Das ist ein Satz, den man von einer Punkband wohl eher selten zu hören bekommt: “We’d been touring and sleeping on floors all over Europe and we were just sick of it. We wanted to get a decent job and family, so we did.” Gesagt hat ihn Mads Baklien, der Frontmann der norwegischen Band Spielbergs, in einem Interview mit dem NME. Die Gründe, warum er für diese Bemerkung nicht umgehend gekreuzigt wurde, sind zweierlei: Zum einen hat er ziemlich schnell als Ergänzung hinterher geschoben: „But then we weren’t happy with that either“ – passt wieder alles. Zum anderen haben die Spielbergs gerade ein sehr feines Debütalbum abgeliefert, das auf bemerkenswerte Weise altmodisch und frisch zugleich klingt. Baklien weiß, dass er zusammen mit seinen Kollegen Stian Brennskag und Christian Løvhaug einen Musikstil pflegt, der zwar dem knarzigen Garage-Punk und Grunge-Rock der 90er salutiert, aber dennoch wegen seiner Schärfe, seiner Energie von heute ist und ordentlich kickt.
Die Jungs haben sich sehr früh in der überschaubaren Indieszene Oslos kennengelernt, viel ausprobiert und hernach beschlossen, diesen Werdegang auf das Debüt zu pressen. Und so finden sich auf diesem nicht nur aktuelle Stücke, sondern auch Songs der ersten EP „Distant Star“. Wir hören also knirschende Gitarren, gern auch mal fuzzy, psychedelisch oder als verhaltener Folk-Rock („Sleeper“). Thematisch findet man jede Konfektionsgröße, der Brecher „We Are All Going To Die“ nimmt auf, was Plattentitel und Labelname quasi schon an universeller Befindlichkeit vorwegnehmen, die Liebe, sei sie unerfüllt oder zu spät erkannt („Distant Star“/“Forevermore“) kommt natürlich auch zur Sprache und beim gut siebenminütigen „McDonalds“ dreht sich eigentlich der ganze Frust nur um eine missratene Episode in der Frittenbude. So ist es, das Leben, manchmal gibt es Platz für die weiten Gedanken und die großen Gefühle, und manchmal pisst es einen unvermittelt an. Zuende ist es deswegen trotzdem nicht, die Spielbergs wissen Bescheid.
„This Is Not The End“
(By The Time It Gets Dark)
Das ist ein Satz, den man von einer Punkband wohl eher selten zu hören bekommt: “We’d been touring and sleeping on floors all over Europe and we were just sick of it. We wanted to get a decent job and family, so we did.” Gesagt hat ihn Mads Baklien, der Frontmann der norwegischen Band Spielbergs, in einem Interview mit dem NME. Die Gründe, warum er für diese Bemerkung nicht umgehend gekreuzigt wurde, sind zweierlei: Zum einen hat er ziemlich schnell als Ergänzung hinterher geschoben: „But then we weren’t happy with that either“ – passt wieder alles. Zum anderen haben die Spielbergs gerade ein sehr feines Debütalbum abgeliefert, das auf bemerkenswerte Weise altmodisch und frisch zugleich klingt. Baklien weiß, dass er zusammen mit seinen Kollegen Stian Brennskag und Christian Løvhaug einen Musikstil pflegt, der zwar dem knarzigen Garage-Punk und Grunge-Rock der 90er salutiert, aber dennoch wegen seiner Schärfe, seiner Energie von heute ist und ordentlich kickt.
Die Jungs haben sich sehr früh in der überschaubaren Indieszene Oslos kennengelernt, viel ausprobiert und hernach beschlossen, diesen Werdegang auf das Debüt zu pressen. Und so finden sich auf diesem nicht nur aktuelle Stücke, sondern auch Songs der ersten EP „Distant Star“. Wir hören also knirschende Gitarren, gern auch mal fuzzy, psychedelisch oder als verhaltener Folk-Rock („Sleeper“). Thematisch findet man jede Konfektionsgröße, der Brecher „We Are All Going To Die“ nimmt auf, was Plattentitel und Labelname quasi schon an universeller Befindlichkeit vorwegnehmen, die Liebe, sei sie unerfüllt oder zu spät erkannt („Distant Star“/“Forevermore“) kommt natürlich auch zur Sprache und beim gut siebenminütigen „McDonalds“ dreht sich eigentlich der ganze Frust nur um eine missratene Episode in der Frittenbude. So ist es, das Leben, manchmal gibt es Platz für die weiten Gedanken und die großen Gefühle, und manchmal pisst es einen unvermittelt an. Zuende ist es deswegen trotzdem nicht, die Spielbergs wissen Bescheid.
Mittwoch, 13. Februar 2019
Danny Boyle: Hey, Dude!
Auf die Idee muss man erst mal kommen: Da erfährt die gesamte Welt einen kapitalen Stromausfall und unser Protagonist, ein zwar begabter, aber notorisch erfolgloser Songwriter, baut zeitgleich einen Radunfall. Wacht auf und merkt, dass die komplette Menschheit die Erinnerung an die Beatles und jeden ihrer Songs einfach verloren hatte. Was folgt, ist eine aberwitzige Wiederholung der bekannten Karriere inklusive Hysterie mit anderen Mittel und Personen. Danny Boyle (Slumdog Millionaire/Trainspotting) hat "Yesterday" zusammen mit Himesh Patel als Jack Malik gedreht und ein ganz großer Spaß ist dabei herausgekommen.
Joseph Boys: Keine Wahl
Über Punk aus Düsseldorf muss man sicher nicht viel philosophieren, der war da irgendwie schon immer zu Hause und wird es wohl ewig und drei Tage bleiben. Das gilt natürlich bei dieser Stadt für alle Arten der Musik, die einst als Schnöselhochburg verschriene Metropole am Rhein braucht da mit Berühmtheiten nicht geizen. Trotzdem gut, wenn ab und an was Frisches nachkommt und deshalb freut man sich im Hause Flight13 Records natürlich um so mehr über das gerade angekündigte Debütalbum der Joseph Boys aus Düsseldorf Garath. Nach zwei EP ("Fett" 2015 und "Edition "S____E" 2017) geht nun also am 26. April "Rochus" an den Start. Über die Begleitumstände zur aktuellen Vorabsingle "Freizeitstätte Garath" könnten wir dann aber tatsächlich nicht besser schreiben als die Band selbst:
„Wenn man mit seinen 13 Geschwistern in einem Stadtteil wie Düsseldorf Garath aufwächst, wird es nie langweilig. Unser Onkel war Taubenzüchter. Beste Voraussetzung, sein Können mit dem Luftgewehr zu verbessern. Wird man dabei erwischt, muss man zum Psychologen. Danach dann erstmal die Zigarettenschachtel aus dem T-Shirtärmel gekrempelt und unter dem "Sonnenrad" ne Zigi geraucht. Wer keine Tauben züchtet, der funkt. 55 bedeutet in Funkerkreisen "Viel Erfolg". Auf der Kirmes dann Raupe fahren und ne Plastik-Rose schießen. Immer was los in Garath. Das muss man doch in einem Text verarbeiten. Du hast keine Wahl.“
27.04. Düsseldorf, AK47
18.05. Karlsruhe, Alte Hackerei
08.06. Berlin, Schokoladen
„Wenn man mit seinen 13 Geschwistern in einem Stadtteil wie Düsseldorf Garath aufwächst, wird es nie langweilig. Unser Onkel war Taubenzüchter. Beste Voraussetzung, sein Können mit dem Luftgewehr zu verbessern. Wird man dabei erwischt, muss man zum Psychologen. Danach dann erstmal die Zigarettenschachtel aus dem T-Shirtärmel gekrempelt und unter dem "Sonnenrad" ne Zigi geraucht. Wer keine Tauben züchtet, der funkt. 55 bedeutet in Funkerkreisen "Viel Erfolg". Auf der Kirmes dann Raupe fahren und ne Plastik-Rose schießen. Immer was los in Garath. Das muss man doch in einem Text verarbeiten. Du hast keine Wahl.“
27.04. Düsseldorf, AK47
18.05. Karlsruhe, Alte Hackerei
08.06. Berlin, Schokoladen
Dienstag, 12. Februar 2019
Be Forest: Schaudern und Schimmern
Be Forest
„Knocturne“
(We Were Never Being Boring)
Naheliegender wären natürlich The Cure gewesen, aber den Wink mit dem Zaunspfahl haben sie sich erspart: In einem ihrer raren Interviews, gefunden in einer isländischen (!) Regionalzeitung, gaben Nicola Lampredi, Erica Terenzi und Costanza Delle Rose von der italienischen Shoegazing-Band Be Forest vor einiger Zeit Auskunft über ihre Vorbilder – Slowdive waren selbsterklärend, aber Syd Barrett und Nick Cave hätte man jetzt eher nicht vermutet. Zumindest nicht, wenn man sich das neue, dritte Album des Trios aus dem sonnenverwöhnten Urlaubsörtchen Pesaro anhört, das von dunklen, aber doch kunstvoll verschlungenen Gitarrenmelodien nur so wimmelt und mit Psychrock oder gar knochenklapperndem Voodoo-Blues nicht allzu viel gemein hat. Daran ist nun nichts Schlimmes, schließlich sind Be Forest mit diesem verwunschenen Sound bekanntgeworden.
Zwei Alben hatten sie seit 2011 veröffentlicht, zunächst das Debüt „Cold“ und drei Jahre darauf dann „Earthbeat“. In diese Zeit fällt auch der einzige „Ausrutscher“, der sich für die Formation allerdings als Karrierekick erweisen sollte, denn mit ihrer lustvoll dahingeschredderten Coverversion von „I Quit Girls“ wussten sie nicht nur ihr Publikum, sondern auch die Urheber des Songs, das kanadische Garage-Rock-Duo Japandroids, zu begeistern und so durften sie später mit diesen als Support die Bühne teilen. „Knocturne“ ist nun mit seinen zwölf neuen Stücken wieder etwas ruhiger geraten, die Stimme von Bassistin Delle Rose irrlichtert wieder zart im Hintergrund und drittelt sich die Aufmerksamkeit mit verdichteten Gitarrenspuren und dumpf pochenden Drums. Und weil das, Puzzleteilen gleich, so gut ineinanderpasst, schwingen sich Tracks wie „Bengala“, „K.“ oder „Gemini“ in hymnische Höhen und entfachen dort ein wohliges Schaudern und Schimmern. https://www.wwnbb.net/2019/02/be-forest-knocturne/
„Knocturne“
(We Were Never Being Boring)
Naheliegender wären natürlich The Cure gewesen, aber den Wink mit dem Zaunspfahl haben sie sich erspart: In einem ihrer raren Interviews, gefunden in einer isländischen (!) Regionalzeitung, gaben Nicola Lampredi, Erica Terenzi und Costanza Delle Rose von der italienischen Shoegazing-Band Be Forest vor einiger Zeit Auskunft über ihre Vorbilder – Slowdive waren selbsterklärend, aber Syd Barrett und Nick Cave hätte man jetzt eher nicht vermutet. Zumindest nicht, wenn man sich das neue, dritte Album des Trios aus dem sonnenverwöhnten Urlaubsörtchen Pesaro anhört, das von dunklen, aber doch kunstvoll verschlungenen Gitarrenmelodien nur so wimmelt und mit Psychrock oder gar knochenklapperndem Voodoo-Blues nicht allzu viel gemein hat. Daran ist nun nichts Schlimmes, schließlich sind Be Forest mit diesem verwunschenen Sound bekanntgeworden.
Zwei Alben hatten sie seit 2011 veröffentlicht, zunächst das Debüt „Cold“ und drei Jahre darauf dann „Earthbeat“. In diese Zeit fällt auch der einzige „Ausrutscher“, der sich für die Formation allerdings als Karrierekick erweisen sollte, denn mit ihrer lustvoll dahingeschredderten Coverversion von „I Quit Girls“ wussten sie nicht nur ihr Publikum, sondern auch die Urheber des Songs, das kanadische Garage-Rock-Duo Japandroids, zu begeistern und so durften sie später mit diesen als Support die Bühne teilen. „Knocturne“ ist nun mit seinen zwölf neuen Stücken wieder etwas ruhiger geraten, die Stimme von Bassistin Delle Rose irrlichtert wieder zart im Hintergrund und drittelt sich die Aufmerksamkeit mit verdichteten Gitarrenspuren und dumpf pochenden Drums. Und weil das, Puzzleteilen gleich, so gut ineinanderpasst, schwingen sich Tracks wie „Bengala“, „K.“ oder „Gemini“ in hymnische Höhen und entfachen dort ein wohliges Schaudern und Schimmern. https://www.wwnbb.net/2019/02/be-forest-knocturne/
Swimming Tapes: Mal was Großes, Ganzes
Irgendwann hat den Swimming Tapes wohl mal jemand gesagt, dass Kurzformate schön und gut sind (und ihre sind es besonders), es aber nun langsam Zeit für ein anständiges Album wäre. Was die fünf Jungs aus London dann auch beherzigt haben. Über die letzten zwei Jahre durften wir hier ja schon diverse EP vorstellen, für den 24. Mai ist jetzt "Morningside" via Hand In Hive Records angekündigt, elf neue Songs sind darauf enthalten und dieser hier - "Pyrenees" - ist einer davon.
THE DSM IV: Brightons Freakiest 2.0
Ziemlich krass und ziemlich abgefahren, das waren The Eighties Matchbox B-Line Disaster aus Brighton. Drei Platten mit Psychobilly und Garage-Punk, ein paar Singles, 2013 war dann endgültig Schluß. Aber nicht für Frontmann Guy McKnight. Denn der hatte noch lange nicht genug und so dürfen wir jetzt auf seine neue Kapelle namens THE DSM IV hoffen, benannt nach einem etwas veralteten "diagnostischen Klassifikationssystem in der Psychatrie" (Wikipedia) - haha, immer noch krass. Ende letzten Jahres gab's mit "Racist Man" im wahrsten Sinne einen KickOff, nun kommt Single Nummer zwei "Funland" hinterher. Und was soll man sagen - es läßt sich gut an...
Montag, 11. Februar 2019
Levin Goes Lightly: Keine Angst
Veränderung tut gut - ein Satz, den viele Menschen gerade hierzulande nur schwerlich verinnerlichen können. Was wiederum ziemlich menschlich ist. Einer, der trotzdem etwas wagt, ist Levin Stadler. Zusammen mit seiner Band Levin Goes Lightly hat er für seine drei bislang erschienenen Alben als androgynes Wesen eine Gratwanderung zwischen David Bowie und Fad Gadget vollführt, alles in englischer Sprache. Optisch soll sich im Vergleich zum Vorgänger "GAPS" nichts ändern, wohl aber textlich, denn Stadler singt für seine neue Platte "Nackt", die für den 26. April bei Tapete Records terminiert ist, ab sofort deutsch. Was ungewohnt, aber doch recht reizvoll klingt. Wenn er für die kürzlich veröffentlichte Vorabsingle "Nichts ändern" ganz Zarah-Leander-mäßig das "R" rollt, hat das schon eine ganz spezielle Note - wir fügen dem dazugehörigen Video noch drei Schnipsel der Stücke "Nackt", "Rote Lippen" und "Ganz Nah" bei. Und warten gespannt.
Front Line Assembly & Jimmy Urine: Wiener Schmäh
Auch wenn wir nach dem kürzlich erschienenen "The Teal Album" von Weezer so ein bisschen die Lust am Cover verloren haben und auch die Lemonheads mit ihren "Varshons" daran nichts ändern konnten - diese Neubearbeitung wollen wir nicht verschweigen: Denn das kanadische Industrial-Trio Front Line Assembly hat gerade von ihrem gerade veröffentlichten Werk "Wake Up The Coma" die Single "Rock Me Amadeus" mit einem Video versehen und online gestellt. Und ja, genau den Song also, mit dem einer der größten Wiener Sängerknaben, genannt Falco, die Welt eroberte und damit zeigte, dass ein Österreicher es auch zu Ruhm bringen kann, selbst wenn er ohne Schnarrstimme, rote Armbinde und Witzbart auskommen muss. Ganz so weit hergeholt ist diese Variation im Übrigen nicht, denn Bandgründer Bill Leeb stammt ursprünglich auch aus Wien - nur von Jimmy Urine, der hier den exaltierten Part übernimmt, ist solches nicht bekannt. Rockt!
Sonntag, 10. Februar 2019
Death Hags: Zarte Dröhnung
Fundstücke am Sonntag 1/3: Das schieben wir mal schnell der Rezension der neuen HEALTH hinterher, passt einfach zu gut. Denn auch Lola Jean stammt aus Los Angeles und ihr Sound ist auch ein hauptsächlich elektronischer mit viel Punch. Unter dem Moniker Death Hags macht die junge Dame wavigen Technopop, der ordentlich dröhnt und trotzdem zu ihrer zarten, verhallten Stimme harmoniert. Der aktuelle Track "Electrochemical Communication" folgt den früher veröffentlichten Stücken "Earthbound" und einer feinen Coverversion von Leonard Cohens "The Partisan". Übrigens, morgen in Hamburg, später in Berlin.
11.02. Hamburg, Molotow
14.02. Berlin, 8mm Bar
11.02. Hamburg, Molotow
14.02. Berlin, 8mm Bar
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