Mittwoch, 30. September 2009

Gehört_62



Air “Love 2” (Virgin)
Früher galt es als Herausforderung, eine Rezension über Air zuschreiben, in der nicht die Worte “Milchkaffee”, “Lounge”, “sphärisch” und “entspannend” vorkamen. Hätte ich nicht geschafft. Heute soll man das mal hinbekommen ohne „belanglos“, „uninspiriert“, „niedlich“ und „fade“. Würde mir auch nicht gelingen. Egal, ob dieses neue Werk nun an „Moon Safari“ anknüpfen oder mit psychedelischer Veredelung aufwarten soll – ich erwarte von den Franzosen, die mal als die Speerspitze der mäßig danceorientierten, aber gewaltig smoothen Elektronikszene galten, deutlich mehr als dieses seichte Geblubber. Weit und breit nix von früherem genie zu hören, öde Soundteppiche, die gerade mal so als Muzak taugen – ein Stern für die Mühe, sich ein paar Tage ins Studio zu stellen. Mehr geht beim besten Willen nicht ...

Dienstag, 29. September 2009

Gehört_61



The Lost Fingers „Lost In The 80s“ (Megaphon)
Klar ist das nicht die Rieseninnovation, die 80er mit Kammermusik Marke Gypsyjazz ein weiteres Mal aufzuarbeiten, nicht nach Nouvelle Vague, nicht nach Senor Coconut. Aber wenn man ein wenig differenziert, wird doch noch eine ganz ordentliche Sache daraus. Denn nach dem dritten Weichspülgang der Franzosencombo war endgültig Schluß mit lustig, allzu nervtötend klang das immer gleiche Gesäusel, zu vorhersehbar und spannungsarm die Arrangements. Dann noch die sattsam bekannten Gaststars als Last Exit Leierkasten – na besten Dank, wer’s mag wird seelig damit. Bei den Lost Fingers dagegen stimmt schon mal die Songauswahl, denn im Kanon findet sich nicht ausschließlich Geschmackvolles, die Kanadier präsentieren ziemlich mutig auch einige grenzwertige Häßlichkeiten, die – wen wunderts – im neuem Django-Reinhardt-Kostüm zu witzigen, schmissigen Perlen werden. „Touch Me“ – mein Gott, was einem von Samantha Fox noch im Gedächtnis ist, gehört auf eine andere Seite im Netz, der Song gruselig wie nur was – hier geht er herrlich leicht und federnd dahin. Ebenso „Part Time Lover“, eines der eher schwächeren Stevie-Wonder-Stücke und auch George Michaels „Careless Whisper“, alles bekommt einen wunderbaren Drall und klingt frisch und durchgelüftet. Selbst dem unmöglichen Schweineblues von „Black Velvet“ kann man hier noch eine unterhaltsame Seite abgewinnen. Den Part mit Michael Jackson hat der Großmeister der geschmackvollen Verwurstung Uwe Schmidt aka Senor Coconut schon besser hinbekommen, aber der ja übt auch schon ein wenig länger. Noch ein Ratschlag zum Schluß: Laßt’s es damit bewenden, Jungs – aufhören soll man, wenn’s am schönsten klingt.

Montag, 28. September 2009

Gehört_60



Jochen Distelmeyer “Heavy” (Columbia)
Was haben sie ihm nicht alles um die Ohren gehauen, dem Jochen Distelmeyer, was ist er nicht alles geschimpft worden, er, Liebling und Hassfigur des Feuilletons in Personalunion. Apfelmännchen, Dornenboy, Heulsuse, Minnesänger waren noch die milderen Titulierungen, mal machte er seine Musik für die Kirchentage dieser Welt, dann wieder sah ihn mancher schon bei Marianne & Michael sein ganz persönliches „Herzilein“ zum Besten geben. Nein, einfach haben es ihm die Meinungsverwalter nie gemacht, verstanden haben ihn nicht viele und es allen recht machen konnte und wollte er schon gleich dreimal nicht. Was sollte er auch dagegen tun, dass man ihm Distanz und gesundes Mißtrauen als Arroganz und Weltekel auslegte und gescheite Worte als wirklichkeitsfremde, intellektuelle Pose abtat. Klar, wer seine Band nach einer Figur von Kafka benennt, der hat schon gleich mal richtig verkackt im deutschen Showbiz, wo „Mitmachen“ und „Konsens“ ganz oben in den Statuten stehen.

Wer es dann besser machen will, der behauptet flugs, Distelmeyer sei der „wichtigste deutsche Popdichter“ unserer Tage. Sagt jedenfalls die SZ – die muß es wissen, die kennt sich aus. Und auch wenn es danach keinen erhellenden Grund für diese verquaste Zwangsverpflichtung zu lesen gibt, fragt man sich: Was ist er denn nun? Und ist er das für uns oder nur für sich? Er ist, so jedenfalls läßt sich gefahrlos behaupten, noch immer einer der wenigen Unangepaßten, der Dinge auf eine Weise sagt, die in dieser Zeit entweder gern überhört oder mangels imperativer Drängelei gar nicht mehr wahrgenommen werden.

Und nun also „Heavy“ – seine erste Soloplatte nach dem Ende von Blumfeld. Natürlich alles Koketterie – „heavy“ ist nichts an diesem Album, nicht die angenehm aufgeräumte Optik, nicht die Musik und schon gar nicht der Text. Distelmeyer weiß einmal mehr, was er wie will, mittlerweile jedoch setzt er Punkte und Pausen, wo früher verwirrende Wortschöpfungen durchs Hörerhirn surrten – es scheint, als habe er mehr und mehr die Klarheit und die Einfachheit zum Credo erhoben. Nur noch „Nach der Musik“ und „Hiob“ sind von den altbekannten Metaphern durchzogen, der Rest perlt in wundervoller Posie, trifft direkt und ohne Umwege. Wer dazu Schlager sagt, hat nicht verstanden, dass es hier nicht um eine künstliche, betuliche und der Gefälligkeit wegen vereinfachte Weltsicht geht. Distelmeyer kann Unbehagen und Wohlbefinden gleichermaßen ohne Schnörkel, ohne Attitüde benennen, er simplifiziert nicht, er übersetzt, er filtert aus der Gesellschaft das Alltägliche, aus dem Großen und dem Ganzen das eigene Kleine. Und das tut er nicht als Chronist, sondern als wachsamer Erzähler.

Die Themen sind die alten, Beziehungswirren (Nur mit Dir, Gehen oder Bleiben), Wut und Auflehnung (Hiob, Wohin mit dem Hass?), schamlos überzogene Liebeslyrik (Laß uns Liebe sein, Jenfeld Mädchen) und am Ende anrührende Lebensessenz (Murmel). Es gibt hierzulande nur wenige, die das so pointiert und unverwaschen in Form bringen, in die drei bis vier Minuten eines einzigen Songs. Dazu eine Musik, die in den furiosen, rauen Momenten natürlich wieder angenehm an Sonic Youth erinnert, ein ewiges, liebgewonnenes Zitat. Und so bleibt am Ende dieser kritiklosen Lobhudelei nur noch festzustellen: Das Jahr hat seinen Meister gefunden – die Bestenlisten können geschrieben werden …

Donnerstag, 24. September 2009

Gehört_59



The Raveonettes “In And Out Of Control” (Cargo Records)
Es gibt ja so Hunde, die auf den ersten Blick sehr furchterregend daherkommen und sich dann bei näherem Hinsehen doch als bessere Kuschelkissen entpuppen. Nicht ganz so derb, aber ähnlich geht es einem manchmal mit den Raveonettes. Die Dänen wären ja gern düster und gefährlich. Nicht ohne Grund ist das neue Album auch in bedrohlichem Schwarz gehalten und die Titel der einzelnen Songs wie „Suicide“, „Oh, I Buried You Today“, „Gone Forever“ und „Boys Who Rape (Should All Be Destroyed)“ lassen einen gar schrecklich erschaudern. Der erste kleine Schönheitsfehler ist die blöde Brille von Sänger Sune Wagner, die ihn auf dem Cover nicht etwa furchterregend, sondern lächerlich wie Sebastian Krumbiegel von den heimischen Prinzen aussehen läßt. Und auch beim Anhören des neuen Opus’ stellt sich keine wirkliche Gänsehaut ein – die Raveonettes haben seit dem 2007er Album „Lust Lust Lust“ ihren Stil mit luftigem Shoegazerpop inklusive Steelguitar und Drumcomputer gefunden und sind jetzt eigentlich nur noch damit beschäftigt, diesen zu verfeinern. Das klingt alles nicht schlecht und im Falle von „Boys Who Rape ...“ oder „Heart Of Stone“ sogar sehr gefällig und beschwingt, nur der Überraschungseffekt ist mittlerweile fast hinüber. Um so mehr lassen einen simple Kleinigkeiten aufhorchen: Eine kleine, eingebildete Homage an die fabelhaften Housemartins am Ende von „Boys Who Rape“, Tarantino-Assoziationen mittels Surfgitarre bei „Suicide“, das herrlich fiese Noisegewitter zu Beginn von „Break Up Girls“ und die Grandezza des Schlußstücks „Wine“, allen Vorbildern am Pedal die Ehre erweisend. Um zum Anfangsbild zu finden bleibt allerdings der Schluß: Die Raveonettes tun nicht weh, die wollen nur spielen.

Mittwoch, 23. September 2009

Gehört_58



Rain Machine „Give Blood“ (Anti)
Wer Kyp Malone jemals live mit TV On The Radio gesehen hat und dabei einen der seltenen Momente erwischte, wo dieser schweinscoole Mann nicht selbstvergessen bewegungslos über das Publikum hinwegschaute, sondern in kurzen Zuckungen dem Beat seiner Gitarre folgte, der weiß, dass dieses Soloalbum die logische Konsequenz dessen ist, was einfach manchmal raus muß. Nicht weil es billig zu haben ist – das ganz sicher nicht, sondern weil dieser Mann so eine Unmenge an Energie und ergo Output zu haben scheint, dass eine Bühne und eine Band zu klein dafür sind. Natürlich ist „Give Blood“ auch irgendwie eine TVOTR-Platte geworden, zu markant ist sein Gesang mit der Band verbunden, aber die Songs kommen ohne den federnden Rhythmus seiner Kollegen deutlich schwergängiger daher. So braucht man wesentlich mehr Zeit und Muße, sich an die recht sperrigen Stücke zu gewöhnen – exemplarisches Beispiel ist „Smiling Black Faces“, eine Art langsam einherschreitende Meditation mit ausufernden Instrumentalparts und reichlich emotionalen Vocals. Manches ist konventioneller (Give Blood, Hold You Holly), manches experimenteller (Driftwood Heart, Desperate Bitch) geraten, aber alles durchzogen vom Wunsch, verschiedenste Musikstile wie Jazz, Rock, Soul und Blues miteinander zu vermengen. Äußerst prächtig gelungen ist das klagende „Love Won’t Save You“, Malone schreit hier dem Hörer zu spärlich gesetzten Gitarrenakkorden seine düstere Weltsicht ins Ohr. Beim überlangen „Winter Song“ wiederum will das fernöstlich anmutende Gezupfe zu keinem Ende finden. Sicher alles in allem keine leichte Kost, doch auch wenn das Album zuweilen etwas zerfasert und schwer zu fassen erscheint, so ist es doch eine sehr spannende, äußerst energiegeladene Mixtur geworden. Und wenn man davon ausgeht, dass Malone diese Emphase auch ansatzlos auf die Bühne bringen kann, ist ein Konzertbesuch eigentlich unbedingte Pflicht.

Dienstag, 22. September 2009

Gehört_57



Pete Yorn & Scarlett Johansson „Break Up“ (Warner)
Das amtliche Frauenverstehermagazin Brigitte gab zu dieser Platte allen Ernstes zum Besten, dass sie „... so entspannt ist, dass man spätabends auch mal drüber einschlafen kann.“ Selbst wenn man mal hintenanstellt, dass „Einschlafen können“ hier als Qualitätsmerkmal herhalten soll, möchte man erwidern, viel mehr als Einschlafen kann man zu diesem Album eigentlich gar nicht und wenn man Glück hat, erwischt es einen schon nach dem ersten Song. Denn das, was nach der ersten Single „Relator“ daherkommt ist insgesamt so ermüdend, dass man sich fragen muß, was um alles in der Welt da wen getrieben hat, sich auf diese Menage á deux einzulassen. Denn so recht gewonnen hat keiner der beiden. Johansson hatte ja mit David Sitek von TV On The Radio als Produzent ihrer letzten Platte einen sehr cleveren Griff getan, auch das Songbook von Tom Waits gab einiges an Reizvollem her und so fiel ihr doch sehr dünnes Stimmchen auf dieser eher unkonventionellen Produktion nicht so ins Gewicht. In der klassischen Songstruktur, wie Yorn sie ihr auf „Break up“anbietet, erscheint das vokale Spektrum allerdings mehr als überschaubar, schlimmer noch, es hilft den ohnehin sehr blassen Songs in keinster Weise. So bleibt am Ende nicht viel haften von dem knapp 30 Minuten: Für „Wear And Tear“ durfte es eine Travis-Mandoline sein, bei „Search Your Heart“ wird der Drumcomputer angeschlossen, um dann „Blackie’s Dead“ mit ein paar Breakbeats aufzuhübschen – der Rest ist erschreckend harmlos und ganz schnell vergessen. „I Don’t Know What To Do“ quängelt Scarlett Johansson passenderweise in einem Song – vom Singen jedenfalls sollte sie in nächster Zeit die Finger lassen.

Freitag, 18. September 2009

Gefunden_28



Irgendwie hat man's ja schon immer gewußt, doch dank Lehramtsabsolventin Julia Kube, 24 und ihrer Master-Arbeit zum Thema Namen und Assoziationen ist nun auch dieses Vorurteil hinreichend bestätigt. Begonnen hatte das ganze Unheil bekanntlich im Jahr 1990, als plötzlich Unmengen männlicher Nachkommen mit dem Namen bestraft wurden, den die Eltern freudestrahlend vom Kinobesuch des - nun ja - recht einfach gestrickten Hollywoodfilmchens "Kevin allein zu Haus" mit seinem Hauptdarsteller Macaulay Culkin mit heimgebracht hatten. Der Name wucherte in der Folgezeit unaufhaltsam weiter, bekam viele (s.u.) ebenso abscheuliche Geschwister, während Culkin eine ganze Reihe weiterer sinnfreier Filme drehen durfte und am Ende wohl im Bett bei Michael "I love you all!" Jackson landete. Hier also noch einmal der treffende Wortlaut aus dem Spiegel: "Auffällig schlecht bewerten die Lehrer die Namen Chantal, Justin, Dennis, Marvin und Jaquelin. Doch die Höchststrafe für Kinder lautet nach Ansicht der Grundschulpädagogen Kevin. Er führt die Rangliste der unbeliebten Namen an, gilt als verhaltensauffällig und leistungsschwach. Eine befragte Lehrerin kommentierte: 'Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose.'"

Donnerstag, 17. September 2009

Gehört_56



Massive Attack „Splitting The Atom“ EP (Virgin)
Ehrlich, als die Nachricht kam, Massive Attack würden bald mit nagelneuem Material überraschen war ich mir nicht ganz sicher, ob die Limitierung auf vier Songs eher gute oder schlechte Nachricht bedeutete. Denn eigentlich fand ich das 98er „Mezzanine“ streckenweise schon etwas fade und „The 100th Window“ konnte mich dann gleich gar nicht mehr überzeugen. Die Zeit war nicht danach. Nun ist sie’s wieder und nun bin ich mir auch sicher, dass die Band gut daran getan hat, ihr ganzes, ohne Zweifel vorhandenens Genie auf diese vier Stücke zu fokussieren. Die EP beginnt trotz allem mit dem für mich schwächsten Stück, dem Titelsong, einem typischen Bristol-Shuffle, den allerdings die Kollegen von Portishead wohl etwas druckvoller hinbekommen hätten. Das folgende „Pray For Rain“ mit Gastvocalist Tunde Adebimpe von den schwerstens angesagten TV On The Radio bedient passenderweise die brüchige, erdige Stimmung des Gesangparts, ist mit wenig mehr als Piano und grollenden Drums ausreichend instrumentiert. „Psyche“ mit der Ex(Gorillaz)Ex(Tricky)-Chanteuse Martina Topley Bird wiederum ist ein ganz und gar einnehmendes, prächtiges Stück Musik geworden, welches das zwischenzeitlich im Vorgänger auftauchende Echolot modifiziert, zum Leitmotiv umbaut und den Hörer in deutlich wärmere Gefilde führt. „Bulletproof Love“ läßt einen dann zunächst einmal etwas ratlos aussehen inmitten des düsteren Gepluckers, hatte man doch, von der letzten Elbow-Platte angefixt, mit einem vergleichsweise hymnischen Guy Garvey gerechnet. Reingelegt, nichts davon – es wispert und scheppert unheilvoll durch den Mix, zusammengefrickelt von den Produzenten der hier schon angebeteten Fever Ray. Der Song zieht aus dieser Reduktion trotzdem seinen unwiderstehlichen Reiz und schließt somit eine ganz und gar gelungene Kostprobe für das nächste Jahr ab. Denn dann, ja dann dürften es schon ein paar Minuten mehr sein von diesem heißen Scheiß.

Gefunden_27



So gesehen gestern Abend im Münchner Westen. Soll heißen: Es ist Wiesnzeit und die Wiesn bekommt wie immer die Gäste die sie verdient. In diesem Falle vier Inselaffen (bayr. für Engländer) auf eindeutiger Mission ...

Dienstag, 15. September 2009

Gehört_55



The Rifles „The Great Escape“ (Warner)
Die Rifles haben, da muß man nicht lange herumeiern, mit ihrem zweiten Album ein wirklich grundsolides Stück Indierock abgeliefert – elf unprätentiöse, schnurgerade und dabei sehr gefällige Songs, keiner zu lang, keine überflüssigen Verzettelungen, keine riskanten Experimente. Letzteres mag ihnen mancher vorwerfen, dem kann man dann entgegnen, dass es doch manches Mal auch ganz charmant ist, die 14,99 über den Ladentisch zu schieben und dafür genau das zu bekommen, was man erwartet hat. Denn in der hart umkämpften Disziplin „Zweites Album“ hat man schon viele kommen und um so schneller wieder verschwinden sehen, einen gelungenen Nachfolger, mag er dem Debüt (wie hier „No Love Lost“) auch noch so sehr ähneln, bekommt eben nicht ein jeder hin. Den Rifles ist dies perfekt gelungen, in der durchweg hohen Qualität ihrer Stücke sticht weniges heraus, da mag sich jeder selbst seinen Favoriten suchen. Bei mir ist’s letzten Endes das sehr entspannte „Toe Rag“ geworden, gefolgt vom ebenfalls bezaubernden Titelstück. Nur Nuancen also, die hier den Unterschied zum Rest machen – in diesem Punkt sind sie ihren Londoner Stadtrivalen, den Rakes sehr nahe. Die haben übrigens schon das dritte Album von gleicher Güte geschafft, das sollte den Rifles dann doch auch noch gelingen ...

Freitag, 11. September 2009

Gehört_54



Muse "The Resistance" (Warner)
Muse gehören bekanntlich zu der Kategorie von Bands, die sich, ähnlich wie Placebo, im Laufe der Jahre aus dem Indie–Biotop herausgewagt haben und mittlerweile in einer riesenhaften Dimension agieren, die zuweilen von außen eher als Unternehmen denn als „Musikgruppe“ wahrgenommen wird. Die sich in dieser Zeit eine riesige, leidenschaftliche Fanbase erarbeitet haben, wo langersehnte Neuveröffentlichungen so wahrgenommen werden wie andernorts Marienerscheinungen. Da kann man für eine kritische Einlassung schnell mal was um die Ohren bekommen und das nicht zu knapp. Und trotzdem muß es erlaubt sein zu sagen, dass dieses neue Album mit seiner schieren Überfülle an verschiedensten Musikstilen zu einem Monster geraten ist, das selbst hartgesottenste Fans einigermaßen überfordern dürfte. Dabei läßt sich der Beginn noch recht verdaulich an – „Uprising“ ist bester Powerpop, wie ihn in dieser Mischung nur wenige so perfekt hinbekommen, auch das Titelstück und der Nachfolger „Undisclosed Desires“ sind klassisch geprägte Muse-Titel, letzterer mit seinen elektronischen Verzierungen fast schon etwas für die Setlist der aktuellen Depeche-Mode-Tour. Danach – danach allerdings wird es mächtig dunkel. Wer in aller Welt möchte denn bitte solche breitgewalzten Progrocknummern wie „United States Of Eurasia“ oder „Guiding Light“ hören? Und wer bitte sagt Matt Bellamy, dass gegen die handelsübliche Heldenverehrung nichts einzuwenden ist, man aber nicht in jedem einzelnen Takt von schlecht geklauten Queen-Riffs angesprungen werden möchte? In der Folge erholt er sich dann zum Glück wieder etwas, streicht das ausufernde Gegniedel gegen die straightere, härtere Gitarrenvariante und bekommt mit „MK Ultra“ sogar wieder einen halbwegs gelungenen Song hin. Den Ausflug in genrefremde Gefilde haben die Killers auf „Day & Age“ weitaus besser geschafft, der mutige Versuch mit „I Belong To You“ mißrät Muse leider fast komplett und versinkt gegen Ende in plattem Kitsch. Der Rest ist – nein, nicht Schweigen, sondern Oper. Rockoper also, eine wahre Mutprobe für den geduldigen Laien, eine Offenbahrung vielleicht für den Hardcoreanhänger. Hier fängt er, der Satz vom Schuster und seinem Leisten, denn Bryan May ist die eine Sache, aber Chopin der Verwurstung anheim zu geben grenzt an schlichten Größenwahn. Sei’s drum, die Gemeinde wird es zähneknirschend ertragen, den Rest lieben und die Platte wird, soviel darf vermutet werden, der Renner im Spätherbst ...
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Mittwoch, 9. September 2009

Gehört_53



The Jaguar Club “And We Wake Up Slowly” (The Jaguar Club)
Sie hätten es nicht sagen müssen („We’re children of the eighties...“/Corks Pop), man wäre wohl auch von allein drauf gekommen. The Jaguar Club kommen, wie sollte anders sein, natürlich aus New York und wie bei den meisten Bands mit diesem Hintergrund gibt’s auch hier einiges an Referenzen abzuarbeiten. Angefangen beim etwas befremdlichen Namen des Trios: Dank Wiki weiß ich jetzt auch, dass es einstmals im westdeutschen Herford einen recht bekannten – ja: Jaguar Club gegeben hat, in welchem sich Jimi Hendrix, The Who und die Small Faces die Klinke in die Hand gegeben haben sollen. Der letzte Walzer ist dort schon lange gedreht und beim Anhören von „And We Wake Up Slowly“ will sich auch der musikalische Bezug bei mir nicht so recht einstellen, aber eine schöne Geschichte wär’s trotzdem. The Jaguar Club rocken jedenfalls mit sehr viel Emphase und mit einiger Phantasie mag der eine oder andere auch ein paar Anklänge aus den 70ern heraushören. Weitaus deutlicher drängt sich allerdings ein anderer Name auf: The Gun Club. Irgendwie erinnert Will Popadics leicht überdrehte Intonation an das brüchige Organ eines Jeffrey Lee Pierce, was natürlich mal eine satte Hypothek ist. Aber auch Verweise auf Echo And The Bunnymen (früher) und die Walkmen (heute) schlagen nicht völlig fehl, The Jaguar Club spielen eine recht breite Palette von Garage bis New Wave und dies auf durchweg sehr unterhaltsame Art. Das eingangs erwähnte „Corks Pop“ kann man sicher als einen Höhepunkt verbuchen, auch „Sleepwalking“ und „Blood Pressure“ haben eine zwingende Präsenz und Wucht. Ruhig können sie auch (Perfect Timing), wenn’s sein muß auch mal ohne Vocals (In The Leaves). Nach der letzten EP „Sirens“ (2007) klingt also auch das aktuelle Material recht überzeugend und – den Gimmick kann ich mir leider nicht schenken – sehr ausgeschlafen.

Gefunden_26



Ganz so einfach scheint es Morrissey nicht gefallen zu sein, diese Sammlung rarer Songs und B-Seiten freizugeben, jedenfalls schaut er recht gequält auf dem Cover seiner Ende Oktober erscheinenden Platte. Aber so ist er halt, der alte Mozzer, und wenn die Songs halbwegs die Güte der regulären Alben haben sollte uns das mehr als Recht sein. Nicht recht erklären kann ich mir aber nach wie vor nicht, warum das Cover eine so ähnliche Optik aufweist wie das neue von Robert W. Mhhhh ...?

Dienstag, 8. September 2009

Gehört_52



Taken By Trees „East Of Eden“ (Rough Trade)
Eins ist klar – mit diesem Album ist der Sommer nun endgültig passé. Insgeheim glaube ich ja, dass Victoria Bergsman, die Frau hinter Taken By Trees, überhaupt nicht anders kann als herbstliche Platten zu machen. So jedenfalls kommt das zweite Album zum richtigen Zeitpunkt: kühlere Nächte, goldene Blätter, Melancholie allerorten, passt. Ganz so einfach aber, wie man nach den ersten beiden Songs denken mag, wird es aber dem Höher dann doch nicht gemacht. Der Beginn ist natürlich fulminant: Kein Mensch, wenn er nicht gerade Gordon Gekko heißt und sich seine Brötchen mit Investmentbanking verdient, kann sich der herzzereißenden Traurigkeit von „To Lose Someone“ verschließen, auch das nachfolgende „Anna“ klingt leicht umflort. Doch schon ab dem dritten Lied schiebt sich das in den Vordergrund, was zuvor im Backround eher nur Andeutung war – fernöstliche, weltmusikalische Klänge und Melodien dominieren im Folgenden, mal mehr, mal weniger. Nicht immer zum Vorteil, denn einige Songs wirken dadurch ein wenig hektisch und weniger eingängig. Vielleicht hat das aber auch etwas mit westeuropäisch konditionierten Hörgewohnheiten zu tun, denn reizvoll bleiben die Stücke allemal. Zwischendurch gibt’s dann noch ein wenig landessprachliches (Tidens Gang, Bekennelse), mit den Stücken „My Boys“ und „Day By Day“ bleibt sie aber auch zum Ende hin ihrer weltumspannenden Mixtur treu. Mir persönlich hätten sicher ein paar Takte mehr vom Schlage des Eröffnungsstücks gefallen, aber warum soll man es immer einfach haben. „East Of Eden“ ist eben zweifellos auch ein Stück ambitionierte Hörkunst, die erarbeitet werden will. Tun wir ihr den Gefallen.

Gefunden_25



Ja wenn's so einfach wäre, Mann, dann wär's auch irgendwie langweilig, oder? Da hat sich der Herr Williams wohl gedacht, er macht mal so eine Art Gaga-Robbie, erfunden hat er sich ja schon oft genug, da kann man's ja mal versuchen. Klappt aber nicht. Die erste Single "Bodies" klingt wie der aufgehübschte lauwarme Aufguß eines Songs, den der Meister wohl vor ein paar Jahren nicht mal als B-Seite hergenommen hätte. Dafür die Warterei? Dafür der ganze Schmus von wegen BurnOut, UFOs und Tierkostüme? Ach Robbie ...

Montag, 7. September 2009

Gefunden_24



Der Titel ist schön und natürlich auch das Coverfoto - Jochen Distelmeyer aka. Herr Blumfeld a.D. macht jetzt alleine weiter und bleibt sich als Ästhet mehr als treu. Viel ist ja noch nicht bekannt von seiner neuen Platte "Heavy", doch schon die ersten beiden Lieder deuten den Spagat an, den er bei seinem Solodebüt wagt. Während "Laß uns Liebe sein" eine lässige Fame-Optik und beschwingte Seelsorge bietet, logiert "Wohin mit dem Hass?" ein paar Etagen weiter unten in der Tiefgarage, wo Distelmeyer beim zünftigen Stelldichein mit Scharfschütze, Slomopogo und Molotowpulle klare Ansagen zu sachte angerocktem Sound macht: "Kennst Du die Reichen und Mächtigen, lass ihre Wagen brennen!" und "Also gebt mir Euren Hass und seht mir zu, wie ich ihn für euch verwandle, wenn ich fertig bin laß ich euch in Ruh', alleine mit eurem Hass." Respekt der Herr, da dürfen wir wohl gespannt sein!

Freitag, 4. September 2009

Gehört_51



Fever Ray „Fever Ray“ (Universal)
Innerlich flucht man über solche Fälle, in denen ein so blitzsauberes Album vor Monaten leichten Schrittes unerkannt an einem vorbeigewandert ist – keine Notiz und keine Ahnung warum. Da kann man also den unzähligen Musikbloggs sprichwörtlich an den Lippen hängen und sich vor jedes Portal setzen und mit Argusaugen und –ohren wachen, das eine odere andere wird zwangsläufig überhört. Bei mir also Fever Ray. Was um so sträflicher ist, als das sich diese Musik als so eine Art perfekte Essenz verschiedenster bevorzugter Stile und Spielarten erweisen sollte. Und wenn auch der namentliche Vergleich als die Erbsünde der Musikkritik gilt, kommt man manchmal nicht umhin, seine Assoziationen zu benennen. Nämlich gerade dann, wenn es eben nicht um den Vorwurf der allzu billigen Blaupause geht, sondern das Namedropping eher die ehrfürchtige Bewunderung unterfüttern soll. Machen wir’s also kurz: Nahe bei „Felt Mountain“, bevor Goldfrapp zu zappeln anfingen, viel von der ruhigen Majestät einer Laurie Anderson und der elfenhaften Verspieltheit einer Kate Bush, manchmal, aber selten so dunkel wie Nico, Fad Gadget ohne den zerissenen Krach, also eher Frank Tovey solo und am Ende die Idee der morbiden, skandinavischen Variante von Massive Attack. Und sicher gibt es bei jedem der zehn einzigartigen Songs, von denen wirklich keiner qualitativ abfällt, noch eine ganze Reihe anderer Einflüsse, die zu nennen wären – trotzdem gelingt Karin Dreijer aka Fever Ray eine so berauschende Mischung, die einen zuweilen nur noch staunen läßt. Die Reizpunkte Stimme plus archaische elektronische Soundeffekte werden so gekonnt gesetzt und miteinander verwoben, dass man mit geschlossenen Augen endlos dem Kopfkino folgen möchte, was sich da Kulisse um Kulisse aufbaut. Dreijer hat ja mit Deus, Röyksopp und vor allem The Knife schon diverse Male glänzen können, so geschlossen und zwingend wie hier gelang das aber noch nicht. Die Texte dazu kryptisch, düster und um meine Schwägerin ins Spiel zu bringen, furchtbar „nahe am Grab“ (“I laying down, eating snow, my fur is hot, my tongue is cold, on a bed of spider web, I think about to change myself … whispering, morning keep the streets empty for me”), aber das Spiel funktioniert, macht süchtig, weghören ab jetzt nicht mehr möglich. Schon deshalb eines der interessantesten Projekte des Jahres. Und da ist es dann letzten Endes egal, wann man darüber stolpert, Hauptsache, man tut es.