Fever Ray „Fever Ray“ (Universal)
Innerlich flucht man über solche Fälle, in denen ein so blitzsauberes Album vor Monaten leichten Schrittes unerkannt an einem vorbeigewandert ist – keine Notiz und keine Ahnung warum. Da kann man also den unzähligen Musikbloggs sprichwörtlich an den Lippen hängen und sich vor jedes Portal setzen und mit Argusaugen und –ohren wachen, das eine odere andere wird zwangsläufig überhört. Bei mir also Fever Ray. Was um so sträflicher ist, als das sich diese Musik als so eine Art perfekte Essenz verschiedenster bevorzugter Stile und Spielarten erweisen sollte. Und wenn auch der namentliche Vergleich als die Erbsünde der Musikkritik gilt, kommt man manchmal nicht umhin, seine Assoziationen zu benennen. Nämlich gerade dann, wenn es eben nicht um den Vorwurf der allzu billigen Blaupause geht, sondern das Namedropping eher die ehrfürchtige Bewunderung unterfüttern soll. Machen wir’s also kurz: Nahe bei „Felt Mountain“, bevor Goldfrapp zu zappeln anfingen, viel von der ruhigen Majestät einer Laurie Anderson und der elfenhaften Verspieltheit einer Kate Bush, manchmal, aber selten so dunkel wie Nico, Fad Gadget ohne den zerissenen Krach, also eher Frank Tovey solo und am Ende die Idee der morbiden, skandinavischen Variante von Massive Attack. Und sicher gibt es bei jedem der zehn einzigartigen Songs, von denen wirklich keiner qualitativ abfällt, noch eine ganze Reihe anderer Einflüsse, die zu nennen wären – trotzdem gelingt Karin Dreijer aka Fever Ray eine so berauschende Mischung, die einen zuweilen nur noch staunen läßt. Die Reizpunkte Stimme plus archaische elektronische Soundeffekte werden so gekonnt gesetzt und miteinander verwoben, dass man mit geschlossenen Augen endlos dem Kopfkino folgen möchte, was sich da Kulisse um Kulisse aufbaut. Dreijer hat ja mit Deus, Röyksopp und vor allem The Knife schon diverse Male glänzen können, so geschlossen und zwingend wie hier gelang das aber noch nicht. Die Texte dazu kryptisch, düster und um meine Schwägerin ins Spiel zu bringen, furchtbar „nahe am Grab“ (“I laying down, eating snow, my fur is hot, my tongue is cold, on a bed of spider web, I think about to change myself … whispering, morning keep the streets empty for me”), aber das Spiel funktioniert, macht süchtig, weghören ab jetzt nicht mehr möglich. Schon deshalb eines der interessantesten Projekte des Jahres. Und da ist es dann letzten Endes egal, wann man darüber stolpert, Hauptsache, man tut es.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen