Freitag, 22. Januar 2021

Michaela Meise: Wider das Vergessen

Würden wir behaupten, es wäre ihr wichtigstes Anliegen, das sie da besingt - Michaela Meise würde wohl sofort widersprechen. Und natürlich hätte sie Recht, schließlich waren auch zwei ihrer letzten Werke mit einer gewissen Dringlichkeit, einem persönlichen Anliegen versehen. Mit "Preis dem Todesüberwinder" gelang der Künstlerin 2010 eine Überraschung, sang sie darauf doch unter Mithilfe von Produzent Thies Mynther (und damals noch für Cloud Hills) sieben bekannte Kirchenlieder ein und verschaffte ihnen so eine unerwartete Auffrischung, einen neuen Subtext. 2018 wiederum erschien ihr Album "Ich bin Griechin" bei Martin Hossbach, Eigenkompositionen und Neubearbeitungen, meistenteils düster, thematisierten die Themen Flucht, Heimat, Leid und Widerstand. Beileibe nichts Nebensächliches also. 

Vielleicht könnte man sich ja auf das Naheliegendste, Aktuellste einigen. Michaela Meise kommt aus Hanau und auch wenn es nicht wenige gern verdrängen würden - fast auf den Tag jährt sich heute der rassistische Anschlag, bei dem am 20. Februar 2020 zehn Menschen ums Leben kamen. Die Aufarbeitung gestaltet sich zäh bis unbefriedigend, Angst ist noch immer gegenwärtig (man liest von befremdlichen Auftritten des Vaters des Attentäters) und deshalb ist es an uns, wach zu bleiben und in Erinnerung zu behalten, was möglich war und leider noch immer möglich ist. Michaela Meise tut dies auf ihre unvergleichliche Art ab heute mit dem Lied "Cemalim", einer in Deutsche übersetzten Bearbeitung eines Songs des türkischen Musikers Erkin Koray von 1973, der wiederum auf einer Totenklage des Dichters Rafik Basaran beruht.