Isolation Berlin
Support: Swutscher
Feierwerk, München, 29. April 2018
Jetzt, da man den Vergleich hat – was hat sich geändert bei Isolation Berlin? Das zweite Album, die zweite Tour, dazwischen ein Büchlein, vielleicht trifft es ja der Satz: Alles wird besser, doch nichts wird gut? Die Indierock-Kapelle aus der Hauptstadt, deren Sound so angenehm undefinierbar klingt und irgendwo zwischen Element Of Crime, den Fehlfarben und Rio’s Scherben pendelt, stand ziemlich genau vor zwei Jahren auf der gleichen Bühne, unterwegs mit dem Albumdebüt „Und aus den Wolken tropft die Zeit“. Beweisen mussten sie schon damals niemandem mehr etwas, die Platte war so großartig, die Songs so überwältigend und gefühlsmächtig wie selten welche davor und danach hierzulande. Und mittendrin ein verzweifelter, ein trauriger, rastloser Junge namens Tobias Bamborschke, der für seine Lieder brannte, aufgewühlt von Wehmut, Wut und Melancholie und gezeichnet von seinen grauen Gedanken und von der Einsamkeit einer Millionenstadt. Schon damals war Bamborschke mehr als nur der Sänger und Texter einer Band, er verkörperte das Empfinden vieler, die sich unverstanden, beiseite geschoben, überrollt wissen von Zeitgeist und medialem Overkill, die überfordert sind mit dem Leid und dem Hass um sie herum und so gar keinen Halt zu finden vermögen.
Wem das jetzt übertrieben vorkommt, der hat das zweite Album wahrscheinlich noch gar nicht gehört. Denn wenn der Erstling noch ein paar lichte Momente bereithielt, so ist „Vergifte dich“ nur noch schwer und dunkel – und dennoch oder gerade deshalb von anrührender Schönheit. Doch all das würde aufgesetzt und bemüht klingen, wäre Bamborschke nicht echt geblieben. Wie er von da oben sein teuflisches Grinsen in die Runde schickt, seinen Frust auskotzt, Selbstmitleid feiert und doch voller Lebensgier zu stecken scheint, das hat nicht Künstliches, das spielt er nicht, so ist er tatsächlich (oder macht es einen glauben). Ein Lob auf die Gifte, die die Tristesse erträglicher machen und alle Ängste betäuben, das Bekenntnis zur Lust ohne Liebe, zum Wahn und zur Suche nach dem letzten Kick, das Entsetzen über die Dummheit der Masse, über das öde, nichtssagende Blablabla – viel Schönes hört man nicht.
Und wenn, dann findet man es versteckt in den traurigen Zeilen. Dort, wo Bamborschkes Alter Ego Menschen trifft, die ähnlich ticken wie er selbst, die wie er „Antimaterie“ im Herzen tragen oder als „Prinzessin Borderline“ im Grenzgebiet zwischen Manie und Depression wandeln. Dass Ausgelassenheit häufig nur mit der Flasche in der Hand zu haben ist, gehört zu den Selbstverständlichkeiten, ein Grund, daß Bamborschkes Abend schon ein bisschen früher begann: Gemeinsam mit der schräg-amüsanten Hamburger Tanzkapelle Swutscher, die den Support der Tour besorgt, intonierte er deren Song „Bierstübchen“, ganz so, als wäre man schon beim Absacker in bierseliger Umarmung angekommen. Dieses Bild als kompletter Gegensatz zum abschließenden Encore: Bamborschke, nur von einer Gitarre begleitet, durchstreift für „Vergeben heißt nicht Vergessen“ allein das trauriges Jammertal einer zerbrochenen Beziehung: „Die Monate reichen sich lustlos die Hände. Mit todmüden Augen seh ich die Jahre vergehen. Es gibt kein zurück und ich komm nicht voran. Auf Sonne folgt Regen und dann fällt der Schnee.“ Nun, zumindest letzteres ist ihm an diesem lauen Vorsommerabend erspart geblieben.
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