Die Nerven
Strom, München, 28.04.2018
Nein, dieser Vergleich würde wohl selbst dem bekennenden VfB-Fan Julian Knoth zu weit gehen: Das Stuttgarter Trio Die Nerven als das Magische Dreieck des Noise-Punk zu bezeichnen, ist vielleicht so platt wie weit hergeholt, aber das herausragende Zusammenspiel der Herren Elber, Bobic und Balakov Mitte der Neunziger im Trikot des schwäbischen Fußballklubs war zumindest ähnlich nahe an der Perfektion wie die Performance von Knoth, Rieger und Kuhn seit einigen Jahren auf der Bühne. Im Bewusstsein dieser außergewöhnlichen Stärke haben die drei von einiger Zeit sogar ein Live-Album aufgenommen – einen Schritt, den sich selbst weitaus gestandenere Bands dreimal überlegen, kann man damit doch auch großartig scheitern und die eigene Plattenfirma auf lange Zeit verärgern. Nicht so hier – das grandiose Doppelvinyl ist am Merch-Stand oft sogar schneller vergriffen als die nicht weniger gut gelungene, neue Platte „Fake“, wohl auch deshalb, weil die Band Abend für Abend das Versprechen, aktuell einer der besten deutschen Liveacts zu sein, einzulösen vermag.
Und tut das selbstredend auch im ausverkauften Münchner Strom. Und zwar mit nachhaltig beeindruckender Aufgabenteilung in eben jener Dreieckskonstellation: Max Rieger gibt, hochaufgeschossen und mit durchdringendem Blick, den leidenschaftlichen, den lauten Rufer, der mit seiner Gitarre im Gleichklang zuckend die Energie Richtung Publikum transferiert. Knoth wiederum am Bass mit teils eigentümlichen Tanzeinlagen erweist sich als erstaunlich humorvoll und gleichzeitig als wildes Kraftbündel, das von Zeit zu Zeit regelrecht explodieren kann. Und Schlagzeuger Kevin Kuhn, mit einer beneidenswert langen Headbangermähne gesegnet, rudert und haut mit ungezügelter Kraft auf sein Arbeitsgerät ein, als müsse er einen Stapel offener Rechnungen mit ihm begleichen.
Der Sound ist entsprechend mächtig, der Krach ohrenbetäubend und raumfüllend und hält doch, gerade bei den neueren Sachen, manch leichteren, fast tanzbaren Moment bereit (den die Jungs dann auch mit entsprechender Ironie so ankündigen). Ganz stark die beiden älteren Schlußstücke „Der letzte Tanzende“ und „Angst“ – Lärmkaskaden, düstere Noisewände, undurchdringlich, bedrohlich. Zwölf plus ein, ein erstaunlich kurzes Set zwar und am Ende leider kein Joy-Division-Cover. Trotzdem so intensiv, daß viel mehr davon ohnehin kaum zu ertragen gewesesn wäre. Giovane Elber, begnadeter Ballkünstler, Berufsbrasilianer und ein Drittel des eingangs erwähnten Urdreiecks, hat in der aktuellen 11Freunde über seine Zeit in Stuttgart gesagt, er und seine Kollegen hätten sich wie die Beatles in Liverpool gefühlt. Könnte sein, daß auch sein musikalischer Horizont dringend einer Neujustierung bedarf. Wir hätten da einen Vorschlag…
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