Dienstag, 24. Januar 2012

The Return of the Ladies' Man



Leonard Cohen “Old Ideas” (SmiCol)
Der Konsens ist bekanntlich im Leben schwer zu finden, im eitlen Musikbusiness ist er nahezu unmöglich. Ob die Gallaghers einfach dumm, Scooter zu prollig, U2 von vorgestern oder die Stones nur noch peinlich sind – eine übereinstimmende Meinung wird man dazu kaum ausmachen. Es gibt allerdings Sachen, da sollte man sich auf keinerlei Diskussion einlassen, der Kanadier Leonard Cohen ist eine davon. Seine Verdienste um die hohe Kunst des Songwritings sind unbestritten und wer da draußen klarkommen und vom Leben ernstgenommen werden will, hat, wenn schon kein Buch, so doch mindestens eine seiner Platten im Regal stehen, egal ob’s nun die “Songs Of Love And Hate”, “Songs From A Room” oder das 75’er Best-Of mit dem legendären Spiegelcover ist. Und wer sich jetzt ertappt fühlt, dem sei gesagt, er darf auch mit dem aktuellen Album anfangen – ein größeres Kompliment kann man “Old Ideas” wohl kaum machen.

Wenn Jungspund Jarvis Cocker seinem Idol unterstellt, er schreibe seit Jahren “penitential hymns with jocular humility”, sinngemäß also hymnische Bußpredigten in humorvoller Demut, dann ist es das und vieles mehr, was auch dieses, sein zwölftes Werk ausmacht. Es geht um menschliche Katastrophen und Irrwege, um Vergebung und Heilung, um Einsichten, Auswege, Verrücktheit und Starrsinn, um das Schicksal und seinen Schöpfer, um die Sinnsuche, die immer gleichen Fragen, die alten Ideen also, die auch Cohen wie Sisyphus den Felsbrocken den Berg hinauf wälzt („Show me the place, help me roll away the stone, show me the place, I can't move this thing alone, show me the place where the word became a man, show me the place where the suffering began”). Wie er diese Plackerei all die Jahrzehnte mit einem Lächeln auf den Lippen bewältigt, bleibt sein Geheimnis und sein Markenzeichen zugleich.

Was einen erwartet? Schwergewichtige Kostbarkeiten in Text und Ton, begleitet von einem begnadet temperierten Backroundchor, geführt von der Stimme eines 77jährigen, die, wenn das überhaupt geht, noch tiefer, noch gegerbter klingt als zuvor. Einzigartig, wie der sich selbst („...a lazy bastard, living in a suit...“) in „Going Home“ über die Schulter schaut und auch gleich in die Pfanne haut: “He wants to write a love song, an anthem of forgiving, a manual for living with defeat, a cry above the suffering, a sacrifice recovering, but that isn't what I want him to complete.“ Anrührend, wie er mit bildhafter Sprache sein Bittgebet (“Amen”) zum Besten gibt: „Tell me again when the day has been ransomed and the night has no right to begin, try me again when the angels are panting and scratching at the door to come in... tell me that you love me then“ – eine Trompete, ein paar Streicher, nicht mehr. Zusammen mit dem tiefschwarzen Barpianostomp von “Darkness” sind das schon drei Songs, die mehr Gehalt haben das Gesamtwerk der Strokes (etc., Name beliebig wählbar).

Während Cohens Stimme bei “Anyhow” nur noch ein düsteres Raunen ist, schwingt sie sich für “Crazy To Love You” in vergleichsweise hochgelegene Gefilde, wo “Come Healing” mit Spiritualität nicht geizt, tanzt ‘the Ladies’ Man’ bei “Different Sides” leichtfüßig übers edle Holzparkett. Feinsinnige Gegensätzlichkeiten, große Lieder, “stripped to the bones” – und das alles ohne Zutun von Altenpfleger Rick Rubin. Und auch wenn’s aus einer komplett anderen Küche kommt – Cohen hat mit dieser Platte die gefühlte Fortsetzung von Scott-Herons “I’m New Here” vorgelegt. So ungefähr jedenfalls.

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