Donnerstag, 3. Juni 2010

Gehört_148



The Divine Comedy „Bang Goes The Knighthood“ (PIAS)
Deutschlands derzeit angesagtester und wohl auch begabtester Maler Neo Rauch gab kürzlich in einem Interview zum Besten, dass Liedtexte ihm „ganz und gar unwichtig“ seien, er nähme sie nur als Instrument wahr. Besonders, so Rauch weiter, bei deutschen Bands wünschte er sich desöfteren, sie hätten sich der englischen Sprache bedient, weil ihn die transportierten Informationen einfach nicht interessieren würden. Punkt. Im ersten Moment ist man geneigt, ihm uneingeschränkt zuzustimmen, ein paar Fragen bleiben dann aber doch: Zum einen möchte man Mitleid haben mit dem englischen Muttersprachler, der dann zusätzlich zur höchsteigenen Musik und den ohnehin schon grenzwertig übersetzten Kandidaten – ähm, Scooter? – in letzter Konsequenz auch noch Westernhagen, Peter Maffay und die Toten Hosen hören, und schlimmer noch: verstehen müsste. Zum anderen legt die Meinung von Herrn Rauch den Schluß nahe, dass englische Sprache hierzulande oftmals nur als Textur zur Musik wahrgenommen wird, was – Ende der langen Vorrede – wohl leider zutrifft, im Falle des aktuellen Albums von Neil Hannon alias The Divine Comedy aber jammerschade wäre.

Selbst in allenfalls wolkiger Kenntnis des umfangreichen Vorwerkes kann man getrost mutmaßen, dass dem Mann, für den der Begriff „Opulenz“ überhaupt erst erfunden wurde, mit „Bang Goes The Knighthood“ wieder mal ein Meilenstein orchestraler Popmusik gelungen ist und mit Recht wird diese Platte als eine der häufigsten Nennungen in den berüchtigten Abschlußlisten des Jahres 2010 auftauchen. Musikalisch präsentiert sich das aktuelle Album gewohnt vielfältig und pendelt abermals zwischen – Achtung: unbedingte Auskennervokabel! – Vaudeville, Schlagern der 20er bis 40er Jahre, Jahrmarktsklängen und barockem Indiepop der Neuzeit hin und her. Das eigentlich Erstaunliche bei Hannons Arbeiten sind aber stets die bildhafte, wortgewaltige Sprache und die erzählerische Finesse, die jeden seiner Songs zu einer kleinen Miniaturoper werden lassen und dabei doch so verführerisch leichtfüßig und verspielt daherkommen, dass man meint, Hannon müsse sich solches nicht erarbeiten, sondern nur entspannt den nächsten Musenkuß erwarten.

Es beginnt schwelgerisch und romantisch, „Down The Streets Below“ lässt einen unweigerlich an Hannons Alter Ego Morrissey denken, doch schon „The Complete Banker“ ist bester britischer, also tiefschwarzer Humor und natürlich eine mehr oder minder ernst gemeinte Wortmeldung zur aktuellen Finanzkrise „…we can build a much, much bigger bubble the next time …“. Etwas angeschiggert hüpft dann „Neapolitan Girl“ um die Ecke, angeblich angelegt an Aufzeichnungen aus der italienischen Nachkriegszeit, Hannon inszeniert es trotzdem als butterweichen Schunkler: „Lola has a lover in a city bank and Lola has a lover in the british ranks, well Lola has them over in the middle of a day, ‘cause Lola makes the neighbours all jealous that way, she doesn’t care ‘bout right or wrong, just look about where the next meal’s coming from”. Und weiter geht’s mit unvermindertem Hörspaß: erst bissige Gesellschaftssatire im Titeltrack, später trifft und hört man alte Bekannte „At The Indiedisco“, man springt liebestrunken durch Einkaufszentren (Have You Ever Been…) und träumt versponnen und versonnen zusammen mit Cathy Davey vom Leben auf einer einsamen Insel (Island Life).

Anrührender als in „When A Man Cries“ waren The Divine Comedy, wenn auch mit kräftigem Augenzwinkern, selten: „When a man cries he cries alone and for just a moment he’s back at home, cradled in his mothers arms, free from guilt and safe from harm” – man möchte wirklich gleich losheulen. Wohl dem also, der aufmerksam zuhören will, neben vergnüglichen Albernheiten (Can You Stand Upon One Leg) lässt sich durchaus eine Menge Nachdenkliches entdecken. Da wird dann sicher auch etwas für Herrn Rauch dabeisein. Wem das allerdings alles nicht zusagt, dem bleibt zumindest Hannons abschließende Empfehlung: „Jump up and down, make funny little sounds and talk about nothing in particular.“ Nichts hinzuzufügen.
http://www.thedivinecomedy.com/

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