Tocotronic „Schall & Wahn“ (Vertigo)
Man kann sich dem Werk von Tocotronic auf zwei verschiedene Arten nähern, mit dem Kopf oder mit dem Bauch. Geht man mit dem Kopf an die Sache ran, kann man die Blumenkunst auf dem Cover nach Sinn und Hintersinn zerpflücken, man kann sich an der Verweigerungshaltung der Hamburger abarbeiten und konstatieren, dass lustigerweise viele Dinge, denen sich die Band seit Jahren konsequent und leidenschaftlich in den Weg stellt, mit dem Buchstaben „K“ beginnen - Klarheit, Konsens, Konvention, Korrektness. Man kann versuchen, das neue Album als den demonstrativen Kontrapunkt zum aktuellen „Heavy“ von Jochen Distelmeyer zu sehen, wo der eine mit Vorliebe entkernt, vereinfacht, destilliert und Tocotronic bewußt das Unentschiedene, das Verschwommene und Unscharfe dagegensetzen. Man kann sich die neuen Songs einzeln vorknöpfen, kann Worte hervorgraben wie „Folter“, „Terror“, „Sterben“ und „Blut“ und daraus fleißig furchterregende Parabeln basteln, kann einen verkappten Schlachtruf wie „SDS“ zum politischen Statement, zur Stellungnahme, zur Parteilichkeit umdeuten. Sinnieren, unken – das alles kann man machen, mit dem Kopf. Die Gefahr allerdings besteht, dass man sich dabei mächtig lächerlich macht. Denn das einzig sichere, was man von Tocotronic bekommen kann, ist die Assoziation. Und die wird sich, so schade das für die Verständlichmacher unter uns ist, immer nur für einen selbst auflösen. Dann lieber mit dem Bauch: Worte sind Melodien, sie folgen – erklärtes Ziel der Band – immer dem Klang, der Form, dem Sound. „In mir brennt das Feuer, kalt modern und teuer, in mir strahlt das ewige Licht, doch dahinter gibt es nichts, außer mir.“ (Gesang des Tyrannen) Wer das so stehen lassen kann, ohne nach Subtexten zu forschen, wird von diesem Album deutlich mehr haben. Ohnehin ist die Musik greifbarer, geradliniger, sie orientiert sich wieder an der Reproduzierbarkeit auf der Konzertbühne: hart, druckvoll, manchmal brachial, seltener verhalten und leise. Der Beginn und das Ende gleichermaßen eine Feier des Feedbacks, Sonic Youth und Neil Young zu gleichen Teilen – stürmisch, unmittelbar. Wer Manifeste braucht, der nimmt sich „Im Zweifel für den Zweifel“ und lernt es auswendig. Wer mehr will, ergibt sich dem Schall und dem Wahn, macht laut und taucht ein – ein Hohelied der Lust. Meisterhaft!
Man kann sich dem Werk von Tocotronic auf zwei verschiedene Arten nähern, mit dem Kopf oder mit dem Bauch. Geht man mit dem Kopf an die Sache ran, kann man die Blumenkunst auf dem Cover nach Sinn und Hintersinn zerpflücken, man kann sich an der Verweigerungshaltung der Hamburger abarbeiten und konstatieren, dass lustigerweise viele Dinge, denen sich die Band seit Jahren konsequent und leidenschaftlich in den Weg stellt, mit dem Buchstaben „K“ beginnen - Klarheit, Konsens, Konvention, Korrektness. Man kann versuchen, das neue Album als den demonstrativen Kontrapunkt zum aktuellen „Heavy“ von Jochen Distelmeyer zu sehen, wo der eine mit Vorliebe entkernt, vereinfacht, destilliert und Tocotronic bewußt das Unentschiedene, das Verschwommene und Unscharfe dagegensetzen. Man kann sich die neuen Songs einzeln vorknöpfen, kann Worte hervorgraben wie „Folter“, „Terror“, „Sterben“ und „Blut“ und daraus fleißig furchterregende Parabeln basteln, kann einen verkappten Schlachtruf wie „SDS“ zum politischen Statement, zur Stellungnahme, zur Parteilichkeit umdeuten. Sinnieren, unken – das alles kann man machen, mit dem Kopf. Die Gefahr allerdings besteht, dass man sich dabei mächtig lächerlich macht. Denn das einzig sichere, was man von Tocotronic bekommen kann, ist die Assoziation. Und die wird sich, so schade das für die Verständlichmacher unter uns ist, immer nur für einen selbst auflösen. Dann lieber mit dem Bauch: Worte sind Melodien, sie folgen – erklärtes Ziel der Band – immer dem Klang, der Form, dem Sound. „In mir brennt das Feuer, kalt modern und teuer, in mir strahlt das ewige Licht, doch dahinter gibt es nichts, außer mir.“ (Gesang des Tyrannen) Wer das so stehen lassen kann, ohne nach Subtexten zu forschen, wird von diesem Album deutlich mehr haben. Ohnehin ist die Musik greifbarer, geradliniger, sie orientiert sich wieder an der Reproduzierbarkeit auf der Konzertbühne: hart, druckvoll, manchmal brachial, seltener verhalten und leise. Der Beginn und das Ende gleichermaßen eine Feier des Feedbacks, Sonic Youth und Neil Young zu gleichen Teilen – stürmisch, unmittelbar. Wer Manifeste braucht, der nimmt sich „Im Zweifel für den Zweifel“ und lernt es auswendig. Wer mehr will, ergibt sich dem Schall und dem Wahn, macht laut und taucht ein – ein Hohelied der Lust. Meisterhaft!
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