Samstag, 27. September 2014

Element Of Crime: Wie es uns gefällt

Element Of Crime
„Lieblingsfarben und Tiere“

(Vertigo)

Am Ende bleibt natürlich wieder die Frage: Wie konnte man nur so lange ohne? Also ohne den lakonischen Knurrer und seine fabelhafte Rockkapelle. Obwohl, ganz so ohne war man ja nicht, daheim im Regal finden sie sich schließlich alle – die englischsprachigen Frühwerke und das, was das hiesige Feuilleton danach als neue deutsche Romantik festmachte, die grüngefärbten Gestalten an der Hausecke Mitte der Achtziger also, Schaukelpferd, Wohnwagen, Anzug, Pony, Eule, Haltestelle später – sie standen ja immer parat, wenn mal Not am Mann war und Bedarf bestand nach Sauflied, Seelentrost und einer Runde wohl dosierten Selbstmitleids. Aber es gab eben auch fünf Jahre Schöpfungspause, das etwas unrunde Coveralbum außen vor gelassen, kein Nachschub, wo doch ebenjene Not und ebenjener Bedarf nicht kleiner geworden waren.

Eine euphorische Begrüßung fällt trotzdem aus, es würde irgendwie nicht passen. Stattdessen: Aufatmen – es hat sich wenig bis nichts geändert und nicht selten kommt einem der Gedanke, dass die vier da auf dem Cover mit dieser Musik problemlos alt werden könnten und man selbst mit ihnen ebenso. Die vertrauten Melodien, Regeners schneidend-störrischer Gesang, die Worte und Sätze, die sich sofort deckungsgleich in die eigenen Lebensmuster zu fügen scheinen, all das ist wieder da und man wollte es auch nicht anders haben. Wird es dunkler? Vielleicht. Gibt es Hoffnung? Aber sicher. Der trotzige Gruß an die Herbstdepression mit dem passendem Fassbinder-Zitat („Liebe ist kälter als der Tod“), der paralysierte Blick auf „schwarze Taxis an den Ecken“ und die spärliche Freude am eigenen Überleben – Regener kennt mehr Trost als das.

Noch immer freut er sich an den kleinen und den profanen Dingen des Daseins, lacht Ängste weg, wenn sie sich im Alkohol nicht ertränken lassen. „Hauptsache Liebe, Hauptsache du…“ heißt es in „Rette mich (vor mir selbst“) und damit ist fast schon alles gesagt. Der winzig kleine Neid auf die Schlagfertigkeit des anderen ist kein böser, sondern ein milde schmunzelnder („Schad, dass ich das nicht war“), der Titelsong empfiehlt einmal mehr den bewussten Schritt zurück und einen herzlichen Abschiedsgruß an eine Welt, die rennt und einen nicht mitnehmen will – Verweigerung ist eben auch eine Alternative. Mancher Gedanke erinnert gar an die buddhistischen Rätsel, sogenannte Koans, deren Lösung dem Suchenden die endgültige Erleuchtung bringen soll. So das Bild vom Wasser, das den Felsblock umspült, Umwege gehen muss, sich beugt, sich krumm macht. Der Fels freut sich seiner Standhaftigkeit, seiner Unverrückbarkeit und merkt dabei gar nicht, dass der immerwährende Strom seine Substanz aushölt und ihn nach und nach zerstört.

Es finden sich auf dem Album eine Vielzahl solcher Denkanstöße, manche nimmt man nicht beim ersten Durchlauf wahr, sie erschließen sich erst nach und nach und bleiben dafür länger. Wie immer förderlich dabei der Sound der Band, bedächtig und sanft, wo der Text es braucht, fordernd und schwungvoll, wenn es gilt, einen rauszuhauen. Über die letzten Jahre und Besetzungen kaum verändert: Fridrichs Gitarrenspiel, dass sich bei „Schade dass…“ zu einer feinen J-Mascis-Reminiszenz hinreißen lässt und „Dunkle Wolken“ mit trockenem Blues antreibt, die Trompetenklänge, das Saxophon als seltener Gast, es schunkelt, schaukelt und taumelt wie ehedem und streichelt nebenher das Gemüt. Noch mehr schrullig-schöne Lieder für den Notfallfundus also, angesungen gegen eine Zeit, die einem keine Zeit mehr lässt. „Nichts ist auch so kalt wie der heiße Scheiß von gestern, doch Wiederholungen sind besser als du denkst…“ – schön, dass Element Of Crime genau darauf beharren. http://www.element-of-crime.de/

20.02.  Erlangen, Heinrich-Lades-Halle
24.02.  Stuttgart, Theaterhaus
25.02.  Stuttgart, Theaterhaus
26.02.  München, Zenith
27.02.  Dresden, Alter Schlachthof
28.02.  Leipzig, Haus Auensee
02.03.  Frankfurt, Jahrhunderthalle
03.03.  Köln, Palladium
04.03.  Bochum, Jahrhunderthalle
05.03.  Hannover, Swiss Life Hall
07.03.  Bremen, Pier 2
08.03.  Hamburg, Alsterdorfer Sporthalle
17.03.  Berlin, Tempodrom
18.03.  Berlin, Tempodrom

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