Silly „Alles Rot“ (Universal)
Ich gebe zu, mir sind Silly recht bald nach der viel umjubelten „Wende“ abhanden gekommen, wühlten sich doch meine Hände, Augen und Ohren durch den neu gewonnenen Überfluß. Hinzu kam eine unbedingte Abneigung gegen alles, was auch nur ganz entfernt den Ruch verklärender Ostalgie verströmen konnte – kurz: So wie Silly in meiner ostdeutschen Jugend meine Musik zu meiner Zeit waren, so sehr waren sie es danach eben nicht mehr. Dabei hatte ich mir sehr wohl auch selbst solche verklärenden Momente zur Seite gelegt – nach einem Konzert im heimischen Kreiskulturhaus rannte ich nervös und aufgeregt in den Backstagebereich, um mir von Tamara Danz mit dem Edding ein Autogramm auf den Unterarm schreiben zu lassen. Selbstredend wurde der Arm eine Woche nicht mehr gewaschen. Solche Erinnerungen und natürlich viele liebgewonnene Zeilen und Melodien von damals konserviert (So’ne kleine Frau, Liebeswalzer, Bataillon D’Amour,...), trotzdem Tamaras frühen und tragischen Tod nur noch wie aus weiter Ferne vernommen – und nun steht da die alte Band mit neuer Frau, nach zehn Jahren für viele, nach fast fünfundzwanzig für mich, und ihre neue Platte fragt mich: Funktioniert das und funktioniert das für dich?
Zu behaupten, Silly hätte nichts Besseres als Anna Loos passieren können, bekommt natürlich sehr schnell einen makaberen Beigeschmack. Nach all der langen Zeit des Abwägens und des Zögerns aber war das wohl der Königsweg. Loos nimmt die Band mit ihrer Unbefangenheit, mit ihrer sehr wachen, offenen Art und natürlich auch mit ihrer Prominenz zweifellos heraus aus der Klischeefalle, mit ihr haben sie trotz ähnlicher geschichtlicher Prägung die Chance, auf ihre alten Tage noch ein gesamtdeutsches Kapitel zu schreiben. Es ist gut zu hören, dass Anna Loos weder versucht, ihre stimmliche Ähnlichkeit zu Tamara Danz zu kaschieren noch sie hervorzuheben, sie singt ebenso kraftvoll und sicher, gleichwohl fehlen die rauchige Brüchigkeit, das Verruchte und Lebenssatte im Timbre – doch stören tut das nicht, es sind jetzt ihre Lieder. Ein zweiter erfreulicher Umstand ist die Tatsache, dass Silly zwar ohne Tamara Danz können, aber nicht ohne Werner Karma und dass gerade er wieder gewonnen werden konnte – so bleibt ein gesunder Bezug zur Vergangenheit gewahrt und gibt dem Album ein verlässliches Gerüst.
Dabei gelingt ihm beileibe nicht jeder Text mit der gleichen Güte und auch die Band geht für meine Begriffe auf „Alles Rot“ durch Höhen und Tiefen – das ist sie jetzt natürlich, die ganz subjektive Wertung. Denn generell vermag ich die Frage nach dem Gelingen zwar mit „ja“ zu beantworten, für mich persönlich geht das aber nur bedingt auf. Die meines Erachtens großen Lieder haben Silly in die erste Hälfte des Albums gestellt, „Alles Rot“, „Ich sag nicht Ja“ und „Nackter als Du“ gelingen mit sattem, vollem Klang und hintersinnigen Texten, auch wenn mir die Coldplay-Anleihe bei letzterem fast schon zu dick aufgetragen ist. Auch „Flieger“, „Findelkinder“ und „Erinnert“ müssen den Vergleich mit Gegenwärtigem nicht scheuen und behalten ihre eigene, unverwechselbare Note. Womit ich so meine Probleme habe ist die etwas eindimensionale Ausrichtung des Sounds. Zu oft werden mir die Regler auf Anschlag gedreht, zu sehr scheint mir der elektronisch veredelte Breitwandrock von Depeche Mode als moderne Blaupause gegolten zu haben. Dass Silly nie eine Band von fragiler Zartheit war, weder im Text noch in der Musik, damit kann ich leben – sie waren eben nie leicht zu haben. Aber die leisen, die besonnenen Töne, früher oft riskiert, haben es nicht leicht auf diesem Album. Bis zum zehnten Song (Warum ich) muß warten, wer hier etwas vermißt und auch dann wird am Ende noch das Orchester zugeschaltet. „Mein Kapitän“ ist mir zu breitbeinig, zu deutschrockig geraten, bei „Noch“ scheinen mir die Betroffenheitsmetaphern mit dem Holzhammer zusammengenagelt und „Ich verlasse mich“ („... die Wörter geben es in Deutsch nicht her...“) ist für mich leider nur schwülstige Beischlaflyrik ohne Charme und das gewohnte Augenzwinkern.
Die traurig sehnsüchtigen und zugleich hoffnungsvollen „Sonnenblumen“ zum Schluß versöhnen wieder, zeigen, dass sich hier in und mit der Erinnerung etwas gefunden hat, was vielleicht, was hoffentlich noch länger Bestand haben wird. Für manchen als Trost aus der alten Zeit, als Alternative und möglicherweise als Beleg dafür, dass der gewagte Neuanfang trotz aller Tücken und Stolpersteine trotzdem ein gelungener werden kann.
http://www.sillyhome.de/allesrot/allesrot.html
Ich gebe zu, mir sind Silly recht bald nach der viel umjubelten „Wende“ abhanden gekommen, wühlten sich doch meine Hände, Augen und Ohren durch den neu gewonnenen Überfluß. Hinzu kam eine unbedingte Abneigung gegen alles, was auch nur ganz entfernt den Ruch verklärender Ostalgie verströmen konnte – kurz: So wie Silly in meiner ostdeutschen Jugend meine Musik zu meiner Zeit waren, so sehr waren sie es danach eben nicht mehr. Dabei hatte ich mir sehr wohl auch selbst solche verklärenden Momente zur Seite gelegt – nach einem Konzert im heimischen Kreiskulturhaus rannte ich nervös und aufgeregt in den Backstagebereich, um mir von Tamara Danz mit dem Edding ein Autogramm auf den Unterarm schreiben zu lassen. Selbstredend wurde der Arm eine Woche nicht mehr gewaschen. Solche Erinnerungen und natürlich viele liebgewonnene Zeilen und Melodien von damals konserviert (So’ne kleine Frau, Liebeswalzer, Bataillon D’Amour,...), trotzdem Tamaras frühen und tragischen Tod nur noch wie aus weiter Ferne vernommen – und nun steht da die alte Band mit neuer Frau, nach zehn Jahren für viele, nach fast fünfundzwanzig für mich, und ihre neue Platte fragt mich: Funktioniert das und funktioniert das für dich?
Zu behaupten, Silly hätte nichts Besseres als Anna Loos passieren können, bekommt natürlich sehr schnell einen makaberen Beigeschmack. Nach all der langen Zeit des Abwägens und des Zögerns aber war das wohl der Königsweg. Loos nimmt die Band mit ihrer Unbefangenheit, mit ihrer sehr wachen, offenen Art und natürlich auch mit ihrer Prominenz zweifellos heraus aus der Klischeefalle, mit ihr haben sie trotz ähnlicher geschichtlicher Prägung die Chance, auf ihre alten Tage noch ein gesamtdeutsches Kapitel zu schreiben. Es ist gut zu hören, dass Anna Loos weder versucht, ihre stimmliche Ähnlichkeit zu Tamara Danz zu kaschieren noch sie hervorzuheben, sie singt ebenso kraftvoll und sicher, gleichwohl fehlen die rauchige Brüchigkeit, das Verruchte und Lebenssatte im Timbre – doch stören tut das nicht, es sind jetzt ihre Lieder. Ein zweiter erfreulicher Umstand ist die Tatsache, dass Silly zwar ohne Tamara Danz können, aber nicht ohne Werner Karma und dass gerade er wieder gewonnen werden konnte – so bleibt ein gesunder Bezug zur Vergangenheit gewahrt und gibt dem Album ein verlässliches Gerüst.
Dabei gelingt ihm beileibe nicht jeder Text mit der gleichen Güte und auch die Band geht für meine Begriffe auf „Alles Rot“ durch Höhen und Tiefen – das ist sie jetzt natürlich, die ganz subjektive Wertung. Denn generell vermag ich die Frage nach dem Gelingen zwar mit „ja“ zu beantworten, für mich persönlich geht das aber nur bedingt auf. Die meines Erachtens großen Lieder haben Silly in die erste Hälfte des Albums gestellt, „Alles Rot“, „Ich sag nicht Ja“ und „Nackter als Du“ gelingen mit sattem, vollem Klang und hintersinnigen Texten, auch wenn mir die Coldplay-Anleihe bei letzterem fast schon zu dick aufgetragen ist. Auch „Flieger“, „Findelkinder“ und „Erinnert“ müssen den Vergleich mit Gegenwärtigem nicht scheuen und behalten ihre eigene, unverwechselbare Note. Womit ich so meine Probleme habe ist die etwas eindimensionale Ausrichtung des Sounds. Zu oft werden mir die Regler auf Anschlag gedreht, zu sehr scheint mir der elektronisch veredelte Breitwandrock von Depeche Mode als moderne Blaupause gegolten zu haben. Dass Silly nie eine Band von fragiler Zartheit war, weder im Text noch in der Musik, damit kann ich leben – sie waren eben nie leicht zu haben. Aber die leisen, die besonnenen Töne, früher oft riskiert, haben es nicht leicht auf diesem Album. Bis zum zehnten Song (Warum ich) muß warten, wer hier etwas vermißt und auch dann wird am Ende noch das Orchester zugeschaltet. „Mein Kapitän“ ist mir zu breitbeinig, zu deutschrockig geraten, bei „Noch“ scheinen mir die Betroffenheitsmetaphern mit dem Holzhammer zusammengenagelt und „Ich verlasse mich“ („... die Wörter geben es in Deutsch nicht her...“) ist für mich leider nur schwülstige Beischlaflyrik ohne Charme und das gewohnte Augenzwinkern.
Die traurig sehnsüchtigen und zugleich hoffnungsvollen „Sonnenblumen“ zum Schluß versöhnen wieder, zeigen, dass sich hier in und mit der Erinnerung etwas gefunden hat, was vielleicht, was hoffentlich noch länger Bestand haben wird. Für manchen als Trost aus der alten Zeit, als Alternative und möglicherweise als Beleg dafür, dass der gewagte Neuanfang trotz aller Tücken und Stolpersteine trotzdem ein gelungener werden kann.
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