Donnerstag, 22. April 2010

Gelesen_5



T.C. Boyle „Das wilde Kind“ (Hanser)
Dieses Buch hat mir wieder einmal bewiesen, dass man auch auf sehr unterschiedlichen Wegen zum selben Ziel gelangen kann. Denn früher, meint vor ungefähr zehn Jahren, wäre mir ein neuer Titel von T.C. Boyle nicht einfach nur zufällig in die Hände gefallen. Zu diesem Zeitpunkt hatte jeder neue Roman schon in ungelesenem Zustand den Stellenwert einer Bibel, gehörten Sachen wie „Grün ist die Hoffnung“, „Wassermusik“, „World’s End“ und „América“ zur Kategorie Bücher, deren Namen ohne Überlegen der Frage „Du mußt allein auf eine Insel. Was nimmst Du ...?“ folgten. Früher. Denn irgendwann war ein rätselhafter Sättigungsgrad erreicht, den ich mir selbst schlecht erklären konnte, „Ein Freund der Erde“ wurde noch pflichtgemäß, aber mit viel Mühe beendet, danach aber habe ich den zauseligen Amerikaner irgendwie aus den Augen verloren, hat mich eine Neuankündigung, so ich sie mitbekam, nicht mehr gereizt.
Vor ein paar Tagen nun habe ich mir dieses Buch gegriffen, weil ich das Cover umwerfend fand und mich der Titel – vielleicht geht das manch anderem jungen Vater auch so – auf eine fast rührende Art angesprochen hat. Neugier also und dann die Feststellung, doch wieder bei Boyle gelandet zu sein.
Der Klappentext verrät, dass Boyle den Erzählstrang dieses Buches ursprünglich für „Talk Talk“ verwenden wollte, sich dann aber anders entschied – gut so, ich hätte ein lesenswertes Buch verpaßt. Denn die Lektüre war, wenn man das anhand des eher traurigen Themas überhaupt sagen darf, sehr erfreulich. Boyle schafft es, mit seiner sprachlichen Kunstfertigkeit eine sehr beklemmende, der damaligen Zeit entsprechende Grundstimmung zu erzeugen, zieht den Leser zudem mühelos in den Plot und entläßt ihn am Ende ähnlich bedrückt und ratlos wie einen Großteil der handelnden Personen. Dass die Umerziehungsmaßnahmen dieses ausgestoßenen Kindes schlußendlich zwangsläufig scheitern müssen, wird in Kenntnis der beschränkten Mittel früherer Zeiten und der gesellschaftlichen Schranken und Zwänge überdeutlich und schnell klar. Insofern kann das Buch durchaus auch als erwachsener Gegenentwurf zum Dschungelbuch und der doch sehr kindlich-naiven Sichtweise auf das Schicksal von Mowgli herhalten, wenn auch dieser Vergleich – zugegeben – arg weit ausholt.
Boyle jedenfalls, das zumindest für mich die wichtigste Nachricht, hat mich wieder und ich werde wohl zukünftig wieder etwas genauer in den Verlagsankündigungen stöbern müssen.
http://de.wikipedia.org/wiki/T._C._Boyle

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