Montag, 28. Februar 2011

Gehört_246



Jessica Lea Mayfield „Tell Me“ (Nonesuch)
Der Argwohn, der all jene, die keine profunde Detailkenntnis zur Person Jessica Lea Mayfield vorweisen können, beim Anblick des Covers beschleicht, ist leider nicht ganz von der Hand zu weisen. Da steht dann blondiertes, rundgesichtiges Püppchen, dessen Imageberater bei der Frisurenfrage definitiv daneben gegriffen hat, das nicht weiß, wohin mit seinen Händen und einen überhaupt ganz schrecklich dauert, so dass man kurz versucht ist, das nächste Frauenhaus zu kontaktieren. Nach den ersten Takten ihrer aktuellen CD merkt man allerdings, dass man sich hier grob hat täuschen lassen, denn von dem, was man in südlichen Gebieten gemeinhin als „Hascherl“ bezeichnet, hat diese Frau so wenig wie Lothar Matthäus ein gebrauchsfähiges Hirn.

Schon im ersten Song, der sich wie einige andere auf „Tell Me“ durchaus um einen Platz auf dem nächsten Tarantino-Soundtrack bewerben könnte, macht sich ein wunderbar dreckiges Gitarrenriff großmäulig Platz und man weiß sofort, dass der Anteil des etatmäßigen Produzenten Dan Auerbach von den Grammy-Gewinnern The Black Keys kein kleiner und kein schlechter sein kann. Auch bei den folgenden Stücken versorgt Auerbach den Sound von Mayfield mit sattem Klang und Volumen und so wird aus dem Album kein leises und verhuschtes Folkstückchen, sondern eine sehr selbstbewußte und feine Mischung aus Blues, entspanntem Songwriterpop und alternativem Country.

Dabei ist sie sich nicht zu schade für den einen oder anderen Überraschungsmoment: einen leicht beschiggerten Uuhh-lalala-Chorus bei „Blue Skies Again“, das lässige, fast kindliche „Grown Man“, hingezaubert mit Casiotone und Drumpadgeplucker („I can feel you watching me and I'd give most anything to know as you're sitting there with your legs crossed and no clothes on what you are thinking of...“) – manchmal wirkt sie wie Sparingspartnerin von Oberentspanner Jack Johnson („Our Hearts Are Wrong“), dann wieder wie die Zwillingsschwester von Darling Adele („Sleepless“).

Ob sie schon, wie zu lesen war, das Format von Hope Sandoval, Frontfrau der kultisch verehrten Mazzy Star, hat sei dahingestellt, fest steht, dass sie die Klaviatur des Moll recht virtuos zu spielen vermag, dass sie ebenso gern mit dem naiven, zarten Erscheinungs- und Stimmungsbild koketiert. Wenn sie jedoch im herzzerreißenden „Run Myself Into The Ground“ darauf besteht: „I ain’t gonna change for nobody at all …”, dann nimmt man ihr das besser ab. Solche Zeilen zu dem eingangs erwähnten Coverfoto, wer das so schadlos wie sie hinbekommt, der hat nicht nur eine bewundernswerte Portion Humor, sondern auch ausreichend Selbstvertrauen für den weiteren Weg eingepackt.
http://www.jessicaleamayfield.com/

Wohnen noch sie ... ?



Ein heißer Dank zum Wochenbeginn geht an die Agentur des Möbelbastlers ROLF BENZ, die sich nun wahrlich um die Qualität der deutschen Sprache verdient gemacht hat - Slogan: "Denken sie über ein Sofa nach? Oder verlieben sie sich in es?" Da fallen mir gleich die Worte meines Neffen (4 Jahre +) ein, der meine Tochter mit den Worten "Sag' uns es!" zur zügigen Auskunft drängte. Texter müßte man sein ...

Freitag, 25. Februar 2011

Gefunden_89



Joy Division "She's Lost Control" vs. Spoek Mathambo/Pieter Hugo "Control" - sehenswert: Hier.

Liebe BILD ... Deine Judith



Frau Judith schreibt einen Brief, denn sie ist offenkundig sehr sauer. Auf Jung von Matt, auf die BILD, auf Alice Schwarzer, und, und, und - und weil es ein offener Brief ist, können wir ihn auch lesen. Hier.

Gehört_245



Beth Ditto „EP“ (Deconstruction)
Wohin die musikalische Reise bei Beth Ditto geht, ließ sich ansatzweise schon bei der letzten gemeinsamen Produktion mit ihrer Hausband The Gossip erahnen, schon auf „Music For Men“ wurden für manchen Song die vormals favorisierten Gitarren in die Ecke gestellt und dem synthetischen Beat gehuldigt. Schlecht klang das keineswegs, warum also, wird sich die Teilzeitmuse von Zopfträger Lagerfeld gedacht haben, nicht noch eine Ehrenrunde drehen, wenn’s denn so viel Spaß macht. Das Duo von Simian Mobile Disco ließ sich von der Idee ebenfalls begeistern – fertig war die 12“.

Die Glitzerkugel haben die drei nun zwar nicht neu erfunden, trotzdem ist ihnen eine kleine, feine Abwechslung zum gewohnten Gossip-Sound, den man nun mal mit Dittos Präsenz verbindet, gelungen. „I Wrote The Book“ kann man getrost einigen autobiografischen Bezug attestieren („The runaround will wear you out, you break it off, I'll break you down, the world is full of good intentions, paradise is full of lies, tell you they love you but fail to mention, who they were with again last night ...“), auch „Good Night Good Morning“ federt locker unterm Stroboskop. Disko der späten 80er und frühen 90er ist das Stichwort, bei „One Heart Surgery“ stand natürlich Adamskis „Killer“ Pate, mit dem geschmeidigen „Do You Need Someone“ ist der beste Song am Schluß gelandet. Mehr als ein Pausenfüller.

AATJ will do it too ...



Was genau will uns dieses Bild sagen?

A. Visuelle Umschreibung der Redewendung "im Trüben fischen" zur aktuellen Plagiatsaffäre im Fall KT zu Guttenberg;
B. Jörg Kachelmann weiht zum ersten Male seit längerer Zeit eine Wetterstation am Grächener Seeli, Kanton Wallis in der Schweiz ein;
C. Seelchen Antony Hegarty veröffentlicht eine neue Platte.

Lösung: C, Antony And The Johnsons veröffentlichen am 26. April ihre EP "Swanlights",
die neben dem aktuellen und bekannten Titelstück zwei bisher unbekannte Songs und einen
Remix von Oneohtrix Point Never (OPN) enthält - letzterer könnte im Hinblick auf ihre
bisherige Zusammenarbeit recht interessant werden.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Gehört_244



Lykke Li „Wounded Rhymes“ (Warner)
Mit Zitaten und Querverweisen, das zeigen die letzten Wochen, heißt es sehr, sehr sorgsam umzugehen (na gut, billiger Witz), aber an jenem Text aus dem Onlinefundus Wikipedia bin ich einfach nicht vorbeigekommen: „Für mich war es immer klar, dass ich später etwas mit Kunst machen möchte. Das Leben ist eben ein Mysterium, dem man am ehesten mit Kunst nahe kommt. Als ich dies erkannte, war es für mich offensichtlich, wie meine Bestimmung aussieht. Ich habe überlegt, ob es Mode oder Malerei sein könnte, bis ich mich für die Musik als Ausdrucksform entschied“, so die schwedische Sängerin Lykke Li 2008 auf musik-base.de.

Soweit, so zauberhaft. Nun mag es etwas unfair sein, diese Worte in Zusammenhang mit dem neuen Album aus der Kiste zu holen, andererseits kann es helfen, die Fallhöhe darzustellen, die ihr droht, wenn man sie weiterhin bei eben diesen Worten nimmt. Denn wenn „Wounded Rhymes“ etwas nicht ist, dann ist es das: Kunst. Eher vielleicht, in Anlehung an ein Sprichwort, Wunst. Oder einfach ein ziemlich gewöhnliches, in Teilen eher mäßiges Popalbum. Das ist bei all dem Geschrei, was um die hübsche Songwriterin seit Wochen gemacht wird, noch dazu nach dem in der Tat überraschenden, weil feingliedrigeren Debüt „Youth Novels“, sicher ernüchternd. Aber trotz aller gut gemeinten elektronischen Verzierungen, trotz all der schön inszenierten monochromen Porträtfotos bleibt der Gesamteindruck doch seltsam unbefriedigend.

Wenig zu spüren von dem Reiz, der zum Beispiel eine Karin Dreijer Andersson alias Fever Ray umgibt, stattdessen eine ganze Reihe kaum überzeugender Songs: „Youth Knows No Pain“ böllert gleich gewaltig und leider auch recht mittelmäßig los, „Love Out Of Lust“ bleibt spannungsarm und beim enervierenden Shanty „Unrequited Love“ tut man sich selbst schon ein wenig leid. Bei „Rich Kids Blues“ stimmt wenigstens die Dröhnung – satter Bassrock im Stile einer Melissa auf der Maur. Das nachfolgende „Sadness Is A Blessing“ („Sadness is a blessing, sadness is a pearl, sadness is my boyfriend, oh, sadness I'm your girl ...“) ist so platt geraten, dass wahres Mitgefühl zwangsläufig außen vor bleiben muss.

Soll aber keiner sagen, es gäbe keine Lichtblicke – „I Follow Rivers“ gefällt nicht nur durch das verquere, an den unmöglichsten Stellen eingestreute metallische Geklimper, auch die beiden ruhigeren Stücke „I Know Places“ und „Silent My Song“ sind gelungen. Deutlich auf der Haben-Seite natürlich die Stampede „Get Some“ – da muss man unserem Lieblingsscientologen Beck schon das Kompliment machen, dass er sich von allen Songs den erfolgversprechendsten für seine Überarbeitung vorgenommen hat, griffiger Refrain („Like a shotgun needs an outcome, I’m your prostitute you gon‘ get some“), sichere Nummer. Schmollmund hin oder her, gemessen an den Vorschusslorbeeren dann aber doch zu wenig.
http://www.lykkeli.com/

TVOTR will do ...



Am 12. April wird das neue Album von TV On The Radio "Nine Types Of Light" erscheinen, vorösterliche Freude ist also garantiert. Wer nicht warten mag, für den gibt's eine erste Kostprobe legal im Netz: "Will Do".

Mittwoch, 23. Februar 2011

Gehört_243



Discodeine „Discodeine“ (Dirty)
Das hat man nun davon, wenn man sich stündlich jede Menge brandheißen Datenmüll ins Hirn schaufelt - die wirklich bemerkenswerten Momente können da leicht mal hintenüberfallen. So beinahe geschehen mit dem etwas gespenstischen Video der französischen Rhythmusgruppe Discodeine, die sich vor einiger Zeit mit dem reichlich zugewachsenen Jarvis Cocker zusammengetan haben, um ihren Song „Synchronize“ in Szene zu setzen. Cockers Job war allerdings ein vergleichsweise einfacher, mußte er doch neben dem üblich schluffigen Gesang nur Zigaretten und Alkohol in beherrschbarer Menge beisteuern, das Pärchen im Nebenzimmer hatte da den eindeutig härteren Job zu verrichten.

Benjamin Morando (Pentile) und Cédric Marszewski (Pilooski), seit knapp vier Jahren unter dem Pseudonym Discodeine nicht nur in Frankreich eine größere Nummer und auch für Whomadewho, Metronomy oder Yelle schon an den Reglern, charakterisieren ihren Stil auf der bandeigenen Website charmanterweise mit den Worten „is about ... krautdisco, mascarpone and chianti“. Naja, Franzosen halt. Einfacher ausgedrückt liefert das selbstbetitelte Album ordentliche Clubmucke, House in allen Schattierungen, druckvoll, bratzig, manchmal etwas ermüdend, aber auch mal überraschend verspielt. Die poppige Kollaboration mit Cocker darf hier eher als Ausnahme betrachtet werden, der große Rest verläßt sich weniger auf vokale denn auf perkussive Arrangements. Und auch wenn der Einstieg noch wie verschwitzte 80er-Disko daherkommt, auch wenn der Abschluß als ausuferndes, fast sakrales Synthetikmonster neben der üblichen Spur läuft – es bleibt Musik, die wohl in einer beschallten Großraumgruft besser zur Geltung kommt als vor der heimischen Anlage. Insofern: für Liebhaber.
http://www.d-i-r-t-y.com/

Dienstag, 22. Februar 2011

scientia / fauna / fabula


"Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten berufen."
Angela Merkel, 22. Februar 2011

"Eine oberfränkische Wettertanne hauen solche Stürme nicht um."
Karl-Theodor zu Guttenberg, 22. Februar 2011

"Ein Minister stürzt nur, wenn es die eigene Partei will."
Horst Seehofer, 22. Februar 2011

Gehört_242



Radiohead „The King Of Limbs“ (Sandbag)
Bei Versuch, wissbegierigen Dritten die eigene Passion für Radiohead zu erklären, wird das Gespräch in der Regel erstmals ins Stocken geraten, wenn man sich erfolglos müht, für ihren Stil eine halbwegs schlüssige Beschreibung zu finden. Und auch wenn ihnen auf dem großen Tableau der Geschichte der populären Musik, untermauert durch das ehrfürchtige Lob der Kollegen, anerkanntermaßen eine eigene Kategorie zustünde, greifen die handelsüblichen Muster hier nicht. Von klassischem Indierock haben sie sich, spätestens mit ihrem Jahrhundertwerk „OK Computer“, endgültig verabschiedet, Tanzmusik wollte es niemand ernsthaft nennen, und das Etikett „Elektronisch verstärkter Klagegesang“ trifft auch nur auf wenige Titel des beachtlichen Katalogs zu.

Martin Stempfhuber meinte in einer ungewohnt verbraucherfreundlichen Rezension in der Süddeutschen, Radiohead lieferten die „idealtypische Hintergrundmusik einer komplexen Internetgesellschaft“, das mag zwar etwas emotionslos klingen für eine Band, die ihre Anhängerschaft vor allem mit berührendem Habitus an sich zu binden weiß, trifft aber im Kern fraglos zu. Erstaunlich in diesem Zusammenhang auch, das Radiohead über Jahre Elogen und Lobeshymnen für ein Werk einfahren, welches sich mit der Zeit von klassischen Strukturen eines Popsongs komplett gelöst hat und größtenteils skizzenhafte, fragmentarische Arbeiten aufweist, versehen mit einer ganz und gar seltsamen und ungewöhnlichen Dramaturgie.

Auch die neue Platte macht da keine Ausnahme, die acht Stücke stammen allesamt aus dem von Thom Yorke oft beackerten Graubereich zwischen künstlich-künstlerischem Gefrickel, symphonischen Bruchstücken und akkustischer Reduktion. Und weil Radiohead nicht der Kaste der Erwartungserfüller angehören, starten sie „The King Of Limbs“ mit einem wuselig ausgefransten „Bloom“ – jede andere A&R-Abteilung als die eigene hätte wahrscheinlich schon jetzt entmutigt die Hände zum Himmel geworfen. Auch „Feral“ und „Little By Little“ gehen diesen Weg, der allgegenwärtige Dubstep läßt die Drumpads pochen und allerlei melodische Versatzstücke und verfremdete Sprachfetzen fliegen einem um die Ohren.

Die schier unfaßbare Erhabenheit, so hochtrabend darf man das schon mal benennen – das Radiohead-Ding also, bekannt von Stücken wie „Pyramid Song“, „Everything Is In The Right Place“ oder „Exit Music“ – dieses wohlige Schaudern gelingt ihnen dann bei „Codex“ und „Give Up The Ghost“, zwei Balladen mit überwiegend analoger Grundierung und weniger Zierrat. „Lotus Flower“, als erste offizielle Auskopplung ja schon etwas eher auch in visualisierter Form zu bestaunen (Yorke als fiebrig tanzende Mischung aus Edward Scissorhands und Karl Dall), ist wahrscheinlich der konventionellste Song der Platte und gleichwohl ein sehr guter. Es folgt noch „Morning Mr. Magpie“ mit sexy Gitarrenpicking und einer beachtlichen Portion Funkyness und das Schlußstück „Seperator“ als Reprise des bisher gehörten.

Das Distributionsmodell ist ja nach dem umstrittenen „Zahl doch was Du willst!“ vom Vorgänger „In Rainbows“ wieder auf feste Bezugsgrößen hin angepaßt worden, nach dem zweifelhaften Erfolg der Aktion und der nach wie vor grassierenden Mitnahmementalität im Netz sicher eine weise Entscheidung. Wenn man nicht gerade die selbstkompostierende Ökoedition wählt, bekommt man für gut 10 Euro am Ende zwar keine überragende, so doch eine typische und gelungene Radiohead-Platte. Ketzerisch gesprochen also eine gute Geldanlage ...
http://www.radiohead.com/

Freitag, 18. Februar 2011

Gehört_241



Martial Canterel „You Today“ (Weird Records)
Besonders findige und leidenschaftliche Fans von Depeche Mode versuchen dieser Tage via Flashmob deren erste Single „Dreaming Of Me“ vom Debütalbum „Speak & Spell“ mittels Downloadkauf auf Platz 1 der Singlecharts zu pushen – quasi als Geburtstagsegschenk zum 30jährigen Jubiläum. Schaut man sich im Forum der Band um, dann sind die Meinungen zu dieser Aktion durchaus zwiegespalten, verkürzt wiedergegeben: Nette Idee, schon klar – aber nicht dieser Song, nicht diese Zeit.

An diese möchte nämlich keiner der Hardcoreanhänger wirklich erinnert werden, sahen ihre Idole doch damals eher aus wie alberne Kleiderständer mit peinlicher Föhnwelle, dem Stimmbruch gerade entwachsen – man hat es jetzt gern männlicher, möchte ernstgenommen werden. Der Sound, und das vergißt manch einer schnell, war allerdings damals alles andere als albern – was die Jungs aus der englischen Provinz damals ihren Synthesizern entlockten, war für die elektronische Musik ebenso wegweisend wie Kraftwerk oder Throbbing Gristle, mag die Darbietung auch etwas befremdlich und unbeholfen ausgesehen haben.

Klangen seine ersten Alben deutlich dunkler und eher nach Vorbildern wie Fad Gadget, schreit auf der neuen Platte von Sean McBride aka. Martial Canterel nahezu jeder Song den Namen des Quartetts aus Basildon, auch Yazoo dürften prächtig in den Kanon passen. Was früher Synthiepop hieß, wird heute unter Minimal Wave und Electro gehypt, die Parallelen sind jedoch mehr als deutlich zu hören. Das verwendete Equipment ist natürlich – Ehrensache – auch dasselbe: analoge Synthesizer, Sequenzer und Drum Machines. Mit diesen fabriziert McBride eine nervöse, flirrende Mischung aus hastigen Beats, mal kühlen, mal verträumten Melodiebögen – dass die Stimme nicht immer trägt, ist nicht so wichtig, auch ein Dave Gahan klang in seiner Jugend eher, naja – kleinlaut.

Bloßes Epigonentum mag man ihm aber trotzdem nicht vorwerfen, bedenkt man, wie beliebt der Synthiepop im Allgemeinen und diese Phase im Speziellen noch immer sind, könnte man die Platte von Martial Canterel richtiggehend mutig nennen. Zudem beweißt er bei Stücken wie „The Empty Streets“ oder „Some Days“ frühere Qualitäten und zeigt, dass er es auch experimenteller, schwergängiger hinbekommt – bei „Don’t Let Me Go“ fällt einen sogar ein leichter Schauer an. Zum Chartstürmer wird es wohl trotzdem nicht reichen, aber für hier und für jetzt ist die Platte sicher keine schlechte.
http://www.myspace.com/martialcanterel

Gefunden_88



Das neue Album von Radiohead kommt bekanntlich morgen, für hastige Vorbesteller war es sogar schon heute verfügbar, das erste Video zum Song "Lotus Flower" ist aber schon im Netz. Look here.

Mittwoch, 16. Februar 2011

History repeating (0:1)



"Wenn ich sehe, wie die Paulianer hier in unserem Stadion feiern, könnte ich kotzen."
Bastian Reinhardt, Sportchef des Hamburger SV

Gerald (m) angelsächsisch, althochdeutsch, ger (=Speer), waltan (=walten), herrschen, engl. für "rule of the spear"

3. September 1977
Lottozahlen: 3, 21, 24, 28, 29, 36, Zusatzzahl 34
Geburtstag: Nate Robertson, amerikanischer Baseballspieler
Spieltag: Hamburger SV vs. FC St. Pauli 0:2, 0:1 Gerber, 0:2 Kulka, 48.000 Zuschauer

Dienstag, 15. Februar 2011

Gehört_240



Gil Scott-Heron and Jamie XX „We’re New Here“ (XL Recordings)
Als „I’m New Here“ vor einem Jahr veröffentlicht wurde, gab es nicht wenige, die sich diebisch darüber gefreut haben, dass diese Mischung aus knarzigem Rap und schmucklosem Soul heutzutage möglich und noch dazu erfolgreich ist – ein Geniestreich, kein Zweifel. Dieser Tage allerdings muß man dann lesen, Jamie XX, Drummer der bestgestarteten Newcomerband der letzten Jahre The XX, übersetze dieses erstaunliche Alterswerk Gil Scott-Herons durch seine Remixkünste in die Neuzeit – Naserümpfen und Stirnrunzeln sind hier erlaubt, denn hatten wir uns nicht gefreut, dass Unzeitgemäßes unübersetzt erstaunliche Wirkung erzielte?

Das neu abgemischte Album wird also vermutlich nicht nur von tosendem Applaus empfangen werden, viele werden sich fragen, worin genau der Nutzen dieser Fleißarbeit bestehen mag. Zudem hätte man gern gewußt, wie der Meister wirklich zu der Kollaboration steht – hat er sie also befeuert oder nur lässig durchgewunken? Denen, die sich schon beim Original etwas mehr Fleisch auf die Knochen gewünscht hatten und sich nun sorgen, dass Jamie Smith das Wörtchen „etwas“ mißverstanden haben könnte, sei allerdings gesagt: Es ist nicht viel passiert und es hätte weitaus schlimmer kommen können.

Smith hat, ganz im Sinne seiner Hauskombo, nicht den Fehler gemacht, die Songs mit Soundtapeten und hippeligen Beats zuzukleistern, sie bleiben – mit Ausnahmen – auch weiterhin als reduzierte Arrangements bestehen und wurden nur um sparsame musikalische Texturen erweitert. Hier ein paar gestreute Sprachsamples (I’m New Here), da ein paar perlende Synthiechords (Home), für „Running“ werden die Drumloops satter gesetzt, bei „My Cloud“ schnaubt und rauscht es eher störend hinter dem brüchigen Organ. Am stringentesten wurden „NY Is Killing Me“ und „I’ll Take Care Of You“ veredelt, das eine pumpt fiebrig und für letzteres nimmt Smith sogar zu sanftem Beat und betörender Gitarre die Stimme von Scott-Heron in die Mangel.

Alles in allem eine nette, gelungene Fingerübung für den gefragten Jungspund, sicher eine Ehre und für den alten Mann ohnehin kein Kratzer im Lack. Gleichwohl kann man sich einen passenden Bonmot von Karl Bruckmaier ausborgen und konstatieren: Eine Platte, ohne die die Welt sicher nicht ärmer wäre.
http://www.werenewhere.com/

Montag, 14. Februar 2011

Gehört_239



Bright Eyes “The People’s Key” (Universal)
Zuweilen hat man ja als Rezensent das Problem, den richtigen Eintieg zu finden und muß dann – selbst oft genug praktiziert – fadenscheinige Vergleiche ziehen oder haarsträubende Geschichten zusammenklittern, über deren Wahrheitsgehalt man besser kein zweites Mal nachdenkt. Bright Eyes machen es einem da recht einfach, luden sie doch vor einiger Zeit ihre nicht gerade kleine Anhängerschaft per Videobotschaft zur fröhlichen Prelisteningparty.

Nun kann man sich vorstellen, dass es für einen eingefleischten Bright-Eyes-Fan abgesehen vom tatsächlichen Live-Erlebnis kaum etwas Erstrebenswerteres gibt, als seine Idole knappe fünfzig Minuten dabei zu beobachten, wie sie sich ihre eigene Musik anhören. Jeder, der diese unbedingte Leidenschaft jedoch nicht teilt, darf zumindest etwas schmunzeln beim Anblick der Studentenpartykulisse, in der die Jungs aus Nebraska bei Kerzenschein und – natürlich – reichlich Rotwein den Klängen ihres neuen Werkes „The People’s Key“ lauschen, während die Liedtexte wie in einer Karaokebar auf einer Leinwand hinter dem Plattenspieler (reichlich oldfashioned) aufwärtszuckeln. Obwohl, so ernst scheinen es Bright Eyes mit dem Termin offensichtlich nicht zu nehmen, dauerhaft anwesend bleibt nur Schäferhund Shatzi, der Rest der Band glänzt durch permanentes Türgeklapper und unterhält sich ungeniert während des eigenen Vortrags – von ehrfürchtiger Andacht keine Spur.

Glaubt man der Fachpresse, ist diese aber durchaus angebracht. Hat man die Platte zur Gänze gehört, weiß man zumindest, dass Conor Oberst eine recht anständige Indierockplatte gelungen ist, eine der besseren, versteht sich. Was auffällt ist der vorsichtige Humor, mit dem die Band zu Werke geht, die Band also, die einem über Jahre mit ihrem heiligen Jungmännerernst gehörig auf den Geist gehen konnte. Nicht nur, weil Oberst im angesprochenen Filmchen zu fortgeschrittener Zeit die komplette Einrichtung an der Kameralinse vorbeischwenkt, die zehn Songs sind, bis auf wenige Ausnahmen, erstaunlich lockere und entspannte Kompositionen – das beschwingte „Shell Games“ etwa oder auch „Jejune Stars“, das mit einem Monsterriff verwirrt und dann doch nur spielen will („So I go umbrella under my arm into the green of the radar, how did I get so lost?“). Bei „Haile Selassie“ ist schon der Titel ein Knaller, Oberst punktet mit entspannter Altersweisheit („I seen stranger things happen before, man“), mit „Triple Spiral“ gelingt ihnen ein veritabler Rockfetzen.

Natürlich gibt es diesen düsteren, fast biblischen Monologbrocken zu Beginn, der einen glauben läßt, man habe im Regal versehentlich Pink Floyd erwischt, natürlich gibt es die großen traurigen Momente. Wer bei Stücken wie dem anrührenden „Ladders Song“ (“No one knows where the ladder goes, you're gonna lose what you love the most, you're not alone in anything, you're not unique and dying”) keine Regung zeigt, für den sind sie schlicht nicht gemacht. Aber hier wie auch beim abschließenden (und umwerfenden) „One For You, One For Me“ gelingt den Bright Eyes eine Balance zwischen Hoch und Tief, die früher allzu oft ins Rührseelige kippte. Eine Textzeile wie „I wanna fly in your silver ship, let Jesus hang and Buddha sit” kann einen, wenn’s denn Not tut, mit allem auf diesem Album versöhnen. Paul David Hewson, eat your heart out!
http://www.thisisbrighteyes.com/

Neu: Die Bioplatte



Natürlich wird man diese Meldung nicht nur hier, sondern auf allen einschlägigen Seiten in den nächsten Tagen tausendfach vorgekaut bekommen, aber sie ist so verträglich und zugleich amüsant, dass sich die Vervielfältigung lohnt: Radiohead werden am kommenden Samstag überraschend fix ihr neues Album "The King Of Limbs" veröffentlichen und zwar neben den ordinären Download-, CD- und Vinylformaten in einer biologisch abbaubaren Version. Diese spezielle Edition soll neben den beiden 10"-Platten ein 625-seitiges Zeitungsbuch mit jeder Menge kunstvollem Brimborium enthalten, gefertigt aus einem sich selbst zersetzenden Kunststoff (OXO-Biodegradable).
Wie lange dieser Selbstzerstörungsprozeß dauert, hängt offensichtlich von der Beschaffenheit und Anzahl der Mikro-Organismen in der Umgebung ab - von hundert Jahren bis übermorgen ist da alles drin. Jedenfalls ist das Projekt aller Ehren wert, kostet je nach Version zwischen 36.00 und 39.00 Euro und - klar - olle Jack Johnson kann sich da mit seiner Solarstromkiste aber mal ganz hinten anstellen.
http://thekingoflimbs.com/

Sonntag, 13. Februar 2011

Go take a flying fuck!



"Die Etymologie von fuck konnte trotz intensiver Bemühungen bislang nicht geklärt werden. Eine weit verbreitete, volksetymologische Erklärung schlägt vor, in fuck ein Akronym zu sehen. fuck bedeutet demnach fornication under consent of the king (etwa: 'Unzucht mit Einwilligung des Königs') oder found under carnal knowledge (carnal knowledge: Geschlechtsverkehr). Das ist schon deshalb fragwürdig, weil Akronyme eine Erfindung des 20. Jahrhunderts sind. ... Neben der enormen Ausdruckskraft des Wortes ist die einzigartige Formenvielfalt hervorzuheben. Es gibt in der englischen Sprache kein anderes Wort, das sich so vielfältig einsetzen läßt: Fuck it! The fucker's fucking fucked! 'Verdammt! Der verfickte Scheißdreck ist verdammt noch mal im Arsch!' Eine wortwörtliche deutsche Übersetzung dieses Satzes ist nicht möglich."
Aus: Rude Words, A Short Dictionary, Reclam von Andrew Williams, 2011

Donnerstag, 10. Februar 2011

Gefunden_87



Dieses ganze LEGO-Gedöns mit nachgestellten Fussballspielen und Plattencovern kann einem schon mächtig auf die Eier gehen, da wird es Zeit, dass dem mal einer Einhalt gebietet. Schluß also, hier kommen die wahren Helden, PLAYMOBIL rules. Her mit dem Battle: White Stripes vs. Joy Division, yeehaw!

Mittwoch, 9. Februar 2011

Support.



Jetzt ist es raus - St. Pauli macht für Barcelona die Vorband, soll heißen: Am kommenden Mittwoch, 18:45 Uhr, ist das Nachholspiel für das Hamburger Stadtderby angesetzt, also vor Beginn der Championsleague-Partien an diesem Tag. Als probates Hilfsmittel für den HSV empfohlen: http://www.wetter-online.de/.

Gehört_238



The Boxer Rebellion “Cold Still” (Rough Trade)
Warum, wird sich mancher fragen, vergibt er für dieses Album bessere Noten, wo er doch noch 2009 den Vorgänger so selbstverliebt und gnadenlos verrissen hat und sich das aktuelle Werk von besagtem “Union” eigentlich kaum unterscheidet? Um ehrlich zu sein, so recht weiß ich es selbst nicht. Vielleicht habe ich ja in meiner Kindheit unterbewußt eine Vorliebe für getrocknete Buchenblätter entwickelt, wahrscheinlicher fällt es eher unter die Kategorie ‘Altersmilde meets Jugendstarrsinn’.

Denn wenn etwas auffällt an “Cold Still”, dann der Umstand, dass die Platte fast deckungsgleich aus dem selben Material wie vor zwei Jahren gestrickt ist – das Quartett um Sänger Nathan Nicholson setzt so konsequent auf Bewährtes, dass einem dies, auch wenn man diesen elegischen, überzuckerten Sound nicht mag, zumindest etwas Respekt abnötigt. Natürlich kommen einem wieder in erster Linie Coldplay in den Sinn, aber auch denen gelingt, das kann man ruhig zugeben, zuweilen manch bezaubernde Melodie, die man so noch nicht zum abertausendsten Mal gehört hat. Soll heißen, solche Sachen wie “Locked In Basement”, “Memo” oder auch “The Runner” haben auf ihre Art durchaus Charme. Richtig gut sind die Jungs allerdings nur bei “Step Out Of The Car”, einem scheppernden Grunge-Retro-Dingens – mit etwas Wehmut läßt einen der Track an frühere Sachen denken. Sie wollen es halt so und nicht anders und diese Beharrlichkeit, auch als eine Form von Verweigerung zu deuten, ist nun mal das Vorrecht der Jugend, sei’s drum.
http://theboxerrebellion.com/

Dienstag, 8. Februar 2011

DFW_US: 554



United Nations: "... Der Nation einer neuen Ära, in der man auf die UNO hörte, ein ehemaliger Weltpolizist, der sich zur Ruhe setzen, seine blaue Uniform chemisch reinigen lassen, in dreifachen Plastiksäcken der Reinigung einmotten und die Handschellen an den Nagel hängen wollte, um seine Zeit sinnvoll zu nutzen, den Rasen zu harken, hinter dem Kühlschrank zu putzen und mit den frischgebadeten Kindern auf der anständig gebügelten Zivilhose Hoppe Hoppe Reiter zu spielen."

Gehört_237



PJ Harvey “Let England Shake” (Island)
Dass ihre Platten in der Öffentlichkeit mittlerweile nicht wie schnöde Materialsammlungen, sondern eher wie Ereignisse wahrgenommen werden, ist ein Privileg, was sich Polly Jean Harvey über die Jahre hart erarbeitet hat. Etwa mit ihren beiden Frühwerken “Dry” und “Rid Of Me”, auf denen ihre Stimme klang, als würde ihr bei lebendigem Leib die Haut abgezogen – die Gitarren dazu dürften auch nicht aus dem normalen Fachhandel, sondern eher von einem übel beleumundeten Zwischenhändler für häuslichen Folterbedarf stammen. Oder aber das bleischwere, luzide “To Bring You My Love”, wo sie als grell geschminkter Vamp die weibliche Entsprechung zu Nick Cave gab. Grandiose Alben allesamt - PJ Harvey wurde mit diesen und den folgenden Werken zweifellos zu einer Art Rolemodel, ohne sie wären Leslie Feist, Karen O., Anna Calvi oder auch Joan As A Police Woman so gar nicht denkbar gewesen.

Nun also “Let England Shake”, vier Jahre nach dem letzten regulärem Soloalbum “White Chalk” und natürlich sehnlichst erwartet. Und wenn PJ Harvey als Inspiration für eine ganze Generation von Songwriterinnen steht, so kommt sie selbst auf dieser Platte ihrem eigenen Vorbild Patti Smith so nahe wie kaum zuvor. Und das betrifft sowohl die überwiegend klassische Instrumentierung als auch die inhaltliche Ausrichtung. Wenn der Begriff ‘Konzeptalbum’ auch etwas in die Irre führen mag, so ist es doch eine monothematische, politische Arbeit geworden. Jeder der zwölf Songs ein Statement zu Krieg, Krise, England als Nation und Amerika als zweifelhaftem Vorbild, ohne Unterbrechung ist die Rede von Tod, Blut, Leiden, Verdorbenheit und Vergeblichkeit.

Dem seltsam zarten, tänzelnden Titelstück, für einen Weckruf noch recht verhalten geraten, folgt mit “The Last Living Rose” eine vergiftete Liebeserklärung an ihr Heimatland (Goddamn’ Europeans! Take me back to England … let me walk through the stinking alleys, to the music of drunken beatings …), nahtlos fortgesetzt in “The Glorious Land” – Gitarren marschieren hier zu altertümlichen Feldtrompetenklängen und bissiger Botschaft (What is the glorious fruit of our land? Its fruit is deformed children.) Und weiter geht’s über Leichenberge (The Words That Maketh Murder) und Schlachtfelder (All And Everyone), verwunschen, beinahe elfenhaft (On Battleship Hill), trostlos und traurig wie in einem Kusturica-Film (England, you leave a taste, a bitter one ... ‚England‘) und mit einfachsten Worten (an)klagend: „So our young men hit with guns in the dirt and in the dark places” (In The Dark Places).

Man hatte fast vergessen, dass PJ Harvey auch härter kann – mit “Bitter Branches” gelingt ihr ein zweieinhalbminütiger Verweis auf frühere Glanztaten wie “50ft. Queenie” und “Man-Size”. Bei dieser Ausnahme soll es allerdings bleiben, der Rest des Albums ist bei allem textlichen Anspruch musikalisch gemäßigt, auch der verhaltene Reggae der Vorauskopplung “Written On The Forehead” fügt sich dem inhaltlichen Fokus. John Parish, langjähriger Kampfgefährte und auch auf “Let England Shake” fast in jedem Song als Duettpartner dabei, darf dann den Abgesang “The Colour Of Earth” einleiten, ein bittersüßer Reigen mit Bezug zu asiatischer Geschichte.

Über die Distanz vielleicht nicht ganz so leicht verdaulich, in jedem Falle aber genau das: Ein Ereignis. Und das erste wirkliche Schwergewicht in diesem Jahr.
http://www.pjharvey.net/

Montag, 7. Februar 2011

Gefunden_86



Das nenne ich mal investigativen Journalismus: Die zeitgeschichtliche Fotokolumne einestages auf spiegel online, desöfteren auch an dieser Stelle hochgelobt für die vorzügliche Bildauswahl, deckt an diesem Montag auf, dass unser aller Tennis-AssIn Stefanie Maria Graf, genannt "Die Brühlerin", dereinst bei der deutschen Luftwaffe ihre Karriere als Soldatin begann, lange bevor sie Wimbledon und den Rest der Welt mit ihrem Filzballspiel verzückte.

Samstag, 5. Februar 2011

Gehört_236



Marianne Faithfull “Horses & High Heels” (naïve)
So häufig kommt das ja nicht vor – dass man als Enddreißiger (okay, Mitvierziger) ein paar Sätze zu einer Platte schreiben will und sich eingestehen muß, dass man zu der Zeit, wo der oder die Künstler/in die ersten Gehversuche machte, noch nicht mal die berühmte Ente auf der Schürze hatte, sondern schlichtweg mangels Zeugung mit Abwesenheit glänzte. Das wiederum führt zur Frage, was peinlicher ist – Halbgreise, die über Teenager und deren Musik fabulieren oder frühergraute Ü40er, die sich an der Deutung von Legenden versuchen. Kurz: ‘Mund halten’ oder ‘Mir doch egal’?

Nach den ersten Takten gibt es jedoch keine Wahl mehr – man muß, man muß! Wie auch auf den vorangegangenen Alben kriegt einen die Lady immer gleich zu Beginn und immer mit einem eindringlichen, wenn auch gemächlichem Song: “The Mystery Of Love”, “Down From Dover” bisher, jetzt das kratzig düstere “Stations” als generationenübergreifendes Stoßgebet. Ursprünglich von den Gutter Twins alias Greg Dulli und Mark Lanegan vorgetragen, hier fabelhaft, weil komplett entschlackt, gecovert. Es wird nicht die einzige Neuinterpretation bleiben, Madame Faithfull hat für dieses Album nur ganze drei Songs selbst geschrieben, was daran liegt, dass es ihr für mehr, wie sie selbst sagt, schlicht an Ideen und Energie gemangelt habe. „Why Did We Have To Part“ ist so ein Eigengewächs, wie vieles, was folgt, üppig arrangiert, ein feines Stück behäbigen Bluesrocks. Noch zünftiger geht es bei Jackie Lomax’ „No Reason“ zu Sache, neben dem beschwingten Jinglejangle „Gee Baby“ sicher eines der schwächeren Stücke der Platte – nicht gerade das, was man mit der verrucht geheimnisvollen Aura dieser Frau verbindet, wirken diese Songs eher fehl am Platz.

Mehr als gelungen wiederum der angenehm reduzierte „Love Song“ – einfache Worte, bewegende Stimme – aus dem beschaulich verspielten Original von Lesley Duncan macht Marianne Faithfull eine starke, weil lebenskluge Variation. Für eine Künstlerin, die nach eigener Auskunft zu ihrer an Ereignissen sicher nicht armen Vergangenheit keine Auskunft mehr geben will, weil sie diese für komplett aufgearbeitet hält, präsentiert Marianne Faithfull auf „Horses & High Heels“ dann doch einige Songs, die zumindest einen mittelbaren Bezug zu ihrer eigenen Geschichte andeuten. Das passiert unweigerlich bei dem besinnlichen Cover von Carole Kings „Goin’ Back“, auch das kammermusikalisch unterfütterte „Past Present Future“ mit der traurig-schönen Chopin-Anleihe geht diese Richtung.

Der Titelsong selbst dann solide, im dramatisch arrangierten „The Old House“ darf Lou Reed als Seniorpartner auf gewohnt quängelige Art in die Saiten greifen. Wie viele Coveralben also eine bunte Mischung aus Bewährtem, Verfehltem und Überraschendem – nach den famosen „Easy Come Easy Go“ und „Before The Poison“ auch dies hier wieder eine typische Faithfull-Platte: So wenig makel- wie mutlos und noch immer eine durchaus anregende Bereicherung.
http://www.mariannefaithfull.org.uk/

Freitag, 4. Februar 2011

Und Schluß.



Nicht ganz unerwartet, trotzdem traurig: Jack & Meg sagen servus.

"The White Stripes would like to announce that today, February 2nd, 2011, their band has officially ended and will make no further new recordings or perform live. The reason is not due to artistic differences or lack of wanting to continue, nor any health issues as both Meg and Jack are feeling fine and in good health. It is for a myriad of reasons, but mostly to preserve What is beautiful and special about the band and have it stay that way.

Meg and Jack want to thank every one of their fans and admirers for the incredible support they have given throughout the 13 plus years of the White Stripes’ intense and incredible career. Third Man Records will continue to put out unreleased live and studio recordings from The White Stripes in their Vault Subscription record club, as well as through regular channels.

Both Meg and Jack hope this decision isn’t met with sorrow by their fans but that it is seen as a positive move done out of respect for the art and music that the band has created. It is also done with the utmost respect to those fans who’ve shared in those creations, with their feelings considered greatly.

With that in mind the band have this to say: 'The White Stripes do not belong to Meg and Jack anymore. The White Stripes belong to you now and you can do with it whatever you want. The beauty of art and music is that it can last forever if people want it to. Thank you for sharing this experience. Your involvement will never be lost on us and we are truly grateful.'

Sincerely,
Meg and Jack White
The White Stripes"
http://www.whitestripes.com/

Donnerstag, 3. Februar 2011

Gehört_235



Young The Giant “Young The Giant” (WEA)
Es ist schon erstaunlich: Kaum die erste Platte veröffentlicht, aber das Netz ist schon gefüttert und die Referenz- bzw. Linklisten bei Wikipedia haben schon Dimensionen wie bei den ganz Großen. Und auch wenn man unterstellt, dass sich hier nur ein einzelner, bis in die Haarspitzen engagierter Fan mächtig ins Zeug gelegt hat, so könnte sich die Arbeit in diesem Fall wirklich gelohnt haben.

Young The Giant, ursprünglich mal unter dem Namen The Jakes angetreten, sind seit dem Jahre 2004 im Geschäft, haben sich also mit ihrem Debüt im Langformat reichlich Zeit gelassen. Der Qualität der Arbeitsprobe hat das nicht geschadet. Sie stehen unüberhörbar in der Tradition der Art von schwelgerischem Gitarrenpop, wie er schon von Bands wie James, Deacon Blue oder auch Starsailor gespielt worden ist, mancher der Songs auf dem Album erinnert auch an Coldplay aus der Zeit, als man sie noch uneingeschränkt öffentlich mögen durfte (und nicht, wie heute, peinlich berührt, unter Pseudonym auf dem iPod versteckt). Das heißt in erster Linie: Leidenschaft, Bauchmusik also, die fünf Kalifornier drehen die ganz große Runde – Songs wie “Cough Syrup”, “God Made Man” und “Garands” sind raumgreifende Schwärmer und klingen trotzdem nicht nach seelenlosem Kalkül. Was wohl zu gleichen Teilen an den satten, melodieverliebten Gitarren und am angenehm souligen Organ von Sänger Sameer Gadhia liegt.

Zwölf gute Songs – viel mehr muß man dazu eigentlich nicht sagen. Schließlich ist und bleibt es ein Debüt und man will ja sein ganzes Pulver nicht gleich am Anfang verschiessen …
http://www.youngthegiant.com/