Dienstag, 8. Februar 2011

Gehört_237



PJ Harvey “Let England Shake” (Island)
Dass ihre Platten in der Öffentlichkeit mittlerweile nicht wie schnöde Materialsammlungen, sondern eher wie Ereignisse wahrgenommen werden, ist ein Privileg, was sich Polly Jean Harvey über die Jahre hart erarbeitet hat. Etwa mit ihren beiden Frühwerken “Dry” und “Rid Of Me”, auf denen ihre Stimme klang, als würde ihr bei lebendigem Leib die Haut abgezogen – die Gitarren dazu dürften auch nicht aus dem normalen Fachhandel, sondern eher von einem übel beleumundeten Zwischenhändler für häuslichen Folterbedarf stammen. Oder aber das bleischwere, luzide “To Bring You My Love”, wo sie als grell geschminkter Vamp die weibliche Entsprechung zu Nick Cave gab. Grandiose Alben allesamt - PJ Harvey wurde mit diesen und den folgenden Werken zweifellos zu einer Art Rolemodel, ohne sie wären Leslie Feist, Karen O., Anna Calvi oder auch Joan As A Police Woman so gar nicht denkbar gewesen.

Nun also “Let England Shake”, vier Jahre nach dem letzten regulärem Soloalbum “White Chalk” und natürlich sehnlichst erwartet. Und wenn PJ Harvey als Inspiration für eine ganze Generation von Songwriterinnen steht, so kommt sie selbst auf dieser Platte ihrem eigenen Vorbild Patti Smith so nahe wie kaum zuvor. Und das betrifft sowohl die überwiegend klassische Instrumentierung als auch die inhaltliche Ausrichtung. Wenn der Begriff ‘Konzeptalbum’ auch etwas in die Irre führen mag, so ist es doch eine monothematische, politische Arbeit geworden. Jeder der zwölf Songs ein Statement zu Krieg, Krise, England als Nation und Amerika als zweifelhaftem Vorbild, ohne Unterbrechung ist die Rede von Tod, Blut, Leiden, Verdorbenheit und Vergeblichkeit.

Dem seltsam zarten, tänzelnden Titelstück, für einen Weckruf noch recht verhalten geraten, folgt mit “The Last Living Rose” eine vergiftete Liebeserklärung an ihr Heimatland (Goddamn’ Europeans! Take me back to England … let me walk through the stinking alleys, to the music of drunken beatings …), nahtlos fortgesetzt in “The Glorious Land” – Gitarren marschieren hier zu altertümlichen Feldtrompetenklängen und bissiger Botschaft (What is the glorious fruit of our land? Its fruit is deformed children.) Und weiter geht’s über Leichenberge (The Words That Maketh Murder) und Schlachtfelder (All And Everyone), verwunschen, beinahe elfenhaft (On Battleship Hill), trostlos und traurig wie in einem Kusturica-Film (England, you leave a taste, a bitter one ... ‚England‘) und mit einfachsten Worten (an)klagend: „So our young men hit with guns in the dirt and in the dark places” (In The Dark Places).

Man hatte fast vergessen, dass PJ Harvey auch härter kann – mit “Bitter Branches” gelingt ihr ein zweieinhalbminütiger Verweis auf frühere Glanztaten wie “50ft. Queenie” und “Man-Size”. Bei dieser Ausnahme soll es allerdings bleiben, der Rest des Albums ist bei allem textlichen Anspruch musikalisch gemäßigt, auch der verhaltene Reggae der Vorauskopplung “Written On The Forehead” fügt sich dem inhaltlichen Fokus. John Parish, langjähriger Kampfgefährte und auch auf “Let England Shake” fast in jedem Song als Duettpartner dabei, darf dann den Abgesang “The Colour Of Earth” einleiten, ein bittersüßer Reigen mit Bezug zu asiatischer Geschichte.

Über die Distanz vielleicht nicht ganz so leicht verdaulich, in jedem Falle aber genau das: Ein Ereignis. Und das erste wirkliche Schwergewicht in diesem Jahr.
http://www.pjharvey.net/

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Let St. Pauli shake ... wo bleibt eigentlich der Kommentar zur Wettaffäre?

Fragt sich, investigativ,
derciri

Mapambulo hat gesagt…

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