Sonntag, 11. September 2016

Nick Cave And The Bad Seeds: Schmerzensmann

Nick Cave
„Skeleton Tree“

(Rough Trade)

Was haben wir uns damals, vor knapp einem Vierteljahrhundert, über Eric Clapton mokiert, als der Mann seine Trauer ins Schaufenster stellte, haben den Kopf geschüttelt, als alle Welt mit den Tränen kämpfte – „Tears In Heaven“, schon klar. Und jetzt? Muß, wer Clapton sagt, auch Cave meinen? Der Australier hat im letzten Jahr seinen Sohn Arthur an den Klippen von Brighton verloren und leistet nun mit seinem neuen Album Trauerarbeit. Und das nicht  mal auf einer Metaebene, sondern zuweilen ungewohnt eindeutig und intim. „Nothing really matters when the one you love is gone” heißt es in “I Need You”, dem wohl direktesten Bezug auf das Unglück und es muß schon einen Stein anstelle eines Herzens haben, wen das nicht rührt. Daß Cave so schnell und noch dazu in Bild und Ton zurückkommt (zeitgleich startet Andrew Dominiks Dokumentation, dem der Song „Magneto“ die Titelzeile liefert – „One More Time With Feeling“), überrascht ein wenig, aber weil er seinen Kummer nicht trotz, sondern mit der Arbeit verarbeitet, ist die Veröffentlichung des Albums fast zwangsläufig.

Cave war seit jeher ein Schmerzensmann, kehrte schon immer die düstere Seite seiner Seele für uns Zuhörer nach außen, ob nun mit alttestamentarischer Prosa oder, noch wirkungsvoller, durch seine tiefschwarzen Lieder. Nun ist der Bezug ein direkter, persönlicher und ändert die Stimme und die Stimmung gleichermaßen. Ungewohnt brüchiger Gesang, der, wie beim wunderbaren „Girl In Amber“, an „Hurt“ in der Version von Johnny Cash erinnert: „And if you want to bleed, just bleed, and if you want to bleed, don't breathe a word, just step away and let the world spin…” Cave macht die schmerzvolle Erfahrung, dass sich die Welt um ihn herum unvermindert weiterdreht, ihm kaum Platz und Zeit für’s Innehalten läßt. Acht mehr oder weniger reduzierte Stücke finden sich auf dem sechszehnten Album seiner Karriere, allesamt getragen, bedächtig, es dröhnt der Bass, klacken die Sticks, seufzt das Piano.

Vertonte Trauerarbeit fürwahr, albtraumhafte Bilder bauen sich dem Zuhörer als Kulisse auf, Todesatem, Hilflosigkeit, Fatalismus: „Maybe I'm just too tongue-tied to drink it up and swallow back the pain“ (Rings Of Saturn). Cave hadert, wie könnte es für einen religiösen Menschen anders sein, mit Gott und Glauben, „You believe in God, but you get no special dispensation for this belief now“ heißt es in „Jesus Alone“ und später stimmt er mit der dänischen Sopranistin Else Torp ein zartes Duett an: “They told us our gods would outlive us, they told us our dreams would outlive us, they told us our gods would outlive us, but they lied.” Zu früh, um zu sagen, wohin die Reise mit dem Idol unserer Jugendjahre geht, ob er den Verlust überwindet oder ob dieser ihn bricht. Der Schluß im Titelsong läßt hoffen und klingt versöhnlich, „I called out, that nothing’s for free, and it’s allright now…“, so spricht keiner, der sich aufgegeben hat und wir, die wir lauschen, jubeln mit verhaltenem (und etwas egoistischem) Optimismus, weil er uns erhalten bleibt. Dunkel noch immer und wohl um einige Narben reicher. Und Eric Clapton? Hat sicher auch eine Entschuldigung verdient, irgendwie. http://www.nickcave.com/

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