Beginnen wir unser sonntägliches Bildungsprogramm heute im englischen Norden, genauer im Städtchen Sunderland. Von dort stammen Jordan Miller, Jack Crack, Jack Wade und Daniel Martin - 2018 haben sie unter dem Namen Vandebilt ihre ersten Demos aufgenommen, stilistisch könnte man ihren Sound als elektrifizierten Funk-Punk bezeichnen. Die erste Single "Dream In Colour" kam im März ins Netz, schon diese sehr poppig und tanzbar, und auch das aktuelle Stück "Pushing Through" hat einen gleich mit den ersten Takten. Wäre verwunderlich, wenn die vier damit nicht gleich durchstarten würden.
Sonntag, 30. Juni 2019
Hideous Sun Demon: Big News, erster Teil
Etwas kompromissloser und knackiger gehen dieser drei Kerle zu Werke: In ihrer Heimat Australien sind Hideous Sun Demon eine feste Garage-Punk-Größe, drei Alben haben Vincent Buchanan-Simpson, Andrew Blackman und Jake Suriano aus Melbourne bzw. Perth bereits veröffentlicht (das letzte "Fame Erotic Dream" 2018), nun steht für die kommende Woche via Hell Beach ihre neue 4-Track-EP "Good Time" an und die erste Single "Can't Live Like That" brettert schon mal ordentlich los. Ihr Label hat übrigens verlautbart: "You can expect a lot of big news from the band over the next few weeks" - dann warten wir einfach mal ab, was noch so kommt.
Nobody's Baby: Gut zugehört
Das hier nennt sich Death-Doo-wop und kommt aus der kalifornischen Bay Area, und damit kommen endlich auch einmal ein paar Frauen ins Spiel: Nämlich Katie Rose (Gesang/Gitarre) und Penelope Leegeten (Bass), die von Peter Niven (Gitarre) und Ryan Feras (Drums) unterstützt werden. Die vier werden am 16. August unter dem Namen Nobody's Baby ihre gleichnamige Debüt-EP veröffentlichen, einen von fünf Tracks, die Single "Life Of A Thousand Girls", stellen wir hier schon mal vor und wer meint, sie würden damit in die Fußstapfen von Garbage oder den Cramps treten, hat schon mal ganz gut zugehört.
Harry Mold: Keinen Respekt
Wieder zurück auf der Insel und einen kurzen Ausflug nach Basildon in der Grafschaft Essex gemacht. In der Stadt an der englischen Ostküste, 40 Kilometer von London entfernt, sind nicht nur Alison Moyet und Gemma Ray geboren, sondern stand auch die Wiege von gleich vier Gründungsmitgliedern der Synthpop-Formation Depeche Mode (Clarke, Gore, Fletcher, Gahan), mächtig viel 80er-Tradition, möchte man meinen. Der Junge Harry Mold hat damit so gar nichts am Hut, beschäftigt sich lieber mit zackigem Gitarrenrock und teilt gerade seine Debütsingle "Drain" via Touch Recordings. Keinen Respekt also - gut so, möchte man meinen.
Anna Wiebe: Immer in Bewegung
Ganz zum Schluß noch ein vergleichsweise ruhiger Ausklang dieses heißen Sommertages. Er stammt von der Künstlerin Anna Wiebe aus dem kanadischen Ort Guelph inmitten der großen Seenplatte. Wiebe macht seit 2013 Musik, veröffentlichte 2016 mit einer Reihe versierter Studiomusiker ihr Debütalbum "New Behavior" und hat nun für den 12. Juli die nächste Platte mit dem Titel "All I Do Is Move" geplant. Angelehnt ist der Titel an ein Zitat des Autors Douglas Coupland, das Wiebe sich im Vorfeld der Aufnahmen notiert hatte und das ihr nun wieder in den Sinn kam: "The act of endless motion itself is a substitute for any larger form of thought." Nachdem vor zwei Monaten der Song "Fortune" erschien, geht nun mit "I Felt It In The Wind" ein zweiter vorab in die Runde.
Freitag, 28. Juni 2019
Le Butcherettes: Kaum zu bändigen
Le Butcherettes
„Live At Clouds Hill“
(Clouds Hill)
Dachgeschosswohungen haben ja in den letzten Jahren einen etwas zweifelhaften Ruf erlangt, auch und besonders in Hamburg. Denn gerade dort schlägt die Gentrifizierung über alle Stadtviertel erbarmungslos zu, Schanze, Altona, St. Pauli – der Kiez in seiner ursprünglichen Form geht langsam aber sicher vor die Hunde, alles wird kern- und luxussaniert, mach’s gut, alte Hanse. Auch in Veddel an den Elbbrücken wird das nicht anders aussehen, allerdings hat man dort schon vor Jahren zumindest eine Adresse einer sehr lobenswerten Verwendung zugeführt. Gleich in der Nähe des sogenannten Entenwerders befinden sich nämlich in einem altehrwürdigen Backsteinbau die Studios und Aufnahmeräume von Clouds Hill Recordings. Und unter diesen Dachschrägen, zwischen allerlei nerdigem, musikalischen Liebhabergerät, treffen sich in unregelmäßigen Abständen verschiedenste Künstler zu Sessions vor Kleinstpublikum – Pete Doherty war zu Besuch, Omar Rodriguez-Lopez ließ sich dort von Jean-Hervé Perón (Faust) um ein Haar das Bein absägen und auch Oberarzt Bela B Felsenheimer musizierte in denkwürdiger Atmosphäre. Zuletzt im März zu Gast die fabelhaften Le Butcherettes aus dem mexikanischen Guadalajara.
Nun weiß, wer Teri Bender Gender jemals mit ihrer Band live erleben durfte, um die kaum zu bändigende Wildheit und Wucht des Garagenpunk-Quartetts. Denkbar schwierig also, diese Energie in einem Take auf Tape (denn das ist die Philosophie der Reihe) und hernach auf limitiertes Vinyl zu bannen. Und dennoch scheint es gelungen. Die Aufnahmen sind in Anbetracht der selbstverordneten Spontaneität vielleicht nicht gerade ein Klangwunder, aber die acht Stücke der 12“, allesamt vom aktuellen Album „bi/MENTAL“, kommen trotzdem roh und räudig genug daher, so dass man eine Ahnung davon bekommt, wieso Konzerte der SchlachterInnen sonst eher kultischen Opferzeremonien als durchgeplanten Genußevents gleichen. Eingezählt wird das Ganze mit Benders furiosem Monolog – mutmaßlich direkt aus dem Kopf ihrer Mutter, die eine laute Klage über rastlose Einsamkeit und unstillbare Lust führt. Danach schwankt alles, wie auf dem Original, zwischen monströsem, schartigem Riffgetrümmer und eingängigen Rocknummern, getrieben von Benders Stimmgewalt. Ein wirklich lohnenswertes Dokument ungebremsten Spieltriebs.
30.06. Berlin, Bi Nuu
03.07. Dresden, Chemiefarik
04.07. München, Feierwerk
„Live At Clouds Hill“
(Clouds Hill)
Dachgeschosswohungen haben ja in den letzten Jahren einen etwas zweifelhaften Ruf erlangt, auch und besonders in Hamburg. Denn gerade dort schlägt die Gentrifizierung über alle Stadtviertel erbarmungslos zu, Schanze, Altona, St. Pauli – der Kiez in seiner ursprünglichen Form geht langsam aber sicher vor die Hunde, alles wird kern- und luxussaniert, mach’s gut, alte Hanse. Auch in Veddel an den Elbbrücken wird das nicht anders aussehen, allerdings hat man dort schon vor Jahren zumindest eine Adresse einer sehr lobenswerten Verwendung zugeführt. Gleich in der Nähe des sogenannten Entenwerders befinden sich nämlich in einem altehrwürdigen Backsteinbau die Studios und Aufnahmeräume von Clouds Hill Recordings. Und unter diesen Dachschrägen, zwischen allerlei nerdigem, musikalischen Liebhabergerät, treffen sich in unregelmäßigen Abständen verschiedenste Künstler zu Sessions vor Kleinstpublikum – Pete Doherty war zu Besuch, Omar Rodriguez-Lopez ließ sich dort von Jean-Hervé Perón (Faust) um ein Haar das Bein absägen und auch Oberarzt Bela B Felsenheimer musizierte in denkwürdiger Atmosphäre. Zuletzt im März zu Gast die fabelhaften Le Butcherettes aus dem mexikanischen Guadalajara.
Nun weiß, wer Teri Bender Gender jemals mit ihrer Band live erleben durfte, um die kaum zu bändigende Wildheit und Wucht des Garagenpunk-Quartetts. Denkbar schwierig also, diese Energie in einem Take auf Tape (denn das ist die Philosophie der Reihe) und hernach auf limitiertes Vinyl zu bannen. Und dennoch scheint es gelungen. Die Aufnahmen sind in Anbetracht der selbstverordneten Spontaneität vielleicht nicht gerade ein Klangwunder, aber die acht Stücke der 12“, allesamt vom aktuellen Album „bi/MENTAL“, kommen trotzdem roh und räudig genug daher, so dass man eine Ahnung davon bekommt, wieso Konzerte der SchlachterInnen sonst eher kultischen Opferzeremonien als durchgeplanten Genußevents gleichen. Eingezählt wird das Ganze mit Benders furiosem Monolog – mutmaßlich direkt aus dem Kopf ihrer Mutter, die eine laute Klage über rastlose Einsamkeit und unstillbare Lust führt. Danach schwankt alles, wie auf dem Original, zwischen monströsem, schartigem Riffgetrümmer und eingängigen Rocknummern, getrieben von Benders Stimmgewalt. Ein wirklich lohnenswertes Dokument ungebremsten Spieltriebs.
30.06. Berlin, Bi Nuu
03.07. Dresden, Chemiefarik
04.07. München, Feierwerk
Yung Hurn: Dada im Spaßbad
Yung Hurn
Airline Show
München, Tollwood Festival, 27. Juni 2019
Die eigentliche Herausforderung ist ja nicht der Besuch selbst. Wenn man in gesetztem Alter ist und sich dazu entschließt, bei Yung Hurn vorbeizuschauen, dann kann man davon ausgehen, daß die übergroße Mehrheit des Publikums höchstens halb so alt ist wie man selbst. Sich davon abschrecken zu lassen wäre keine Alternative, gute Mucke bleibt gute Mucke, auch wenn die Haare schon grau sind und der Rücken schmerzt. Im Zweifelsfall kann man sich ja damit herausreden, dass man halt den eigenen Nachwuchs vorbeibringe und der Einfachheit halber gleich auf ein, zwei Bier dageblieben ist. Im Normalfall (die angenehme Variante) wird man ohnehin ignoriert, ein wenig peinlicher ist die zwar seltene, aber sehr freundliche Respektbekundung („Sie gehen also tatsächlich auf sooo ein Konzert?!“), naja, laß mal besser stecken… Nein, richtig schwierig wird es erst, wenn man darüber schreiben will, denn die Fettnäpfe sind so groß wie die Fallstricke lang. Zur Auswahl steht einerseits der verspannte Oberlehrermodus, der stets vergleichen und ins Verhältnis setzen will und deshalb häufig mit Sätzen beginnt wie: „Also, zu meiner Zeit …“ oder „Bei uns damals hatte/mußte/durfte/brauchte …“ Nicht weniger schlimm: Rezomäßig rankumpeln. Geht immer schief, selbst wenn’s superironisch gemeint ist (siehe Beispiel Sächsische Zeitung). Die Fremdschamquote ist in beiden Fällen ziemlich hoch.
Also dann der Mittelweg, denn einige Dinge gäbe es schon zu sagen. Dass auch die Organisation solch eines Gigs Stolpersteine bereithalten kann, beweist die Einlasskontrolle. Zwei Zugänge zunächst, an beiden jeweils eine Schlange von bis zu einem halben Kilometer Länge (die sich ganz am Ende wieder zum Kreis schließen müssten), Kontrolltempo: keines. Dass dann später noch weitere Tore geöffnet wurden, bekommt nur mit, wer hinten nicht bereits verdurstet und/oder weggedimmt ist, das Einlaßtempo ändert sich nur marginal, viel wichtiger ist, dass der nachlässige Schlangenbenutzer auf den vorgeschriebenen Abstand von genormten 123,5 Zentimetern zum passierten Verkaufstand hingewiesen wird, hier muß dringend verwarnt werden. Einmal drinnen im Zelt, weiß man, dass sich Ärger und Eile nicht gelohnt haben. Ein DJ knüppelt der wachsenden Menge mäßig abwechslungsreichen Techno um die Ohren, es füllt sich und es dauert. Lange – bis zum Hauptact jedenfalls. Denn mit dem Support gibt es ein Wahrnehmungsproblem: Man sieht sie nicht, man versteht sie nicht, man weiß nicht so recht, was sie wollen. Sie hatten wohl gerade nichts Besseres vor. Die Stimmung hält sich in Grenzen.
Das ändert sich zum Glück schlagartig, als Yung Hurn die Bühne entert – infernalisches Geschrei, im Handumdrehen wird aus der Menge ein wogendes Spaßbad aus schwitzenden Körpern, unbedingt textsicher und feierbereit, es kann losgehen. Und das tut es auch, spätestens ab dem dritten oder vierten Song drehen alle frei, „FDP“, „Bianco“, „Ok Cool“, "Cabrio" und „Y. Hurn Wieso?“ sind erwartungsgemäß einige der stärksten. Die Tracks kommen live trotz madiger Zeltakkustik erstaunlich klar und kantig rüber, werden nicht wie befürchtet einfach weggenuschelt. Überhaupt: Allerspätestens ab Ü40 erntet man ja wahlweise Schulterzucken, gehobene Augenbrauen oder verzweifelte Ratlosigkeit, spielt man im Freundeskreis eines der genannten Stücke an, die meisten scheitern, weil sie versuchen, den Inhalt einzig über den Wortlaut, den Text zu begreifen, ohne dem dadaistischen Aspekt, dem Spaß an der Vermengung von Musik, Lautsprache, Dialekt, Geräusch Raum zu geben. Jüngeren Menschen gelingt das offenkundig weitaus besser, unbekümmerter. Es klappt also gut an dem Abend, auch wenn’s scheiße heiß ist – oben lässig, unten entspannt, keine Wünsche offen. Draußen vorm Zelt stehen dann alle, ausgepumpt, dampfend, mit hochroten Köpfen, aber glücklich und für einen Moment zufrieden mit dem Leben.
Airline Show
München, Tollwood Festival, 27. Juni 2019
Die eigentliche Herausforderung ist ja nicht der Besuch selbst. Wenn man in gesetztem Alter ist und sich dazu entschließt, bei Yung Hurn vorbeizuschauen, dann kann man davon ausgehen, daß die übergroße Mehrheit des Publikums höchstens halb so alt ist wie man selbst. Sich davon abschrecken zu lassen wäre keine Alternative, gute Mucke bleibt gute Mucke, auch wenn die Haare schon grau sind und der Rücken schmerzt. Im Zweifelsfall kann man sich ja damit herausreden, dass man halt den eigenen Nachwuchs vorbeibringe und der Einfachheit halber gleich auf ein, zwei Bier dageblieben ist. Im Normalfall (die angenehme Variante) wird man ohnehin ignoriert, ein wenig peinlicher ist die zwar seltene, aber sehr freundliche Respektbekundung („Sie gehen also tatsächlich auf sooo ein Konzert?!“), naja, laß mal besser stecken… Nein, richtig schwierig wird es erst, wenn man darüber schreiben will, denn die Fettnäpfe sind so groß wie die Fallstricke lang. Zur Auswahl steht einerseits der verspannte Oberlehrermodus, der stets vergleichen und ins Verhältnis setzen will und deshalb häufig mit Sätzen beginnt wie: „Also, zu meiner Zeit …“ oder „Bei uns damals hatte/mußte/durfte/brauchte …“ Nicht weniger schlimm: Rezomäßig rankumpeln. Geht immer schief, selbst wenn’s superironisch gemeint ist (siehe Beispiel Sächsische Zeitung). Die Fremdschamquote ist in beiden Fällen ziemlich hoch.
Also dann der Mittelweg, denn einige Dinge gäbe es schon zu sagen. Dass auch die Organisation solch eines Gigs Stolpersteine bereithalten kann, beweist die Einlasskontrolle. Zwei Zugänge zunächst, an beiden jeweils eine Schlange von bis zu einem halben Kilometer Länge (die sich ganz am Ende wieder zum Kreis schließen müssten), Kontrolltempo: keines. Dass dann später noch weitere Tore geöffnet wurden, bekommt nur mit, wer hinten nicht bereits verdurstet und/oder weggedimmt ist, das Einlaßtempo ändert sich nur marginal, viel wichtiger ist, dass der nachlässige Schlangenbenutzer auf den vorgeschriebenen Abstand von genormten 123,5 Zentimetern zum passierten Verkaufstand hingewiesen wird, hier muß dringend verwarnt werden. Einmal drinnen im Zelt, weiß man, dass sich Ärger und Eile nicht gelohnt haben. Ein DJ knüppelt der wachsenden Menge mäßig abwechslungsreichen Techno um die Ohren, es füllt sich und es dauert. Lange – bis zum Hauptact jedenfalls. Denn mit dem Support gibt es ein Wahrnehmungsproblem: Man sieht sie nicht, man versteht sie nicht, man weiß nicht so recht, was sie wollen. Sie hatten wohl gerade nichts Besseres vor. Die Stimmung hält sich in Grenzen.
Das ändert sich zum Glück schlagartig, als Yung Hurn die Bühne entert – infernalisches Geschrei, im Handumdrehen wird aus der Menge ein wogendes Spaßbad aus schwitzenden Körpern, unbedingt textsicher und feierbereit, es kann losgehen. Und das tut es auch, spätestens ab dem dritten oder vierten Song drehen alle frei, „FDP“, „Bianco“, „Ok Cool“, "Cabrio" und „Y. Hurn Wieso?“ sind erwartungsgemäß einige der stärksten. Die Tracks kommen live trotz madiger Zeltakkustik erstaunlich klar und kantig rüber, werden nicht wie befürchtet einfach weggenuschelt. Überhaupt: Allerspätestens ab Ü40 erntet man ja wahlweise Schulterzucken, gehobene Augenbrauen oder verzweifelte Ratlosigkeit, spielt man im Freundeskreis eines der genannten Stücke an, die meisten scheitern, weil sie versuchen, den Inhalt einzig über den Wortlaut, den Text zu begreifen, ohne dem dadaistischen Aspekt, dem Spaß an der Vermengung von Musik, Lautsprache, Dialekt, Geräusch Raum zu geben. Jüngeren Menschen gelingt das offenkundig weitaus besser, unbekümmerter. Es klappt also gut an dem Abend, auch wenn’s scheiße heiß ist – oben lässig, unten entspannt, keine Wünsche offen. Draußen vorm Zelt stehen dann alle, ausgepumpt, dampfend, mit hochroten Köpfen, aber glücklich und für einen Moment zufrieden mit dem Leben.
Felix Kummer: Mit anderen Mitteln
Keine Schrammelgitarren, keine zackigen Drums, stattdessen schleppende Beats und düstere Reime - Felix Kummer, Frontmann der Chemnitzer Truppe Kraftklub, hat eine Solosingle veröffentlicht und dafür das Metier gewechselt. Dass er rappen konnte, wußte man aus diversen Gastauftritten ohnehin, jetzt ist mit "9010" die erste eigene Veröffentlichung raus und zwar eine mit klarer Botschaft. Dass seine politische Heimat links der Mitte liegt, ist jetzt keine so große Überraschung, dennoch sind ein paar deutliche Worte in dieser Zeit sicher gut zu gebrauchen. Kummer wählt dennoch nicht Verachtung und Hass, sondern Abscheu, Ratlosigkeit, gar Mitleid. Kein Geheimnis, dass der Song mit der früheren Postleitzahl seiner Heimatstadt betitelt ist, die einstmals bekanntlich Karl-Marx-Stadt hieß. Was dem Song folgt, ist noch unklar, ein Interview mit Kummer findet sich unter anderem bei Spiegel Online.
Automatic: Tiefgekühlt [Update]
Zunächst einmal sind es nur knappe zweieinhalb Minuten. So kurz nämlich ist die erste Single von Automatic, einer recht neuen Post-Punk-Kapelle aus Los Angeles, die gerade bei ihrem neuen Label Stones Throw veröffentlicht wurde. Das Trio besteht aus Izzy Glaudini (Keyboard), Lola Dompé (Drums) und Halle Saxon (Bass) - singen tun sie alle drei - und begann als DIY-Projekt vor zwei Jahren zusammenzuarbeiten. Der Sound von "Calling It" kommt als tiefgekühlte LoFi-Variante der frühen 80er daher, ein Album, so erzählten sie gerade dem Onlinemagazin Flaunt, ist zwar geplant, im Vordergrund stehen aber eher die gemeinsamen Auftritte. Und die sollen, so liest man weiter, farbenfroh und durchaus konzeptionell angelegt sein.
Update: Den Clip zum Song hat Ross Harris in einer alten Aluminium-Gießerei gedreht, die seit den 70er Jahren der Großmutter von Schlagzeugerin Lola Dompé gehört und nur von Frauen bewirtschaftet wird - das Storybook dazu ist, nun ja, einigermaßen eigenartig.
Update: Den Clip zum Song hat Ross Harris in einer alten Aluminium-Gießerei gedreht, die seit den 70er Jahren der Großmutter von Schlagzeugerin Lola Dompé gehört und nur von Frauen bewirtschaftet wird - das Storybook dazu ist, nun ja, einigermaßen eigenartig.
Donnerstag, 27. Juni 2019
Die Kerzen: Smoothes Gemetzel
Na toll, und das ohne Spoilern!? Zur Band Die Kerzen, die uns der Softpop-Gott direkt aus dem flauschigen Wattehimmel gesandt hat, damit auch wir hier unten im Jammertal mal richtig kuscheln können, haben wir in den letzten Wochen schon einige Sätze gedrechselt. Und es wird wirklich Zeit, dass ihr Album "True Love" nächste Woche bei Staatsakt erscheint. Nicht nur, weil es mutmaßlich supergut werden wird, sondern weil uns bald die Superlative auszugehen drohen. Die wirklich letzten packen wir jetzt also in die Präsentation ihres aktuellen Videos zum unfaßbar smoothen Song "Al Pacino" - so richtig mit Bankrobbery, Entspannungskippen, großen Jungs und coolem Mädchen. Und ganz am Ende? Gemetzel! Aber wer nun an wem, das sollte sich jede/r schon selbst anschauen, wofür haben es die vier denn schließlich gedreht?
13.07. Chemnitz, Musikmeile Chemnitz
14.07. Frankfurt/Oder, Hansestadtfest
22.08. Berlin, Pop Kultur/Frannz Club
18.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
18.10. Berlin, SO36
19.10. Schorndorf, Manufaktur
13.07. Chemnitz, Musikmeile Chemnitz
14.07. Frankfurt/Oder, Hansestadtfest
22.08. Berlin, Pop Kultur/Frannz Club
18.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
18.10. Berlin, SO36
19.10. Schorndorf, Manufaktur
Thom Yorke: Von der Rolle [Update]
Ein neues Album steht auch von Thom Yorke ins Haus. Gemeinsam mit Superproduzent und Dauerkollaborateur Nigel Godrich hat er "ANIMA" via XL Recordings produziert, am 27. Juni soll die Platte erscheinen. Zeitgleich ist die Veröffentlichung eines Kurzfilms, eines sog. One-Reelers, geplant, den Yorke zusammen mit Paul Thomas Anderson ersonnen hat - es handelt sich hierbei um einen Film von 10 bis 12 Minuten Länge, der seinen Namen den Filmrollen aus der Stummfilmzeit entlehnt hat und hauptsächlich mit Cartoon- und Comedymaterial gefüllt ist. Seine letzte Soloarbeit war die Songsammlung "Tomorrow's Modern Boxes", darauf folgten diverse andere Projekte, ein Soundtrack und natürlich Aufnahmen mit Radiohead.
02.07. Köln, Palladium
03.07. Frankfurt, Jahrhunderthalle
Update: Seit heute sind Album und Film online erhältlich, hier mit "Not The News" ein erster akkustischer Einblick.
02.07. Köln, Palladium
03.07. Frankfurt, Jahrhunderthalle
Update: Seit heute sind Album und Film online erhältlich, hier mit "Not The News" ein erster akkustischer Einblick.
Sløtface vs. Lasse Lokøy: Doppelnummer [Update]
Das Markteing geht manchmal seltsame Wege: Da hat vor einigen Tagen Lasse Lokøy, der Bassist der norwegischen Band Sløtface, ein Song-Doppel abgeliefert, das aufhorchen ließ und so gar nichts mit dem kracherten Indierock des Brotjobs zu tun hatte, gute Sache das. Und heute kommt nun, welch Überraschung, die Ankündigung seiner Kollegen daher, dem Debüt "Try Not To Freak Out" aus dem Jahr 2017 bald eine weitere Platte folgen zu lassen. Eine erste Single mit dem Namen "Telepathetic" brettert schon mal via Propeller Recordings durch den Äther und kein anderer als Lokøy gibt bekannt, dass dieses Stück innerhalb kürzester Zeit spät in der Nacht geschrieben und produziert worden ist, "most of us don’t remember any of it because we were so tired”. Okay, dann kann man ihnen nur wünschen, dass sie weiterhin so spät und sprunghaft agieren, es sollte unser Schade nicht sein.
Update: So, zumindest Sløtface schicken ihrer Single heute ein Video hinterher.
Update: So, zumindest Sløtface schicken ihrer Single heute ein Video hinterher.
Mittwoch, 26. Juni 2019
Sigrid: Improvisationstalent
Das schönste Video dieser Tage - ach was soll's - der nächsten Wochen kommt von Sigrid. Die junge Norwegerin hat nicht wenige in diesem Jahr mit ihrem Debütalbum "Sucker Punch" überrascht - lupenreiner, erstklassiger Dancepop, eine wahre Freude. Zu ihrer aktuellen Single "Mine Right Now" kommt nun ein Clip, der weder auf eine spannende Choreografie setzt noch atemberaubende Effekte aufweisen kann, nein, nicht mal die Künstlerin selbst ist zugegen. Entscheidend ist die Entstehungsgeschichte des Filmchens selbst und das Netzportal The Line Of Best Fit bezeichnet es nicht ohne Grund als das "Fyre Festival unter den Musikvideos": Eigentlich hatte Sigrid nämlich vor, mit einer angeheuerten Crew unter Anleitung von Regisseur Max Siedentopf in den Bergen Bulgariens das perfekte Drama hinzulegen, alles war angerichtet, alles war arrangiert - nur die Hauptperson selbst fehlte noch. Einen Tag vor Drehbeginn hätte sie kommen sollen, doch dann wurde ihr Flug gecancelt und alles drohte in die Binsen zu gehen. Da das Team aber schon mal vor Ort war, entschieden sie sich kurzerhand, die Sache trotzdem durchzuziehen, Sigrids Rolle übernahm in Ermangelung einer anderen Idee Herr Siedentopf selbst und so wurde daraus eine der spaßigsten Angelegenheiten der jüngeren Musikgeschichte. Der Populariät des Albums und der Künstlerin selbst wird das wohl keinen Abbruch tun, der Kontrast aus perfektem Pop und wackeliger Improvisation tut dem Hochglanzgeschäft im Gegenteil ganz gut.
Dienstag, 25. Juni 2019
Brittany Howard: Gegen den Schmerz
Schon bei ihrer Band, den Alabama Shakes, war die Frau eine Schau, nun debütiert Brittany Howard mit ihrem Soloalbum "Jaime". Benannt hat die eindrucksvolle Frontfrau ihre Platte nach ihrer Schwester, die im Teenageralter verstorben ist und der sie nun, wie sie dem Label ATO mit auf den Weg gab, ein positives Denkmal setzen will, das den schmerzlichen Verlust überstrahlen soll. Die erste Single wiederum heißt "History Repeats" - flirrender, jazziger Steamfunk, der Nachfolger des letzten Band-Albums "Sound And Color" kommt am 20. September in den Handel.
Hot Chip: Anspielen gegen die Vergeblichkeit
Hot Chip
"A Bathfull Of Ecstasy"
(Domino Records)
Wenige haben sich um die klug verbastelte Popmusik, Spezialgebiet Indietronica, so verdient gemacht wie Alexis Taylor; Joe Goddard und ihre gemeinsame Band Hot Chip. Wobei die Abmessungen der Gattung ziemlich weit gefasst sind: Die Pet Shop Boys zählen trotz ihrer zunehmend ironischen, subtil politischen Texte ganz gewiß nicht zum Bereich Independent, The Knife aus Schweden wiederum waren eher am provokativen Ende angesiedelt und als Pop im Sinne von „populär“ eigentlich nicht mehr definierbar. Acts wie The Postal Service, die Junior Boys oder Zoot Woman besetz(t)en eher kleinere Nischen, die deutschen The Notwist bringen desöfteren analoge Gitarren ins Spiel, lassen dafür aber ab und an die Tanzbarkeit vermissen. Letztere haben Hot Chip im Laufe ihres Bestehens immer mehr in den Mittelpunkt gerückt, die letzten Alben „One Life Stand“ (2010), „In Our Heads“ (2012) und „Why Make Sense?“ (2015) waren Meilensteine in puncto strictly dancefloor – flauschige Vocals, lässige Beats, wohlig wabernde Synthesizer, man musste sie einfach lieben.
Wie kaum anders zu erwarten, gehen die fünf Herren aus London den eingeschlagenen Weg konsequent weiter, der Sound ihrer mittlerweile neunten Platte entwickelt sich fast zu einer Art Hippiemanifest. Farben sehen und spüren, den Zauber des Moments leben, positiv bleiben, wenn es um eine herum immer dunkler wird – Hot Chip bemühen sich um Optimismus in einer Welt, in der allerorten alte Gewissheiten bröckeln und Fatalismus und Eskapismus auf dem Vormarsch sind. Schon die Ansprache des Predigers im Eingangsstück, der seine Version von peace, love and happiness ausruft, gerät kraftvoll und mitreißend, in Folge übernehmen dies neben den Texten immer auch die wummernden Houserhythmen, die typischen, repetitiven Elemente, der Flow der einzelnen Tracks.
Von platter Erbauungslyrik sind die Herren dennoch weit entfernt, denn ebenso deutlich lassen sich aus den Songs Wehmut, Traurigkeit und gar Verzweiflung heraushören, die Dinge also, gegen die sie eigentlich ansingen und -spielen. „Positive“ beispielsweise wendet sich gegen notorische Schwarzseher, in „Why Does My Mind?“ beklagt Taylor sein eigenes Hirn, das so gar nicht funktioniert, wie er es gern hätte: „Why does my mind fill all my time, with lust and blues? It's true. Why can’t my mind keep things in line, so we can trust in me, and I, you?”, da klingt natürlich auch ein Stück weit die Vergeblichkeit durch, welche Taylor, Goddard, ja wir alle ahnen. Dennoch: Wenigstens für die Spieldauer des Albums macht sich ein wohliges Gefühl breit, füllen warme Melodien, berührende Harmonien die Räume und lassen einem die Hoffnung, es könnte sich doch alles irgendwie zum Besseren wenden, wenn wir selbst es denn (bei uns) schaffen – Hot Chip für ihren Teil haben schon mal angefangen. https://www.hotchip.co.uk/
03.12. Berlin, Columbiahalle
05.12. Lausanne, Les Docks
11.12. Hamburg, Docks
"A Bathfull Of Ecstasy"
(Domino Records)
Wenige haben sich um die klug verbastelte Popmusik, Spezialgebiet Indietronica, so verdient gemacht wie Alexis Taylor; Joe Goddard und ihre gemeinsame Band Hot Chip. Wobei die Abmessungen der Gattung ziemlich weit gefasst sind: Die Pet Shop Boys zählen trotz ihrer zunehmend ironischen, subtil politischen Texte ganz gewiß nicht zum Bereich Independent, The Knife aus Schweden wiederum waren eher am provokativen Ende angesiedelt und als Pop im Sinne von „populär“ eigentlich nicht mehr definierbar. Acts wie The Postal Service, die Junior Boys oder Zoot Woman besetz(t)en eher kleinere Nischen, die deutschen The Notwist bringen desöfteren analoge Gitarren ins Spiel, lassen dafür aber ab und an die Tanzbarkeit vermissen. Letztere haben Hot Chip im Laufe ihres Bestehens immer mehr in den Mittelpunkt gerückt, die letzten Alben „One Life Stand“ (2010), „In Our Heads“ (2012) und „Why Make Sense?“ (2015) waren Meilensteine in puncto strictly dancefloor – flauschige Vocals, lässige Beats, wohlig wabernde Synthesizer, man musste sie einfach lieben.
Wie kaum anders zu erwarten, gehen die fünf Herren aus London den eingeschlagenen Weg konsequent weiter, der Sound ihrer mittlerweile neunten Platte entwickelt sich fast zu einer Art Hippiemanifest. Farben sehen und spüren, den Zauber des Moments leben, positiv bleiben, wenn es um eine herum immer dunkler wird – Hot Chip bemühen sich um Optimismus in einer Welt, in der allerorten alte Gewissheiten bröckeln und Fatalismus und Eskapismus auf dem Vormarsch sind. Schon die Ansprache des Predigers im Eingangsstück, der seine Version von peace, love and happiness ausruft, gerät kraftvoll und mitreißend, in Folge übernehmen dies neben den Texten immer auch die wummernden Houserhythmen, die typischen, repetitiven Elemente, der Flow der einzelnen Tracks.
Von platter Erbauungslyrik sind die Herren dennoch weit entfernt, denn ebenso deutlich lassen sich aus den Songs Wehmut, Traurigkeit und gar Verzweiflung heraushören, die Dinge also, gegen die sie eigentlich ansingen und -spielen. „Positive“ beispielsweise wendet sich gegen notorische Schwarzseher, in „Why Does My Mind?“ beklagt Taylor sein eigenes Hirn, das so gar nicht funktioniert, wie er es gern hätte: „Why does my mind fill all my time, with lust and blues? It's true. Why can’t my mind keep things in line, so we can trust in me, and I, you?”, da klingt natürlich auch ein Stück weit die Vergeblichkeit durch, welche Taylor, Goddard, ja wir alle ahnen. Dennoch: Wenigstens für die Spieldauer des Albums macht sich ein wohliges Gefühl breit, füllen warme Melodien, berührende Harmonien die Räume und lassen einem die Hoffnung, es könnte sich doch alles irgendwie zum Besseren wenden, wenn wir selbst es denn (bei uns) schaffen – Hot Chip für ihren Teil haben schon mal angefangen. https://www.hotchip.co.uk/
03.12. Berlin, Columbiahalle
05.12. Lausanne, Les Docks
11.12. Hamburg, Docks
Sonntag, 23. Juni 2019
Youth Sector: Kontrastreich
Beginnen wir den wochenendlichen Rundumschlag heute im englischen Brighton: Von dort stammt die Kapelle Youth Sector, fünf junge Männer, die sich dem Post-Punk verschrieben haben. Der Sinn für Ordnung ist ihnen qua Kinderstube offensichtlich auch nicht verloren gegangen, denn das Bandfoto ist nun wirklich vorbildlich arrangiert - ernste Posen, schön herausgeputzt, sogar ein Teppich war zur Hand. Respekt. Natürlich kontrastiert das bestens mit dem lässigen Sound der Band, zackige, laute Gitarren bestimmen das Bild, das gilt für beide Songs, die wir hier vorstellen wollen, "Run" ist schon ein paar Monate auf dem Markt, nun kommt "Renting Spaces In My World" hinzu.
Dead Slow Hoot: In Flammen
Der nächste Neuzugang kommt ebenfalls von der Insel und zwar aus dem Industrieort Sheffield: Der Sound von Dead Slow Hoot, dem Quartett um Sänger Hugo Lynch, ist vergleichsweise opulent und dramatisch, ein gewisses Pathos kann man den vier Herren nicht absprechen. Anfang des Jahres ist ihr Album "No Reunions" erschienen, die aktuelle Single "An Island Keen To Float" findet sich dort allerdings nicht. Bemerkenswert ist neben dem Stil vor allem das Video zum Song. Gedreht wurde unter Regie von Sam Nicoresti auf der sogenannten Bonfire Night im südenglischen Städtchen Lewes. Dort findet alljährlich ein Fackelumzug im Gedenken an die Hinrichtung des Widerständlers Guy Fawkes im Jahr 1605 statt, dessen Maske auch hierzulande (unter anderem aus dem Film "V wie Vendetta") ein Begriff ist - bunt kostümierte Gestalten ziehen mit brennenden Kreuzen durch den Ort, das Ganze wirkt sehr martialisch und erhält gerade in der heutigen Zeit einen neuen, bedrohlichen Kontext - der dunkel dräuende Sound der Band unterstützt dies zusätzlich.
TWEN: Jugendliebe
Das wollen wir dann doch nicht aussparen: Eine Band aus Nashville, deren Name und Logo sich auf die bekannte deutsche Jugendzeitschrift TWEN bezieht, das ist doch mal was. Ursprünglich begannen Jane Fitzsimmons und Ian Jones als Punks in Boston, heute fabrizieren sie ziemlich breitflächigen Gitarrenrock im Stile der 90er. Gerade haben die beiden den Termin für die Veröffentlichung ihres Debütalbums "Awestruck" für den 20. September bekanntgegeben, nachdem sie Anfang des Jahres bei Frenchkiss landeten. Die erste Single "Waste" stammt aus dem März, vor einem Monat folgte "Holy River" und nun gibt es mit "Damsel" Song Nummer drei, bei dem sie ihre Leidenschaft für Dirtbikes dokumentieren durften.
Freitag, 21. Juni 2019
Beak: Skurriler Trip
Für skurrile Videos sind Geoff Barrow, Billy Fuller und Will Young immer zu haben. Heute haben die drei Herren von Beak ihre fabelhafte EP "Live Goes On" in Gänze bei Invada Records veröffentlicht (wir hatten zwei Stücke hier schon vorgestellt) und quasi zur Feier des Tages gibt es für den Titeltrack nun ein Video des Regisseurs Alfredo Lopez zu sehen. Der Clip kommt als befremdlicher Trip maskenbewährter Gestalten daher, Feuer, Dochtaugen, dazu knirschende Psychrockgitarren - so ganz genau möchte man gar nicht wissen, was hier gespielt wird. Auch bei den beiden restlichen Songs bleibt sich das Trio treu, zum krautrockigen "Minus Pillow" gesellt sich "Allé Sauvage" vom letzten Album in einer etwas verkürzten Mario-Batkovic-Version.
Crumb: Strangeways here they come
Crumb
„Jinx“
(Crumb Records/Cargo)
Zugegeben, man fühlt sich nicht ganz so wohl bei der Wahl des Aufhängers. Aber weil ohne einen ordentlichen Einstieg ein Text ziemlich verloren wirkt, und weil die Band, von der wir hier reden, selbst auch sehr freimütig mit dem Thema umgeht, ist das wohl in Ordnung: Das Debütalbum „Jinx“ hätte es also in seiner jetzigen Form wohl nicht gegeben, wären Lila Ramani (Gitarre/Gesang), Brian Aronow (Keyboards/Saxophon), Jesse Brotter (Bass) und Jonathan Gilad (Drums) im vergangenen Jahr auf der Rückfahrt von ihrem Aufnahmestudio nicht gemeinsam mit dem Auto verunglückt. Nichts passiert außer ein paar Brüchen (und nachfolgenden Umplanungen resp. Konzertabsagen) – das sagt sich heute natürlich leicht. Die gemeinsame Erfahrung hat die vier als Band gehörig zusammengeschweißt und, wenn vielleicht nicht den Sound, so doch die Inhalte der Songs ihres Debütalbums entscheidend beeinflusst.
Dem Netzportal i-D haben sie jedenfalls erzählt, dass die plötzliche Erkenntnis, wie fragil das Leben in einer solchen Situation erscheint, seitdem eine große Rolle für ihre Arbeit gespielt hat und immer noch spielt, man denkt nicht mehr unbedingt im Großen, sondern lernt das Unmittelbare, den persönlichen Gegenüber zu schätzen. Die zehn Stücke des Debüts der New Yorker kommen denn auch eher als zarte, geheimnisvolle Gebilde daher, Jazz ist ein entscheidendes Stilmittel, Trip-Hop ebenso. Vieles erinnert hier an die Frühphase von Goldfrapps „Felt Mountain“ (die ja nach diversen Ausflügen unter die Discokugel auch wieder die Spätphase geworden ist), Crumb wollen nicht allzuviel allzuleicht von sich preisgeben, wirken eher kühl, distanziert, rätselhaft. Da paßt natürlich ihr Dreh mit Twin-Peaks-Star David Patrick Kelly für „Nina“ bestens ins Portfolio, der Schauspieler schleppt sich im Military-Kostüm durch den kargen Morast, während Ramani im Hause ihrer Familie wie eine Autistin durch die Zimmer schleicht oder schwebt – strangeways here they come. Keine Allerweltskost, die Crumb da verabreichen, läßt man sich auf die Musik ein, kann sie aber zu unerwarteten Glücksgefühlen führen.
19.08. Köln, Acephale
20.08. Düdingen, Café Bad Bonn
23.08. Storkow, Alinae Lumr
28.08. Hamburg, Hafenklang
„Jinx“
(Crumb Records/Cargo)
Zugegeben, man fühlt sich nicht ganz so wohl bei der Wahl des Aufhängers. Aber weil ohne einen ordentlichen Einstieg ein Text ziemlich verloren wirkt, und weil die Band, von der wir hier reden, selbst auch sehr freimütig mit dem Thema umgeht, ist das wohl in Ordnung: Das Debütalbum „Jinx“ hätte es also in seiner jetzigen Form wohl nicht gegeben, wären Lila Ramani (Gitarre/Gesang), Brian Aronow (Keyboards/Saxophon), Jesse Brotter (Bass) und Jonathan Gilad (Drums) im vergangenen Jahr auf der Rückfahrt von ihrem Aufnahmestudio nicht gemeinsam mit dem Auto verunglückt. Nichts passiert außer ein paar Brüchen (und nachfolgenden Umplanungen resp. Konzertabsagen) – das sagt sich heute natürlich leicht. Die gemeinsame Erfahrung hat die vier als Band gehörig zusammengeschweißt und, wenn vielleicht nicht den Sound, so doch die Inhalte der Songs ihres Debütalbums entscheidend beeinflusst.
Dem Netzportal i-D haben sie jedenfalls erzählt, dass die plötzliche Erkenntnis, wie fragil das Leben in einer solchen Situation erscheint, seitdem eine große Rolle für ihre Arbeit gespielt hat und immer noch spielt, man denkt nicht mehr unbedingt im Großen, sondern lernt das Unmittelbare, den persönlichen Gegenüber zu schätzen. Die zehn Stücke des Debüts der New Yorker kommen denn auch eher als zarte, geheimnisvolle Gebilde daher, Jazz ist ein entscheidendes Stilmittel, Trip-Hop ebenso. Vieles erinnert hier an die Frühphase von Goldfrapps „Felt Mountain“ (die ja nach diversen Ausflügen unter die Discokugel auch wieder die Spätphase geworden ist), Crumb wollen nicht allzuviel allzuleicht von sich preisgeben, wirken eher kühl, distanziert, rätselhaft. Da paßt natürlich ihr Dreh mit Twin-Peaks-Star David Patrick Kelly für „Nina“ bestens ins Portfolio, der Schauspieler schleppt sich im Military-Kostüm durch den kargen Morast, während Ramani im Hause ihrer Familie wie eine Autistin durch die Zimmer schleicht oder schwebt – strangeways here they come. Keine Allerweltskost, die Crumb da verabreichen, läßt man sich auf die Musik ein, kann sie aber zu unerwarteten Glücksgefühlen führen.
19.08. Köln, Acephale
20.08. Düdingen, Café Bad Bonn
23.08. Storkow, Alinae Lumr
28.08. Hamburg, Hafenklang
Stormzy: Die Krönung
Wer Grime sagt, muß auch Stormzy sagen. Der Mann mit ghanaischen Wurzeln aus dem Londoner Stadtteil Croydon gehört zum Grundinventar des Genres, 2017 veröffentlichte er sein Debütalbum "Gang Signs And Prayer" und schlug sich als einer der wenigen Musiker konsequent auf die Seite von Labour-Politiker Jeremy Corbyn. Im April dieses Jahres erschien mit "Vossi Bop" sein erster neuer Song, nun folgt die zweite Single "Crown" - die Meldung für ein weiteres Album ist er aber bislang schuldig geblieben.
Chk Chk Chk: Völlig losgelöst
Gerade erst haben wir von den Pop-Connoiseuren Metronomy geschrieben, da kommen ihre Brüder im Geiste mit ähnlich lautenden Nachrichten daher: Auch !!! (Chk Chk Chk), die drei Ausrufezeichen aus New York also, werden bald ein neues Album veröffentlichen - ihres heißt "Wallop" und folgt auf "Shake The Shudder" aus dem Jahr 2017. Die ersten beiden Tracks "UR Paranoid" und "Off The Grid" konnte das Publikum vor ein paar Wochen bestaunen, nun schicken sie einen weiteren namens "Serbia Drums" hinterher. Es ist anzunehmen, dass auch die aktuelle Platte wild und weird klingen wird, schließlich gab Sänger Nic Offer dem Label folgenden Kommentar mit auf den Weg: "Our process was to get loose and to get into uncharted territory" - na denn, freak out!
06.12. Berlin, Lido
07.12. Frankfurt, Zoom
06.12. Berlin, Lido
07.12. Frankfurt, Zoom
Donnerstag, 20. Juni 2019
Sharon Van Etten: Viele Gesichter [Update]
Sharon Van Etten
„Remind Me Tomorrow“
(Jagjaguwar)
Wenn es gut läuft im Leben, dann gelangt man mit zunehmendem Alter auch zu einem zunehmenden Horizont. Nun gut, es gibt auch gegenteilige Beispiele, wo sich mit den Jahren leider der Blick auf’s eigene Leben und das der anderen in einer Art endlosem Tunnel verengt und nicht mehr herausfindet – wir sehen verbitterte Zeitgenossen, die glauben, es werde alles wieder gut, wenn es so bleibt, wie es ist (finde den Fehler). Sei’s drum. Wo jedenfalls jugendlicher Ungestüm zunächst kaum mehr als ein Ziel kennt, verzweigt sich die Energie später auf vielerlei Weise, Menschen treffen Menschen, Menschen verlassen Orte und lernen neue kennen, Menschen gründen Familien – kurz: Menschen verändern sich. Ihnen dabei zuzusehen, zuzuhören, kann eine lohnende Erfahrung sein. Sharon Van Etten beispielsweise war zu Beginn ihrer Karriere eine überaus talentierte Singer/Songwriterin mit tollen Folksongs von zarter, zeitloser Schönheit. Geboren in New Jersey, wohnt sie mittlerweile in New York, ist Mutter eines Sohnes und nebenher um eine Vielzahl beruflicher Erfahrungen (Studentin, Schauspielerin, Designerin, Soundtrack-Produzentin) reicher.
Und legt nun ein Album vor, dem man diese Erfahrung, diese Veränderung anhört. War ihr Stil bislang vornehmlich vom Indierock geprägt, erscheint sie einem nun als Künstlerin mit vielen Gesichtern. Alles ist etwas dunkler gehalten als auf früheren Werken (auch das wohl eine Frage des Alters) und eine Reihe neuer Bezüge kommen einem in den Sinn, hört man sich die einzelnen Stücke auf „Remind Me Tomorrow“ an. Der stampfende Electrorock von „No One’s Easy To Love“ hat mit den Songs früherer Tage nicht mehr viel gemein, gefällt aber trotzdem. Auch das düstere Knirschen, die verschrobenen Riffs und wabernden, dronigen Synthsequenzen sind neu, Zola Jesus und Austra lassen bei „You Shadow“ und „Hands“ grüßen. Nicht unbedingt die Vorbilder, die man erwartet hatte, reizvoll sind sie trotzdem. John Congleton, dessen Name in den Credits mit zunehmender Häufigkeit auftaucht, war auch hier maßgeblich beteiligt – Van Etten hatte ihm unter anderem Nick Caves „Skeleton Tree“ mitgebracht, eine gewisse Nähe läßt sich durchaus erkennen.
Doch dabei bleibt es nicht. Die beiden Hitsingles des Albums „Comeback Kid“ und „Seventeen“ kommen als handfeste Hardrocknummern daher, Vergleiche mit Lucinda Williams und Bruce Springsteen drängen sich auf. Das hat auch inhaltliche Gründe, schließlich besingt Van Etten hier die Erinnerungen an ihre bewegte Kinder- und Jugendzeit, geht es um Freiheit, Sehnsucht, Heimat, alles Begriffe aus dem Stammbuch amerikanischer Songschreiber. Zunächst das Fortlaufen und die Rückkehr, der Wagemut der Kinder und die Ängste der Eltern, später betrachtet sie mit Wehmut ihr junges „Ich“ und spürt den Zeiten nach, da sie noch wild und ohne Furcht dem Leben ins Gesicht gelacht hat. Natürlich klingt das heute anders: “There is a tear welling up in the back of my eye as I’m singing these love songs,” schreibt sie in den Linernotes, “I am trying to be positive. There is strength to them. It’s - I wouldn’t say it’s a mask, but it’s what the parents have to do to make their kid feel safe.” Wer’s erlebt (hat), wird’s verstehen – eine gute, eine lebenskluge Platte. https://www.sharonvanetten.com/
02.04. Köln, Luxor
03.04. München, Strom
05.04. Berlin, Lido
06.04. Hamburg, Gruenspan
Update: Einer der besten Songs des Albums hat nun auch ein Video - der Clip zu "No One's Easy To Love" stammt von Katherine Dieckmann und wurde in brutalistischer Kulisse am Empire State Plaza in Albany, New York, gedreht.
„Remind Me Tomorrow“
(Jagjaguwar)
Wenn es gut läuft im Leben, dann gelangt man mit zunehmendem Alter auch zu einem zunehmenden Horizont. Nun gut, es gibt auch gegenteilige Beispiele, wo sich mit den Jahren leider der Blick auf’s eigene Leben und das der anderen in einer Art endlosem Tunnel verengt und nicht mehr herausfindet – wir sehen verbitterte Zeitgenossen, die glauben, es werde alles wieder gut, wenn es so bleibt, wie es ist (finde den Fehler). Sei’s drum. Wo jedenfalls jugendlicher Ungestüm zunächst kaum mehr als ein Ziel kennt, verzweigt sich die Energie später auf vielerlei Weise, Menschen treffen Menschen, Menschen verlassen Orte und lernen neue kennen, Menschen gründen Familien – kurz: Menschen verändern sich. Ihnen dabei zuzusehen, zuzuhören, kann eine lohnende Erfahrung sein. Sharon Van Etten beispielsweise war zu Beginn ihrer Karriere eine überaus talentierte Singer/Songwriterin mit tollen Folksongs von zarter, zeitloser Schönheit. Geboren in New Jersey, wohnt sie mittlerweile in New York, ist Mutter eines Sohnes und nebenher um eine Vielzahl beruflicher Erfahrungen (Studentin, Schauspielerin, Designerin, Soundtrack-Produzentin) reicher.
Und legt nun ein Album vor, dem man diese Erfahrung, diese Veränderung anhört. War ihr Stil bislang vornehmlich vom Indierock geprägt, erscheint sie einem nun als Künstlerin mit vielen Gesichtern. Alles ist etwas dunkler gehalten als auf früheren Werken (auch das wohl eine Frage des Alters) und eine Reihe neuer Bezüge kommen einem in den Sinn, hört man sich die einzelnen Stücke auf „Remind Me Tomorrow“ an. Der stampfende Electrorock von „No One’s Easy To Love“ hat mit den Songs früherer Tage nicht mehr viel gemein, gefällt aber trotzdem. Auch das düstere Knirschen, die verschrobenen Riffs und wabernden, dronigen Synthsequenzen sind neu, Zola Jesus und Austra lassen bei „You Shadow“ und „Hands“ grüßen. Nicht unbedingt die Vorbilder, die man erwartet hatte, reizvoll sind sie trotzdem. John Congleton, dessen Name in den Credits mit zunehmender Häufigkeit auftaucht, war auch hier maßgeblich beteiligt – Van Etten hatte ihm unter anderem Nick Caves „Skeleton Tree“ mitgebracht, eine gewisse Nähe läßt sich durchaus erkennen.
Doch dabei bleibt es nicht. Die beiden Hitsingles des Albums „Comeback Kid“ und „Seventeen“ kommen als handfeste Hardrocknummern daher, Vergleiche mit Lucinda Williams und Bruce Springsteen drängen sich auf. Das hat auch inhaltliche Gründe, schließlich besingt Van Etten hier die Erinnerungen an ihre bewegte Kinder- und Jugendzeit, geht es um Freiheit, Sehnsucht, Heimat, alles Begriffe aus dem Stammbuch amerikanischer Songschreiber. Zunächst das Fortlaufen und die Rückkehr, der Wagemut der Kinder und die Ängste der Eltern, später betrachtet sie mit Wehmut ihr junges „Ich“ und spürt den Zeiten nach, da sie noch wild und ohne Furcht dem Leben ins Gesicht gelacht hat. Natürlich klingt das heute anders: “There is a tear welling up in the back of my eye as I’m singing these love songs,” schreibt sie in den Linernotes, “I am trying to be positive. There is strength to them. It’s - I wouldn’t say it’s a mask, but it’s what the parents have to do to make their kid feel safe.” Wer’s erlebt (hat), wird’s verstehen – eine gute, eine lebenskluge Platte. https://www.sharonvanetten.com/
02.04. Köln, Luxor
03.04. München, Strom
05.04. Berlin, Lido
06.04. Hamburg, Gruenspan
Update: Einer der besten Songs des Albums hat nun auch ein Video - der Clip zu "No One's Easy To Love" stammt von Katherine Dieckmann und wurde in brutalistischer Kulisse am Empire State Plaza in Albany, New York, gedreht.
Spoon: Best of Lebensrettung
Komisch, noch gar nicht Weihnachten, mag sich der oder die eine oder andere denken - und doch schon ein Best-Of? Nun gut, von dieser Band war nichts anderes zu erwarten, Spoon haben schon immer eine Außenseiterrolle innegehabt. Obwohl sie ja genau das sind, was wir (oder einige wenige?) seit geraumer Zeit vermissen: eine waschechte Rockband. Vor sechsundzwanzig Jahren haben die Jungs aus Austin damit angefangen, ein dem Vergessen geweihtes Genre zu retten und auch wenn Britt Daniel und Kollegen zwischendurch ein paar Ausflüge in Richtung Pop und Soul zu verbuchen haben - sie tun dies noch immer. Keine schlechte Platte ist von dem Quintett verzeichnet, haufenweise Gassenhauer sehr wohl, auch ihr letztes Album "Hot Thoughts" hatte einige davon zu bieten. Nun haben sie sich also für einen Überblick ihres Schaffens entschieden, eine neue Single namens "No Bullets Spent" dazu im Gepäck. Natürlich kann kein Tonträger das ganze Spektrum fassen, dreizehn Stücke sind auf der Standardversion vertreten und man darf davon ausgehen, dass nicht jeder seinen Liebling finden wird - "Got Nuffin'" ja, "Don't Make Me A Target" nein, usw., so isses nun mal. Na, wer die Band liebt, hat ohnehin alles im Schrank stehen (oder in der Wolke hängen, je nach Belieben). Die Platte mit dem Titel "Everything Hits At Once" kommt übrigens am 26. Juli.
Mittwoch, 19. Juni 2019
Octavian: Hype mit Abstrichen
Octavian
„Endorphins“
(Black Butter Records)
Größenwahn hin oder her, den Namen hat er dann doch seinen Eltern zu verdanken. Und aus London stammt er, auch wenn es wunderbar zum aktuellen Hype passen würde, ebenfalls nicht. Geboren wurde Octavian Oliver Godji im französischen Lille, mit dem Tod seines Vaters hat er das Land (heute wissen wir: den Kontinent) gewechselt, seiner Blitzkarriere hat all das aber keinen Abbruch getan. Another Partner in Grime also, und doch ist so manches anders im Vergleich zu den bisherigen Apologeten des gefeierten Genres. Das meint nicht den Umstand, dass wir bei „Endorphins“ von einem Mixtape und nicht von einem Album im klassischen Sinne reden – diesen Begrifflichkeiten darf man getrost in der „alten Welt“ belassen, im Hip-Hop spielen sie schon lange keine große Rolle mehr, sind die Unterschiede fließend bis unbedeutend. Im Gegensatz zu Künstlern/innen wie Dave Santan, Skepta, Stormzy, Slowthai oder Little Simz ist Octavian wohl derjenige, der sich stilistisch am weitesten vom üblichen Soundmuster entfernt.
Der Start seiner zweiten Kompilation beginnt deep und soulig mit einer Art Gospelchor, später legt er seine markante Raspelstimme gern auch über House, Drill (die abgebremste Mischung aus Grime und Trap) und Dancehall, probiert sich für „No Weakness“ am Synthpop, bei „Feel It“ gar an astreinem 90er-Jahre-Dancefloor (naja, zumindest in Teilen). Das macht Spaß und sorgt für Abwechslung – Tracks wie „Bet“, „Take It Easy“, „My Head“ oder „Lit“ bedienen die eingeschworene Stammkundschaft ohnehin zur Genüge. Klare politische Bezüge, auch das eine Besonderheit, sucht man auf „Endorphins“ vergeblich, die Songs sind eher als handelsüblich derbe Variation des Boy-meets-Girl-Themas feat. Money plus Crime plus Drugs angelegt und kommen leider (auch visuell) nicht ohne sexistischen Kram aus. Erwähnen sollte man noch, dass der junge Mann eine erstaunlich prominent besetzte Gästeliste vorweisen kann, neben Skepta, ABRA, A$AP Ferg tummeln sich dort auch Theophilus London und Jessie Ware. Musikalisch in jedem Falle eine Bereicherung der aktuellen Szenerie, inhaltlich nicht unbedingt ein Schritt nach vorn.
„Endorphins“
(Black Butter Records)
Größenwahn hin oder her, den Namen hat er dann doch seinen Eltern zu verdanken. Und aus London stammt er, auch wenn es wunderbar zum aktuellen Hype passen würde, ebenfalls nicht. Geboren wurde Octavian Oliver Godji im französischen Lille, mit dem Tod seines Vaters hat er das Land (heute wissen wir: den Kontinent) gewechselt, seiner Blitzkarriere hat all das aber keinen Abbruch getan. Another Partner in Grime also, und doch ist so manches anders im Vergleich zu den bisherigen Apologeten des gefeierten Genres. Das meint nicht den Umstand, dass wir bei „Endorphins“ von einem Mixtape und nicht von einem Album im klassischen Sinne reden – diesen Begrifflichkeiten darf man getrost in der „alten Welt“ belassen, im Hip-Hop spielen sie schon lange keine große Rolle mehr, sind die Unterschiede fließend bis unbedeutend. Im Gegensatz zu Künstlern/innen wie Dave Santan, Skepta, Stormzy, Slowthai oder Little Simz ist Octavian wohl derjenige, der sich stilistisch am weitesten vom üblichen Soundmuster entfernt.
Der Start seiner zweiten Kompilation beginnt deep und soulig mit einer Art Gospelchor, später legt er seine markante Raspelstimme gern auch über House, Drill (die abgebremste Mischung aus Grime und Trap) und Dancehall, probiert sich für „No Weakness“ am Synthpop, bei „Feel It“ gar an astreinem 90er-Jahre-Dancefloor (naja, zumindest in Teilen). Das macht Spaß und sorgt für Abwechslung – Tracks wie „Bet“, „Take It Easy“, „My Head“ oder „Lit“ bedienen die eingeschworene Stammkundschaft ohnehin zur Genüge. Klare politische Bezüge, auch das eine Besonderheit, sucht man auf „Endorphins“ vergeblich, die Songs sind eher als handelsüblich derbe Variation des Boy-meets-Girl-Themas feat. Money plus Crime plus Drugs angelegt und kommen leider (auch visuell) nicht ohne sexistischen Kram aus. Erwähnen sollte man noch, dass der junge Mann eine erstaunlich prominent besetzte Gästeliste vorweisen kann, neben Skepta, ABRA, A$AP Ferg tummeln sich dort auch Theophilus London und Jessie Ware. Musikalisch in jedem Falle eine Bereicherung der aktuellen Szenerie, inhaltlich nicht unbedingt ein Schritt nach vorn.
Fontaines D.C.: Bemerkenswert frühreif [Update]
Fontaines D.C.
„Dogrel“
(Partisan Records)
Betrachtet man das Große und Ganze, ist das natürlich nur eine Randnotiz, aber man kommt nicht umhin festzustellen: Den Briten geht es momentan an allen Ecken ziemlich nass rein. Da schüttelt alle Welt den Kopf über ihr (die einen sagen unterhaltsames, die anderen behaupten würdeloses) Gezeter und Gezerre zum EU-Austritt, zu anderen gesellschaftlichen Themen werden sie gleich gar nicht mehr wahrgenommen. Und dann tritt plötzlich eine Band wie die Fontaines D.C. auf den Plan und liefert ein furioses Debüt ab, das so urbritisch wie nur irgendwas klingt und die besten Erinnerungen an längst vergangenen Ruhm weckt, an die Libertines, an Oasis und Maximo Park. Und woher kommen sie? Aus Dublin! Also mehr Demütigung geht nicht. Und wie sie kommen! Man kann sich wirklich auf lange Zeit an keine Band mehr erinnern, die aus dem Stand mit einem derartigen Punch aufgeschlagen ist, die ein solch komplettes Album abgeliefert hat.
Dass solches zu erwarten war, ließ sich in den Jahren zuvor schon erahnen: Gleich am Anfang, also im Sommer 2017, stand mit „Liberty Bell“ ein Song, der unter den vielen erstklassigen von „Dogrel“ auch heute noch herausragt – das Schlagwerk von Tom Coll ein lautes Rumpeln, die Gitarren wild und remarkable, Grian Chattens Gesang (mit Rrrroten-R) genervt bis lässig, was für ein Statement. Wäre es dabei geblieben – gut gebrüllt, thank u next. Aber es ging auf beachtlichem Niveau weiter, im selben Jahr noch ein krachendes „Hurricane Laughter“, Monate darauf das nächste Songpärchen, mit dem Geschrammel von „Chequeless, Reckless“ und „Boys In The Better Land“ hätten Carlos O’Connell und Conor Curley mühelos auch bei Wedding Present einsteigen können. „Too Real“ hieß dann der letzte Killer, den die sechs im November 18 von der Kette ließen, spätestens jetzt war klar, dass die Iren nicht vorhatten, das Schicksal von Eintagsfliegen zu teilen.
Das Album ein Hit-Sampler, kein Spannungsabfall herauszuhören. Und auch die Attitüde stimmt, die Stücke stecken voller bissiger Kommentare zu Kindheit und Jugend in der Heimatstadt: „Dublin in the rain is mine, a pregnant city with a catholic mind“ heißt es gleich zu Beginn, später dann „… you work for money and the rest you steal, like an old tattoo I feel“ („Sha Sha Sha“). Nicht die besten Voraussetzungen für eine steile Karriere also, aber weil es weder an Überlebenswillen, Leidenschaft noch einer gehörigen Portion Sarkasmus fehlt, träumt man trotzdem von einer besseren Zukunft: „My childhood was small, but I’m gonna be big“. Viel mehr Worte muss man über diese Platte eigentlich nicht verlieren, wer die Energie und die Entschlossenheit nicht spürt, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Vielleicht noch eine Empfehlung zur laufenden Tour (die Fontaines sind gerade mit den Idles unterwegs und kommen im Herbst noch einmal kurz nach Deutschland) – lieber gleich anschauen, denn was größer wird, wird selten besser.
04.11. Köln, Gebäude 9
Update: Nachgeliefert zu einem wunderbaren Album - das Video zu "Sha Sha Sha" ist nun auch online.
„Dogrel“
(Partisan Records)
Betrachtet man das Große und Ganze, ist das natürlich nur eine Randnotiz, aber man kommt nicht umhin festzustellen: Den Briten geht es momentan an allen Ecken ziemlich nass rein. Da schüttelt alle Welt den Kopf über ihr (die einen sagen unterhaltsames, die anderen behaupten würdeloses) Gezeter und Gezerre zum EU-Austritt, zu anderen gesellschaftlichen Themen werden sie gleich gar nicht mehr wahrgenommen. Und dann tritt plötzlich eine Band wie die Fontaines D.C. auf den Plan und liefert ein furioses Debüt ab, das so urbritisch wie nur irgendwas klingt und die besten Erinnerungen an längst vergangenen Ruhm weckt, an die Libertines, an Oasis und Maximo Park. Und woher kommen sie? Aus Dublin! Also mehr Demütigung geht nicht. Und wie sie kommen! Man kann sich wirklich auf lange Zeit an keine Band mehr erinnern, die aus dem Stand mit einem derartigen Punch aufgeschlagen ist, die ein solch komplettes Album abgeliefert hat.
Dass solches zu erwarten war, ließ sich in den Jahren zuvor schon erahnen: Gleich am Anfang, also im Sommer 2017, stand mit „Liberty Bell“ ein Song, der unter den vielen erstklassigen von „Dogrel“ auch heute noch herausragt – das Schlagwerk von Tom Coll ein lautes Rumpeln, die Gitarren wild und remarkable, Grian Chattens Gesang (mit Rrrroten-R) genervt bis lässig, was für ein Statement. Wäre es dabei geblieben – gut gebrüllt, thank u next. Aber es ging auf beachtlichem Niveau weiter, im selben Jahr noch ein krachendes „Hurricane Laughter“, Monate darauf das nächste Songpärchen, mit dem Geschrammel von „Chequeless, Reckless“ und „Boys In The Better Land“ hätten Carlos O’Connell und Conor Curley mühelos auch bei Wedding Present einsteigen können. „Too Real“ hieß dann der letzte Killer, den die sechs im November 18 von der Kette ließen, spätestens jetzt war klar, dass die Iren nicht vorhatten, das Schicksal von Eintagsfliegen zu teilen.
Das Album ein Hit-Sampler, kein Spannungsabfall herauszuhören. Und auch die Attitüde stimmt, die Stücke stecken voller bissiger Kommentare zu Kindheit und Jugend in der Heimatstadt: „Dublin in the rain is mine, a pregnant city with a catholic mind“ heißt es gleich zu Beginn, später dann „… you work for money and the rest you steal, like an old tattoo I feel“ („Sha Sha Sha“). Nicht die besten Voraussetzungen für eine steile Karriere also, aber weil es weder an Überlebenswillen, Leidenschaft noch einer gehörigen Portion Sarkasmus fehlt, träumt man trotzdem von einer besseren Zukunft: „My childhood was small, but I’m gonna be big“. Viel mehr Worte muss man über diese Platte eigentlich nicht verlieren, wer die Energie und die Entschlossenheit nicht spürt, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Vielleicht noch eine Empfehlung zur laufenden Tour (die Fontaines sind gerade mit den Idles unterwegs und kommen im Herbst noch einmal kurz nach Deutschland) – lieber gleich anschauen, denn was größer wird, wird selten besser.
04.11. Köln, Gebäude 9
Update: Nachgeliefert zu einem wunderbaren Album - das Video zu "Sha Sha Sha" ist nun auch online.
Dienstag, 18. Juni 2019
Steve Gunn: Folk in Fortsetzung
Den facettenreichen Folk dieses Herrn, der sich auch mal ein paar härtere Töne traut, haben wir zu Beginn dieses Jahres ausführlich gelobt, da nämlich ist "The Unseen In Between", das aktuelle Album von Steve Gunn, erschienen. Nun, da er im Sommer auf Tour geht, veröffentlicht er mit "Be Still Moon/Shrunken Heads" eine Doppel-A-Single, die wir hier gern teilen möchten, für die Bühnendaten gilt das ohnehin.
08.09. Frankfurt, Brotfabrik
09.09. Köln, Bumann und Sohn
10.09. Berlin, Lido
11.09. Jena, Trafo
12.09. Oberhausen, Druckluft
08.09. Frankfurt, Brotfabrik
09.09. Köln, Bumann und Sohn
10.09. Berlin, Lido
11.09. Jena, Trafo
12.09. Oberhausen, Druckluft
Montag, 17. Juni 2019
Bruce Springsteen: Blick in den Rückspiegel
Bruce Springsteen
„Western Stars“
(Smi Col/Sony)
Kaum eine Kritik, die man dieser Tage über das neue Album von Bruce Springsteen lesen kann, kommt ohne Bezug auf seine Memoiren „Born To Run“ aus, die vor knapp drei Jahren auf Deutsch erschienen sind. Wieso auch, liefern sie doch die ausführlichste und belastbarste (weil aus erster Hand) Gebrauchsanweisung für den knapp siebzigjährigen Altrocker, die selbst dann Freude beim Lesen bereitet, wenn man mit der Musik des Mannes nicht uneingeschränkt kann. Ähnliches gilt im Übrigen für die Bühnen-Performance, die Springsteen für ein komplettes Jahr am Broadway zur Aufführung brachte und die ihn nicht nur als einfühlsamen Songschreiber und -interpreten zeigte, sondern auch sein Talent für humorvolles Entertainment ins Scheinwerferlicht rückte und zudem eine Eigenschaft unterstrich, die ihn derzeit in seinem Heimatland zu einer so seltenen wie wichtigen Person macht – die eines politisch klugen, feinfühlig patriotischen und empathischen Mitmenschen.
Das Buch, wie gesagt, hilft auch bei der Rezeption der neuerlichen Soloplatte. Man liest dort, dass der leidenschaftliche Soulpunk (Eigenauskunft) und Stadionrocker mit zunehmendem Alter auch zunehmend Lust auf deutlich abgespeckte, akkustische Darbietungen bekommt, „Nebraska“ war der Anfang, „Tom Joad“ die logische Fortsetzung und auch „Western Sky“ läßt sich in diese Reihe einordnen. Wir wissen außerdem, dass er mit seinen Songs hadert, kämpft, nicht selten sehr lange Zeit braucht, um sich mit ihnen zu arrangieren, sie für sich selbst anzunehmen. Wie lange er hier hat ringen müssen, ist nicht bekannt, ein, zwei Stücke sind dabei, bei denen man als Zuhörer zumindest etwas braucht, um sie im Springsteen-Kosmos zu verorten. Der Großteil wird von Personal bevölkert, dass sich gut in die Mischung aus behutsam instrumentiertem Country, Folk und Blues einfügt, sympathische Loser und Zweifler, alternde Helden, genügsame Überlebenskünstler.
Hier wird ein Bild von Amerika und seinem stets übergroßen Traum heraufbeschworen, das so wehmütig wie melancholisch ist, ein Amerika, dass sich lieber mit der Rückschau auf glorreiche Zeiten befaßt, weil der Blick in die Zukunft ratlos oder sogar ängstlich macht. Tramper („Hitch Hikin‘“), Wanderer („The Wayfarer“), ein Stuntman mit mehr Metall am Leib als Knochen („Drive Fast“), vergessene Schauspielgrößen, von denen nurmehr die Kreditkartenwerbung in Erinnerung ist („Western Stars“), Zurückgewiesene, Zurückgelassene, Enttäuschte, Einsame. Springsteen war vieles davon selbst schon, er hat Jahrzehnte mit seinen Dämonen gekämpft und tut es noch – auch wenn es ihm jetzt wohl bessergeht, weiß er sehr wohl, wovon er da singt.
Das hört sich gut an, das geht noch immer unter die Haut. All jene, die mit dem breitbeinigen Muscle-Posing des Bosses auch musikalisch so ihre Probleme haben, werden die aktuellen Songs lieben. Viel Sanftmut, viel Versöhnlichkeit ist da unterwegs, Cello, Violine (besonders schön bei „Stones“), Barpiano, Bläsersätze, die Stimme manchmal schon etwas brüchig, er weiß seine Stärken dennoch auszuspielen. Das gilt natürlich auch für den Swing, den Twang und den Shuffle, die in gebremster Version bei „Tucson Train“ und „Sleepy Joe’s Café“ vorbeischauen dürfen als Zugeständnisse an frühere Tage. Etwas fremdeln tut manche/r dann eher mit dem Crooner Springsteen, der für „Sundown“ oder „There Goes My Miracle“ die Drummachine bemüht und den Sound allzu strikt glättet. Allzuviele Sorgen muß man sich allerdings kaum machen, dem Vernehmen nach ist eine Albumsession mit den Buddies von der E-Street schon in Planung – „I woke up this morning, just glad my boots are on.“ https://brucespringsteen.net/
„Western Stars“
(Smi Col/Sony)
Kaum eine Kritik, die man dieser Tage über das neue Album von Bruce Springsteen lesen kann, kommt ohne Bezug auf seine Memoiren „Born To Run“ aus, die vor knapp drei Jahren auf Deutsch erschienen sind. Wieso auch, liefern sie doch die ausführlichste und belastbarste (weil aus erster Hand) Gebrauchsanweisung für den knapp siebzigjährigen Altrocker, die selbst dann Freude beim Lesen bereitet, wenn man mit der Musik des Mannes nicht uneingeschränkt kann. Ähnliches gilt im Übrigen für die Bühnen-Performance, die Springsteen für ein komplettes Jahr am Broadway zur Aufführung brachte und die ihn nicht nur als einfühlsamen Songschreiber und -interpreten zeigte, sondern auch sein Talent für humorvolles Entertainment ins Scheinwerferlicht rückte und zudem eine Eigenschaft unterstrich, die ihn derzeit in seinem Heimatland zu einer so seltenen wie wichtigen Person macht – die eines politisch klugen, feinfühlig patriotischen und empathischen Mitmenschen.
Das Buch, wie gesagt, hilft auch bei der Rezeption der neuerlichen Soloplatte. Man liest dort, dass der leidenschaftliche Soulpunk (Eigenauskunft) und Stadionrocker mit zunehmendem Alter auch zunehmend Lust auf deutlich abgespeckte, akkustische Darbietungen bekommt, „Nebraska“ war der Anfang, „Tom Joad“ die logische Fortsetzung und auch „Western Sky“ läßt sich in diese Reihe einordnen. Wir wissen außerdem, dass er mit seinen Songs hadert, kämpft, nicht selten sehr lange Zeit braucht, um sich mit ihnen zu arrangieren, sie für sich selbst anzunehmen. Wie lange er hier hat ringen müssen, ist nicht bekannt, ein, zwei Stücke sind dabei, bei denen man als Zuhörer zumindest etwas braucht, um sie im Springsteen-Kosmos zu verorten. Der Großteil wird von Personal bevölkert, dass sich gut in die Mischung aus behutsam instrumentiertem Country, Folk und Blues einfügt, sympathische Loser und Zweifler, alternde Helden, genügsame Überlebenskünstler.
Hier wird ein Bild von Amerika und seinem stets übergroßen Traum heraufbeschworen, das so wehmütig wie melancholisch ist, ein Amerika, dass sich lieber mit der Rückschau auf glorreiche Zeiten befaßt, weil der Blick in die Zukunft ratlos oder sogar ängstlich macht. Tramper („Hitch Hikin‘“), Wanderer („The Wayfarer“), ein Stuntman mit mehr Metall am Leib als Knochen („Drive Fast“), vergessene Schauspielgrößen, von denen nurmehr die Kreditkartenwerbung in Erinnerung ist („Western Stars“), Zurückgewiesene, Zurückgelassene, Enttäuschte, Einsame. Springsteen war vieles davon selbst schon, er hat Jahrzehnte mit seinen Dämonen gekämpft und tut es noch – auch wenn es ihm jetzt wohl bessergeht, weiß er sehr wohl, wovon er da singt.
Das hört sich gut an, das geht noch immer unter die Haut. All jene, die mit dem breitbeinigen Muscle-Posing des Bosses auch musikalisch so ihre Probleme haben, werden die aktuellen Songs lieben. Viel Sanftmut, viel Versöhnlichkeit ist da unterwegs, Cello, Violine (besonders schön bei „Stones“), Barpiano, Bläsersätze, die Stimme manchmal schon etwas brüchig, er weiß seine Stärken dennoch auszuspielen. Das gilt natürlich auch für den Swing, den Twang und den Shuffle, die in gebremster Version bei „Tucson Train“ und „Sleepy Joe’s Café“ vorbeischauen dürfen als Zugeständnisse an frühere Tage. Etwas fremdeln tut manche/r dann eher mit dem Crooner Springsteen, der für „Sundown“ oder „There Goes My Miracle“ die Drummachine bemüht und den Sound allzu strikt glättet. Allzuviele Sorgen muß man sich allerdings kaum machen, dem Vernehmen nach ist eine Albumsession mit den Buddies von der E-Street schon in Planung – „I woke up this morning, just glad my boots are on.“ https://brucespringsteen.net/
Sonntag, 16. Juni 2019
Arlo Parks: Noch immer unschlagbar
Wenn die Rede auf das Label Beatnik Creative und Arlo Parks kommt, ist Aufmerksamkeit angeraten. Die junge Londonerin hat im April mit ihrer EP "Super Sad Generation" für einiges Aufsehen und Lobeshymnen gesorgt, nun kommt mit dem Track "George" ein neuer Song - lässige Beats, warmes Timbre, funkiges Gitarrensolo, viel besser geht es noch immer nicht. Das Video stammt von Molly Burdett, die Clubtermine können wir nur wärmstens ans Herz legen.
21.09. Hamburg, Reeperbahn
28.09. Hamburg, Mojo Club
29.09. Berlin, Columbia Theater
30.09. Köln, CBE
21.09. Hamburg, Reeperbahn
28.09. Hamburg, Mojo Club
29.09. Berlin, Columbia Theater
30.09. Köln, CBE
Freitag, 14. Juni 2019
Little Simz: Reichlich Nacharbeit
Wem dieser Name nicht geläufig ist, der hat wahrscheinlich gleich mal ein ganzes Genre verpasst: Die junge Londonerin Little Simz gilt als eine der großen Hoffnungen des Grime, im Frühjahr hat sie mit "Grey Area" eine der verheißungsvollsten Platten zum Thema herausgebracht. Doch selbst, wem das jetzt noch nicht geläufig war, hat noch Zeit, entsprechend nachzuarbeiten. Denn gerade ist das Video zur Single "101FM"erschienen, begleitet von einem Dub-Rework von Toddla T plus Gasteinsatz Spragga Benz. Hinzu kommen vier herbstliche Clubtermine, es gibt jetzt also wirklich keine Ausreden mehr.
Joy Division: Feierliche Zweitverwertung
Nein, die Qualität und die Ausnahmestellung dieser Platte steht hier nicht zur Disposition. Man darf darüber diskutieren, auf welcher Position man "Unknown Pleasures", das Debütalbum von Joy Division, in die All-Time-Favourites einsortiert (bei MPMBL ist es Platz 5), daß es unter den ersten zehn Platten zu finden sein sollten, ist eher unstrittig. Diskutabel ist eher die Idee der verbliebenen Band, das 40-jährige Jubiläum des Jahrhundertwerkesaus dem Jahr 1979 mit einer Videocompilation zu feiern - jeder Song mit einem neuen Clip von ausgewählten Regisseuren. Der offizielle Name des Projektes lautet "Unknown Pleasures: Reimagined", den Anfang machen heute die Isländer Helgi And Hörður zu "I Remember Nothing". Es folgen weiter Arbeiten u.a. von Stephen Morris, Matt Everitt, Orian Williams (einem der Produzenten des Biopics "Control" von Anton Corbijn), Feargal Ward und Adrian Duncan, flankiert wird die Aktion von einem weißverpackten Reissue des Albums auf rotem 180-g-Vinyl.
Sleater-Kinney: Im Zentrum des Chaos [Update]
Preschen wir doch schon mal vor, weil das Foto so gut ist: Die Nachricht, dass Sleater-Kinney ein neues Album fertig haben und dessen Veröffentlichung für die nächste Zeit planen, steht ja schon geraume Zeit im Raum, nun gibt es zum Website-Relaunch mit den Schlagworten "Unfuckable. Unlovable. Unlistenable" auch noch ein paar via Reddit geleakte Infos, die wir nicht vorenthalten wollen - die Platte soll angeblich "The Center Won't Hold" heißen, die erste Single wiederum ist mit "Hurry On Home" schon gefixt und ein kurzes Statement von Carrie Brownstein zur VÖ gibt es auch schon: "We’re always mixing the personal and the political but on this record, despite obviously thinking so much about politics, we were really thinking about the person — ourselves or versions of ourselves or iterations of depression or loneliness - in the middle of the chaos." Wir können's kaum erwarten.
Update: Faktencheck zum neuen Album - "The Center Won't Hold" (Coverart unten) soll am 16. August erscheinen und wurde von Annie Clark aka. St. Vincent produziert. Die zweite Single nennt sich "The Future Is Here" und kommt heute mit Lyric-Video, darüberhinaus stehen für das nächste Jahr die ersten beiden deutschen Konzerttermine fest.
18.02. Berlin, Astra
22.02. Frankfurt, Batschkapp
Update: Faktencheck zum neuen Album - "The Center Won't Hold" (Coverart unten) soll am 16. August erscheinen und wurde von Annie Clark aka. St. Vincent produziert. Die zweite Single nennt sich "The Future Is Here" und kommt heute mit Lyric-Video, darüberhinaus stehen für das nächste Jahr die ersten beiden deutschen Konzerttermine fest.
18.02. Berlin, Astra
22.02. Frankfurt, Batschkapp
Donnerstag, 13. Juni 2019
Skepta: Darüberhinaus
Skepta
„Ignorance Is Bliss“
(Boy Better Know)
Da hat sich dann schon etwas geändert: Nicht nur, aber gerade im Hip-Hop bestimmt der Markt offenbar mehr und mehr die Vorherrschaft – vorbei die Zeiten, da mehrere Stile und Subgenres zur gleichen Zeit erfolgreich sein konnten, sich jede und jeder ausprobieren durfte, mit der gleichen Chance, gehört zu werden. War gestern Trap das große Ding, hörte man nur noch diesen, weil heute Grime in der Gunst ganz oben steht, werden andere Sachen ausgeblendet. Wer da nicht mitmischt, wird auch nicht wahrgenommen. Möglicherweise lernen wir hier gerade schmerzlich das Diktat der algorithmenbasierenden Playlisten für Stream und Radio kennen, die Außenseiter nicht dulden, sondern nur noch am Mainstream entlang optimieren. Nichts, worüber sich Joseph Junior Adenuga aka. Skepta jetzt den Kopf zerbrechen müßte, schließlich reden wir hier von einem der dienstältesten Grime-Stars der britischen Insel und noch dazu von einem der wenigen, der als Europäer (ähem…) selbst in der Wahlheimat des Rap, den USA, seine Credibility sicher hat.
Sein aktuell fünftes Album ist denn auch in der derzeitigen Vielzahl an Neuveröffentlichungen eine feste, verlässliche Größe (mit dem Vorgänger „Konnichiwa“ hatte er übrigens 2016 den renommierten Mercury Prize gewonnen), giftige Punchlines, dronige Synthloops, knackige Beats und reichlich heimisches Gastpersonal wie J Hus, Nafe Smallz, Lancey Foux und Wizkid. Thematisch sind wir natürlich bei allem, was England gerade durchlebt, -kämpft und auch -leidet, es geht um gesellschaftliche Abgründe, um den immerwährenden Kreislauf aus „sex, money, murder“, der vielen keine Chance läßt und den er, behauptet Skepta im titelgebenden Track „Going Trough It“, schon überwunden hat. Ebenso oft allerdings haben auf dem Album neben dem politischen Frust aber auch zwischenmenschliche Themen Platz, Stücke wie „Love Me Not“ oder „Same Old Story“ sind beste Beispiele dafür. Die größte Kunst – wenn man es denn will – ist es vielleicht, sich aus den dreizehn Songs den Favoriten zu suchen, heißeste Empfehlung von uns jedenfalls „No Sleep“ mit dem Maschinenmusik-Intro aus Depeche Modes Großzeiten Anfang bis Mitte der Achtziger. Da gelingt dem Mann eine wirklich beachtliche, generationsverbindende Schleife, Folge: Bonuspunkt.
21.07. Gräfenhainichen, Melt Festival
„Ignorance Is Bliss“
(Boy Better Know)
Da hat sich dann schon etwas geändert: Nicht nur, aber gerade im Hip-Hop bestimmt der Markt offenbar mehr und mehr die Vorherrschaft – vorbei die Zeiten, da mehrere Stile und Subgenres zur gleichen Zeit erfolgreich sein konnten, sich jede und jeder ausprobieren durfte, mit der gleichen Chance, gehört zu werden. War gestern Trap das große Ding, hörte man nur noch diesen, weil heute Grime in der Gunst ganz oben steht, werden andere Sachen ausgeblendet. Wer da nicht mitmischt, wird auch nicht wahrgenommen. Möglicherweise lernen wir hier gerade schmerzlich das Diktat der algorithmenbasierenden Playlisten für Stream und Radio kennen, die Außenseiter nicht dulden, sondern nur noch am Mainstream entlang optimieren. Nichts, worüber sich Joseph Junior Adenuga aka. Skepta jetzt den Kopf zerbrechen müßte, schließlich reden wir hier von einem der dienstältesten Grime-Stars der britischen Insel und noch dazu von einem der wenigen, der als Europäer (ähem…) selbst in der Wahlheimat des Rap, den USA, seine Credibility sicher hat.
Sein aktuell fünftes Album ist denn auch in der derzeitigen Vielzahl an Neuveröffentlichungen eine feste, verlässliche Größe (mit dem Vorgänger „Konnichiwa“ hatte er übrigens 2016 den renommierten Mercury Prize gewonnen), giftige Punchlines, dronige Synthloops, knackige Beats und reichlich heimisches Gastpersonal wie J Hus, Nafe Smallz, Lancey Foux und Wizkid. Thematisch sind wir natürlich bei allem, was England gerade durchlebt, -kämpft und auch -leidet, es geht um gesellschaftliche Abgründe, um den immerwährenden Kreislauf aus „sex, money, murder“, der vielen keine Chance läßt und den er, behauptet Skepta im titelgebenden Track „Going Trough It“, schon überwunden hat. Ebenso oft allerdings haben auf dem Album neben dem politischen Frust aber auch zwischenmenschliche Themen Platz, Stücke wie „Love Me Not“ oder „Same Old Story“ sind beste Beispiele dafür. Die größte Kunst – wenn man es denn will – ist es vielleicht, sich aus den dreizehn Songs den Favoriten zu suchen, heißeste Empfehlung von uns jedenfalls „No Sleep“ mit dem Maschinenmusik-Intro aus Depeche Modes Großzeiten Anfang bis Mitte der Achtziger. Da gelingt dem Mann eine wirklich beachtliche, generationsverbindende Schleife, Folge: Bonuspunkt.
21.07. Gräfenhainichen, Melt Festival
Mittwoch, 12. Juni 2019
Eşya: Das menschliche Dilemma
Eşya
„Absurdity Of ATCG (I)“
(Bandcamp)
Ayşe Hassan ist keine, die etwas verpaßt, keine, die etwas unversucht läßt. Der Job als Bassistin bei der Londoner Post-Punk-Formation Savages füllt sie ganz gewiß nicht aus, schon länger arbeitet sie deshalb an/in verschiedenen Projekten. So spielt sie gemeinsam mit Kendra Frost bei Kite Base, kollaborierte unter dem Namen 180dB mit Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs), Faye Milton (Savages) und Meredith Graves (Perfect Pussy). Und verwirklicht seit dem vergangenen Jahr als Eşya ihre solistischen Wünsche. Auch diese natürlich nicht ganz allein, Hassan arbeitet quasi interdisziplinär mit Regisseuren, Fotografen, Visagisten und Klangtüftlern an den Stücken, die es dann auf die EP schaffen. „Absurdity Of Being“ hieß die erste, „Absurdity Of ATCG (I)“ die aktuelle Veröffentlichung. Wer kann und mag, darf jetzt mit Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin gern die Grundbasen der menschlichen DNA aus dem Gedächtnis deklinieren, die Vermutung liegt nahe, dass es hier also schlicht um alles geht. Um den Sinn, auch den Unsinn. Um die Grundlage, aber eben auch die Absurdität des menschlichen Seins. 42? Nicht weniger als das.
Nachdem schon die vier Stücke der ersten 12“ sehr verschieden geraten waren, sind auch die neuen fünf erfreulich unterschiedlich. Wenn Hassan überhaupt eine Dominanz zuläßt, dann vielleicht die hauptsächliche Verwendung analoger Synthesizer als Humus ihrer Arbeit. Schon der erste Track „Everything“ brodelt und pocht über achteinhalb Minuten – technoide Untermalung für sich stetig wiederholende Textschleifen: „Everything and nothing, is all we want to be, everything and nothing, is all you meant to me“, und später: „Here we are, lost and found, here we are, lost as a man.” Alles und/oder nichts, wie gesagt, das immerwährende, menschliche Dilemma. „Nothing“ danach nur unwesentlich kürzer, die Drums rollen dunkel, die Gitarren ein dreckiges Knirschen, Hassans Stimme taumelt. Sie gibt den Instrumenten sehr viel Platz zur Entfaltung ihrer Ideen, schon das macht die Songs reizvoll und spannend.
Die restlichen drei dann vergleichsweise kurz: Wild und dronig „Atmosphere“, der „Machine Dance“ als anderthalb minütiges Interlude, am Ende „Wild Nights“, eine Mischung aus tanzbarem Synthpop und frostig, schiefem Cold Wave, Visage vielleicht, fade to kalt und grau. Reichlich Abwechslung also. Überhaupt: Möchte man eine/n Künstler/in, der oder die unnahbar scheint, besser kennenlernen, bleiben oftmals nur Playlisten. Belastbar sind sie deshalb, weil die Auswahl (so hofft man wenigstens) Handarbeit ist und nicht von Algorithmen übernommen werden, die einem nach dem Mund reden. Auf der Liste von Hassan finden sich neben Prince, Bowie und den Beatles auch die Stranglers, Depeche Mode und Nine Inch Nails (mit denen sie ja schon gemeinsam auf der Bühne stand), genauso wie Soul, Psychedelia und House. Genügend Gegensatzpotential, fürwahr. Zwischen all diesen Referenzen einen eigenen, unverwechselbaren Stil zu finden, der im Gedächtnis haftenbleibt, ist dann nicht ganz so einfach wie die bloße Nennung. Hassan ist es gelungen.
„Absurdity Of ATCG (I)“
(Bandcamp)
Ayşe Hassan ist keine, die etwas verpaßt, keine, die etwas unversucht läßt. Der Job als Bassistin bei der Londoner Post-Punk-Formation Savages füllt sie ganz gewiß nicht aus, schon länger arbeitet sie deshalb an/in verschiedenen Projekten. So spielt sie gemeinsam mit Kendra Frost bei Kite Base, kollaborierte unter dem Namen 180dB mit Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs), Faye Milton (Savages) und Meredith Graves (Perfect Pussy). Und verwirklicht seit dem vergangenen Jahr als Eşya ihre solistischen Wünsche. Auch diese natürlich nicht ganz allein, Hassan arbeitet quasi interdisziplinär mit Regisseuren, Fotografen, Visagisten und Klangtüftlern an den Stücken, die es dann auf die EP schaffen. „Absurdity Of Being“ hieß die erste, „Absurdity Of ATCG (I)“ die aktuelle Veröffentlichung. Wer kann und mag, darf jetzt mit Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin gern die Grundbasen der menschlichen DNA aus dem Gedächtnis deklinieren, die Vermutung liegt nahe, dass es hier also schlicht um alles geht. Um den Sinn, auch den Unsinn. Um die Grundlage, aber eben auch die Absurdität des menschlichen Seins. 42? Nicht weniger als das.
Nachdem schon die vier Stücke der ersten 12“ sehr verschieden geraten waren, sind auch die neuen fünf erfreulich unterschiedlich. Wenn Hassan überhaupt eine Dominanz zuläßt, dann vielleicht die hauptsächliche Verwendung analoger Synthesizer als Humus ihrer Arbeit. Schon der erste Track „Everything“ brodelt und pocht über achteinhalb Minuten – technoide Untermalung für sich stetig wiederholende Textschleifen: „Everything and nothing, is all we want to be, everything and nothing, is all you meant to me“, und später: „Here we are, lost and found, here we are, lost as a man.” Alles und/oder nichts, wie gesagt, das immerwährende, menschliche Dilemma. „Nothing“ danach nur unwesentlich kürzer, die Drums rollen dunkel, die Gitarren ein dreckiges Knirschen, Hassans Stimme taumelt. Sie gibt den Instrumenten sehr viel Platz zur Entfaltung ihrer Ideen, schon das macht die Songs reizvoll und spannend.
Die restlichen drei dann vergleichsweise kurz: Wild und dronig „Atmosphere“, der „Machine Dance“ als anderthalb minütiges Interlude, am Ende „Wild Nights“, eine Mischung aus tanzbarem Synthpop und frostig, schiefem Cold Wave, Visage vielleicht, fade to kalt und grau. Reichlich Abwechslung also. Überhaupt: Möchte man eine/n Künstler/in, der oder die unnahbar scheint, besser kennenlernen, bleiben oftmals nur Playlisten. Belastbar sind sie deshalb, weil die Auswahl (so hofft man wenigstens) Handarbeit ist und nicht von Algorithmen übernommen werden, die einem nach dem Mund reden. Auf der Liste von Hassan finden sich neben Prince, Bowie und den Beatles auch die Stranglers, Depeche Mode und Nine Inch Nails (mit denen sie ja schon gemeinsam auf der Bühne stand), genauso wie Soul, Psychedelia und House. Genügend Gegensatzpotential, fürwahr. Zwischen all diesen Referenzen einen eigenen, unverwechselbaren Stil zu finden, der im Gedächtnis haftenbleibt, ist dann nicht ganz so einfach wie die bloße Nennung. Hassan ist es gelungen.
Deichkind: Unfehlbar
Frage: Wie lange wird es wohl noch dauern, bis man Deichkind die ehemals päpstliche Würde der Unfehlbarkeit verleiht? Der Franziskus braucht bzw. will sie ja nicht mehr haben, die Jungs aus Hamburg hätten sicher nichts dagegen. Ihr Ruf jedenfalls sollte in der Zwischenzeit besser sein als der der Kirche, eine Institution sind sie ohnehin. Im März kamen sie mit ihrem neuen Track "Richtig Gutes Zeug" um die Ecke und natürlich wurde das Stück aufgenommen wie eine Offenbarung resp. Marienerscheinung. Was wohl erst bei der folgenden Nachricht passieren wird? Wallfahrten? Massenhysterien? Menschenopfer? Man kann es nur vermuten. Am 27. September jedenfalls wird "Wer sagt denn das?" erscheinen, die neue Studioplatte der Pyramidenköpfe und weil die Tourdaten schon länger feststehen, gibt's als Dreingabe vor Ort den Titelsong samt Video - und, naja, mit Gästen.
Abonnieren
Posts (Atom)