Bilderbuch
Support: Koenig
München, Muffathalle, 13. Dezember 2015
Der Unterschied war dann doch gravierender als gedacht: Bilderbuch aus Österreich haben in diesem Jahr einen Karrieresprung hingelegt, der dem Bandnamen alle Ehre macht – Smash-Album, Smash-Hits, ausverkaufte Hallentour, der Sound von einer exaltierten Sexyness, die den Schweiß in Sturzbächen perlen läßt und in diesem noch jungen Jahrtausend ihresgleichen sucht. Leicht in Vergessenheit gerät bei aller Hysterie, dass Sänger Maurice Ernst schon seit zehn Jahren im Geschäft ist, die Band vor dem sagenhaften „Schick Schock“ schon zwei Alben veröffentlicht hat. Was sich also, weil vorher quasi Sendepause, jetzt wie ein Senkrechtstart ausnimmt, ist bei genauerem Hinhören die Folge einer Summe von richtigen Entscheidungen. Wenn sie nämlich, wie an diesem Abend geschehen, auch ein paar von ihren früheren Songs ins Programm packen, dann weiß man im gleichen Moment, warum die neuen so unglaublich frisch und die alten vergleichsweise träge und altbacken unterwegs sind. Denn die Schärfe, die überzeichnete Ästhetik, die Lässigkeit, dieser ganze arty Rockstyle wurden so erst auf der dritten Platte auf die Spitze getrieben und zu etwas wirklich Unverwechselbarem – gegen diese irisierenden, melodieverliebten Funkmonster kommen die Lieder von damals beim besten Willen nicht an.
Und so fällt das Stimmungsbarometer ein jedes Mal, wenn Bilderbuch zu längst Vergangenem wechseln, um einige Grade tiefer, kühlt, was vorher heißer Scheiß war, für kurze Zeit auf Normaltemperatur ab und läßt die Jungs plötzlich zu einer zwar smarten, aber doch durchschnittlich talentierten Krawallkapelle schrumpfen. Zum Glück passiert das an diesem Abend nur sehr selten, denn was zählt ist jetzt und also die aktuelle Scheibe. Und die ist nun wirklich so verdammt gut gelungen, dass nur noch Superlative weiterhelfen. Da wird gejohlt, gestöhnt und geschunkelt, wird angemacht und mitgelacht, komplimentiert und maßlos übertrieben. Die Lichtshow ist eine Schau, der Sound klar, dabei (na bitte, geht doch!) nicht übertrieben laut und die da oben schaffen für die unten mit erkennbarem Spaß ohne Pause und Ermüdung. Man spricht ja in diesem Zusammenhang platterdings immer gern von einem Feuerwerk – das hier ist wirklich eines, das den Namen verdient hat: „Willkommen im Dschungel“,„Spliff“, „Feinste Seide“, „Gigolo“, und da waren die richtigen Kracher noch nicht mal dabei.
Beim fulminanten „Maschin“ gibt’s für Ernst eine paar Lederhandschuhe extra, „Softdrink“ natürlich in quietschbunten Bonbonfarben und mit der erhofften Rapeinlage, zwei, drei Schickmicki-Pools zum „Plansch“ und als Rausschmeißer das tiefenentspannt federnde „OM“ – für jedes dieser Stücke muss man die Band einfach lieben. Auch wenn sie ihr Flirt mit dem großen Verbrechen (wie bei „Spliff“) immer noch wie alberne Teenager aussehen lässt, sie können sich durchaus mit den Arrivierten messen. Bilderbuch gehören ganz sicher nicht zu der Sorte Band, die man sich besser in kleinen Clubs anschauen möchte – sie füllen eine Halle nicht nur, sie rocken sie. Und zwar komplett. Dass Maurice Ernst gerade am letzten Tourabend in München seinen Geburtstag feiert (und dafür fast zwangsläufig vom Publikum ein passendes Ständchen gesungen bekommt), gibt auch noch die passende Schlußpointe ab. 27 ist er geworden – „das kann das Ende sein oder aber der Beginn von etwas ganz Großem“. Also, wenn die sympathischen Herren keine gravierenden Fehler machen, sollte es über das Reiseziel keine zwei Meinungen gaben.
1 Kommentar:
Wenn das kein Ritterschlag ist. Danke für deine Wahnsinns-Rezensionen, immer wieder ein Hochgenuss sie zu lesen.
Anastasia
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