Future Islands
Hansa 39, München, 26.05.2014
Support: Ed Schraders Music Beat
Kristian Harting
Der Mann ist etwas sonderbar. Selbst Late-Nighter David Letterman, ganz sicher nicht arm an Erfahrungen, durfte ihn mit Band vor einigen Wochen in seiner Show begrüßen und zeigte sich einigermaßen beeindruckt von der Performance des Leadsängers. Das Video wurde von über anderthalb Millionen Menschen im Netz bestaunt, also binnen kurzem zum veritablen Youtube-Hit und nicht wenige im ausverkauften Feierwerk, so darf man vermuten, wollten sich das Spektakel mal aus der Nähe anschauen. Doch auch wenn das etwas von “Menschen, Tiere, Sensationen” hatte und manch älteren Fan geärgert haben dürfte – Samuel T. Herring ist natürlich Future Islands und er ist es wegen seiner Stimme, seiner Posen und der eigenwilligen Show, die er dem Publikum bereitwillig bietet. Was am Bildschirm noch ungelenk, vielleicht sogar lächerlich erscheinen mag – aus der Nähe betrachtet wirken Herrings wilde, schweißtreibende Tänze plötzlich gar nicht mehr so deplatziert wie in dem schicken TV-Studio, die zuckenden Bewegungen, der starre Blick, all das pathetische Gehabe gehören ganz einfach einem Mann, der mit Leib und Seele für seine Songs zu brennen scheint und der dies mit vollem Körpereinsatz zu vermitteln versucht.
Und es ist viel, was er sich dabei abverlangt – die gutturalen Schreie (die man sonst nur von Hartmetallern kennt), wie er sich, einer Marionette gleich, scheinbar fremdbestimmt hin und her wirft, seinen Leib verrenkt, dieser knietiefe, seltsam wippende Tanzstil, der ihn auch mal ganz zu Boden zwingt oder wenn er sich (dann doch, sorry) primatenhaft so fest auf die Brust trommelt, dass man es noch in der letzten Reihe hören kann. Andererseits gibt es wohl kaum jemanden in seinem Geschäft, der sich mit so großer Leidenschaft auf der Bühne den kleinsten Dingen widmet, dem flüchtigen Lichtstrahl eines Scheinwerfers, einem Schweißtropfen auf seiner Hand, einmal läßt er sich von der ersten Reihe auch nur ganz zart über den Kopf streichen, um kurze Zeit später mit weit geöffneten Armen in die Höhe zu springen – der Mann ist gebündelte Hochenergie, die reine Extase, ein Ereignis.
Natürlich wäre all das nur halb so unterhaltsam, wenn nicht auch die Songs der Future Islands die Qualität hätten, ein Publikum zu euphorisieren. Wie immer man den Sound nennen will, den Keyboader Gerrit Welmers, der stoische Bassist William Cashion und Drummer Michael Lowry an der Schnittstelle zwischen dem Wave der 80er und dem Orchestralpop der 90er da krieren, fest steht, dass viele ihrer Stücke live noch einmal ordentlich zulegen können. Das gilt für die aktuellen wie “Seasons”, “Spirit” oder “Light House” (vom Album "Singles") genauso wie für die älteren “Tin Man” und “Walking Through That Door”, letzteres hätte man sich so auch ohne weiteres auf einem New-Order-Konzert vorstellen können. Den Hardcore-Furor eines Henry Rollins gepaart mit hochmelodischen, druckvollen Synthklängen – mehr Gegensatz, ergo mehr Reiz läßt sich in einem Konzert kaum unterbringen. Man konnte also den jungen Mann, der sich gegen Ende kurz auf die Bühne wagte, gut verstehen – er wollte Herring, wie wahrscheinlich viele an diesem Abend, nur dankbar umarmen. Danach sprang er selig lächelnd in die johlende Menge, einfach so.
27.05. Krems, Somewhere
28.05. Wien, Flex
30.05. Mannheim, Maifeld Derby Festival
31.05. Neustrelitz, Immergut Festival
1 Kommentar:
Sehr treffend. Ein Erlebnis. Ich hatte nicht zu viel versprochen oder?
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