The Evens
„The Odds“
(Dischord)
Ja, doch, das will man gern zugeben: Nicht nur Bewunderung, sondern auch ein klein wenig Neid lugt da aus dem hintersten Hirnwinkel hervor, wenn man sich mit einem Mann wie Ian MacKaye beschäftigt. Das da einer ist, der Zeit seines Lebens – Mac Kaye ist in diesem Jahr fünfzig geworden – geradlinig, unbeirrbar geblieben ist, einer, der getrost und unverdrossen den unbequemen Weg zu gehen bereit war, mancher Verlockung widerstand und es so nicht nur zu einem eigenen Label, sondern auch zum Status einer Ikone gebracht hat und sich in dieser Rolle der vielfachen Anerkennung und Bewunderung nicht einmal schämen muss. Man wird MacKaye nicht in einem Werbespot herumhampeln sehen (müssen), eine Reunion seiner früheren Bands Minor Threat oder Fugazi würde es nur dann geben, wenn er selbst einen tieferen Sinn darin sähe und kein goldener Handschlag und auch kein Fan könnten ihn zu anderer Ansicht verleiten (da widmet er sich lieber der akribischen Aufarbeitung diverser Backkataloge) – straight, keine Frage, immer noch, gern hätte man eine Ecke ab von diesem Selbstbehauptungswillen.
Wie schön, dass man von der Lobhudelei nicht lassen muss, nachdem man sich die neue, dritte Platte der Evens angehört hat. Sechs Jahre haben sich MacKaye und Partnerin Amy Farina für „The Odds“ Zeit gelassen, mittlerweile sind sie Eltern eines vierjährigen Sohnes, der Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre Themen bearbeiten, hat das keinen Abbruch getan, auch wenn manche Themen naturgemäß einen veränderten Betrachtungswinkel gefunden haben. Noch immer geht es um die Verirrungen des in der Gesellschaft vereinzelten, vereinsamten Menschen, um Agresssion und deren (oft fehlende) Adresse („Wanted Criminals“, „I Do Myself“), um die Haltbarkeit und den Nutzen von Träumen und Plänen („Sooner Or Later“), um Wahrhaftigkeit („Broken Fingers“) – kurz: den Mikro- im Makrokosmos.
Ähnlich wie bei der kürzlich besprochenen, ebenso fabelhaften Viv Albertine, halten sich auch MacKaye und Farina an die, von den Evens ohnehin schon praktizierte Regel, dass man Lautes auch im Leisen, Wut auch im Geflüsterten hören kann – manchmal kommt sie genau da auch besser zur Geltung. MacKaye ist noch immer in der Lage, feine, eingängige Chords und Melodien zu schreiben, seine Songs, gleichwohl zurückhaltend bis simpel instrumentiert, funktionieren wie ehedem im Nebeneinander von Rumpeln und Schrammeln auf der einen und vibrierenden, atemlosen Spannungspausen auf der anderen Seite. „King Of Kings“, „Warble Factor“ und „Sooner Or Later“ sind beste Beispiele dafür. Soviel Humor, bei „Competing With The Till“ sogar einen südamerikanischen Kurz-Bossanova einzuschieben, haben die beiden allemal, entspannen („Let’s Get Well“) können sie auch. Fazit: Eine ganz und gar gelungene Platte und, wie bei npr zu lesen war, der hörbare Beweis für den Leitsatz: „You can slow down without giving up.“ http://www.dischord.com/band/evens
Komplettstream des Albums zur Zeit auf npr.
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