Samstag, 17. November 2012

Auflösungserscheinung

Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune
Münchner Volkstheater, 16.11.2012

Klar, am Ende wollte sie keiner gehen lassen. Im Laufe des Konzerts hatten wohl alle Besucher im vollgesteckten Foyer des Münchner Volkstheaters mitbekommen, dass dies der letzte Auftritt der Neigungsgruppe in München sein sollte, die Band löst sich, wie man so schön sagt, auf, Abschiedsvorstellung, Kehraus. Vorbei also, ein paar Lieder noch, ein finales Aufjaulen, Granteln, Wimmern, noch einmal "Geh scheiß'n!" und dann soll der Vorhang fallen. Eigentlich ist das Repertoire der Neigungsgruppe genau für diese Anlässe gemacht, jede Menge Rausschmeißer und Stoßseufzer, das "Luada" natürlich, der "Lenzibald" und Reznors "Verletzt" - alle sind sie dabei an solch einem Abend und alle passen zum traurigen Anlaß wie der Arsch auf den Topf. Besser als mit dem versoffenen Gejammer von "Wüde Hund" und dem ebenso programmatischen "Alles muss zum Ende kommen" kann man den eigenen Abgang nicht inszenieren.

Sie haben's ja eh schon gewußt, schon auf ihrer ersten Platte "Goodnight Vienna" hatten sie den Ambros ins Programm zitiert - "Freiheit hast doch, dass ma gehn kann, dass ma gehn kann, wann ma wui..." ("Vui zu vui") und ebenjene Freiheit haben sie sich nun genommen. Natürlich nicht, ohne es noch mal richtig scheppern zu lassen, die Wut und die Bitterkeit der vergangenen Jahre, das also, was diese Lieder wirklich nur mit diesem Dialekt so glaubhaft werden läßt, waren noch da - "Da Hoss in mia", "Polka Dots" und "Scheene Leich" wurden auch jetzt wieder von Münchnern und Exilwienern gleichermaßen dankbar gefeiert, das Finale mit "G'fickt für immer" ist ja fast schon so eine Art Erkennungsmelodie und ehrlich, es wird Zeit, dass Pete Doherty die Rechte an die vier abtritt.

David Pfister, Fritz Ostermayer, Robert Zikmund und Christian Fuchs haben sichtlich Spaß an ihrer schlechten Laune, die sie da vertont zum Besten gaben, sie gehen im Guten, das meinte man ihnen anzusehn. Und ganz ohne Hoffnung lassen sie einen ja nicht zurück - schließlich übergeben sie, das wird schnell vergessen, der Nachwelt auch manches anrührende - jawohl, Liebeslied, den "Hooligan der Herzen", die "Taxi Musik" und auch das neue "I hob an Grund", auch die kommen zur Aufführung und keiner muß sich schämen, wenn er dabei ganz heimlich eine Träne verdrückt. Das Loch, dass die Neigungsgruppe hinterläßt, ist groß und "wird greßer jeden Dog" - vorerst werden wir also ungetröstet Ausschau halten müssen, wachgehalten vom Wunsch, irgendwer wird sich irgendwann mit irgendwem zusammenraufen, um es irgendwie zu füllen. Noch einmal: Servus.

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