Ein weitverbreiteter Irrglaube behauptet ja gern, alles, was hierzulande im Entferntesten mit Techno zu tun habe, müsse persé musikalisch einfalls- und textlich anspruchslos sein – billige Partymucke, marsch, in die Ecke zum Schämen. Nun, diese These lies sich schon bei Deichkind, der Referenzband Nummer 1 aus Hamburg , nicht aufrecht erhalten – „großartige Sprachschöpfer“, so die Süddeutsche, ein „Hochkultur-Kollektiv“ gar laut Frankfurter Rundschau – ja, was denn nun? Kein Verlaß auf’s Klischee – auch bei Referenzband Nummer zwei, der Frittenbude aus Geisenhausen goes Berlin, die gerade auf Audiolith mit „Delfinarium“ ihr drittes Album veräußert hat und von ausgelassenem Kirmesgedudel ungefähr so weit entfernt ist wie HP Baxter von Günter Grass.
Sicher kein Zufall, dass dieses Album mit einer wehmütigen
Rückschau auf vergangene, ausgelassene Zeiten beginnt („Von allem zuviel“) –
sorglos, weil naiv, das scheint vorbei, Frittenbude nähern sich ihrer
Generation mehr noch als auf den Vorgängeralben mit dem heiligen Ernst der
enttäuschten Jugend. Wo die Hamburger Spießgesellen den Feierbefehl noch per
Dekret zelebrieren, muß man bei Frittenbude schon lange suchen – „Heute nur
Einmal“ ist vielleicht der einzige Titel, der ein wenig von der Spontanität und
Selbstvergessenheit früherer Tage in sich trägt. Vorbei – die restlichen
vierzehn Stücke tragen durchweg Frustration, Ratlosigkeit und Wut im Subtext,
alles gut durchdacht, wohlüberlegt, manchmal etwas hölzern, aber immer
geistreich.
Klare Bekenntnisse haben Martin Steer, Johannes Rögner und
Jakob Häglsperger ja noch nie vermissen lassen, auch diesmal gibt’s mit „Heimatlos“
mehr und mit „Deutschland 500“ („…deine Nazis, hier wo sie hingehörn, hier wo
sie niemand störn, hier wo sie gut aussehn, weil sie dir super stehn…“) weniger
verklausulierte Ansagen zum Selbstverständnis der Band – Ansichtssachen, für
deren Direktheit man heute fast dankbar sein muss, die Zeiten sind anonymer und
beliebiger geworden. Wenn dazu zwischendrin die kleinen Redewendungen und
Gedankenspiele sich anschicken, ein Lächeln ins Gesicht des Hörers zu zaubern,
dann ist das die andere, die fast poetische Seite der Fritten: „Die Nacht ist
unser Diktator, und jeder Tag ein Rolator“ („Heimatlos“) klingt nur im ersten
Moment albern, schleichende Entfremdung als „dieses Gespenst, nenn es Alltag,
unsere innere Altmark“ („Innere Altmark“) passend beschrieben und auch die
Beschwerdeführung an die spruchblasengefütterte Umgebung könnte kaum
eingängiger sein „wenn nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht“
(„Gibt es Uruguay eigentlich noch“).
Der Sound zum eindrucksvollen Wortschwall ist, keine wirkliche
Überraschung, von ausgesuchter Klasse, als liebgewonnenes MashUp aus Electro,
Synthpop, Indie und Dance stets wandelbar, eingängig und unbedingt clubtauglich.
Ruhigere Momente wechseln mit stampfendem, treibendem Beat, für „Wings“ mogelt
sich sogar eine dieser glitzernden Indiegitarren ins Ensemble, dass es einem
richtig warm ums Herz werden will. Und irgendwie möchte man den Jungs, die sich
doch offensichtlich so schwer mit ihrer Heimat und ihrem Für und Wider tun, am
Ende versichern, dass sie mit dieser, ihrer Art, Musik zu machen, vielen das
Auskommen eben da etwas entspannter machen, nicht nur vielleicht, sondern ganz
sicher. http://schandenschmuck.de/
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