Fontaines D.C.
Support: The Altered Hours
Die Kantine, Köln, 4. November 2019
Komplexität ist nicht gerade das, womit man sich im Leben beschäftigt, wenn man jung ist. Denn zu den Vorrechten der Jugend zählen Direktheit, Unbekümmertheit, man muß nicht abwägen, aufrechnen, ins Verhältnis setzen. Insofern war das Konzert der Fontaines D.C. aus der irischen Hauptstadt, gerade wegen ihres Debütalbums „Dogrel“ zur Überraschung der Saison und einmal mehr zum Retter des Indierock gekürt, durchaus ein gutes. Und zwar sowohl für die sehr jungen Menschen auf und jene vor der Bühne. Es war laut, sehr laut, es war ungezügelt und energiegeladen und überraschend kurz. Diejenigen aber, die dazu neigen, Dinge und Ereignisse differenzierter (böse Stimmen sagen: kleinlicher) zu betrachten, werden sich mit einer unbedingten Lobeshymne etwas schwerer tun. Schließlich mußte man sich aufgrund der großen Nachfrage knappe zehn Kilometer weiter hinaus in die rheinländischen Suburbs wagen. Wofür sonst mühelos Fußweg oder Fahrrad reichten, blieb jetzt nur das Auto – oder die einstündige Überlandfahrt mit dem KVB zwischen Nippes, Niehl und Longerich. Und obendrein ein naßkaltes Gedeck aus Kölsch plus Curry vor der Tür, denn der Laden selbst hatte ja eigentlich geschlossen.
Nichts, wofür man der fünfköpfigen Band einen Vorwurf machen müsste. Auch nicht für mangelndes Engagement. Weder die Vorband aus dem irischen Süden (Cork) noch Sänger Grian Chatten und Kollegen müssen sich nachsagen lassen, sie wären das Programm nicht mit der nötigen Power angegangen. Im Gegenteil: Chatten betrat die Bühne mit einer derartigen Anspannung und kaum zu bändigenden Explosivität, dass man sich fast Sorgen machte mußte, er würde den Abend nicht ohne Streit oder andersgeartete Zwischenfälle überstehen. Ruhelos, fast raubtierhaft lief er die Bühne unentwegt zwischen den einzelnen Stücken ab (das Bild des Rilke’schen Panthers hat der Bildungsbürger da gleich zur Hand), unterbrochen durch plötzliche Ausbrüche, wilde Tänze, befreiend offenbar für ihn, bejubelt vom Publikum. Material für diese Eruptionen haben sich die Jungs aus Dublin City ja reichlich geschrieben, Songs wie „Boys In The Better Land“, „Liberty Bell“ und „Big“, mit denen sie das letzte Drittel ihrer Setlist bestückten, sind als Block fast unschlagbar.
Einziger Kritikpunkt muß aber, neben der zugabefreien, knappen Stunde Spieldauer, der Sound bleiben, ein Manko, dass zunächst nur bedingt die Band trifft. Wucht und Wirkung mittels Lautstärke zu erzielen ist ein alter Hut und ein ebenso alter Trugschluß. Wenn Zwischentöne, Melodien, Stimmungen, wie an diesem Abend geschehen, kompromißlos zugeballert werden, dann ist das eine eher ärgerlich Sache, die der Qualität des wirklich fabelhaften Albums in keiner Weise gerecht wird. Und die dann eben leider den Genuß des Konzertes wesentlich schmälert und so auf der Soll- statt auf der Haben-Seite landet. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Fachleute am Mischpult (und solche sollten es doch gewesen sein) das kleinere, schlauchartige Gebäude 9 beschallt hätten, das ursprünglich in der Planung stand. Mag sein, dass Euphorie hier einiges verzeiht, mag auch sein, dass viele solches gar nicht wahrnehmen – eine Entschuldigung ist es nicht. Man tut weder der Band noch dem Publikum einen Gefallen mit dieser Art von klanglichem Mißverständnis. Dabei braucht es eigentlich nur gewissenhaftes Handwerk, mehr nicht.
1 Kommentar:
Mehrfach JA: es war wild, es war roh, es war sau laut und es hat richtig gut getan, so viel Ungezügeltheit im Stück zugeballert zu bekommen!
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