Wire
„Silver/Lead“
(Pink Flag)
Warum haben Gebetsmühlen eigentlich so ein negatives Image? Eigentlich spricht doch nichts dagegen, wenn bestimmte Dinge häufiger in Erinnerung gebracht werden, man also versucht, durch unablässige Wiederholung einem Sachverhalt Nachdruck zu verleihen oder im besten Falle die Meinung des Gegenübers in eine neue Richtung, zu einem neuen Horizont zu lenken – dem oft sehr hübsch gestalteten, buddhistischen Kunstgewerbe jedenfalls tut man damit großes Unrecht. Und was in der Religion funktioniert, kann doch in einer Ersatzreligion wie der Popmusik nicht ganz so falsch sein. Beispiel Wire: Es ist zwar anstrengend, aber keineswegs sinnfrei, die Bedeutung dieser Band wieder und wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Vierzig (!) Jahre sind Colin Newman und Graham Lewis zwischen Punk, Wave, Synthpop und Post-Punk unterwegs, haben bahnbrechende Alben abgeliefert, sich mit Freuden neu erfunden, auch mal danebengelangt, die Delle ausgestanden – weitergemacht. Und auch das eine Art Mantra: Seit ihrer Rückkehr ins Studio im Jahr 2008 haben die Herren wirklich keine schlechte Platte abgeliefert, seit dieser Zäsur zelebrieren die vier sowohl Wandelbarkeit als auch Kontinuität und zeigen mithin, wie man auch nach so langer Zeit dem eigenen Anspruch und dem der Anhänger gerecht werden kann.
„Silver/Lead“, und damit näher zum Punkt, ist wieder ein wunderbares, dabei vergleichsweise homogenes Album geworden. Größere Ausschläge und Überraschungen, wie noch auf den Vorgängern „Nocturnal Koreans“ (2016) und „Wire“ (2015) zu hören, bleiben diesmal aus – kein „Harpooned“, kein „Fishes Bones“, sondern meistenteils gefällige Melodien mittels anständiger Gitarrenpower und ohne großen elektronischen Firlefanz. Das geht also eher zurück zu den Gründerjahren der Band. Mit Retro muß man Colin Newman allerdings nicht kommen, keinen Begriff hasst er wie diesen und Wire haben ein solches Etikett auch nicht verdient. Stücke wie „Short Elevated Period“ mit seinem feinen Sing-A-Long-Chorus, „Forever And A Day“ oder auch der vorsichtige Groove von „This Time“ klingen noch immer frisch und zeitgemäß. Der Titel des Albums entspringt im übrigen, passend zur Zeit, einem Gedanken von Graham Lewis, der die Welt hier aus der Sicht eines mexikanischen Drogenbosses beschreibt – man könne, so meint dieser, alle Probleme auf zweierlei Weise lösen, entweder mit Geld (Silver) oder einer Kugel (Lead). Keine sehr tröstliche Einschätzung. So oder so, der Job der Gebetsmühlen ist noch lange nicht vorüber. http://www.pinkflag.com/
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