Samstag, 25. März 2017

The Jesus And Mary Chain: Trotz als Antrieb

The Jesus And Mary Chain
„Damage And Joy“

(ADA/Warner)

Wer knapp zwanzig Jahre weg war, der hat viel zu erzählen. Genau das tun die Gebrüder Jim und William Reid gerade. 1984 veröffentlichten die beiden unter dem Namen The Jesus And Mary Chain mit „Psychocandy“ eines der stilprägendsten, brillantesten Indie-Rock Alben der letzten Dekaden, welches auf bis dato kaum gekannte Weise infernalischen Krach und zarteste Melodien miteinander verwob. Wenn das Duo laut war (und sie galten lange Zeit als die Lautesten), dann ließen sie jede noch so gruselige Metall-Kombo ihrer Tage wie eine Vorschulband klingen, wenn sie leise waren, dann wirkte das immer noch befremdlich und bedrohlich genug, um nicht in die falsche Schublade gesteckt zu werden. The Jesus And Mary Chain waren also einmal ganz groß. Es kamen dann weniger erfolgreiche Tage, nach dem immer noch famosen „Honeys Dead“ aus dem Jahr 1992 haben sie nach und nach einiges von ihrem fürchterlichen Ruf drangegeben, ’98 schien dann mit „Munki“ endgültig Schluss zu sein. Die Beispiele derer, die vom Ruhm der alten Tage nicht lassen wollten und dafür jetzt umso trauriger dastehen (Peter Murphy, Gary Numan, Echo And The Bunnymen, Gang Of Four, you name it) sind zahlreich, warum also, so fragt man sich, müssen es die Brüder dennoch riskieren?

Der Grund ist simpel – sie konnten und wollten, so Jim Reid in einem seiner zahlreichen Interviews, es nicht ertragen, daß sich so viele Bands der Neuzeit auf sie als Idole berufen, selbst aber nicht ansatzweise das Feuer, nicht die Wucht in die Songs bringen, die diesen Verweis verdient. So jedenfalls sehen es die beiden Brüder und haben daraus, halb aus Trotz, halb aus gekränkter Eitelkeit, mit „Amputation“ gleich eines der vierzehn neuen Stücke gestrickt. Und die ganze Platte obendrein. Daß diese dann aber bestenfalls an den rauen Britpop ihrer späteren Schaffensperiode anknüpft und kaum noch an den düsteren Furor der Gründerzeit erinnert, läßt sich allerdings nicht verleugnen. Grundsätzlich ist daran nichts Schlimmes, Veränderung ist überall und auch die beiden Noiserocker werden älter. Nur sollten sie sich vielleicht mit ihrer Häme über neue Musikergenerationen etwas zurückhalten, erst recht eingedenk der Tatsache, daß es in einem derart beschleunigten Kulturbetrieb wie dem heutigen noch schwieriger geworden ist, nachhaltig und unverwechselbar zu bleiben. Nicht nur, weil man es nicht könnte, sondern auch weil die Bedürfnisse der Zuhörer sich nicht zum Besseren entwickelt haben.

Das Brüderpaar jedenfalls versucht es jetzt, weitere Änderung, mit einem nicht uncharmanten Mehr an Weiblichkeit. Neben ihrer Schwester Linda (“Can’t Stop The Rock”), der etwas unbekannteren Bernadette Denning (“Always Sad”) und Ex-Belle-And-Sebastian-Chanteuse Isobell Campbell (“Song For A Secret”/”The Two Of Us”) darf sogar das skandalumwitterte Popsternchen Sky Ferreira für „Black And Blues“ ein Duett trällern, ansonsten fröhnen die Herren auffällig oft ihrer Liebe zu den Beach Boys und den Ramones. Für den Song „Get On Home“ lassen sie dann endlich auch mal wieder die Gitarren auf höherem Tempolevel knirschen, hier bekommt man eine Ahnung davon, was denn noch möglich gewesen wäre. Sonst: Die fällige Abrechnung der Schotten mit dem Amerika der Gegenwart (William lebt ja seit langem in Los Angeles und weiß deshalb, was er vermißt) und ein paar krude Lyrics zum Freitod eines Kollegen: „“I killed Kurt Cobain, I put the shot right through his brain and his wife gave me the drug, 'cause I'm a big, fat, lying slob …“ Sollte man alles nicht so ernst nehmen – sagt der Mann, der früher mal davon träumte, wie John F. Kennedy zu sterben. Sie sind zurück und es hätte schlimmer kommen können, viel mehr bleibt für’s erste nicht zu sagen. http://thejesusandmarychain.uk.com/

20.04.  Darmstadt, Central Station
21.04.  Hamburg, Fabrik
24.04.  Berlin, Huxleys Neue Welt
25.04.  Köln, Live Music Hall

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