Dienstag, 14. März 2017

Depeche Mode: Schwarzmaler

Depeche Mode
„Spirit“

(Columbia)

Nun wurden also auch sie eingeholt: Ausnahmsweise ist es diesmal weniger die Musik, die das neue Album von Depeche Mode definiert, es sind zur allgemeinen Überraschung vielmehr die Texte, die Angriffspunkte liefern und Ausrufezeichen setzen. Bekanntermaßen ist von den drei gebürtigen Briten ja nur noch Andrew Fletcher wirklich ein Heimschläfer, das kongeniale Duo Gore/Gahan hatte sich aus familiären Gründen schon vor längerer Zeit  nach Kalifornien bzw. New York abgesetzt. Den Brexit durften sie noch aus der Ferne beobachten, die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten und die damit einhergehenden Umwälzungen könnten Depeche Mode – seit Jahren eher vorsichtig bis unauffällig mit politischen Verlautbarungen – aber dann Anlass genug gewesen sein, sich ungewohnt deutlich und ausführlich zur Weltlage zu äußern.

Nun ist es nicht so, daß der Band Gesellschaftskritik in den über fünfunddreißig Jahren ihres Bestehens gänzlich fremd gewesen wäre, schließlich hat sie sich auf dreien ihrer mutmaßlich besten Alben schon früher mahnend zu Wort gemeldet: Angefangen beim Slogan „Take it from the greedy, give it to the needy“ (Pipeline) und der umweltpolitischen Anklage „The Landscape Is Changing“ von „Construction Time Again“ (1983) über die Hitsingle „People Are People“ (1984) bis hin zur Kritik an der Ignoranz der Medien im damaligen Königreich bei „New Dress“ (Black Celebration, 1986). Später musste man die Stellungnahmen zunehmend zwischen den Zeilen deuten, etwa beim Instrumental „Agent Orange“, direkte Ansprache war (zumindest in Liedform) über lange Zeit kein Thema mehr. Und gerade dies ändert sich nun also für das aktuelle Album – gleich die ersten vier Stücke geben die neue Richtung auf sehr düstere Weise vor.

Zeitenwende, Rückkehr der Ewiggestrigen und Populisten – „blame misinformation, misguided leaders, apathetic hesitation, uneducated readers”, alles liest sich ungeheuer bedrohlich. Die Welt vor dem apokalyptischen Showdown, der Abschaum mit dem Finger am Abzug und weit und breit keine Revolution der Wohlmeinenden in Sicht – soll man aufspringen auf den Zug, der sich mit laut wummerndem Maschinenlärm nähert oder fährt auch der nur ins Ungewisse oder, schlimmer noch, in Richtung Abgrund? So sehr man sich freut, daß Depeche Mode wieder mal den Blick nach draußen wagen und aus dem ewiggleichen Selbstbespiegelungs-Singsang ausbrechen, so sehr stört zuweilen allerdings der arg breite Pinsel, mit dem hier am Stimmungsbild gemalt worden ist. Keine Leichtigkeit mehr, kaum ein Moment des Innehaltens, moral overdose, alles sehr schwer und sehr schwarz.

Schlecht muß man das Album deshalb noch lange nicht nennen, bestenfalls eines, das gemessen am überraschend stimmigen Vorgänger “Delta Machine”, unter den Möglichkeiten geblieben ist. Dave Gahan, schon länger als vollwertiger Songschreiber geführt, steuert ganze dreieinhalb Stücke bei, wobei “Cover Me” (das mal etwas sphärischer und ausschweifender daherkommt) zu den Lichtblicken und “Poison Heart” eher zu den Schwachstellen der Platte zählt. Martin Gore wiederum darf sich in der Rolle des Soundtüftlers über ein paar hübsche Ideen freuen (beim feinen Loop von “You Move” meint man sein beseeltes Lächeln fast vor sich zu sehen – Kraftwerk rules!). Zudem singt er diesmal sogar zwei seiner Songs selbst ein, beide gewohntermaßen weniger Synthpop als soulige Spirituals voller Wehmut und ganz viel Gefühl. Und mit “So Much Love” gibt’s dann auch noch einen Killer für die Gemeinde – sehr viel mehr war wohl nicht zu bekommen. http://www.depechemode.com/

Komplette Tourdaten unter http://www.depechemode.com/tour

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