Montag, 4. Juli 2016

Bat For Lashes: Traum meets Trauma

Bat For Lashes
„The Bride“

(Parlophone)

Es geht hier also nicht um irgendwas. Es geht ums große Ganze. Um die unabdingbare Entscheidung für den anderen, gegen jeden Zweifel, ohne Netz und Sicherungsseil, kurz: um die Ehe. Natasha Khan hat sich für ihre vierte Platte bewusst eines ziemlich unpopulären Themas angenommen und daraus ein komplettes Album in Szene gesetzt. Der Bund für’s Leben ist ja zumindest in westlichen Ländern einigermaßen verrufen, weil altmodisch und unzeitgemäß, passt nicht so ganz zum wachsenden Selbstverwirklichungsdrang, zu all den wunderbaren Versprechungen und Verheißungen, die das bunte Leben aus Speed-Dating, Tinder und Optimierungsangeboten bereithält. Verbindlichkeit ist out, Oberfläche rules, jeder ist sich selbst … etc. Dagegen die Geschichte einer Braut, deren Bräutigam (Joe) auf dem Weg zum Traualtar bei einem Autounfall ums Leben kommt – erst „Save-The-Date“-Kärtchen, erst „Till Death Do Us Part“, Traum in Weiß und „I Do“, dann Trauma, Trauer, Schockstarre, Selbstvorwürfe, Sehnsüchte und zögerliches Weiterleben.


Was treibt sie dazu? Khan ist Kind einer Britin und eines pakistanischen Muslimen, die Eltern sind geschieden und haben ihr dennoch ein Bild von der Ehe vermittelt, das sie, wie sie selbst sagt, im positiven Sinne stark geprägt hat. Eine weitere Pointe: Ihr Vater hatte kurzzeitig vor, seine Natasha den Glaubensregeln gemäß einer Zwangsheirat zuzuführen, erst als seine Frau und die Tochter lautstark und wütend protestierten, nahm er davon Abstand. Genug erlebt also, um ihre Erfahrungen auf dieser, ihrer Bühne zu verarbeiten, um die Erlebnisse in der heutigen Gesellschaft zu reflektieren und die eigene Meinung zu justieren. “In all relationships you have this romantic ideal at the beginning, and all of these projections and Cinderella ideals that you’ll meet someone who’ll satisfy your every need, then once you get married you’re off the hook and they’ve rescued you – everything’s going to be fine”, sagte sie dem Portal Gigwise in einem Interview, “Deep down, we all have that wish that someone else will do the work for us, of keeping us happy forever. It’s a high price to pay and expectation to have.”



Der Verlust jeglicher Illusion, jeglicher Romantik durch den Tod des Partners – sie fährt harte Geschütze auf und schickt die Protagonistin auf eine kathartische Reise, die zuweilen wie ein Höllentrip anmutet. Allein an den Plätzen, die sie zu zweit besuchen sollten, fällt die Braut auf sich selbst zurück, hadert mit Zweifeln, stößt Verwünschungen aus und fühlt sich verlassen von allem und jedem. Je trüber und trostloser die Situation, desto zurückgenommener und bedrohlicher die Musik dazu, abgesehen vom technoiden Flackern des Tracks „Sunday Love“ und der synthetischen Irrlichterei von „In God’s House“ ist hier alles ein Raunen, Barmen, Sirren und Dräuen, gibt es Engelschöre, Harfentöne und allerlei Geräuschgrollen.

Bewusst sucht Khan die Nähe zu Vorbildern wie Björk und PJ Harvey, mehr denn je entfernt sie sich wie diese vom Liedhaften und der Idee der bloßen Unterhaltung. Zusammen mit den Langzeithelfern Simone Felice, Dan Carey und Ben Christophers gelingt ihr so ein einigermaßen schwer verdauliches, düsteres Werk, kaum zu vergleichen mit den weitaus poppigeren Stücken des Vorgängers „The Haunted Man“. Eine klare Ansage gibt es auch dazu: „It’s liberating to make an album that’s just a story-telling piece and inhabits a different universe to the ‘radio world’. But I’m still proud of it and feel that people might understand it.” Und auch wenn man so leicht den Eindruck bekommen könnte, sie und ihr Alter Ego Bat For Lashes wären fürchterlich kompliziert – das möchte sie dann doch noch erwähnt haben: “There’s definitely a witch in me, but like anyone being I’m very complex – but in my general day to day life I love a cup of tea and an episode of Girls. I’m only human after all.” http://www.batforlashes.com/

Fotos: Neil Krug

Keine Kommentare: