Shura
„Nothing’s Real“
(Polydor)
Wer das aus eigener Erfahrung kennt, sollte sich natürlich zuallererst einmal schämen: Der Blick in die Tagebucheinträge Heranwachsender (und seien es auch die der eigenen) ist ja grundsätzlich ein verbotener, schließlich werden hier Dinge niedergeschrieben, die für neugierige Erwachsenenaugen überhaupt nicht gedacht sind, sondern der Vergegenwärtigung, dem Trost, der wehmütigen Erinnerung und der Bewältigung von Wut, Angst und Enttäuschung dienen. Nun ist diese altehrwürdige Tradition in Zeiten der fragwürdigen Zurschaustellung intimster Details in gierigen Online-Netzwerken vor allem bei jungen Menschen gerade nicht mehr so en vogue, um so mehr rührt einen die unverstellte Sicht auf die Gefühlswelt derselben. Und auch wenn Aleksandra Lilah Denton aka. Shura dem Teenager-Alter schon entwachsen ist – ihr Debütalbum gibt einem dennoch das Gefühl, beim Durchblättern sehr persönlicher Notizen ertappt worden zu sein.
Die Tochter einer russischen Schauspielerin und eines britischen Filmemachers hatte ja zunächst andere Ziele im Blick und liebäugelte mit einer hoffnungsvollen Fußballkarriere bei einem namhaften Klub in ihrer Heimatstadt Manchester. Dass Shura dennoch dem musikalischen Talent den Vorzug gab, sollte sich in den kommenden Jahren als gute Wahl erweisen, das aktuelle Album folgt einer großen Zahl verheißungsvoller Singles und kann mit seinem beschwingten Synthpop mühelos einen gleichberechtigten Platz zwischen den Chvrches, La Roux, Robyn und Purity Ring behaupten.
Von entwaffnender Einfachheit wie erwähnt die Texte.
Denton meidet bewusst alles Verkopfte, Verklausulierte, Metaphern findet man bei ihr ebensowenig wie den großen, gesellschaftlichen Kontext. Es geht hier tatsächlich um nichts anderes als die Niederschrift der (was man unterstellt) eigenen Erfahrungen des alltäglichen Lebens und Liebens, sie dokumentiert Trennungen und Enttäuschungen in all ihren Facetten, singt über die Sprachlosigkeit angesichts auseinanderklaffender Vorstellungen und Wünsche („Tongue Tied“), macht hier dem Gegenüber Mut („Indecision“) und will dort das Unausweichliche nicht sehen („What It’s Gonna Be?“). Es ist der innere Widerstreit aller, die merken, dass die kindliche Sorglosigkeit nicht mehr lange zu haben sein wird („No, I'm no child but I don't feel grown up”/What Happened To Us?), es kann also nicht schaden, etwas länger und genauer hinhören. Vor allem, wenn es so gut klingt wie hier. http://weareshura.com/
13.11. Berlin, Musik und Frieden
14.11. Hamburg, Terace Hill
15.11. Köln, Yuca
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